VwGH vom 23.05.2017, Ra 2016/05/0143

VwGH vom 23.05.2017, Ra 2016/05/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des Ing. C T in S, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in 3470 Kirchberg/Wagram, Georg Ruck Straße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-444/001-2016, betreffend Abbruchauftrag (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde:

Stadtrat der Stadtgemeinde G; weitere Partei:

Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde G hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit am bei der Stadtgemeinde G eingelangter Eingabe erstattete der Revisionswerber eine Bauanzeige betreffend die Errichtung eines Maschendrahtzaunes mit Toren auf näher genannten Grundstücken. Zu dem diesbezüglichen Verfahren ist auf den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. Ra 2016/05/0122, zu verweisen.

2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde G vom wurde dem Revisionswerber gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 der NÖ Bauordnung 2014 (BO) der Auftrag erteilt, die Einfriedung zur öffentlichen Verkehrsfläche in Form eines Maschendrahtzaunes mit Toren auf näher genannten Grundstücken abzubrechen und den Urzustand herzustellen. Die Arbeiten seien unverzüglich durchzuführen und innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides abzuschließen.

3 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige, woraus ein Konsens für die Errichtung der Einfriedung zur öffentlichen Verkehrsfläche abgeleitet werden könnte, auf. Der Abbruch eines Bauwerks sei ungeachtet eines anhängigen Baubewilligungsantrages oder einer anhängigen Bauanzeige anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder keine Bauanzeige vorliege.

4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Revisionswerbers wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde G vom keine Folge gegeben. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die gegenständliche Einfriedung sei ohne rechtskräftige Baubewilligung oder Bauanzeige errichtet worden. Sie sei gegen die öffentliche Verkehrsfläche gerichtet. Damit bestehe nach § 15 Abs. 1 Z 17 BO Anzeigepflicht.

Eine Bauanzeige liege nicht vor.

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde

vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde keine

Folge gegeben und der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde G vom bestätigt. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

7 Nach der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und von Rechtsvorschriften führte das Verwaltungsgericht begründend im Wesentlichen aus, nach der BO sei eine Überprüfung, ob für das konsenslos errichtete Bauwerk eine nachträgliche Baubewilligung bzw. nachträgliche Anzeige möglich sei, nicht mehr erforderlich. Das gegenständliche Bauvorhaben (Maschendrahtzaun) sei eine Einfriedung, die gegen eine öffentliche Verkehrsfläche gerichtet sei. Eine solche Einfriedung sei gemäß § 15 Abs. 1 Z 17 BO ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben. Für einen Abbruchauftrag komme es nur darauf an, ob eine Anzeige vorliege oder nicht, und damit sei eine dem Gesetz entsprechende Anzeige gemeint. Im Bauauftragsverfahren sei demnach zu klären, ob eine Bauanzeige den im § 15 BO genannten Anforderungen entsprochen habe. Im Fall der Verneinung sei ungeachtet des anhängigen, noch nicht abgeschlossenen Anzeigeverfahrens der Bauauftrag zu erteilen. Er dürfe aber erst nach rechtskräftiger Untersagung des Bauvorhabens oder Zurückweisung der Bauanzeige vollstreckt werden. Da für die gegenständliche anzeigepflichtige Einfriedung aktuell noch keine dem Gesetz entsprechende Anzeige vorliege (Hinweis auf das Verfahren, das Gegenstand des hg. Beschlusses vom heutigen Tag, Zl. Ra 2016/05/0122, war), seien die Voraussetzungen für die Erteilung eines Abbruchauftrages gegeben.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

9 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Akten des Verfahrens vorgelegt.

10 Der Stadtrat der Stadtgemeinde G hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes inklusive Barauslagen beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Der Revisionswerber sieht sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinem Recht, für ein anzeigepflichtiges und dem Gesetz entsprechend angezeigtes Bauvorhaben keinen Abbruchauftrag erteilt zu erhalten, verletzt.

12 Die Revision ist in Anbetracht der Frage, ob eine dem Gesetz entsprechende Bauanzeige vorliegt, zulässig.

13 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, im Bauanzeigeverfahren sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass der Revisionswerber einen Teilungsplan vorzulegen habe (wurde näher ausgeführt). Selbst dann, wenn eine Verpflichtung zur Vorlage eines solchen Teilungsplanes bestanden haben sollte, wäre im Bauanzeigeverfahren das Fehlen eines solchen zufolge Versäumung der vierwöchigen Nachforderungsfrist des § 15 Abs. 4 zweiter Satz BO durch die Baubehörde erster Instanz saniert, sodass der Abbruchauftrag auch insofern nicht dem Gesetz entspreche (wurde näher ausgeführt).

14 § 35 der NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015, lautet

auszugsweise:

"§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

...

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten

Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und der Eigentümer einem Auftrag nach § 34 Abs. 2 innerhalb der ihm darin gewährten Frist nicht entsprochen hat oder

2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.

Für andere Vorhaben gilt Z 2 sinngemäß.

..."

15 Das Verwaltungsgericht ist in seiner Begründung davon ausgegangen, dass keine Anzeige vorliege, die dem § 15 BO entspreche, sodass der Abbruch des gegenständlichen Bauwerkes angeordnet werden könne. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass es seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten habe. Dieser Zeitpunkt ist bei der Entscheidung durch einen Einzelrichter der Zeitpunkt der Zustellung (oder Verkündung) der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/05/0069). Dabei kommt es in einem Fall wie dem vorliegenden (bei Zustellung im Wege der Post) auf den Tag der Zustellung (und nicht etwa auf eine bestimmte Uhrzeit) an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0134; vgl. auch den Zustellschein, Formular 6 zu § 22 Zustellgesetz, in der Anlage der Zustellformularverordnung 1982, BGBl. Nr. 600, in der Fassung BGBl. II Nr. 399/2013), wobei am selben Tag zugestellte Erledigungen als gleichzeitig ergangen anzusehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0215).

16 Nach der Aktenlage wurde das hier angefochtene Erkenntnis dem Revisionswerber am im Wege der Post zugestellt. Ebenfalls am wurde dem Revisionswerber das Erkenntnis im Wege der Post zugestellt, das Gegenstand des hg. Beschlusses vom heutigen Tag, Zl. Ra 2016/05/0122, ist.

17 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom heutigen Tag, Zl. Ra 2016/05/0122, ausgeführt hat, erfolgte mit jenem Erkenntnis eine ersatzlose Behebung des Bescheides, mit dem die Untersagung des angezeigten Bauvorhabens ausgesprochen worden ist, mit der Wirkung, dass keine neuerliche Untersagung mehr in Frage kommt. Dies bedeutet, dass der Revisionswerber das von ihm angezeigte Bauvorhaben ausführen durfte und somit eine Anzeige im Sinne des § 35 Abs. 2 Z 2 BO vorlag, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Abbruchauftrag nicht erfüllt waren.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014.

Wien, am

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Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

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