VwGH vom 05.07.2012, 2009/21/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-400978/4/Fi/FS/Se, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten I. (Zurückweisung der Administrativbeschwerde) und III. (Kostenpunkt) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Behandlung der Beschwerde wird im Übrigen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides richtet (Abweisung der Administrativbeschwerde), abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, befand sich bis in Strafhaft.
Mit Bescheid vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis gegen ihn gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG "mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung" Schubhaft, um seine Abschiebung zu sichern. Diesen Bescheid begründete sie im Wesentlichen mit dem gegen den Beschwerdeführer am rechtskräftig verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbot. Schubhaft sei notwendig, weil der Beschwerdeführer illegal nach Österreich eingereist sei, sich hier nicht rechtmäßig aufhalte, über keinen festen Wohnsitz und nur sehr geringe finanzielle Mittel verfüge und weil Identitätsnachweise sowie soziale, berufliche und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich fehlten.
Der Beschwerdeführer wurde hierauf im Anschluss an seine Strafhaft vom bis in Schubhaft angehalten. Seine Enthaftung erfolgte, weil bis zum - trotz darauf seit gerichteter Bemühungen - kein Heimreisezertifikat eingelangt war.
Mit Telefax vom erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde und beantragte, es möge die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie die Rechtswidrigkeit seiner Festnahme und seiner Anhaltung in Schubhaft ab Beginn, in eventu ab bis Ende, festgestellt werden.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) die Beschwerde insoweit zurück, als sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, die Rechtswidrigkeit der Festnahme und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers von bis geltend gemacht hatte (Spruchpunkt I.). Hinsichtlich der (verbleibenden) Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde hingegen als unbegründet ab (Spruchpunkt II.). Schließlich legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Kostenersatz an den Bund auf (Spruchpunkt III.).
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Zu Spruchpunkt 1.:
Der zurückweisende Ausspruch des bekämpften Bescheides (Spruchpunkt I.) beruht auf der Überlegung, im Hinblick auf § 83 Abs. 2 FPG iVm § 67c Abs. 1 AVG sei eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft nur für die letzten sechs Wochen vor Einbringung der Beschwerde zulässig. Die erst am erhobene Beschwerde sei daher, soweit sie Schubhaftbescheid, Festnahme und Anhaltung bis zum betreffe, als verfristet zurückzuweisen gewesen.
Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde nicht im Recht. Dabei kann es genügen, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des mittlerweile ergangenen hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2008/21/0565, zu verweisen, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, dass mit der Beschwerde gemäß § 82 FPG auch noch innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft sowohl der gesamte Anhaltezeitraum als auch, von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen, Festnahme und Schubhaftbescheid wirksam bekämpft werden können.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Zurückweisung der Administrativbeschwerde (Spruchpunkt I.) - und daher auch im Kostenausspruch (Spruchpunkt III.) - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Dass es, wäre die Zurückweisung der Administrativbeschwerde unterblieben, (auch) insoweit zu ihrer Abweisung gekommen wäre, vermag daran entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung nichts zu ändern. Unabhängig davon wurde der Beschwerdeführer durch den zurückweisenden Teil des bekämpften Bescheides nämlich in seinem Recht auf inhaltliche Entscheidung der zugrunde liegenden Administrativbeschwerde verletzt. Diese Rechtsverletzung hat der Beschwerdeführer ausdrücklich im Rahmen des Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) geltend gemacht; insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenen, die die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift angesprochen hat.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Zu Spruchpunkt 2.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Treffen diese Voraussetzungen nur in Bezug auf einzelne Spruchteile des bekämpften Bescheides zu, kann die Beschwerdeablehnung nach der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Umfang, somit auch nur teilweise, vorgenommen werden.
Die vorliegende Beschwerde wirft, soweit sie sich gegen die Abweisung der Administrativbeschwerde (Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides) richtet, keine für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet insoweit gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor, zumal die vorgenommene Prüfung des Beschwerdefalles in diesem Punkt keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende und für das Verfahrensergebnis entscheidende Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde ergeben hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides richtet, abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-69195