VwGH vom 30.03.2006, 2004/15/0048
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde 1.) des Helmut P in N, und 2.) der P Handelsgesellschaft mbH in N, beide vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , RV/2599- W/02, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1993 bis 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1994 abgewiesen wird, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Pe. Handels-GmbH (Zweitbeschwerdeführerin) wurde 1992 gegründet. Ihr Haupt- bzw in der Folge Alleingesellschafter Helmut Pe (Erstbeschwerdeführer) beteiligte sich mit Vertrag vom rückwirkend ab dem Geschäftsjahr 1992/93 als stiller Gesellschafter. Seit August 1999 ist der Erstbeschwerdeführer Geschäftsführer der Pe. Handels-GmbH.
Für die Jahre 1993 bis 1999 wurden für "Pe. Handels-GmbH und Mitbesitzer" als atypische stille Gesellschaft (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Das Finanzamt erließ erklärungsgemäß - gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufige - an die "Pe. Handels-GmbH und Mitges." gerichtete Bescheide iSd § 188 BAO, mit welchen Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt wurden (für das Jahr 1994 mit Ausfertigungsdatum ).
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung gelangte das Finanzamt zur Auffassung, die Einlage des stillen Gesellschafters stelle verdecktes Stammkapital dar, weshalb eine atypische stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) nicht anzuerkennen sei. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften iSd § 188 BAO habe daher zu unterbleiben.
Das Finanzamt erließ daraufhin für die Jahre 1993 bis 1999 "Bescheid(e) über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften" (Ausfertigungsdatum ), in denen es zum Ausdruck brachte, dass eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung nicht durchzuführen sei (negative Feststellungsbescheide iSd § 190 Abs 1 BAO). Diese Bescheide sind, soweit sie die Jahre 1993 sowie 1995 bis 1999 betreffen, an die "Pe. Handels-GmbH und Mitbesitzer" zu Handen des Erstbeschwerdeführers gerichtet. Der Bescheid betreffend das Jahr 1994 ist an die Pe. Handels-GmbH zu Handen des Erstbeschwerdeführers (ihres Geschäftsführers) gerichtet.
Mit sieben Schriftsätzen vom , je einen für die Jahre 1993 bis 1999, wurde gegen die Bescheide vom Berufung erhoben. Jeder Schriftsatz weist als Einschreiter jeweils die "Pe. Handels-GmbH und Mitbesitzer", die Pe. Handels-GmbH sowie den Erstbeschwerdeführer (alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin S) auf. Begehrt wurde jeweils die Anerkennung der atypisch stillen Gesellschaft und Feststellung von Einkünften.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Berufungen wie folgt entschieden:
A) Die Berufung der Pe. Handels-GmbH gegen den Feststellungsbescheid für das Jahr 1994 wurde abgewiesen.
B) Die Berufung des Rechtsanwaltes Dr. Martin S und die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Feststellungsbescheid für das Jahr 1994 wurden als unzulässig zurückgewiesen.
C) Die Berufungen des Rechtsanwaltes Dr. Martin S, die Berufungen des Erstbeschwerdeführers und die Berufungen der Pe. Handels-GmbH gegen die Feststellungsbescheide 1993 und 1995 bis 1999 wurden als unzulässig zurückgewiesen.
Der angefochtene Bescheid erging an den Erstbeschwerdeführer, an die Pe. Handels-GmbH (Zweitbeschwerdeführerin) sowie an Dr. Martin S. (Es steht nicht in Streit, dass der Bescheid jeder dieser Personen wirksam zugestellt worden ist.)
In der Bescheidbegründung wird ua ausgeführt, die Einschreiterin "Pe. Handels-GmbH und Mitbesitzer" sei kein parteifähiges Gebilde, weshalb deren Berufung dem Rechtsanwalt Dr. Martin S zuzurechnen sei.
Die vom Finanzamt an die "Pe. Handels-GmbH und Mitbes." als Bescheidadressatin gerichteten Erledigungen vom seien nicht an ein parteifähiges Gebilde ergangen und deshalb nicht als Bescheide wirksam geworden, weshalb die dagegen eingebrachten Berufungen unzulässig seien. Lediglich der an die Pe. Handels-GmbH (zu Handen des Erstbeschwerdeführers) gerichtete Bescheid vom betreffend Nichtfeststellung von Einkünften für 1994 sei wirksam geworden, allerdings nur gegenüber der Pe. Handels-GmbH, nicht gegenüber dem bloß als Zustellempfänger im formellen Sinn genannten Erstbeschwerdeführer.
Hinsichtlich der Berufung der Pe. Handels-GmbH gegen den Bescheid betreffend das Jahr 1994 gelangte die belangte Behörde mit umfangreicher Begründung zum Ergebnis, dass eine Mitunternehmerschaft nicht vorliege.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde der beiden Beschwerdeführer mit Beschluss vom , B 13/04 ab. Unter einem trat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Erstbeschwerdeführer verletzt im Recht auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1999, die Zweitbeschwerdeführerin im Recht auf "Aufhebung des Grundlagenbescheides vom für 1994 mit Wirkung für den Beschwerdeführer". Weiters erachten sich beide Beschwerdeführer verletzt im Recht auf Durchführung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften und im Recht auf "Nichteinbeziehung ihres rechtsfreundlichen Vertreters im Verfahren als Partei".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die "Berufung gegen den Feststellungsbescheid für das Jahr 1994" abgewiesen worden ist, ist auszuführen:
Das Finanzamt hat zunächst mit vorläufigem Feststellungsbescheid nach § 188 BAO den beiden Beschwerdeführern gegenüber betriebliche Einkünfte festgestellt (Ausfertigungsdatum ). In der Folge ist das Finanzamt zur Auffassung gelangt, dass keine Mitunternehmerschaft vorliege. Es hat sodann die als "Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften" bezeichnete Erledigung erlassen, mit welcher es zum Ausdruck gebracht hat, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften unterbleibe (negativer Feststellungsbescheid iSd § 190 Abs 1 BAO). Dieser "negative Feststellungsbescheid" sollte gleichsam contrarius actus zur seinerzeitigen "positiven Gewinnfeststellung" sein, wurde aber nur an die Zweitbeschwerdeführerin gerichtet.
Auch die Feststellung, dass eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften iSd 188 BAO zu unterbleiben hat, ist ein Feststellungsbescheid iSd zitierten Bestimmung. Dieser wirkt gemäß § 191 Abs 3 lit b BAO gegen alle, "denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen". Es trifft zwar zu, dass den Gesellschaftern (Mitgliedern) keine Einkünfte zufließen, wenn gemeinschaftlich erzielte Einkünfte nicht vorliegen; ob allerdings solche gemeinschaftlich erzielten Einkünfte gegeben sind oder nicht, wird mit dem Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO entschieden. Gelangt die Behörde zu dem Ergebnis, dass Einkünfte erzielt worden sind, ist gemäß § 188 BAO im Feststellungsbescheid auch über die Verteilung der Einkünfte auf die Teilhaber abzusprechen. Das sind die in § 191 Abs 1 BAO erwähnten und auch von § 191 Abs 3 BAO gemeinten Gesellschafter (Mitglieder). Gelangt die Behörde zu dem Ergebnis, dass gemeinschaftliche Einkünfte nicht erzielt worden sind, sind diejenigen Personen die Gesellschafter (Mitglieder) iSd § 191 Abs 1 und 3 BAO, denen, falls das sich als Gesellschaft/Gemeinschaft gerierende Gebilde Einkünfte erzielt hätte, Einkünfteanteile zuzurechnen gewesen wären (vgl die hg Erkenntnisse vom , 99/15/0051, und vom , 97/14/0158).
Die Wirkung von Bescheiden, mit denen Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt werden, kommt sohin auch negativen Feststellungsbescheiden zu. Dies entspricht auch dem Inhalt des durch die Novelle BGBl 1996/201 eingefügten letzten Satz des § 190 Abs 1 BAO.
Aus dem Wesen der einheitlichen Feststellung ergibt sich die gänzliche Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides iSd § 188 BAO, wenn er einem Beteiligten gegenüber nicht wirksam sein kann (vgl den hg Beschluss vom , 2005/13/0117). Auch negative Feststellungsbescheide müssen die Gesamtheit der Rechtssubjekte erreichen, denen gegenüber das Unterbleiben einer einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften ausgesprochen wird. Mangelt es dem Bescheid an dieser Einheitlichkeit, kommt ihm keine Bescheidqualität zu (vgl das hg Erkenntnis vom , 99/13/0014).
Die Abweisung der Berufung als unbegründet ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem bekämpften Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte (vgl Ritz, BAO-Kommentar3, § 289 Tz 47). Auch im gegenständlichen Fall entspricht der normative Inhalt des angefochtenen Bescheides dem Inhalt der erstinstanzlichen Erledigung, unterscheidet sich allerdings dahingehend von dieser, dass er ua an beide Beschwerdeführer gerichtet ist. Er ist in der Folge auch beiden Beschwerdeführern iSd § 97 BAO bekannt gegeben worden ist. Ein Mangel an der Einheitlichkeit des Abspruches gegenüber den sich als Mitunternehmer gerierenden Personen ist somit der angefochtenen Berufungsentscheidung nicht vorzuwerfen, weshalb auch keine Zweifel an ihrer Bescheidqualität bestehen.
Die als Bescheid intendierte Erledigung des Finanzamtes vom war unwirksam, weil sie nicht an alle Beteiligte (beide Beschwerdeführer) ergangen ist (wodurch auch nicht der Rechtszustand eintreten kann, dass dem Erstbeschwerdeführer gegenüber der Feststellungsbescheid vom und der Zweitbeschwerdeführerin gegenüber der negative Feststellungsbescheid wirksam wären). Entscheidet jedoch die Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine bei ihr anhängige Berufung in der Sache, obwohl die bekämpfte Erledigung keine Wirksamkeit erlangt hat, handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit (vgl das hg Erkenntnis vom , 2001/15/0073). Die Unzuständigkeit der belangten Behörde war vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (vgl das hg Erkenntnis vom , 2001/13/0022).
2. Im Übrigen sind mit dem angefochtenen Bescheid Berufungen mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die vom Finanzamt als Bescheid intendierten Erledigungen (betreffend die Jahre 1993 sowie 1995 bis 1999) keine Bescheide darstellen und deshalb nicht mit Berufung bekämpft werden können. Im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte sind die Beschwerdeführer durch diese Zurückweisungen nicht in subjektiven Rechten verletzt worden. Die Zurückweisungsbescheide sprechen nicht über Einkommensteuer ab und stellen auch keine negativen Feststellungsbescheide iSd § 190 Abs 1 iVm § 188 BAO dar. Dass Berufungen ua auch als vom Rechtsanwalt Dr. Martin S eingebracht gewertet und die solcherart als von ihm erhoben angesehenen Berufungen zurückgewiesen worden sind, vermag auf die Rechtsposition der Beschwerdeführer keine Auswirkungen zu zeitigen.
Abschließend ist auf Folgendes zu verweisen: Im gegenständlichen Fall ist in der Zurückweisung eine Feststellung der Unwirksamkeit der erstinstanzlichen Erledigungen betreffend die Jahre 1993 und 1995 bis 1999 zu erblicken (vgl das hg Erkenntnis vom , 2000/14/0197). Dass vor diesem Hintergrund das Finanzamt die aufgrund der Erledigungen vom gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommen- bzw Körperschaftsteuerbescheide (betreffend die Beschwerdeführer) aufgehoben hat, zeigt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf und ist auch aus den Verwaltungsakten nachvollziehbar.
3. Der angefochtene Bescheid war somit - soweit er die Abweisung der Berufung betrifft - gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am