VwGH vom 16.05.2012, 2009/21/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Mag. Dr. Karner Mag. Dr. Mayer, Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Steyrergasse 103/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/1787-2009, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und reiste gemäß seinen Angaben am in das Bundesgebiet ein. Hier stellte er einen Asylantrag, der im April 2003 erstinstanzlich abgewiesen wurde; das Verfahren über die dagegen erhobene Berufung war bei Erlassung des hier gegenständlichen Bescheides noch anhängig.
Am heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf beantragte er am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Die Bundespolizeidirektion Graz leitete Scheineheerhebungen ein. Dabei kam es am zu einer niederschriftlichen Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers. Sie gab an, bezüglich des Abschlusses einer Scheinehe mit dem Beschwerdeführer angesprochen worden zu sein, wofür man ihr EUR 2.000,-- angeboten habe. Dieser Betrag sei ihr nach der Eheschließung auch bezahlt worden, eine Familiengemeinschaft mit dem Beschwerdeführer habe jedoch nie bestanden.
Insbesondere im Hinblick auf diese Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers verhängte die Bundespolizeidirektion Graz gegen diesen mit Bescheid vom ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot. Die dagegen erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) - nachdem ein erster Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufgehoben worden war - mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom mit der Maßgabe ab, dass der angefochtene Bescheid als Rückkehrverbot bestätigt werde. Dabei stützte sich die belangte Behörde auf § 62 Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Abs. 2 bis 5 und § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm §§ 86, 87 und 125 Abs. 1 und 3 FPG.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im Juni 2009 gültige Fassung Bezug genommen.
Vorauszuschicken ist weiter, dass der Beschwerdeführer (jedenfalls bei Erlassung des angefochtenen Bescheides) unstrittig noch Asylwerber war. Angesichts dessen ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass gegen ihn kein Aufenthaltsverbot, sondern nach der - gemäß der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 1 FPG im vorliegenden Fall anzuwendenden - Rechtslage nach dem FPG nur ein Rückkehrverbot erlassen werden konnte.
Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass gegen den mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Beschwerdeführer die Erlassung eines Rückkehrverbotes nur unter den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0402). Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (bzw. wie hier eines Rückkehrverbotes) nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0170).
Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer den Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht habe, sodass ein Rückkehrverbot, auch nach den Maßstäben des § 86 Abs. 1 FPG, verhängt werden könne.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Eingehen einer Scheinehe. Er beschränkt sich dabei aber auf den Vorwurf, es seien keine "aktuellen Einvernahmen" durchgeführt worden und die belangte Behörde habe sich mit einem "Parteiengehör" vom Jänner 2005 begnügt.
Dieser Einwand ist schon insofern unrichtig, als der Beschwerdeführer noch im Mai 2009 zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Diese hat er dann in der Folge auch mit Datum erstattet. Darin wurde allerdings weder der Abschluss einer Scheinehe bestritten noch wurden neuerliche Einvernahmen oder die Vornahme sonstiger Ermittlungsschritte beantragt. Vielmehr beschränkte sich der Beschwerdeführer auf eine Darstellung seiner aktuellen persönlichen Verhältnisse und auf die Behauptung, von ihm gehe keine weitere Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Schon angesichts dessen kann aber nicht davon die Rede sein, der belangten Behörde seien im gegebenen Zusammenhang Ermittlungsmängel anzulasten, oder ihrer Beweiswürdigung begegneten irgendwelche Bedenken (vgl. zur im Übrigen nur eingeschränkten Überprüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053).
Das Schwergewicht der Beschwerde liegt der Sache nach aber ohnehin in der Behauptung, ein einmaliges, vor über fünf Jahren gesetztes Fehlverhalten könne nicht ausreichen, im Grunde des § 86 FPG ein Rückkehrverbot zu verhängen. Es sei - so die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer schon seit sieben Jahren im Bundesgebiet lebe, dass die "verfahrensgegenständliche Ehe" vom datiere und dass er sich "letztmalig am " (offenbar gemeint: , das Datum der Antragstellung im Niederlassungsverfahren) auf diese Ehe gestützt habe; in weiterer Folge habe er (Beschwerdeführer) nie unrichtige Angaben gemacht, und es komme derzeit die Erteilung eines Aufenthaltstitels und demnach eine Bewilligung nach dem AuslBG (insbesondere wegen des noch anhängigen Asylverfahrens) ohnehin nicht in Betracht.
Diesem Vorbringen ist einleitend zu erwidern, dass nach der oben angesprochenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Erfüllung des Tatbestandes nach § 60 Abs. 2 Z 9 FPG (rechtsmissbräuchliche Schließung einer Aufenthaltsehe zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen) regelmäßig für das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG spricht. Dass im vorliegenden Fall die Eheschließung bereits knapp mehr als fünf Jahre zurückliegt, ändert daran nichts (vgl. etwa, mit Abgrenzung zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0237). Wenn der Beschwerdeführer aber behauptet, er habe sich "letztmalig" am auf die verfahrensgegenständliche Ehe (bei Stellung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels) gestützt und in weiterer Folge nie unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, so ist ihm zu entgegnen, dass er auch in der vorliegenden Beschwerde - wenn nach dem Gesagten auch erfolglos - nach wie vor den Abschluss einer Scheinehe bestreitet. Schließlich ist im gegebenen Zusammenhang aber auch der Hinweis nicht zielführend, es komme (derzeit) die Erteilung - insbesondere - eines Aufenthaltstitels ohnehin nicht in Betracht. Das ist nämlich bei Aufdecken einer Scheinehe stets der Fall, die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG und die daraus ableitbare Annahme einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenrechts bleibt davon aber unberührt. Diese ergibt sich aus dem Abschluss der verpönten Ehe als solchem und daraus, dass aus dem rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Aufenthaltsehe zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen geschlossen werden muss, der Fremde werde auch in Zukunft maßgebliche Verstöße gegen die Fremdenrechtsordnung begehen. Eine Konstellation, in der nicht von dieser Annahme auszugehen wäre (zu einer solchen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0661), liegt hier nicht vor.
Zutreffend ist allerdings der Beschwerdevorwurf, Ausführungen im bekämpften Bescheid über "ständige rechtskräftige Bestrafungen und Verurteilungen" des Beschwerdeführers hätten keine sachverhaltsmäßige Grundlage. Es ist auch richtig, dass die behördlichen Erwägungen, die Inanspruchnahme eines Schleppers durch den Beschwerdeführer bei seiner Einreise nach Österreich verstärke die Notwendigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbotes, verfehlt sind. Das hat der Verwaltungsgerichtshof zu Bescheiden der belangten Behörde, in denen immer wieder ähnliche Überlegungen angestellt werden, bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0138). Dessen ungeachtet ist aber die getroffene Gefährdungsprognose nach dem Vorgesagten im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Nicht zu beanstanden ist auch die behördliche Interessenabwägung nach § 66 (iVm § 62 Abs. 3) FPG. Eine solche hat die belangte Behörde, anders als der Beschwerdeführer meint, durchgeführt. Wenn sie dabei zu dem Ergebnis gelangte, angesichts des Schließens einer Aufenthaltsehe sei das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Rückkehrverbotes derart gewichtig, dass die aus dem bisherigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Tätigkeit als Prospektverteiler abzuleitenden gegenläufigen Interessen zurückzutreten haben, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Dass die (humanitären), allenfalls einer Abschiebung entgegen stehenden Verhältnisse im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers im Rahmen seines Asylverfahrens zu prüfen sind und nicht Thema des gegenständlichen Rückkehrverbotsverfahrens bilden, wurde in diesem Zusammenhang im bekämpften Bescheid richtig aufgezeigt (vgl. auch dazu das vorhin genannte hg. Erkenntnis vom ).
Zusammenfassend erweist sich die vorliegende Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-69259