VwGH vom 19.12.2017, Ra 2016/06/0083

VwGH vom 19.12.2017, Ra 2016/06/0083

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl, Mag. Rehak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des Vermessungsamts Bruck an der Mur gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W134 2104977-1/15E, betreffend Berichtigung gemäß § 13 Vermessungsgesetz (mitbeteiligte Partei: D F in L, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfergasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom wurden aufgrund des Planes der S.-GmbH vom (VHW 05/2008) die Grundstücke Nr. X/4 bis X/14, KG L, in den Grenzkataster umgewandelt. Von dieser Umwandlung war auch das im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehende Grundstück Nr. X/11 betroffen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Die Umschreibung wurde gemäß § 57 Abs. 9 Vermessungsgesetz (VermG) im Amtsblatt für das Vermessungswesen kundgemacht und es wurde dagegen kein Rechtsmittel erhoben.

2 Mit Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom wurden die Koordinaten diverser Grenzpunkte mehrerer Grundstücke, darunter auch jene der das in Rede stehende Grundstück der mitbeteiligten Partei betreffenden Grenzpunkte A und B, gemäß § 13 VermG von Amts wegen berichtigt.

3 Begründend führte die Behörde aus, dass die S.-GmbH in ihrem Plan, der im Kataster mit VHW 05/08 durchgeführt worden sei, die Vermessung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3 Abs. 1 Vermessungsverordnung an die nächstgelegenen Festpunkte angeschlossen, sondern weiter entfernte Festpunkte verwendet habe. In der Folge seien weitere Grundstücksteilungen von der Z.-GmbH vorgenommen worden, wobei auch diese Teilungen im Grenzkataster durchgeführt worden seien. Die Z.-GmbH habe für ihre Vermessung die nächstgelegenen Festpunkte verwendet. Durch den unterschiedlichen Festpunktfeldanschluss bei den einzelnen Teilungen sei die korrekte Nachbarschaftsbeziehung der vom Festpunktfeld abgeleiteten Grenzpunkte nicht gegeben. Dieser Umstand sei im Rahmen der Erledigung eines Antrags auf Grenzwiederherstellung zwischen den Grundstücken Nr. 280/11 und 280/12 (Grenzpunktnummern A und B) zu Tage getreten.

4 Von der revisionswerbenden Behörde sei der Anschluss aus dem Plan der S.-GmbH nachgemessen worden und sei die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass die zwei in Rede stehenden Grenzpunkte "in der Natur" jeweils übereinstimmten. Durch die Messung von "Identpunkten" in der Natur unter Anschluss an die nächstgelegenen Festpunkte habe die Behörde festgestellt, dass ein Berichtigungsverfahren gemäß § 13 VermG durchgeführt werden müsse, weil der Grenzkataster bezüglich der angeführten Punkte fehlerhaft zustande gekommen sei. Um die Homogenität und Nachbarschaftsbeziehung der im Spruch angeführten Grenzpunkte, die aus Vermessungen mit unterschiedlichen Festpunktfeldanschlüssen stammten, sicherzustellen, seien die Grenzpunkte gemäß der Vermessungsverordnung unter Anschluss an die nächstgelegenen Festpunkte zu übermessen und die Koordinatenwerte entsprechend von Amts wegen zu verbessern gewesen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid gerichteten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht modifizierten Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt und behob den Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom hinsichtlich der Punktnummern A und B, sodass diese Punktnummern nicht berichtigt würden. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Nach Darstellung des Verfahrensganges führte das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung aus, dass § 13 Abs. 1 VermG die Berichtigung des Grenzkatasters lediglich aus formellen Gründen ermögliche. Dies komme etwa dann in Betracht, wenn die Eintragung im Grenzkataster und die ihr zu Grunde liegende Urkunde divergierten. Es könnten somit Fehler, die im Bereich der Behörde bei der Übertragung von Daten der zugrunde liegenden Urkunden in den Grenzkataster unterlaufen seien, korrigiert werden.

7 Es könnten beim Berichtigungsverfahren nach § 13 Abs. 1 VermG jedoch nicht Fehler, die im Zuge der Erstellung von Grundlagen für den Grenzkataster (z.B. bei der Erstellung von planlichen Darstellungen oder bei Berechnungen durch Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen) unterlaufen seien, berichtigt werden. Es sei nämlich die Vermessungsbehörde im Rahmen eines Berichtigungsverfahrens nach § 13 VermG nicht befugt, die (materielle) Richtigkeit der Grundlage zu überprüfen.

8 Zudem gälten entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für Grenzen, die im Grenzkataster einverleibt worden seien, ein entsprechender Vertrauensschutz und eine Bestandsgarantie. Könnte man Grenzen, die im Grenzkataster einverleibt worden seien, beliebig (oft viele Jahre später) abändern, weil z.B. Fehler in der der Eintragung zugrunde liegenden Urkunde erkannt würden, würde dies dem Grundgedanken des Vertrauensschutzes und der Bestandsgarantie widersprechen. Rechtsunterworfene stünden dann beispielsweise vor dem Problem, dass Abstandsvorschriften nach den Bauordnungen möglicherweise nach Durchführung der Änderung nicht mehr eingehalten würden. Dies sei auch von der mitbeteiligten Partei konkret vorgebracht worden. Da somit die Behörde die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Bestandsgarantie des Grenzkatasters missachtet habe, indem sie die materielle Richtigkeit der Grundlage der Eintragung überprüfen wolle, sei der Beschwerde stattzugeben gewesen.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung beantragt.

11 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die vorliegende Revision darauf, dass das angefochtene Erkenntnis insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, als das Verwaltungsgericht hinsichtlich der in Rede stehenden Berichtigung der Koordinaten zweier in der Natur festgelegter Grenzpunkte unzutreffender Weise von einer inhaltlichen Korrektur des Grenzkatasters ausgegangen sei. Die betreffenden Koordinaten seien lediglich deshalb zu berichtigen gewesen, weil sie einen technisch unrichtigen Festpunktfeldanschluss aufgewiesen hätten. Vor diesem Hintergrund sei die die Grundlage der Einverleibung bildende Urkunde als fehlerhaft im Sinn von § 13 Abs. 1 VermG zu qualifizieren. Die Berichtigung sei folglich rechtmäßig erfolgt.

12 Die Revision erweist sich im Hinblick auf die zutreffend angesprochene Abweichung von der hg. Judikatur als zulässig und berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 § 13 Abs. 1 VermG, BGBl. Nr. 306/1968 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2008, lautet:

"§ 13. (1) Ergibt sich, dass die Neuanlegung des Grenzkatasters oder eine in diesem enthaltene Einverleibung oder Anmerkung mit ihrer Grundlage nicht im Einklang steht oder fehlerhaft ist, so ist von Amts wegen oder auf Antrag des Eigentümers die Berichtigung mit Bescheid zu verfügen."

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit den Voraussetzungen für die Berichtigung gemäß § 13 Abs. 1 VermG infolge einer fehlerhaften Urkunde beschäftigt und die Zulässigkeit einer solchen Berichtigung u.a. im Zusammenhang mit in der Vermessungsurkunde fehlerhaft ausgewiesenen Koordinatenwerten von Grenzpunkten bejaht (). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zur Berichtigung aufgrund einer "fehlerhaften" Einverleibung festgehalten, dass die Quelle des Fehlers eine sonstige - nicht näher bezeichnete - Unrichtigkeit sein kann ().

15 Im vorliegenden Fall verwies die revisionswerbende Behörde im vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid bereits darauf, dass die in der Natur festgelegten Grenzpunkte A und B durch die in Rede stehende Berichtigung in der Natur keine Veränderung erfahren hätten und lediglich ein technisch richtiger und § 3 Vermessungsverordnung entsprechender Anschluss an das (im betreffenden Vermessungsgebiet teils inhomogene) Festpunktfeld herzustellen gewesen sei.

16 Unter diesen Voraussetzungen läge aber entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine inhaltliche Veränderung des Grenzkatasters, sondern nur eine formelle Richtigstellung der Koordinatenwerte der Grenzpunkte vor und könnten der von der Behörde vorgenommenen Berichtigung nicht die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der "Bestandsgarantie" der Eintragung im Grenzkataster entgegengehalten werden (zu den zuletzt genannten Aspekten siehe auch ; zur Änderung des Festpunktefeldes durch Anpassung an einen übergeordneten Bezugsrahmen und die aus diesem Anlass durch Verordnung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vorzunehmende Änderung der Koordinaten der Grenzpunkte vgl. auch § 13 Abs. 4 VermG).

17 Das Verwaltungsgericht setzte sich - in Verkennung der Rechtslage - nicht mit der Frage auseinander, ob tatsächlich - wie in der Revision unter Verweis auf den Akteninhalt dargestellt - bei Absteckung in der Natur die in Rede stehenden Grenzpunkte unter Zugrundelegung der berichtigten Koordinaten mit jenen in der Natur gekennzeichneten Grenzpunkten übereinstimmten, die nach den bislang im Grenzkataster eingetragenen Koordinatenwerten definiert werden sollten.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am