VwGH vom 30.03.2006, 2004/15/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS- 07/F/16/1728/2001/5, UVS-07/V/16/1730/2001, UVS-07/V/16/1731/2001, UVS-07/V/16/1733 bis 1738/2001, wegen Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz (mitbeteiligte Partei:
Mag. Dr. S, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch und Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 27/II), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung, die bei einem in der Nacht vom 13. auf den im Lokal der K-GmbH veranstalteten Clubbing durchgeführt wurde, schrieb der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien mit Bescheid vom der K-GmbH sowie der Y-GmbH (als Gesamtschuldner) für das Halten von neuen Bildschirmapparaten mit dem Spiel "Quake in Arena" gemäß § 6 Abs 4 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes 1987, LGBl 43 (VGSG), Vergnügungssteuer von 162.000 S für November 1999 vor. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Abgabepflichtigen hätten an dem konkret bezeichneten Ort in Wien im November 1999 neun Bildschirmapparate mit dem genannten Spiel, bei deren Betätigung eine aggressive Handlung dargestellt werde, gehalten. Der amtlichen Aufforderung vom zur Anmeldung der Apparate zur Vergnügungssteuer hätten die Abgabepflichtigen nicht Folge geleistet, weshalb die Vergnügungssteuer bescheidmäßig vorgeschrieben werden müsse. Gemäß § 6 Abs 4 VGSG betrage die Vergnügungssteuer je Apparat, durch dessen Betätigung eine aggressive Handlung dargestellt werde, und je Monat 18.000 S.
Mit Straferkenntnis vom wurde die Mitbeteiligte schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der K-GmbH (als Lokalinhaberin) bis zum unterlassen, die im konkret bezeichneten Betrieb in Wien gehaltenen neun Bildschirmapparate mit dem Spiel "Quake in Arena" für den Monat November 1999 mit dem Betrag von jeweils 18.000 S zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese Abgabe zu entrichten. Sie habe dadurch Vergnügungssteuer für diesen Monat mit den genannten Beträgen verkürzt und neun Verwaltungsübertretungen begangen. Es seien dadurch die Rechtsvorschriften der §§ 14 Abs 2 und 17 Abs 3 iVm § 19 Abs 1 VGSG in Zusammenhalt mit § 9 Abs 1 VStG verletzt worden. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen würden neun Geldstrafen zu je 9.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe je 9 Tage) verhängt. Zur Begründung des Straferkenntnisses wird ausgeführt, gemäß § 14 Abs 2 VGSG sei das Halten von Apparaten spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden. Seien mehrere Unternehmer steuerpflichtig, seien diese Gesamtschuldner und gemeinsam zur Anmeldung verpflichtet. Die Mitbeteiligte habe (als Vertreterin der K-GmbH) weder die Bildschirmapparate spätestens einen Tag vor deren Aufstellung angemeldet noch bis zu diesem Zeitpunkt die Vergnügungssteuer entrichtet. Die Mitbeteiligte habe im Abgabenbemessungsverfahren angegeben, sie sei durch das Kontrollorgan des Magistrates vor Beginn der Veranstaltung auf die Vergnügungssteuerpflicht hingewiesen worden. Daraufhin seien die Geräte abgeschaltet worden. Allerdings seien die Geräte später im Laufe der Veranstaltung zum Spielen für Dritte bereitgehalten worden. Die Behörde gehe daher davon aus, dass die Mitbeteiligte zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe.
Die Mitbeteiligte brachte gegen das Straferkenntnis Berufung ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung, indem sie das Straferkenntnis aufhob und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einstellte. Zur Begründung wird ausgeführt, es stehe fest, dass die verfahrensgegenständlichen Apparate am im Rahmen einer Veranstaltung am konkret bezeichneten Ort in Wien, welche bis nach Mitternacht gedauert hatte, aufgestellt gewesen seien. Gemäß § 14 Abs 2 VGSG sei das Halten von Apparaten spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden. Gemäß § 17 Abs 3 VGSG sei die Vergnügungssteuer erstmals zum Termin für die Anmeldung und in der Folge bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Eine Abgabenverkürzung liege vor, wenn die Abgabe unter Verletzung einer Anmeldepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet werde. Der Straftatbestand des § 19 Abs 1 VGSG sei dem Tatbild nach ein Erfolgsdelikt. Mit der Verkürzung sei der Erfolg eingetreten und das Delikt beendet. Spätere Handlungen oder weiter andauernde Unterlassungen könnten an der bereits eingetretenen Verkürzung nichts ändern.
Hinsichtlich der Tatzeit sei der Mitbeteiligten ein Zeitraum vorgeworfen worden, der mit Ablauf des ende und mit der Aufstellung der Apparate beginne, was mit den Worten "die im Betrieb in … gehaltenen 9 Bildschirmapparate" umschrieben sei. Ein Tatvorwurf mit dem Inhalt, die Berufungswerberin habe es unterlassen, die am an einem bestimmten Ort aufgestellt gewesenen Apparate spätestens einen Tag vorher zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten, sei innerhalb der im § 31 Abs 2 VStG mit einem Jahr festgelegten Verjährungsfrist nicht erhoben worden.
Da die der Mitbeteiligten zur Last gelegte Tat somit nicht den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bilde und die an § 66 Abs 4 AVG gebundene Berufungsbehörde zu einer Tatauswechslung nicht berechtigt sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Magistrat der Stadt Wien Beschwerde erhoben (Art 131 Abs 2 B-VG iVm § 14a des Gesetzes über den UVS Wien, LGBl 53/1990 idF LGBl 10/1994).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , A 2003/0011, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt auszusprechen, dass bestimmt bezeichnete Teile des § 19 VGSG verfassungswidrig waren. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 287/02, G 75/03 ua, ausgesprochen, dass die Wortfolge "und 17 Abs. 1 und 3" in § 19 Abs 2 VGSG verfassungswidrig war, und im Übrigen den Antrag zum Teil ab-, zum Teil zurückgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Zunächst ist dem in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei enthaltenen Einwand, die Beschwerde sei mangels Anführung eines Beschwerdepunktes iSd § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG nicht formgerecht, entgegen zu halten: Bei einer Amtsbeschwerde (Art 131 Abs 1 Z 2 und Z 3 sowie Abs 2 B-VG) wird nicht ein Eingriff in subjektive Rechte, sondern die objektive Rechtswidrigkeit eines verwaltungsbehördlichen Bescheides behauptet. Bei einer solchen Beschwerde kommt die Verletzung eines Rechtes des Beschwerdeführers nicht in Betracht (vgl das hg Erkenntnis vom , 2003/05/0218). Im Fall der Amtsbeschwerde kommt daher, wie sich das auch aus § 28 Abs 2 VwGG ergibt, das Erfordernis der Angabe der Beschwerdepunkte nach § 28 Abs 1 Z 4 VwGG nicht zum Tragen (vgl das hg Erkenntnis vom , 2003/05/0137).
Gemäß § 1 Abs 1 Z 3 VGSG unterliegt der Vergnügungssteuer ua das Halten von Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparaten sowie von Musikautomaten.
Gemäß § 14 Abs 2 VGSG ist das Halten von Apparaten spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden.
§ 17 Abs 3 VGSG lautet:
"Die Anmeldung von Apparaten (§ 14 Abs 2) gilt als Steuererklärung für die Dauer der Steuerpflicht. Die durch die Anmeldung erfolgte Selbstbemessung des Inhabers des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes wirkt im Falle eines Wechsels in der Person unmittelbar auch gegen den neuen Inhaber, wenn der Apparat weiterhin gehalten wird. Die Steuer ist erstmals zum Termin für die Anmeldung und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Bei der Zahlung ist als Verwendungszweck der Apparat anzugeben, für den die Zahlung geleistet wird; die Zahlung ist diesem Zweck entsprechend zu verrechnen. Die §§ 164 Abs 2 bis 4 und 177 Abs 2 und 3 WAO finden keine Anwendung."
§ 19 VGSG lautete:
"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300 000 S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 600 000 S zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 300 000 S fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom Gericht als Finanzvergehen mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Monaten festzusetzen.
(2) Übertretungen der §§ 6 Abs 9, 14 Abs 1, 2, 4 und 7 und 17 Abs 1 und 3 sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 6 000 S zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen."
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG betreffend den Inhalt des Spruches eines Straferkenntnisses ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Tatumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen ein verschiedenes, weil an den dargestellten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 2001/03/0162).
Nach Ansicht der belangten Behörde hätte im gegenständlichen Fall die Tatumschreibung betreffend die der Mitbeteiligten vorgeworfene Verwaltungsübertretung dahingehend lauten müssen, dass es die Mitbeteiligte unterlassen habe, die am aufgestellten Apparate spätestens einen Tag vorher zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Demgegenüber geht der Beschwerdeführer davon aus, dass die oben wiedergegebene Tatumschreibung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einen Beschuldigten in die Lage versetzt hat, auf den konkreten Tatvorwurf einzugehen und ihn zu widerlegen, und die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht aufkommen lässt.
Für die am bestimmt bezeichneten Ort in Wien gehaltenen neun Bildschirmapparate ist hinsichtlich November 1999 nur einmal Vergnügungssteuer angefallen und kann das nach § 19 Abs 1 VGSG tatbildmäßige Verhalten, nämlich das Unterlassen der Entrichtung der Vergnügungssteuer bis zum Fälligkeitstag unter Verletzung der Anmeldepflicht (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 287/02, ua) nur einmal bestraft werden. Nach § 6 VGSG besteht die Steuerpflicht je Apparat und Kalendermonat.
Wird aus der Tatumschreibung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses die Wortfolge "bis zum " ausgeblendet, ergibt sich bereits eine eindeutige Tatumschreibung. Sie gelangt durch die Anfügung dieser Wortfolge nicht in Wegfall, zumal dieser Zusatz, unabhängig vom Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges, lediglich zum Ausdruck bringt, dass Anmeldung und Entrichtung bis zum auch nicht nachgeholt worden seien.
Die strafbare Tätigkeit bzw. Untätigkeit ist nach dem Tatbild spätestens mit der Verkürzung der Abgabe abgeschlossen, der Erfolg ist damit eingetreten. Ein tatbildmäßiges strafbares Verhalten danach enthält der Tatbestand nicht (vgl das hg Erkenntnis vom , 93/17/0250, zum Wiener Getränkesteuergesetz). Trotz der im Spruch des Straferkenntnisses angefügten Wortgruppe ("bis zum ") ist im gegenständlichen Fall die Tat den Erfordernissen des § 44a VStG entsprechend umschrieben (vgl insofern auch die hg Erkenntnisse vom , 93/17/0251, und vom , 93/17/0250), kann doch bei der gewählten Formulierung kein Zweifel bestehen, welches Verhalten der Mitbeteiligten zum Vorwurf gemacht worden ist, nämlich hinsichtlich der Vergnügungssteuer für November 1999, die sich aus dem Halten von neuen Apparaten im November 1999 bei einer in einem konkret benannten Ort in Wien durchgeführten Veranstaltung ergeben hat, zeitgerecht eine entsprechende Anmeldung vorzunehmen und die Abgabe zu entrichten.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, erweist sich die Ansicht der belangten Behörde, die in Rede stehende Verwaltungsübertretung werde mit der im erstinstanzlichen Straferkenntnis gewählten Tatumschreibung nicht erfasst, als unrichtig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am