VwGH vom 10.08.2010, 2007/17/0012

VwGH vom 10.08.2010, 2007/17/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des J S in W, vertreten durch Dr. Stefan Petrofsky, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Pyrkergasse 36, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU4-SV-244/002-2006, betreffend Seuchenvorsorgeabgabe 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Obmann des Gemeindeverbandes zur Einhebung der Seuchenvorsorgeabgabe im Bezirk Melk dem Beschwerdeführer "mit Wirksamkeit ab: " für ein näher bezeichnetes Grundstück "nach dem jährlich zugeteilten Restmüllbehältervolumen in Höhe von 3.120,00 Liter die jährliche NÖ Seuchenvorsorgeabgabe" in Höhe von insgesamt EUR 12,--

vor, wobei er "ein angefangenes jährliches Behältervolumen von 3500 l zu Grunde legte. Weiters führte er aus, dass die festgesetzte NÖ Seuchenvorsorgeabgabe bis 15. Februar zu entrichten sei und mittels "Lastschriftanzeige/Rechnung" geltend gemacht werde. Bis zur Erlassung eines neuen Abgabenbescheides sei sie auch in den Folgejahren in unveränderter Höhe zu entrichten.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der genannte Abgabenbescheid sei ihm erst am durch Hinterlegung zugestellt worden und daher noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Obwohl noch kein rechtskräftiger Bescheid vorliege, sei ihm die Abgabe für das gesamte Jahr 2006 vorgeschrieben worden, was gegen § 6 NÖ Seuchenvorsorgegesetz verstoße.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Umweltschutz im Raume Melk vom für das gegenständliche Grundstück ein Restmüllbehälter mit 240 l zugeteilt worden. Aus der derzeit gültigen Abfallwirtschaftsverordnung des Gemeindeverbandes für Umweltschutz und Abgabeneinhebung im Bezirk Melk ergäben sich 13 Abfuhrtermine jährlich. Somit liege ein zugeteiltes Restmüllbehältervolumen in der Höhe von 3.120 l vor. Damit sei der Abgabentatbestand erfüllt, ohne dass eine weitere behördliche Tätigkeit erforderlich wäre. Der Abgabenanspruch sei gegeben. Hinsichtlich der Höhe der Abgabe werde auf § 4 des NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes verwiesen. Dem Beschwerdeführer sei auf Grund des zugeteilten Restmüllbehältervolumens lediglich der "Sockelbetrag" von EUR 12,-- vorgeschrieben worden.

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Seuchenvorsorgeabgabe für das zugeteilte Restmüllbehältervolumen sei mit dem Inkrafttreten des NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetzes - nämlich gemäß § 13 Abs. 1 NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetz mit - entstanden. Im gegenständlichen Fall sei das Restmüllbehältervolumen für das Grundstück des Beschwerdeführers unbestrittenermaßen am rechtskräftig zugeteilt gewesen, sodass auch die Abgabepflicht mit diesem Datum entstanden sei. Eine neue Abgabepflicht oder auch eine Änderung einer bereits bestehenden Abgabepflicht sei im Beschwerdefall nicht gegeben. Der angefochtene Bescheid setze die jährliche Höhe der Seuchenvorsorgeabgabe fest. Diese sei bis zur Erlassung eines neuen Bescheides in unveränderter Höhe zu entrichten. Eine Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, dass ihm "keine höhere Seuchenvorsorgeabgabe vorgeschrieben" und von ihm eingehoben werde, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Niederösterreichische Seuchenvorsorgeabgabegesetz (im Folgenden: NÖ SVAG), LGBl. Nr. 3620-0, lautet (in seiner Stammfassung) auszugsweise:

"…

§ 3

Seuchenvorsorgeabgabe

Für das für ein Grundstück im Pflichtbereich (§ 3 Z. 9 NÖ AWG 1992) zugeteilte oder für ein Grundstück auf Grund eines Ansuchens vereinbarte jährliche Restmüllbehältervolumen ist eine Seuchenvorsorgeabgabe zu entrichten.

§ 4

Berechnung

(1) Die Höhe der jährlichen Seuchenvorsorgeabgabe ergibt sich aus dem Produkt des für ein Grundstück zugeteilten oder vereinbarten jährlichen Restmüllbehältervolumens (Mülltonnen oder Müllsäcke) mit dem Hebesatz.

§ 5

Abgabepflichtiger

Zur Entrichtung der Seuchenvorsorgeabgabe ist der Eigentümer

des Grundstückes (§ 3) verpflichtet.

§ 6

Entstehen des Abgabenanspruches, Fälligkeit

(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Seuchenvorsorgeabgabe entsteht mit dem der Rechtskraft des Bescheides über die Festsetzung der Seuchenvorsorgeabgabe folgenden Monatsersten.

(2) Der im Bescheid über die Seuchenvorsorgeabgabe festgesetzte Abgabenbetrag ist bis zur Erlassung eines neuen Seuchenvorsorgeabgabenbescheides in unveränderter Höhe zu entrichten.

(3) Entsteht die Abgabenschuld während eines Kalenderjahres, ist die Seuchenvorsorgeabgabe anteilsmäßig für die restlichen vollen Monate des Kalenderjahres zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß, wenn sich die Höhe der Seuchenvorsorgeabgabe im Laufe eines Kalenderjahres ändert.

(4) Erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung der Seuchenvorsorgeabgabe, so ist diese für die restlichen vollen Monate des Kalenderjahres nicht mehr zu entrichten.

(5) Der Zeitpunkt der Fälligkeit ist durch Verordnung der Abgabenbehörde I. Instanz unter Berücksichtigung der Fälligkeitszeitpunkte der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe der Gemeinde im Sinne einer sparsamen, zweckmäßigen und einheitlichen Abgabenvorschreibung festzusetzen.

…"

Nach § 1 der Verordnung des geschäftsführenden Vereinsobmanns des Gemeindeverbandes zur Einhebung der Seuchenvorsorgeabgabe im Bezirk Melk (GVS Melk) ist die Seuchenvorsorgeabgabe (§ 3 NÖ Seuchenvorsorgeabgabegesetz) jährlich in einem Betrag zu entrichten. Dieser Betrag ist jeweils am 15. Februar fällig.

§ 2 der genannten Verordnung bestimmt deren Inkrafttreten mit .

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass ihm die Seuchenvorsorgeabgabe für Zeiträume vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Abgabenbescheides nicht hätte vorgeschrieben werden dürfen. Aus § 6 NÖ SVAG, welcher mit "Entstehen des Abgabenanspruches" überschrieben sei, ergebe sich nämlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Abgabepflicht möglichst spät (nämlich mit dem der Rechtskraft des Abgabenbescheides folgenden Monatsersten) eintreten und "möglichst gering (nur anteilsmäßig für die restlichen vollen Monate des Kalenderjahres ausfallen" solle.

Nach § 3 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden NÖ AO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches.

Diese Generalklausel des § 3 Abs. 1 NÖ AO - welche jener des § 4 Abs. 1 BAO entspricht - gilt nur, wenn keine spezielleren Regelungen diesen Zeitpunkt bestimmen.

Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit. Er setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche - außer dies wäre gesetzlich vorgesehen - vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist. Weiters kann auch die Fälligkeit von Abgaben niemals vor Entstehung des Abgabenanspruches liegen (vgl. dazu Ritz, BAO3, Tz 2 ff u. Tz 14 zu § 4).

Vom Abgabenanspruch zu unterscheiden ist der Abgabenzahlungsanspruch. Das ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich u.a. aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/16/0036, mwN).

Das NÖ SVAG, mit welchem die Seuchenvorsorgeabgabe eingeführt wurde, trat am in Kraft. Es umschreibt in seinem § 3 den Abgabentatbestand, bei dessen Erfüllen der Abgabenanspruch entsteht. Dies ist der Fall, wenn einem Grundstück ein jährliches Restmüllbehältervolumen zugeteilt wurde oder ein solches für ein Grundstück vereinbart wurde.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Auslegung mit dem Vorbringen, § 6 Abs. 1 NÖ SVAG sei die speziellere Regelung zu § 3 Abs. 1 NÖ AO. Auf Grund des Vorrangs der erstgenannten Bestimmung entstehe der Abgabenanspruch erst mit der Rechtskraft der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung.

Dieses Verständnis des § 6 Abs. 1 NÖ SVAG findet aber in dessen Wortlaut keine Deckung. Aus diesem ergibt sich nämlich ausschließlich die "Verpflichtung zur Entrichtung der Seuchenvorsorgeabgabe" zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Abgabenfestsetzung, welche - mangels anders lautender Bestimmung im NÖ SVAG - einen bestehenden Abgabenanspruch voraussetzt. Unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Überschrift enthält § 6 keine Regelungen über das Entstehen des Abgabenanspruches iSd § 3 NÖ AO.

Die Fälligkeiten der Abgabe sind nach § 6 Abs. 5 NÖ SVAG durch Verordnung der Abgabenbehörde I. Instanz festzusetzen. Da der Abgabenzahlungsanspruch der Seuchenvorsorgeabgabe aber erst mit dem der Rechtskraft des Bescheides über die Festsetzung der Seuchenvorsorgeabgabe folgenden Monatsersten entsteht, ist der Abgabepflichtige auf Grund der Bestimmung des § 6 Abs. 1 NÖ SVAG nicht verpflichtet, Fälligkeitstermine, die vor diesem Zeitpunkt liegen, wahrzunehmen. Einem vom Abgabepflichtigen erhobenen Rechtsmittel kommt somit im Ergebnis aufschiebende Wirkung zu.

Im Beschwerdefall sind unstrittig die in § 3 NÖ SVAG genannten Tatbestandsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des NÖ SVAG per erfüllt gewesen. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dass sich im Laufe des Kalenderjahres 2006 für die Abgabenbemessung dieses Jahres relevante Änderungen ergeben hätten. Er bestreitet auch nicht die Richtigkeit des der Abgabenbemessung zu Grunde gelegten Restmüllbehältervolumens und des Hebesatzes. Es kann somit nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer die Seuchenvorsorgeabgabe für das gesamte Kalenderjahr 2006 in Höhe von insgesamt EUR 12,-- vorgeschrieben hat.

Die Beschwerde enthält im Übrigen kein Vorbringen, welches erkennen ließe, inwiefern die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel zu einem anders lautenden Bescheid hätte gelangen können.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am