VwGH vom 25.06.2007, 2007/17/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des GO in M, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A/7, gegen den Bescheid der Dienststelle für Landesabgaben beim Amt der Kärntner Landesregierung vom , Zl. LABG-2/1/2006, betreffend Nächtigungstaxe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Aus der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde und dem vom Verfassungsgerichtshof vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde L dem Beschwerdeführer Nächtigungstaxe in der Höhe von EUR 65,50 vor. Der Vorschreibung lagen 131 abgabepflichtige Nächtigungen und der Wert der Nächtigungstaxe in der Höhe von EUR 0,50 pro Nächtigung gemäß Kärntner Orts- und Nächtigungstaxengesetz, LGBl. Nr. 144/1970 idF LGBl. Nr. 97/2005 (K-ONTG), zu Grunde.
1.2. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abwies. In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde eingehend mit dem Argument des Beschwerdeführers auseinander, dass die kurzfristige Erhöhung der Nächtigungstaxe von EUR 0,25 auf EUR 0,50 ab Jänner 2006 durch eine im Dezember 2005 kundgemachte Novelle zum Orts- und Nächtigungstaxengesetz ihn in seinen Rechten verletze. Die belangte Behörde geht in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen eines Schutzes des Vertrauens auf einen unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage ein. Durch die Novelle LGBl. Nr. 97/2005 habe der Landesgesetzgeber "bei den Einhebungs- und Entrichtungspflichten" weder die Wirtschaftlichkeit von Investitionen vernichtet, noch sei die Erhöhung der Nächtigungstaxe sowie die Reduzierung der Abgabenfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes abrupt eingeführt worden. Die Beschlussfassung betreffend die Regierungsvorlage der bezeichneten Novelle in der Kärntner Landesregierung sei Mitte September 2005 erfolgt, es seien auch mit den Interessensvertretungen politische Gespräche geführt worden. Der Kärntner Landtag habe dem Gesetzesentwurf am die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt. Es seien auch "alle Vorstufen und Stufen des Gesetzwerdungsverfahrens (unter regem medialen Interesse) durchgezogen" worden.
Die belangte Behörde setzt sich in der Folge mit weiteren verfassungsrechtlichen Einwänden des Beschwerdeführers auseinander. Abschließend wird zu gemeinschaftsrechtlichen Bedenken in der Berufung ausgeführt, dass keine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit festzustellen sei. Hinsichtlich des Sekundärrechtes sei festzuhalten, dass bei Landes- und Gemeindeabgaben "in der Regel bloß Art. 33 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie (74/388/EWG) bzw. Art. 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie (92/12/EWG) angesprochen" werde. Die vom Beschwerdeführer genannte Richtlinie 19/314/EWG betreffe die Harmonisierung der Verbraucherschutzrechte bei Pauschalreisen, weise jedoch keinen abgabenrechtlichen Bezug auf und könne somit die Nächtigungstaxe außer Betracht bleiben.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1529/06, ab und trat sie mit weiterem Beschluss vom , B 1529/06, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
1.4. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird die Verletzung im Recht auf "Nicht-Abfuhr der Nächtigungstaxen für Jänner 2006, die von den Abgabenschuldnern rechtlich nicht verlangt bzw. faktisch nicht 'abgezogen' werden können, bzw. in seinem Recht auf Beachtung zivilrechtlicher/europarechtlicher Unmöglichkeiten und Unerlaubtheiten", geltend gemacht.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird in Ausführung des oben wiedergegebenen Beschwerdepunktes neuerlich geltend gemacht, dass die kurzfristige Änderung der Nächtigungstaxe dazu geführt habe, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf Verbraucherschutzrecht insbesondere auch der Europäischen Gemeinschaften die von ihm einzuhebende Abgabe im Monat Jänner nicht auf den Konsumenten überwälzen habe können.
Da in dem solcherart formulierten und ausgeführten Beschwerdepunkt nicht nur die Behauptung liegt, durch die Anwendung einer gegen Verfassungsrecht (den innerstaatlichen Vertrauensschutz als an den Gesetzgeber gerichtetes Verbot) verstoßenden generellen Norm in Rechten verletzt zu sein (eine Beschwerdebehauptung, die für sich allein die Beschwerdelegitimation nicht begründet), sondern auch die Behauptung der Verletzung in Rechten, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, zu erblicken ist, ist die Beschwerde als zulässig anzusehen.
2.2. Soweit die Beschwerdeausführungen zur Unmöglichkeit der Überwälzung der kurzfristig vorgenommenen Erhöhung der Abgabe auf den Konsumenten auch (neuerlich) den Vorwurf der Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes enthält, betrifft dieses Vorbringen nicht die Verletzung einfach-gesetzlicher Bestimmungen, sondern die Verletzung des aus der Verfassung abzuleitenden Vertrauensgrundsatzes durch die anzuwendenden generellen Rechtsvorschriften. Es beinhaltet insoweit den Vorwurf der Anwendung verfassungswidriger Regelungen. Der ergänzten Beschwerde ist in diesem Zusammenhang nichts zu entnehmen, was ungeachtet des Umstandes, dass der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen diese generellen Bestimmungen hatte, zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof führen müsste. Insofern ist auf diesen Aspekt der Beschwerdeausführungen nicht mehr näher einzugehen.
2.3. Soweit in dem Vorwurf der mangelnden Überwälzbarkeit der beim Beschwerdeführer eingehobenen Nächtigungstaxe auf die Konsumenten im Hinblick auf bestehende gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Richtlinie vom über Pauschalreisen, 90/314/EWG, der Vorwurf der Verletzung von Gemeinschaftsrecht erblickt werden kann, ist dazu Folgendes zu sagen:
Die Frage, ob zwingende Gemeinschaftsrechtsbestimmungen einem Wirtschaftstreibenden die Überwälzung einer erst nach Vertragsabschluss mit seinem Kunden erhöhten und bei ihm eingehobenen Abgabe auf den Kunden unmöglich machen, ist im gegebenen Zusammenhang nur für die Frage relevant, ob die vom Beschwerdeführer angesprochene faktische Situation, die sich aus der Beachtung der erwähnten zivilrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in Verbindung mit der gegenständlichen Besteuerung für ihn ergibt, dazu führt, dass die Einhebung der Abgabe gegen Gemeinschaftsrecht verstieße. Anders als im Falle einer Verfassungswidrigkeit der angewendeten generellen Norm wäre auf Grund der Rechtsprechung des EuGH zum sogenannten Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine derartige Rechtswidrigkeit der angewendeten Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung wahrzunehmen (und gegebenenfalls unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Falllösung zu Grunde zu legen oder jedenfalls die mit Gemeinschaftsrecht (insbesondere im Fall eines Widerspruchs zu Primärrecht oder zu nicht unmittelbar anwendbaren Richtlinienbestimmungen) in Konflikt stehende innerstaatliche Bestimmung unangewendet zu lassen; vgl. das Urteil des EuGH in der Rs 106/77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629, Rdnr. 17 f).
Ein derartiger Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht liegt jedoch hier nicht vor.
Was den Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf die Zulässigkeit der Erhebung der in Rede stehenden Abgabe betrifft, ist zunächst davon auszugehen, dass - worauf die belangte Behörde bereits hingewiesen hat - hinsichtlich der indirekten Steuern allenfalls die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG, oder Art. 3 der Verbrauchsteuerrichtlinie, 92/12/EWG ("Systemrichtlinie"), einschlägig sein könnten (vgl. zu Art. 3 der Systemrichtlinie allgemein auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0099). Auch dem Beschwerdevorbringen ist diesbezüglich jedoch kein Anhaltspunkt zu entnehmen, dass die vorliegende Abgabenvorschrift mit den genannten Bestimmungen in Konflikt stünde.
Ein Verstoß gegen die vom Beschwerdeführer genannten konsumentenschutzrechtlichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts durch eine Besteuerung, die zu dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Effekt führen könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Auswirkungen sind vielmehr allenfalls die wirtschaftlichen Folgen der Einhaltung der von ihm genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen. Die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Konsequenz wäre die Auswirkung des Zusammenspiels der Abgabenvorschrift mit der auf Gemeinschaftsrecht basierenden zivilrechtlichen Rechtslage. Ein Verstoß der Abgabenbestimmung gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen der Zivilrechtslage wird damit nicht aufgezeigt. Die vom Beschwerdeführer genannten Regelungen stehen daher weder der Einführung noch der Erhöhung einer bereits bestehenden Abgabe entgegen.
Soweit in dem Vorbringen, dass die Erhöhung so überraschend und kurzfristig erfolgt sei, dass die Überwälzung nicht möglich gewesen wäre, auch der Vorwurf gelegen sein sollte, dass gegen den gemeinschaftsrechtlich verankerten Vertrauensschutz verstoßen worden wäre, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Bindung an die vom EuGH in seiner Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, zu denen auch der Grundsatz der Rechtssicherheit und die hier einschlägige Spielart des Vertrauensschutzes zählen, für den Gesetzgeber und die Organe der Vollziehung der Mitgliedstaaten, besteht (nur) im Anwendungsbereich dieser Rechtsgrundsätze, also bei der Auslegung und Umsetzung von Gemeinschaftsrecht (vgl. zur Ableitung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts in der Rechtsprechung des EuGH und deren Funktion als Maßstab bei der Ausfüllung von Regelungslücken des Gemeinschaftsrechts Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 220 EG Rz 14).
Soweit daher der EuGH den Grundsatz des Vertrauensschutzes als ein Verbot der Rückwirkung von Rechtsakten bzw. als Schranke für die überraschende Änderung von Rechtsnormen unter bestimmten Voraussetzungen verstanden hat (der EuGH leitet diesen Aspekt des Vertrauensschutzes aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ab, dem auch die Bedeutung zukommt, dass die Rechtsfolgen des Handelns des Einzelnen vorhersehbar sein müssen, vgl. dazu näher Haibach, Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens, NVwZ 1998, 456 (459 f)), kommen die sich daraus ergebenden Einschränkungen nur dann zum Tragen, wenn es um die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht geht (vgl. , Demand, Slg. 1998 I-8529, Rdnr. 35, unter Hinweis auf die Urteile vom , Rs 5/88, Wachauf, Slg. 1989, 2609, und vom , Rs C-2/92, Bostock, Slg. 1994, I-955).
Die hier vorliegende Abgabensache weist keine derartigen Bezüge auf.
Abgesehen davon, würde aber selbst die Annahme der Anwendbarkeit der nach der Rechtsprechung des EuGH bestehenden Beschränkungen für den Gesetzgeber bei der Änderung von Rechtslagen nicht dazu führen, dass eine Verletzung des Vertrauensschutzes vorläge (vgl. für den Fall einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Verordnung , Weidacher, Beitritt neuer Mitgliedstaaten, Besteuerung von Überschussbeständen von Reis bzw. Olivenöl, Rdnr. 25 ff). Bei einer faktischen Situation, wie sie im Beschwerdefall auf Grund der von der belangten Behörde dargestellten zeitlichen Abfolge der Beschlussfassung der gegenständlichen Maßnahme gegeben ist, ist nach den vom EuGH herausgearbeiteten Kriterien davon auszugehen, dass eine ausreichende Zeit für die beteiligten Verkehrskreise vorhanden war, sich auf die zu erwartende rechtliche Situation einzustellen, bzw. keine Handlungen seitens des Gesetzgebers oder ihm zurechenbarer Organe gesetzt wurden, die ein Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage hinsichtlich der Nächtigungstaxe begründen hätten können.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-69261