VwGH vom 24.10.2017, Ra 2016/06/0027

VwGH vom 24.10.2017, Ra 2016/06/0027

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl, Mag. Rehak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der S A in I, vertreten durch Dr. Kurt Bayr und Dr. Marco Rovagnati, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LVwG-2015/23/2760-2, betreffend Zurückweisung eines Antrags i.A. Tiroler Straßengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei:

Stadtgemeinde Innsbruck in 6020 Innsbruck, M.-Theresien-Straße 18), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist zu 54/132-Anteilen Miteigentümerin einer in der KG A. an der Gemeindestraße T.-Weg gelegenen Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W 2 verbunden ist. Mit diesem Wohnungseigentumsobjekt ist nach dem Wohnungseigentumsvertrag als Zubehör-Eigentum unter anderem ein Gartenanteil mit einer Fläche von 128,50 m2 verbunden.

2 Mit Eingabe vom beantragte die Revisionswerberin gemäß § 3 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz (im Folgenden: Tir. StrG) die Feststellung, ob die Stützmauer, die auf der in Rede stehenden Liegenschaft entlang der zum T.-Weg gelegenen Grundstücksgrenze verlaufe, Bestandteil der öffentlichen Straße T.-Weg sei.

3 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde festgestellt, dass diese Stützmauer eine Stützmauer im straßentechnischen Sinn darstelle und somit gemäß § 3 Abs. 1 lit. b Tir. StrG als Bestandteil der öffentlichen Gemeindestraße T.-Weg anzusehen sei.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei mit der Maßgabe statt, dass der Feststellungsantrag der Revisionswerberin vom zurückgewiesen werde. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung die Rechtsansicht zugrunde, dass die in Rede stehende Stützmauer nicht als Zubehör des Wohnungseigentumsobjekts der Revisionswerberin zu qualifizieren sei, da sie der Wohnungseigentümergemeinschaft zur allgemeinen Nutzung zustehe und somit im vorliegenden Fall die Antragslegitimation nicht den einzelnen Miteigentümern, sondern ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft zukomme.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Behebung des angefochtenen Erkenntnisses und Kostenersatz beantragt werden.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Vorbringen zum Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 3 Abs. 2 Tir. StrG, als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

§ 3 Tir. StrG, LGBl. Nr. 13/1989 idF LGBl. Nr. 37/2013, lautet auszugsweise:

"§ 3

Bestandteile der Straße

(1) Bestandteile der Straße sind:

...

(2) Die Behörde hat auf Antrag

a) des Straßenverwalters,

b) des Eigentümers der betreffenden Grundfläche oder Anlage

oder

c) desjenigen, dem ein im Privatrecht begründetes

dingliches Recht an der betreffenden Grundfläche oder Anlage zusteht, das zu deren Gebrauch oder Nutzung berechtigt, mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob eine Grundfläche oder eine Anlage Bestandteil einer öffentlichen Straße ist oder nicht. In einem solchen Verfahren haben die in den lit. a bis c genannten Personen Parteistellung."

8 Der Revisionswerberin ist zunächst insofern beizupflichten, als die Antragslegitimation im Sinn von § 3 Abs. 2 lit. b Tir. StrG dem Eigentümer der betreffenden Grundfläche oder Anlage zukommt und die Eigentümergemeinschaft gemäß § 2 Abs. 5 und § 18 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002), deren Rechtspersönlichkeit auf Angelegenheiten der Verwaltung beschränkt ist, nicht Eigentümerin der Liegenschaft ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 2013/06/0163). Die Eigentümergemeinschaft ist daher entgegen der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden Rechtsauffassung nicht antragslegitimiert im Sinn von § 3 Abs. 2 lit. b Tir. StrG (vgl. zu § 40 Abs. 2 Z 1 Sbg. Landesstraßengesetz 1972 das hg. Erkenntnis vom , 2008/06/0071; zur Stellung der Eigentümergemeinschaft siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 2006/06/0281, vom , 2004/06/0143, sowie vom , 2005/04/0065).

9 § 3 Abs. 2 Tir. StrG trifft keine Regelungen für den Fall, dass an einer Liegenschaft Miteigentum begründet wurde.

10 Es ist daher zu klären, ob die Revisionswerberin nach der Bestimmung des § 3 Abs. 2 lit. b Tir. StrG berechtigt war, den gegenständlichen verfahrenseinleitenden Antrag zu stellen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu (vergleichbaren) baurechtlichen Bestimmungen ausgesprochen, dass bei der Auslegung einer Vorschrift, die schlechthin die Zustimmung des Grundeigentümers verlangt, die die Verfügungsmacht des Grundeigentümers einschränkenden zivilrechtlichen Normen Berücksichtigung finden müssen. Die Behörde hat im Falle des Miteigentums als Vorfrage zu prüfen, ob nach den anzuwendenden zivilrechtlichen Vorschriften die Zustimmung der übrigen Miteigentümer erforderlich ist oder nicht (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , 2004/06/0119, mwN, sowie vom , 2003/06/0148; vgl. zur Antragslegitimation des "Eigentümers der Privatstraße" nach dem Sbg.

Landesstraßengesetz 1972 das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , 2008/06/0071).

12 Unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich im Hinblick auf die Antragslegitimation der Revisionswerberin nach § 3 Abs. 2 lit. b Tir. StrG Folgendes:

13 Wohnungseigentum vermittelt nicht das Alleineigentum an einem körperlich abgegrenzten Teil der betreffenden Liegenschaft, sondern das Wohnungseigentum setzt ideelles Miteigentum an der gesamten Liegenschaft voraus (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2013/15/0103). An der gegenständlichen Stützmauer kommt der Revisionswerberin Miteigentum zu ideellen Anteilen zu.

14 Wenn sich die Revisionswerberin auf § 3 Abs. 2 lit. b Tir. StrG beruft, übersieht sie, dass ihr in ihrer Eigenschaft als einzelner Miteigentümerin keine Berechtigung nach den nach der oben zitierten Rechtsprechung maßgeblichen zivilrechtlichen Vorschriften, und zwar weder nach den Bestimmungen des WEG 2002 noch nach den Bestimmungen des ABGB, zukam, den gegenständlichen Antrag zu stellen (vgl. im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben nach dem Stmk. BauG 1995 und dem Erfordernis der Zustimmung entweder aller Miteigentümer oder der Mehrheit der Eigentümer nach den Bestimmungen des WEG 2002 beziehungsweise des ABGB das hg. Erkenntnis vom , 2010/06/0008).

15 Es trifft zwar zu, dass ein einzelner Miteigentümer einer Liegenschaft berechtigt ist, selbständig "Eigentumsfreiheitsansprüche" geltend zu machen, jedoch werden mit der Feststellung, dass eine Grundfläche oder Anlage Bestandteil einer öffentlichen Straße ist, schon im Hinblick auf § 4 Abs. 4 Tir. StrG, demzufolge der Gemeingebrauch auf einer solchen Straße von niemandem verhindert werden darf, Rechte aller Miteigentümer der Liegenschaft nachteilig berührt (vgl. auch die in Gstöttner, Tiroler Straßengesetz, zu § 3 zitierten Erläuternden Bemerkungen zum Tir. StrG, die auf eine Beeinträchtigung der Rechtssphäre der nach § 3 Abs. 2 Tir. StrG Antragslegitimierten durch die Erklärung zum Bestandteil der Straße verweisen und zu den Konsequenzen dieser Erklärung unter anderem ausführen, dass für das von der Erklärung betroffene Objekt das Enteignungsrecht nach §§ 61 ff Tir. StrG in Anspruch genommen werden könne).

16 Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der in Rede stehenden Antragstellung nicht um die Geltendmachung sogenannter "Eigentumsfreiheits- oder Abwehransprüche", die auch einzelnen Miteigentümern zukommen könnten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , 2008/06/0071, sowie zu einem mit der Feststellung nach § 81 Abs. 3 Tir. StrG verbundenen Eingriff in die Rechte der Eigentümer das hg. Erkenntnis vom , 92/06/0153).

17 In ihrer Eigenschaft als einzelne Miteigentümerin war die Revisionswerberin somit nicht befugt, den vorliegenden Antrag einzubringen (vgl. zur Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung infolge fehlender Zustimmung der übrigen Miteigentümer das hg. Erkenntnis vom , 2002/07/0057; im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Almhütte siehe das hg. Erkenntnis vom , 2004/06/0119).

18 Auch eine Antragsberechtigung der Revisionswerberin nach § 3 Abs. 2 lit. c Tir. StrG kommt fallbezogen nicht in Betracht.

19 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zählen - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend festhielt - Stützmauern oder sonstige Befestigungen an der Grundgrenze der Liegenschaft zu deren allgemeinen Teilen und stellen daher keine Zubehörobjekte dar (vgl. dazu die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , 5 Ob 256/09x, sowie vom , 5 Ob 163/08v). Die in Rede stehende Stützmauer ist daher als allgemeiner Teil der Liegenschaft und nicht als Zubehörobjekt zu qualifizieren.

20 Der Revisionswerberin kommt daher entgegen der von ihr vertretenen Ansicht an der in Rede stehenden Stützmauer kein über ihre Stellung als Miteigentümerin hinausgehendes dingliches Nutzungsrecht gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 3 WEG 2002 zu, aus welchem sie eine ihr als Nutzungsberechtigte zustehende Antragsberechtigung nach § 3 Abs. 2 lit. c Tir. StrG ableiten könnte.

21 Daher geht das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach gemäß § 5 Abs. 3 WEG 2002 in der maßgeblichen Fassung eine gesonderte Grundbucheintragung von Zubehörobjekten nicht erforderlich sei und sich die Eigentumsrechte des Wohnungseigentümers auch auf das Zubehör erstreckten, wenn eine diesbezüglich eindeutige Regelung im Wohnungseigentumsvertrag beziehungsweise in der Nutzwertfestsetzung getroffen worden sei, ebenfalls ins Leere. Von der beantragten Feststellung nach § 3 Abs. 2 Tir. StrG ist kein Wohnungseigentumszubehörobjekt betroffen und ist daher im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 5 Abs. 3 WEG 2002 schon aus diesem Grund nicht maßgeblich.

22 Aus den dargelegten Erwägungen verneinte das Verwaltungsgericht die Antragslegitimation der Revisionswerberin zu Recht. Die Revision erweist sich somit als nicht berechtigt und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

23 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II. Nr. 518/2013.

Wien, am