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VwGH vom 22.11.2017, Ra 2016/06/0011

VwGH vom 22.11.2017, Ra 2016/06/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl, Mag. Rehak und MMag. Ginthör als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der V GmbH in W, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Dr. Walter Platzgummer und Mag. Robert Sellemond, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Speckbacherstraße 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LVwG- 2015/43/0568, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Wiesing; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der Gemeinde Wiesing Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom wurde das Bauansuchen der revisionswerbenden Partei vom betreffend die Errichtung einer Wohnanlage mit 18 Wohneinheiten, Nebenräumen und 49 Stellplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG W gemäß § 27 Abs. 4 lit. d Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) in Verbindung mit § 55 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011) abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das Bauansuchen nicht "gemäß § 27 Abs 4 lit d TBO 2011 iVm § 55 Abs 1 TROG 2011", sondern "in analoger Anwendung des § 27 Abs 3 lit c TBO 2011 iVm 118 Abs 3 TROG 2011 iVm § 54 Abs 5 TROG 2006" abgewiesen werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das für die Gemeinde W in Geltung stehende örtliche Raumordnungskonzept am in Kraft getreten und bislang nicht fortgeschrieben worden sei. Für den in Rede stehenden bisher unbebauten Bauplatz bestehe weder ein allgemeiner noch ein ergänzender Bebauungsplan.

4 Im vorliegenden Fall sei folglich § 118 Abs. 3 TROG 2011 maßgeblich und gelangten für das vorliegende Bauvorhaben § 54 Abs. 5 und § 55 TROG 2006 zur Anwendung. Da es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um einen Neubau und keinesfalls um ein Nebengebäude handle, dürfe eine Baubewilligung nach § 54 Abs. 5 TROG 2006 grundsätzlich nur bei Vorliegen eines Bebauungsplans erteilt werden. Aufgrund der Dimension der projektierten Wohnanlage mit 18 Wohneinheiten liege auf der Hand, dass der Bauplatz die "kritische Größe" nach § 55 Abs. 1 lit. a TROG 2006 deutlich überschreite. Die Ausnahmebestimmung des § 55 Abs. 1 lit. a TROG 2006 könne betreffend den bisher unbebauten Bauplatz ebenso wenig zum Tragen kommen wie jene des § 55 Abs. 1 lit. b leg. cit. 5 § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 normiere, dass ein Bauansuchen u. a. dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen sei, wenn dessen Unzulässigkeit nach § 55 Abs. 1 TROG 2011 bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig sei. Die letztgenannte Vorschrift lege insbesondere fest, dass eine Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden nur dann erteilt werden dürfe, wenn für das betreffende Grundstück ein Bebauungsplan bestehe. Im Sinne eines Auffangtatbestandes sehe § 27 Abs. 4 lit. d TBO 2011 vor, dass das Bauvorhaben weiters abzuweisen sei, wenn es sonst baurechtlichen Vorschriften widerspreche.

6 § 55 Abs. 1 TROG 2011 komme im vorliegenden Fall mangels Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzepts nicht zur Anwendung, sondern sei hinsichtlich des Erfordernisses eines Bebauungsplanes auf § 54 Abs. 5 und § 55 TROG 2006 abzustellen. Der im vorliegenden Fall festgestellte Widerspruch zu § 54 Abs. 5 TROG 2006 lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes folgend weder unter § 27 Abs. 3 lit. c noch unter § 27 Abs. 4 lit. d TBO 2011 subsumieren und sei auch von den anderen in § 27 TBO 2011 aufgezählten Tatbeständen nicht umfasst.

7 Diesbezüglich sei einerseits darauf zu verweisen, dass sich § 26 Abs. 4 lit. c TBO 2001 (die Vorgängerbestimmung zu § 27 Abs. 4 lit. d TBO 2011) in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 48/2011 auf sonstige Widersprüche zu "baurechtlichen oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften" bezogen habe. Erst mit der genannten Novelle sei der Wortlaut auf den noch heute in Geltung stehenden geändert worden. In den Erläuternden Bemerkungen werde diesbezüglich u.a. ausgeführt, dass nach der jahrzehntelangen Praxis der Baubehörden abgesehen von Widersprüchen zum Flächenwidmungsplan und zu Bebauungsplänen, die nach Abs. 3 lit. a und 4 lit. a des § 26 TBO 2001 als Abweisungsgründe gälten, keinen weiteren raumordnungsrechtlichen Bestimmungen im Bauverfahren Relevanz zukomme. Andererseits enthielten die §§ 55 Abs. 1 TROG 2011 und 54 Abs. 5 TROG 2006 übereinstimmend die Formulierung, dass eine Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden grundsätzlich nur erteilt werden dürfe, wenn für den Bauplatz eine entsprechende Bebauungsplanung vorliege.

8 Bereits seit Inkrafttreten der Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998) habe das Fehlen von Bebauungsplänen (von im Einzelnen normierten Ausnahmen abgesehen) eine Abweisung des Bauansuchens für den Neubau von Gebäuden zur Folge gehabt und sei dies auch weiterhin nach der aktuellen Rechtslage der Fall. Unter Berücksichtigung der erwähnten Erläuternden Bemerkungen könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, von diesem Prinzip einzig hinsichtlich der von der Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 TROG 2011 betroffenen Fälle abzugehen.

9 Es sei somit vom Vorliegen einer echten Gesetzeslücke auszugehen. Es handle sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Demnach sei entsprechend dem Willen des Gesetzgebers das gegenständliche Bauansuchen wegen "Unzulässigkeit nach § 54 Abs 5 TROG 2006 analog § 27 Abs 3 lit c TBO 2011" abzuweisen.

10 In weiterer Folge setzte sich das Verwaltungsgericht mit dem Beschwerdevorbringen der revisionswerbenden Partei auseinander und hielt fest, dass das Erfordernis von Bebauungsplänen aus näher dargestellten Gründen im vorliegenden Fall nach § 54 Abs 5 und § 55 TROG 2006 zu beurteilen sei. Eine Verletzung der revisionswerbenden Partei in ihrem Recht, die von ihr käuflich erworbenen Baugrundstücke einer den gesetzlichen Bestimmungen der "TBO und des TROG" entsprechenden Bebauung zuzuführen, liege nicht vor. Ebenso wenig liege eine Verletzung der revisionswerbenden Partei in ihren Grundrechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums, Erwerbsausübungsfreiheit und Freiheit des Liegenschaftsverkehrs vor. Da § 55 Abs. 2 TROG 2011 gegenständlich nicht zur Anwendung gelange, sei das diesbezügliche Vorbringen der revisionswerbenden Partei nicht von Relevanz.

11 Ebenso wenig zielführend sei das Vorbringen der revisionswerbenden Partei im Hinblick auf die in § 118 Abs. 1 TROG 2011 normierte dreijährige Frist, da sich diese Bestimmung auf jene Fälle beziehe, in denen die Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzepts bereits in Kraft getreten sei. Zudem sei ein Bebauungsplan als Verordnung der Gemeinde zu qualifizieren. Es bestehe demnach weder ein "Antragsrecht" noch ein subjektives Recht auf Erlassung eines solchen. Es liege daher in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften im vorliegenden Bauverfahren vor. Gemäß § 118 Abs. 3 TROG 2001 in Verbindung mit § 54 Abs. 5 TROG 2006 sei für die Ausführung des gegenständlichen Bauvorhabens auf dem vorgesehenen Bauplatz eine Bebauungsplanung erforderlich. Da jedoch kein Bebauungsplan für dieses Grundstück vorliege, sei die Baubewilligung in analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 zu versagen. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 24 Abs. 4 VwGVG.

12 Die revisionswerbende Partei erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 1985/2015-9, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

13 In dem angeführten Beschluss hielt der Verfassungsgerichtshof auszugsweise fest:

"Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Landesverwaltungsgericht Tirol zu Recht unter analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 lit. c Tiroler Bauordnung 2011 iVm § 118 Abs. 3 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 von der Versagung der Baubewilligung aufgrund des Fehlens eines Bebauungsplanes für das betreffende Grundstück ausgegangen ist, insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit der § 54 Abs. 5 und § 55 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, § 55 Abs. 1 und § 118 Abs. 3 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 und § 27 Abs. 3 lit. c Tiroler Bauordnung 2011 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Mit der Regelung, dass eine Baubewilligung bis zur Fortschreibung des örtlichen Entwicklungskonzeptes grundsätzlich nur auf einem Grundstück erteilt werden darf, für das ein Bebauungsplan besteht, überschreitet der Tiroler Landesgesetzgeber nicht den ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum."

14 In der Folge erhob die revisionswerbende Partei die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof, hilfsweise die Behebung des angefochtenen Erkenntnisses, sowie Kostenersatz beantragt werden.

15 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

16 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit unter anderem damit, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Anwendungsbereich des § 118 Abs. 3 TROG 2011 für den Fall der Unzulässigkeit eines Bauvorhabens nach § 54 Abs. 5 TROG 2006 die Bestimmung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 analog anzuwenden sei.

17 Hinsichtlich dieser in der Zulässigkeitsbegründung der Revision dargestellten Rechtsfrage erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Die maßgeblichen Bestimmungen des TROG 2011,

LGBl. Nr. 56/2011, lauteten:

"§ 55

(1) In Gebieten und auf Grundflächen, für die nach § 54 Abs. 2 oder 5 ein Bebauungsplan zu erlassen ist, darf die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der Bebauungsplan besteht und die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt ist. Im Fall des § 54 Abs. 8 darf die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der Bebauungsplan einschließlich des ergänzenden Bebauungsplanes besteht und die im Bebauungsplan festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt ist.

...

§ 118

...

(3) Bis zum Inkrafttreten der Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes mit den Festlegungen nach § 31 Abs. 5 sowie auf in diesem Zeitpunkt anhängige Bauverfahren sind § 54 Abs. 5 und § 55 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 27/2006 mit der Maßgabe weiter anzuwenden, dass an die Stelle des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes der Bebauungsplan tritt. § 55 Abs. 1 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 27/2006 findet auf Grundstücke, die als Sonderflächen für Beherbergungsgroßbetriebe, Sonderflächen für Handelsbetriebe oder Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind oder auf denen Gebäude, deren höchster Punkt mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände liegt, keine Anwendung. § 54 Abs. 5 zweiter Satz ist anzuwenden."

Die zuletzt wiedergegebenen Bestimmungen des TROG 2011 gehen auf die Novelle LGBl. Nr. 47/2011 zurück, mit der das TROG 2006 geändert wurde (vgl. insbesondere auch § 113 Abs. 3 TROG 2006 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2011).

19 Gemäß § 54 Abs. 5 TROG 2006, LGBl. Nr. 27/2006, durfte die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden außer in den (gegenständlich nicht maßgeblichen) Fällen des § 55 Abs. 1 und 2 TROG 2006 nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan bestanden und die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt war.

20 §§ 26 und 27 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011 in der Fassung

LGBl. Nr. 187/2014, lauteten auszugsweise:

"§ 26

Parteien

...

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

...

f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für

die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

...

§ 27

Baubewilligung

...

(3) Das Bauansuchen ist ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits aufgrund des Ansuchens offenkundig ist, dass

...

c) das Bauvorhaben nach § 44 Abs. 8, § 55 Abs. 1, § 72 Abs. 3 zweiter Satz, § 77 Abs. 7, § 114 Abs. 3 dritter Satz, Abs. 5 dritter Satz, Abs. 6 erster Satz oder Abs. 8 zweiter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 unzulässig ist oder

..."

21 Das Verwaltungsgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass die beantragte Baubewilligung nicht zu erteilen sei, weil der gemäß § 54 Abs. 5 TROG 2006 in Verbindung mit § 118 Abs. 3 TROG 2011 erforderliche Bebauungsplan nicht vorliege und daher das in Rede stehende Bauansuchen in analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 abzuweisen sei. Diese Ansicht erweist sich als zutreffend.

22 § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 enthält eine Aufzählung mehrerer raumordnungsrechtlicher Vorschriften und bestimmt, dass im Falle eines bereits aufgrund des Ansuchens offenkundigen Widerspruchs des Bauvorhabens zu den genannten Vorschriften das Bauansuchen ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist. Der aufgrund der Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 TROG 2011 gegenständlich maßgebliche § 54 Abs. 5 TROG 2006 findet sich in dieser Aufzählung nicht (wohl aber die diesem inhaltlich entsprechende Nachfolgebestimmung des § 55 Abs. 1 TROG 2011). Allerdings ist aus den im Nachstehenden dargelegten Gründen davon auszugehen, dass es sich dabei um eine planwidrige (echte) Gesetzeslücke handelt.

23 Zur Entstehung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften ist zunächst festzuhalten, dass § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 im Wesentlichen § 26 Abs. 3 lit. c Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) in der Fassung LGBl. Nr. 48/2011 entspricht. Mit der zuletzt genannten Novelle sollten u.a. Anpassungen an die gleichzeitig mit der Novelle LGBl. Nr. 48/2011 erarbeitete Novelle des TROG 2006 LGBl. Nr. 47/2011 vorgenommen werden (siehe den Allgemeinen Teil der Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 48/2011, GZ 120/11 der Tiroler Landtagsevidenz). Es besteht daher ein offenkundiger enger Konnex zwischen den Novellen LGBl. Nr. 47/2011 und LGBl. Nr. 48/2011, denen im Hinblick auf die in Rede stehende Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 TROG 2011 sowie im Hinblick auf § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 zentrale Bedeutung zukommt. Dabei beabsichtigte der Tiroler Landesgesetzgeber erkennbar, die bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften bestmöglich aufeinander abzustimmen.

24 Wenn nun § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 keinen expliziten Verweis auf § 54 Abs. 5 TROG 2006 enthält, so nimmt dennoch die - zwar nicht die für die Abweisung des Bauansuchens maßgeblichen Tatbestände normierende, aber subjektiv-öffentliche Nachbarrechte begründende - Bestimmung des § 26 Abs. 3 lit. f TBO 2011 bei der Regelung der subjektiven Nachbarrechte ausdrücklich auf das Fehlen des nach raumordnungsrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bebauungsplanes Bezug.

25 Die zuletzt genannte Bestimmung umfasst daher ihrem Wortlaut nach auch den Versagungsgrund gemäß § 54 Abs. 5 TROG 2006 in Verbindung mit § 118 Abs. 3 TROG 2011. § 26 Abs. 3 lit. f TBO 2011 geht zudem seinerseits auf § 25 Abs. 3 lit. e TBO 2001 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 37/2005 zurück, die die den Nachbarn im Bauverfahren zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechte dahingehend erweiterte, dass diese im Fall, dass ein allgemeiner und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestanden, berechtigt waren, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001) geltend zu machen. Dabei entsprach § 55 Abs. 1 TROG 2001 inhaltlich im Wesentlichen der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmung des § 54 Abs. 5 TROG 2006.

26 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Tiroler Landesgesetzgeber in § 26 Abs. 3 lit. f TBO 2011 einerseits subjektiv-öffentliche Nachbarrechte zur Geltendmachung von Widersprüchen des Bauvorhabens zu raumordnungsrechtlichen Vorschriften (hier: § 54 Abs. 5 TROG 2006) einräumte und andererseits die Baubehörde bei Bestehen ebensolcher Widersprüche nicht zur Abweisung des Bauansuchens nach § 27 TBO 2011 berechtigt wäre.

27 Schon aus den oben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen sowie aus deren Entstehungsgeschichte erhellt somit, dass der Gesetzgeber mit der Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 erster Satz TROG 2011 keinesfalls beabsichtigte, durch die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 54 Abs. 5 und des § 55 TROG 2006 vom Erfordernis, wonach für die Erteilung einer Baubewilligung, abgesehen von den Fällen des § 55 Abs. 1 und 2 TROG 2006, ein entsprechender Bebauungsplan vorzuliegen hat, abzusehen.

28 Vielmehr trug der Gesetzgeber mit der Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 TROG 2011 (vgl. auch § 113 Abs. 3 TROG 2006 in der Fassung LGBl. Nr. 47/2011 sowie die diesbezüglichen Erläuternden Bemerkungen, GZ 119/2011 der Tiroler Landtagsevidenz) dem Umstand Rechnung, dass entsprechend dem neuen System der Bebauungsplanung (im Regelfall) ein einheitlicher Bebauungsplan zu erlassen ist. Mit der Neufassung des Kataloges der in § 26 Abs. 3 lit. c TBO 2001 normierten "offenkundigen Abweisungsgründe" durch die Novelle LGBl. Nr. 48/2011 sollte lediglich eine Anpassung an die aufgrund der Raumordnungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 47/2011 erfolgten Änderungen (u.a. im Zusammenhang mit dem neuen System der Bebauungsplanung) vorgenommen werden (vgl. die § 26 Abs. 2 und Abs. 3 TBO 2001 betreffenden Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 48/2011, GZ. 120/11 der Tiroler Landtagsevidenz).

29 Auch nach der aktuellen Rechtslage sieht § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 vor, dass das Bauansuchen im Falle eines Widerspruchs zu § 55 Abs. 1 TROG 2011 ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist. Dabei knüpft § 55 Abs. 1 TROG 2011 die Erteilung einer Baubewilligung ebenso wie § 54 Abs. 5 TROG 2006 an die Voraussetzung, dass ein entsprechender Bebauungsplan vorliegt, soweit nicht keine Verpflichtung zur Erlassung eines Bebauungsplanes besteht.

30 Es ist sohin dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass die Bestimmung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 gemessen an ihrer eigenen Absicht und der ihr immanenten Teleologie im Hinblick auf den nach der Übergangsbestimmung des § 118 Abs. 3 TROG 2011 im vorliegenden Fall anzuwendenden § 54 Abs. 5 TROG 2006 unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und ihre Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl. zu den Voraussetzungen für die analoge Anwendung gesetzlicher Bestimmungen im öffentlichen Recht

z. B. , VwSlg. 19236 A).

31 Es ist folglich im betreffenden Fall von einer echten Gesetzeslücke auszugehen, welche dahin zu schließen ist, dass im Anwendungsbereich des § 118 Abs. 3 TROG 2011, wenn bereits aufgrund des Bauansuchens offenkundig ist, dass der Erteilung der Baubewilligung § 54 Abs. 5 TROG 2006 wegen Fehlens eines Bebauungsplanes entgegensteht, der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung in analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011 ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist.

32 Wie bereits unter Rn 26 dargestellt, sprechen für dieses Auslegungsergebnis im Lichte der maßgeblichen raumordnungsrechtlichen Bestimmungen (vgl. § 118 Abs. 3 TROG 2011 in Verbindung mit § 54 Abs. 5 TROG 2006) sowie in Anbetracht der in § 26 Abs. 3 TBO 2011 normierten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte (vgl. § 26 Abs. 3 lit. f TBO 2011) überdies zwingende systematisch-teleologische Erwägungen.

33 Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei ist bereits aufgrund des in Rede stehenden Bauansuchens offenkundig, dass das Bauvorhaben § 54 Abs. 5 TROG 2006 widerspricht und somit das Bauansuchen jedenfalls abzuweisen war, und dies wie aufgezeigt ohne weiteres Verfahren in analoger Anwendung des § 27 Abs. 3 lit. c TBO 2011.

34 Im Übrigen geht auch das Revisionsvorbringen, wonach der Gemeinderat verpflichtet gewesen wäre, einen entsprechenden Bebauungsplan zu erlassen und der revisionswerbenden Partei diesbezüglich ein subjektiv-öffentliches Recht zukomme, ins Leere. Das Bestehen eines Bebauungsplanes stellt nach § 54 Abs. 5 TROG 2006 eine Tatbestandsvoraussetzung dar, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt war, weshalb (abgesehen davon, dass auch ein subjektiv-öffentliches Recht der revisionswerbenden Partei auf Erlassung eines als Verordnung zu qualifizierenden Bebauungsplanes nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen nicht bestand, vgl. z.B. betreffend das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1995 und einen Teilbebauungsplan ) die Abweisung des in Rede stehenden Bauansuchens zu Recht erfolgte (vgl. im Übrigen zu den Möglichkeiten des Rechtsschutzes im Falle der Untätigkeit des Verordnungsgebers ua, VfSlg. 17604; siehe weiters den zitierten Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom sowie § 74 TROG 2011).

35 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

36 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am

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