VwGH vom 15.09.2011, 2007/17/0093

VwGH vom 15.09.2011, 2007/17/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des S in F, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 3 VL 109-61/1-2006, betreffend Kanalanschlussbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H in D), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer für ein näher genanntes Objekt in der mitbeteiligten Gemeinde ein Kanalanschlussbeitrag in der Höhe von EUR 7.183,70 vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer ist als Immobilienmakler tätig und hat in dem betroffenen Gebäude auch ein Büro.

Diese Abgabenfestsetzung erfolgte nach vergeblichen Versuchen der mitbeteiligten Gemeinde, eine Vermessung der Fläche des anschlusspflichtigen Gebäudes durchzuführen, auf Grund der zur Verfügung stehenden Planunterlagen unter Zugrundelegung von 3,295 Bewertungseinheiten. Dabei wurde die Fläche unter Heranziehung der Außenmaße laut Plan und eines pauschalen Abzugs von 15 % für Mauern und Stiegen ermittelt. Für die Wohnungen wurden 218,68 m2, für das Büro des Beschwerdeführers 25,06 m2 der Berechnung zu Grunde gelegt.

1.2. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Im Berufungsverfahren kam es nach weiteren Verschiebungen von Terminen für die Vermessung seitens des Beschwerdeführers am schließlich doch zu einer Vermessung des Objekts in Anwesenheit des Beschwerdeführers. Die Vermessung wurde von einem Mitarbeiter eines staatlich befugten und beeideten Zivilingenieurs für Bauwesen vorgenommen. Aufgrund dieser Vermessung wurden die der Abgabenvorschreibung zu Grunde gelegten Bewertungseinheiten auf 2,237 reduziert. Mit Berufungsbescheid vom des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde wurde der Kanalanschlussbeitrag daher mit EUR 4.877,07 neu festgesetzt. Dabei wurden für die Wohnung eine Fläche von 218,68 m2 (zu 0,01 Bewertungseinheiten je m2, also 2,187 BWE) und für das Büro 25,06 m2 (zu 0,002 Bewertungseinheiten je m2, also 0,05 BWE) angenommen.

1.3. Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach detaillierter Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens (insbesondere der Versuche der Gemeindebehörden, einen Termin für die Vermessung des Objekts zustande zu bringen, und die verschiedenen Absagen des Beschwerdeführers hinsichtlich bereits vereinbarter Termine, sowie das Vorbringen des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren, dass ihm das Erhebungsblatt, welches anlässlich der Vermessung erstellt worden war, nicht übermittelt worden sei) und der wesentlichen Rechtsgrundlagen nach dem Kärntner Gemeindekanalisationsgesetzes 1999, K-GKG 1999, und der Kärntner Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 128/1991, aus, dass die Vorstellungsbehörde die Beweiswürdigung der Gemeindebehörde nur auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen habe. Es seien keine Zweifel an der Vollständigkeit der Beweiserhebung und der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde angestellten Überlegungen gegeben. Der Beschwerdeführer habe zwar von der Möglichkeit, zu dem ihm übermittelten Berechnungsblatt Stellung zu nehmen, Gebrauch gemacht, dabei jedoch nur allgemein eingewendet, dass er mit den 2,237 Berechnungseinheiten nicht einverstanden sei, weil die Berechnungsgrundlage nicht korrekt sei. Der Beschwerdeführer sei aber bereits beim Ortsaugenschein anwesend gewesen und habe dabei Einsicht in das Erhebungsblatt genommen. Dennoch sei ihm auch Gelegenheit gegeben worden, seine Einwendungen zu konkretisieren. Es sei dem Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren umfassend Gelegenheit gegeben worden, von den durchgeführten Beweisen Kenntnis zu nehmen und sich hiezu zu äußern. Insbesondere habe der Beschwerdeführer in das in seiner Anwesenheit aufgenommene Erhebungsblatt Einsicht nehmen können und sei ihm auch das Berechnungsblatt übermittelt worden. Aus diesen Gründen sei der Behauptung einer Verletzung des Parteiengehörs nicht zu folgen. Der Beschwerdeführer bringe keine Sachargumente vor, sondern stelle ganz allgemein die Berechnungsgrundlagen in Frage, ohne dies weiter zu begründen. Subjektive Rechte des Beschwerdeführers seien im Abgabenverfahren daher nicht verletzt worden.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat eine Gegenschrift erstattet, in der keine Anträge gestellt werden.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Die gegenständliche Abgabenvorschreibung erfolgte auf Grund des Kärntner Gemeindekanalisationsgesetzes (K-GKG), LGBl. Nr. 62/1999, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde H vom , Zl. 811/2001, mit der der Beitragssatz für eine Bewertungseinheit mit EUR 2.180,18 festgesetzt wurde.

§§ 13 und 14 K-GKG lauten:

"§ 13

Ausmaß

(1) Die Höhe des Kanalanschlussbeitrages ergibt sich aus der Vervielfachung der Summe der Bewertungseinheiten für das anzuschließende Bauwerk oder die anzuschließende befestigte Fläche mit dem Beitragssatz (§ 14).

(2) Die Zahl der Bewertungseinheiten ist nach den in der Anlage zu diesem Gesetz enthaltenen Ansätzen zu ermitteln.

(3) Ein nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes entrichteter Aufschließungsbeitrag ist auf den Kanalanschlussbeitrag anzurechnen. Übersteigt der anzurechnende Aufschließungsbeitrag die Höhe des Kanalanschlussbeitrages, ist dem Abgabenschuldner der Unterschiedsbetrag zu erstatten.

§ 14

Beitragssatz

(1) Der Beitragssatz ist vom Gemeinderat durch Verordnung festzusetzen. Bei der Festsetzung des Beitragssatzes ist einerseits auf die Errichtungskosten und allfällige der Gemeinde aus öffentlichen Mitteln gewährte Beiträge sowie sonstige Eigenleistungen der Gemeinde und andererseits auf die Summe der Bewertungseinheiten, die sich im Zeitpunkt der Festsetzung des Kanalisationsbereiches bei allen anlässlich der Errichtung anzuschließenden Grundstücken oder Bauwerken ergeben, Bedacht zu nehmen. Der Beitragssatz darf 2543,55 Euro pro Bewertungseinheit nicht übersteigen."

2.1.2. Die Bewertungseinheiten sind in der "Anlage (zu § 13 Abs 2)" geregelt. Dabei sind Wohnungen und ausschließlich landwirtschaftlichen Wohnzwecken dienende Wohnungen bis 130 m2 gleich eingestuft, über 130 m2 hinausgehende Teile landwirtschaftlichen Wohnzwecken dienende Wohnungen sind mit einem Fünftel des sonst für Wohnungen geltenden Wertes anzusetzen. Gleiches gilt für Geschäftsräumlichkeiten aller Art. 2.2. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere dagegen, dass die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde den Verfahrensmangel, der seiner Ansicht nach auf Grund der Unterlassung der Übermittlung des am aufgenommenen Erhebungsblattes gegeben gewesen sei, nicht wahrgenommen habe.

Er erblickt eine Rechtsverletzung darin, dass die belangte Behörde nicht auf seine Einwände hinsichtlich des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Betriebes eingegangen sei und auch nicht begründet habe, weshalb der Zugang zu seinem Büro nicht entsprechend zu berücksichtigen sei.

2.3. Wenngleich in dem dem Beschwerdeführer im Verfahren übermittelten sogenannten Berechnungsblatt nur das Gesamtergebnis der Flächenermittlung ersichtlich war, war der Beschwerdeführer bei der Ausmessung des Gebäudes anwesend. Dabei hatte er Einsicht in das Erhebungsblatt bzw. konnte direkt bei der Vermessung überprüfen, welche Flächen der Mitarbeiter des Zivilingenieurs in welcher Art vermaß und in die Flächenberechnung einbezog. Die belangte Behörde hat daher zutreffend darauf verwiesen, dass es am Beschwerdeführer gelegen gewesen wäre, konkret anzugeben, inwiefern die Berechnung unzutreffend sein sollte. Gerade das vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis VwSlg. 5350 A/1960 zeigt, dass es entscheidend darauf ankommt, dass die Behörde der Partei das Ergebnis ihrer Erhebungen mitteilt und ausreichend Zeit einräumt, allfällige zusätzliche Beweisanträge zu stellen bzw. Beweismittel zur Untermauerung ihres Standpunktes anzubieten. Mit dem Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer eine solche Gelegenheit geboten. Der Beschwerdeführer hat zu diesem Schreiben nur mitgeteilt, dass er "um eine genaue Auskunft erteilen zu können", das "Aufmaßprotokoll" benötige. Dass die Gemeindebehörde ihn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er sein Akteneinsichtsrecht nur bei der Behörde ausüben könne, wie in der Vorstellung gerügt wurde, begründet keinen von der Vorstellungsbehörde wahrzunehmenden Verfahrensmangel. Zum Unterschied von jenem Sachverhalt, der in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis angesprochen wurde, hat der Beschwerdeführer keine weiteren Beweismittel in Aussicht gestellt, sondern lediglich das Ergebnis einer in seiner Gegenwart durchgeführten Vermessung eines in seinem Eigentum stehenden Gebäudes bestritten. Der Beschwerdeführer hatte insofern genaue Kenntnis davon, wie die Behörde zu ihrem Beweisergebnis gekommen war und hätte dabei unterlaufene Mängel konkret rügen können. Durch die Einräumung der neuerlichen Stellungnahmemöglichkeit wurde dem Beschwerdeführer auch die im zitierten Erkenntnis für erforderlich erachtete Möglichkeit eingeräumt, allenfalls noch weitere konkrete Beweisanträge zu stellen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich daher grundlegend von jenem, auf den der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis Bezug nahm.

Die belangte Behörde konnte daher zutreffend davon ausgehen, dass die Abgabenbehörden der Gemeinde ausreichende Erhebungsschritte gesetzt hatten und in einem der Kärntner LAO entsprechenden Verfahren zu dem der Abgabenvorschreibung zu Grunde gelegten Flächenausmaß gekommen waren.

Eine mangelhafte Begründung des mit Vorstellung bekämpften Gemeindebescheids lag insoweit nicht vor.

2.4. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, die Behörden hätten das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht beachtet, ist der Beschwerdeführer ebenfalls darauf zu verweisen, dass er im Abgabenverfahren kein näheres Sachverhaltsvorbringen erstattete.

Die von den Gemeindebehörden zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, dass selbst eine allenfalls bestehende Nebenerwerbslandwirtschaft den Wohnraum nicht zu einem solchen machte, der "ausschließlich landwirtschaftlichen Wohnzwecken dient", ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Auch in der Beschwerde werden keine konkreten Sachverhaltsbehauptungen aufgestellt, die Zweifel an der Annahme der Behörden wecken müssten.

Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Gemeindebehörden und die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätten kommen können, wenn sie (etwa auf Grund ergänzender Beweiserhebungen) davon hätten ausgehen können, dass der Beschwerdeführer tatsächlich auch einen landwirtschaftlichen Betrieb führe.

Ein Verfahrensmangel des letztinstanzlichen Gemeindebescheids bzw. des angefochtenen Bescheides ist daher auch in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.

2.5. Dennoch ist der Beschwerde auf Grund der folgenden Überlegungen Erfolg beschieden:

Der Berufungsbescheid des Gemeindevorstands vom stellte lediglich fest, dass das Objekt vermessen werden konnte und der Beschwerdeführer bei der Vermessung anwesend gewesen sei. Auf Details, welche Teile des Gebäudes als Wohnung und welche Teile als Büro zu werten seien, ging der letztinstanzliche Gemeindebescheid nicht ein. Dieser Gemeindebescheid litt insoweit an einem Begründungsmangel.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid ungeachtet dessen nicht auf das Vorbringen hinsichtlich der Berücksichtigung der Fläche des Zugangs zum Büro des Beschwerdeführers eingegangen. Der Beschwerdeführer hat schon in der Vorstellung darauf verwiesen, dass der Zugang zu seinem Büro bei der Berechnung der Bewertungseinheiten nicht berücksichtigt worden sei. Im Hinblick auf die unterschiedliche Bewertung von Wohnfläche und Bürofläche hätte sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen auseinander setzen müssen. Sie hätte entweder den bei ihr bekämpften Bescheid wegen des Verfahrensmangels aufzuheben gehabt oder aber selbst die entsprechenden Feststellungen und Begründungen treffen müssen, die für die Beurteilung, dass der Einwand unbeachtlich sei, erforderlich wären.

2.6. Da die belangte Behörde den aufgezeigten Verfahrensmangel des Bescheids des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am