VwGH vom 19.04.2007, 2004/15/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der C H in C, Spanien, vertreten durch Dr. Wilfried Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0026-F/03, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe ab Mai 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom die Gewährung von Familienbeihilfe für ihre drei Kinder ab März 1997. Sie sei österreichische Staatsbürgerin und lebe mit ihren drei studierenden Kindern (ebenfalls österreichischen Staatsbürgern) gemeinsam in Spanien. Die zwischen der Beschwerdeführerin und dem für seine drei Kinder unterhaltspflichtigen österreichischen Staatsbürger W.H. in D., Österreich, geschlossene Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes F. vom aus dem überwiegenden Verschulden des W.H. geschieden worden. Der Kindesvater W.H. komme seiner Unterhaltsverpflichtung von monatlich 800 S nach. Bis zum Februar 1997 sei die Familienbeihilfe an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Die Familienbeihilfe sei bis einschließlich April 1997 auf Grund der nachgewiesenen Unterhaltszahlungen an W.H. und nicht - wie im Antrag angegeben - an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden. Da die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Die Familienbeihilfe sei bis einschließlich April 1997 an den Kindesvater W.H. ausbezahlt worden. Um Streitigkeiten über die Weiterleitung der Familienbeihilfe an die Kinder zu vermeiden, hätten die Beschwerdeführerin und ihre drei Kinder direkt die Familienbeihilfe beantragt. Es sei unbillig, den Kindern, welche wirtschaftliche Empfänger der Familienbeihilfe seien, diese nur deshalb nicht zuzuerkennen, weil sie unzumutbaren Streitigkeiten mit ihrem Vater aus dem Weg gehen wollten. Die Beschränkung des Bezugs von Familienbeihilfe auf in Inland wohnhafte Kinder widerspreche dem Gemeinschaftsrecht. Es stehe den Eltern frei, die Auszahlung der Familienbeihilfe selbst zu bestimmen. Der Vater W.H., dem bis einschließlich April 1997 die Familienbeihilfe ausbezahlt worden sei, könne zu Gunsten des anderen Elternteiles auf seinen vorrangigen Anspruch verzichten. Die Beschwerdeführerin beantragte sodann, "den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die seit Februar 1997 ausständigen Familienbeihilfezahlungen im gesetzlichen Ausmaß gewährt werden".
Nachdem die Beschwerdeführerin mehrere Urkunden betreffend das Studium ihrer Kinder vorgelegt hatte, wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung ab. Da die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 FLAG nicht erfülle, könnten Familienleistungen in Österreich nicht gewährt werden. Lediglich der in Österreich lebende Vater der Kinder der Beschwerdeführerin könnte bei nachgewiesener überwiegender Kostentragung bei entsprechender Antragstellung einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründen.
Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Beschränkung des Bezuges von Familienbeihilfe auf im Inland wohnhafte Kinder widerspreche wie jede Wohnsitzklausel dem den Grundfreiheiten zentral zu Grunde liegenden Diskriminierungsverbot und den Vorgaben der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen des § 2 Abs. 1, des § 5 Abs. 3 und des § 50g Abs. 2 sowie des § 5 Abs. 4 FLAG führte die belangte Behörde aus, ein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhielten, bestehe nur insoweit, als das Gemeinschaftsrecht einen solchen Anspruch vorsehe. Eine Beschränkung des Bezugs von Familienbeihilfe auf im Inland wohnhafte Kinder werde jedoch entgegen den Ausführungen in den Eingaben der Beschwerdeführer "auf Grund Berücksichtigung obigen Rechts" nicht vorgenommen.
Im Beschwerdefall sei zunächst zu prüfen, inwieweit die Art. 72a ff der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar seien. Die Art. 72a, 73 und 74 dieser Verordnung würden auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zutreffen, weil die Beschwerdeführerin Leistungen vom spanischen Staat erhalten habe und auf Grund der geschilderten Situation den Rechtsvorschriften jenes Staates unterliege, in dem auch ihre Kinder wohnten.
Laut den vorgelegten Unterlagen habe die Beschwerdeführerin zwischen und (sc. in Österreich) als im Arbeitslosenregister eingetragene Leistungsberechtigte medizinische Unterstützung und seit keine Arbeitslosenunterstützung mehr erhalten. Weitere Nachweise über erhaltene Bezüge oder Unterlagen betreffend erhaltener Unterstützungen seien nicht vorgelegt worden. Der vom datierte Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung bescheinige, dass weder für die Beschwerdeführerin noch für deren Kinder Daten vorhanden seien. Ein Anknüpfungspunkt, weshalb die Beschwerdeführerin "auf Grund zwingender Anwendungen österreichischer Rechtsvorschriften laut obiger Verordnung" Familienleistungen von Österreich erhalten sollte, könne nicht erblickt werden. Art. 13 Buchstabe f der erwähnten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, welche über die anzuwendenden Rechtsvorschriften abspreche, stelle klar, dass die Beschwerdeführerin "unter Berücksichtigung aller Einwendungen und vorgelegten Unterlagen" den Rechtsvorschriften des spanischen Staates unterliege. Nachdem die Beschwerdeführerin im strittigen Zeitraum nach der Aktenlage weder eine Beschäftigung in Österreich ausgeübt habe oder ausübe noch Geldleistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung in Österreich erhalten habe oder erhalte, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Dem Einwand, der Vater der Kinder der Beschwerdeführerin, dem bis einschließlich April 1997 die Familienbeihilfe ausbezahlt worden sei, könne zu Gunsten des anderen Elternteiles auf seinen vorrangigen Anspruch verzichten, sei entgegenzuhalten, dass dies voraussetze, ein Kind gehöre zum gemeinsamen Haushalt der Eltern. Der Elternteil, der wegen überwiegender Haushaltsführung einen vorrangigen Anspruch habe, könne in diesen Fällen zu Gunsten des anderen Elternteiles verzichten. Da die Kinder der Beschwerdeführerin nicht zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehörten, sei diese Voraussetzung nicht gegeben.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , B 217/04-3, die an ihn gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Kinder der Beschwerdeführerin zurückgewiesen und die Behandlung der Beschwerde der Beschwerdeführerin abgelehnt. Mit Beschluss vom , B 217/04-6, hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde, deren Behandlung er abgelehnt hat, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass ungeachtet der Bezeichnung der Kinder der Beschwerdeführerin als Zweit- bis Viertbeschwerdeführer im an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz vom lediglich die dort als Erstbeschwerdeführerin Bezeichnete als alleinige Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzusehen ist, weil die von ihren Kindern vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde mit dessen erwähntem Beschluss vom in diesem Umfang zurückgewiesen worden ist und lediglich die Behandlung der Beschwerde der vor dem Verfassungsgerichtshof als Erstbeschwerdeführerin Auftretenden vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt und nur insoweit dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG, haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für näher bezeichnete Kinder.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so kann nach § 2a Abs. 2 FLAG der Elternteil, der unter näher bestimmten Voraussetzungen einen vorrangigen Anspruch hat, zu Gunsten des anderen Elternteiles verzichten.
Unter hier nicht interessierenden Voraussetzungen haben nach § 6 FLAG auch Vollwaisen und Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, Anspruch auf Familienbeihilfe für sich selbst.
Nach § 5 Abs. 3 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
§ 53 Abs. 1 FLAG idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 (nach § 50o Abs. 1 FLAG in Kraft getreten am ) lautet:
"Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."
Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der konsolidierten Fassung ABlEG Nr. L 28 vom (in der Folge: Verordnung Nr. 1408/71), gilt nach ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen.
Unter Familienleistungen sind nach Art. 1 Buchstabe u sublit. i der Verordnung Nr. 1408/71 alle Sach- oder Geldleistungen zu verstehen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, jedoch mit Ausnahme der in Anhang II aufgeführten besonderen Geburts- oder Adoptionsbeihilfen.
Familienbeihilfen sind nach Art. 1 Buchstabe u sublit. ii der Verordnung Nr. 1408/71 regelmäßige Geldleistungen, die ausschließlich nach Maßgabe der Zahl und gegebenenfalls des Alters von Familienangehörigen gewährt werden.
Familienangehöriger ist nach Art. 1 Buchstabe f sublit. i der Verordnung Nr. 1408/71 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, oder in den Fällen des Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a und des Art. 31 in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird.
Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt, dass - vorbehaltlich hier nicht interessierender Sonderbestimmungen - Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen. Soweit die hier nicht in Betracht kommenden Art. 14 bis 17 der zitierten Verordnung nicht etwas anderes bestimmen, gilt gemäß Art. 13 Abs. 2 Folgendes:
"a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
.....
f) eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Art. 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."
Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich keiner Beschäftigung mehr nachgeht und auch nicht als arbeitslos gemeldet ist, sohin jede Berufstätigkeit aufgegeben hat, nach Spanien übersiedelt ist und - nach dem Beschwerdevorbringen infolge schwerer Krankheit invalide (und offenbar ohne Erwerbstätigkeit) - in Spanien wohnt, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie - gestützt auf Art. 13 Abs. 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 - davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin selbst den Rechtsvorschriften Spaniens, des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, unterliegt (vgl. auch das (Anne Kuusijärvi), und das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0105).
Ausgehend vom behaupteten Sachverhalt, dass W.H., der Vater der drei Kinder der Beschwerdeführerin, im Streitzeitraum in Österreich erwerbstätig oder arbeitslos war und hier wohnte, unterlag dieser iSd Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften Österreichs. Es hätte diesem unter der in § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG genannten Voraussetzung der Tragung der überwiegenden Kosten des Unterhalts und dass keine andere Person für seine Kinder Familienbeihilfe bezieht, grundsätzlich Familienbeihilfe gewährt werden können, wie das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung insoweit zutreffend zum Ausdruck gebracht hat.
Nach Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, vorbehaltlich hier nicht interessierender Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.
Der Aufenthalt der Kinder in Spanien wäre sohin auch schon vor Inkrafttreten des § 53 Abs. 1 FLAG für den Beihilfenanspruch nicht schädlich gewesen, weil (der von der belangten Behörde zitierte) § 5 Abs. 3 leg. cit. insoweit vom Anwendungsvorrang des Art. 73 der Verordnung Nr. 1408/71 verdrängt war.
Im Urteil vom in der Rs C-85/99 (Vincent und Esther Offermanns) hat der EuGH ausgesprochen (Rn 34), dass die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten, was die Person des Anspruchberechtigten angeht, grundsätzlich nicht für Familienleistungen gilt. Es kam daher nicht darauf an, dass nach dem dort zu Grunde liegenden Sachverhalt der Unterhaltsvorschuss an das Kind zu leisten war, wenn der sorgeberechtigte Elternteil als Selbständiger in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.
Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist zweifelsfrei eine Familienleistung iSd Art. 1 Buchstabe u sublit. i der Verordnung Nr. 1408/71, welche einen Ausgleich von Familienlasten bezweckt und in einem staatlichen Beitrag zum Familienbudget besteht, der die Kosten des Unterhalts von Kindern verringern soll (vgl. das (Anna Humer), Rn 31). Dass unter dem Ausdruck "Familienlast" auch Familiensituationen nach einer Scheidung erfasst sind, hat der EuGH im erwähnten Urteil vom klargestellt (Rn 42 und 43).
Die Familienbeihilfe iSd FLAG ist sohin eine Familienleistung, auf welche grundsätzlich Anspruch bestehen kann, wenn der sorgeberechtigte oder der zum Unterhalt verpflichtete Elternteil den Rechtsvorschriften (iSd Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71) Österreichs unterliegt. Insoweit unterscheidet sich der dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Sachverhalt von dem dem erwähnten hg. Erkenntnis vom zu Grunde liegenden, bei welchem beide Elternteile nicht den österreichischen, sondern den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates unterlagen.
Es steht dem nationalen Gesetzgeber frei, welchen von mehreren möglichen Anspruchsberechtigten (einen bestimmten Elternteil oder etwa unmittelbar das Kind) er für eine solche Familienleistung vorsieht, und etwa den den gemeinsamen Haushalt überwiegend Führenden vorrangig, den den Unterhalt überwiegend Leistenden ersatzweise und schließlich unter bestimmten Voraussetzungen das Kind selbst als Anspruchsberechtigten zu normieren.
Es ist daher auch nicht zu beanstanden, wenn wie etwa im Beschwerdefall in Folge des Wegzuges der Mutter, zu deren Haushalt die Kinder gehören, der Anspruch auf Familienbeihilfe von einem Elternteil auf den anderen Elternteil übergeht. Denn die Familienleistung trägt auch in einem solchen Fall noch immer zum Familienbudget durch Verringerung der Kosten des Unterhalts der Kinder bei. Entscheidend ist lediglich, dass ein derartiger Übergang der Anspruchsberechtigung tatsächlich stattgefunden hat, also der Vater der Kinder nach § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG anspruchsberechtigt ist, weil er die Unterhaltskosten für das jeweilige Kind überwiegend getragen hat.
Die belangte Behörde durfte einen (grundsätzlichen) Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe deshalb nur dann verneinen, wenn W.H., der iSd Art. 13 der Verordnung Nr. 1408/71 den österreichischen Rechtsvorschriften unterliegende Vater der Kinder der Beschwerdeführerin, die Kosten des Unterhalts für die Kinder überwiegend getragen hat, wenn somit aufgrund dieser subsidiären Anspruchsberechtigung für die Kinder der Beschwerdeführerin ein grundsätzlicher Anspruch des Vaters auf die österreichische Familienbeihilfe besteht. Solche Feststellungen hat die belangte Behörde indes nicht getroffen.
Dass die für einen Anspruch auf Familienbeihilfe erforderlichen besonderen Voraussetzungen (insb. des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG) hinsichtlich der Kinder nicht gegeben wären oder in welchem Umfang die Beschwerdeführerin spanische Familienleistungen erhalten hat, woraus sich allenfalls die Anwendung der Antikumulierungsregeln (vgl. das (Christine Dodl und Petra Oberhollenzer), Rn 49ff) ergäbe, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am