VwGH vom 27.01.2010, 2009/21/0092
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des O, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-01/35/3146/2009- 5, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine vom Beschwerdeführer, einem seit mit einer Österreicherin verheirateten nigerianischen Staatsangehörigen, eingebrachte Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als unbegründet ab und stellte unter einem fest, dass im Zeitpunkt dieser Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlägen.
Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefasst und soweit hier wesentlich - aus, der Beschwerdeführer habe behauptet, seit (gemeint: 2002) in Österreich zu leben. Er habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden sei. Zugleich sei gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom sei eine Beschwerde gegen diesen Bescheid abgewiesen worden. Das Asylverfahren sei daher (ohne dass über eine Ausweisung abgesprochen wurde) rechtskräftig beendet.
Auf Grund einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 27 Abs. 1 und 2 Z. 1 SMG iVm § 15 Abs. 1 StGB zu einer einjährigen Freiheitsstrafe (davon acht Monate bedingt nachgesehen) sei über den Beschwerdeführer mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden.
Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet worden. Maßgebend sei dafür gewesen, dass der Beschwerdeführer, der seiner Ausreiseverpflichtung aus dem genannten Aufenthaltsverbot nicht nachgekommen sei, ohne gültiges Reisedokument im Bundesgebiet angetroffen worden sei.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen worden.
In ihrer rechtlichen Argumentation verwies auch die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn erlassenen rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes und des nunmehr seit "rechtskräftigen negativ abgeschlossenen Asylverfahrens" seiner Ausreiseverpflichtung aus eigenem nicht nachgekommen sei. Es sei daher, zumal der Beschwerdeführer ableugne, einen Reisepass zu besitze, von mangelnder Ausreisewilligkeit auszugehen. Auch sei ein Sicherungsbedarf zu bejahen, weil der Beschwerdeführer in Scheidung lebe und sich seit Anfang Februar 2009 nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung mit seiner österreichischen Ehefrau aufgehalten habe. Vielmehr habe er bei einem Freund gewohnt, dessen Namen und Adresse er nicht bekannt gegeben habe bzw. nicht habe bekannt geben wollen. Daraus ergäbe sich zugleich, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz geändert habe, ohne an seiner neuen (von ihm auch im Schubhaftverfahren nicht mitgeteilten) Adresse eine behördliche Meldung vorzunehmen. Darüber hinaus sei er mittellos, ohne legale Beschäftigung und habe durch die Verweigerung einer Herausgabe seines Reisepasses mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Behörde dokumentiert. Die Verhängung der Schubhaft erweise sich somit nicht als rechtswidrig. Auch die Überwachung der Ausreise des Beschwerdeführers sei weiterhin erforderlich.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FPG (gemäß § 126 Abs. 1 FPG am ) noch nicht abgelaufen sind, gelten nach § 125 Abs. 3 Satz 1 FPG als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Besteht gegen einen Fremden, der - wie der Beschwerdeführer - am Asylwerber war, ein (im Geltungsbereich des FrG erlassenes) Aufenthaltsverbot, so gilt dieses gemäß § 125 Abs. 3 Satz 2 FPG als Rückkehrverbot (vgl. in diesem Zusammenhang auch das die Abweisung des vom Beschwerdeführer gemäß § 65 FPG gestellten Antrages auf Aufhebung dieser Maßnahme betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0134).
Die belangte Behörde erachtete die Anhaltung des Beschwerdeführers zur Sicherung seiner Abschiebung auf Grund des gegen ihn nach dem FrG erlassenen befristeten Aufenthaltsverbotes für zulässig, weil dieses gemäß § 125 Abs. 3 Satz 1 FPG auch nach Inkrafttreten des FPG als Aufenthaltsverbot weiter gelte. Dabei beachtete sie aber nicht, dass dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 125 Abs. 3 Satz 2 FPG auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer am unstrittig Asylwerber war, nicht als Aufenthaltsverbot, sondern als Rückkehrverbot weiter galt. Dieses Rückkehrverbot durfte nicht in ein - zumal durchsetzbares - Aufenthaltsverbot umgedeutet werden. Feststellungen dahingehend, dass gegen den Beschwerdeführer eine (durchsetzbare) Ausweisung erlassen (also zugestellt) worden wäre, wodurch sich das Rückkehrverbot im hier zu beurteilenden Zeitraum (wieder) in ein Aufenthaltsverbot gewandelt hätte, enthält der angefochtene Bescheid nicht. Derartiges ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist gemäß § 46 Abs. 1 FPG das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes. Solche Maßnahmen lagen hier in dem von der belangten Behörde beurteilten Zeitraum nach dem Gesagten jedoch nicht vor. Die bloße Existenz eines Rückkehrverbotes, das für sich genommen keine Ausreiseverpflichtung in sich trägt, berechtigt nicht zur Durchführung einer Abschiebung nach § 46 Abs. 1 FPG. Da somit die Durchführung einer Abschiebung im hier relevanten Zeitraum von vornherein nicht zulässig war, folgte daraus, dass es auch nicht zulässig war, den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft anzuhalten (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0050, und vom , Zl. 2007/21/0064, mwN).
Auf Grund der aufgezeigten Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am