VwGH vom 28.08.2007, 2007/17/0005
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/17/0006 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/27/6350/2005/5, betreffend Einstellung von Strafverfahren gemäß § 48 Abs. 1 Z 2 des Börsegesetzes sowie gemäß § 48 Abs. 2 Z 4 iVm § 20 Abs. 4 und § 18 Z 1 des Börsegesetzes iVm § 18 Abs. 2 Xetra-Handelsregeln der Wiener Börse (mitbeteiligte Partei: PB in Wien, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Erledigung der Berufung gegen die Spruchpunkte 2. und 4. des erstinstanzlichen Bescheides vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der beschwerdeführenden Partei vom wurde dem Mitbeteiligten Folgendes angelastet:
"Sie waren in den nachfolgend angeführten relevanten Zeiträumen Wertpapierhändler der E AG (...) und Börsebesucher im Sinne des § 20 Börsegesetzes (BörseG), BGBl 1989/555 idjgF.
In dieser Eigenschaft haben Sie Folgendes zu verantworten:
1.) Sie haben von bis versucht, den Kurs bzw die Preisbildung der Aktien der S AG (...), AT..., somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, durch den fortgesetzten Abschluss von Scheingeschäften zu beeinflussen. Dies indem Sie für die E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... in das XETRA Handelssystem der Wiener Börse aufeinander abgestimmte zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen eingegeben haben. Ihre aufeinander abgestimmten Orders wurden dann jeweils zum gesetzten Limit Preis gegeneinander ausgeführt (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften siehe Anlage./I die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Die gegenständlichen Orders sind ein und demselben wirtschaftlich Berechtigten zuzurechnen und wurden von der E AG an die FMA gemäß § 10 WAG als Eigenhandel gemeldet (vgl Anlage./II die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
2.) Sie haben von bis die Ihnen als Börsebesucher gemäß § 20 Abs 4 BörseG iVm § 18 Z 1 BörseG obliegende Pflicht, die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten (hier § 18 Abs 2 Xetra- Handelsregeln idjgF), fortgesetzt dahingehend verletzt, dass Sie auf Rechnung der E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... betreffend die Aktien der S AG, somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, jeweils aufeinander abgestimmte, zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen - somit gegenläufige Aufträge - in das Xetra-Handelssystem der Wiener Börse eingegeben haben. Dies so, dass diese Orders gegeneinander zur Ausführung gelangen konnten und schließlich auch gegeneinander ausgeführt wurden (vgl zu den einzelnen Orders bzw Geschäften Anlage./I die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Dabei handelten Sie sowohl auf der Kauf- als auch der Verkaufsseite wissentlich für ein und denselben wirtschaftlich Berechtigten (vgl Anlage./II die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
3.) Sie haben von bis versucht, den Kurs bzw die Preisbildung der Aktien der A AG (...), AT..., somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, durch den fortgesetzten Abschluss von Scheingeschäften zu beeinflussen. Dies indem Sie für die E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... in das XETRA-Handelssystem der Wiener Börse aufeinander abgestimmte zeitnahe Kauforders und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen eingegeben haben. Ihre aufeinander abgestimmten Orders wurden dann jeweils zum gesetzten Limit Preis gegeneinander ausgeführt (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften vgl Anlage./III die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Die gegenständlichen Orders sind ein und demselben wirtschaftlich Berechtigten zuzurechnen und wurden von der E AG an die FMA gemäß § 10 WAG als Eigenhandel gemeldet (vgl Anlage./IV die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet)
4.) Sie haben von bis die Ihnen als Börsemitglied gemäß § 20 Abs 4 BörseG iVm § 18 Z 1 BörseG obliegende Pflicht, die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten (hier § 18 Abs 2 Xetra- Handelsregeln idjgF), fortgesetzt dahingehend verletzt, dass Sie für die E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... betreffend die Aktien der A AG, somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, jeweils aufeinander abgestimmte, zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen - somit gegenläufige Aufträge - in das Xetra-Handelssystem der Wiener Börse eingegeben haben. Dies so, dass diese Orders gegeneinander zur Ausführung gelangen konnten und schließlich auch gegeneinander ausgeführt wurden (vgl zu den einzelnen Orders bzw Geschäften Anlage./III die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Dabei handelten Sie sowohl auf der Kauf- als auch der Verkaufsseite wissentlich für ein und denselben wirtschaftlich Berechtigten (vgl Anlage./IV die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
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1.) | § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 2/2001. |
2.) | § 48 Abs 2 Z 4 BörseG idgF iVm § 20 Abs 4 BörseG idgF iVm § 18 Z 1 BörseG idgF iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse. |
3.) | § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 2/2001. |
4.) | § 48 Abs 2 Z 4 BörseG idgF iVm § 20 Abs 4 BörseG idgF iVm § 18 Z 1 BörseG idgF iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse. |
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende
Strafe verhängt:
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Geldstrafe von | falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von | Freiheitsstrafe von | Gemäß |
1.) 300 | 18 Stunden | --- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 2 BörseG |
2.) 105 | 12 Stunden | --- | |
3.) 800 | 48 Stunden | --- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 7 BörseG |
4.) 280 | 18 Stunden | --- | |
Somit insgesamt 1485 Euro | Somit insgesamt 96 Stunden (4 Tage)" |
Nach den Feststellungen der beschwerdeführenden Partei in der Begründung dieses Straferkenntnisses lautet § 18 Abs. 2 der Xetra-Handelsregeln der Wiener Börse im Zeitraum der gegenständlichen Tatanlastungen wie folgt:
"Die Eingabe gegenläufiger Aufträge durch ein Börsemitglied, die dasselbe Wertpapier betreffen und im elektronischen Handelssystem zu einem Geschäftsabschluss zusammengeführt werden könnten (Crossing-Geschäfte), ist unzulässig, sofern das Börsemitglied wissentlich sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite für eigene Rechnung oder für Rechnung desselben Kunden handelt. Derartige Geschäfte führen im fortlaufenden Handel nicht zu Börsepreisen, sofern das Börsemitglied für eigene Rechnung handelt. Satz 1 findet entsprechende Anwendung auf sonstige Verhaltensweisen, die eine Umgehung der Vorschrift darstellen. ..."
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie des § 9 Abs. 1 und 2 VStG aus, es sei erhoben worden, dass der Vorstandsvorsitzende der E-AG, Mag. J, mit Schreiben vom (eingelangt am bei der damaligen Bundeswertpapieraufsicht) zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Bestimmungen des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Börsegesetzes bestellt worden sei. Diese Bestellung sei im gesamten Tatzeitraum aufrecht gewesen.
Damit sei jedoch Mag. J hinsichtlich der von der E-AG durchgeführten Handelstätigkeit zum alleinigen Adressaten der Verwaltungsstrafnormen des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555 (im Folgenden: BörseG), geworden, weshalb eine gesonderte Bestrafung des Mitbeteiligten als Angestellten der E-AG wegen Übertretungen des BörseG durch das genannte Unternehmen nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in welcher er die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Z 1 BörseG, die wiedergegebenen Teile in der Stammfassung, lautet:
"§ 18. Die Börsemitglieder sind verpflichtet
1. bei ihrer Geschäftstätigkeit die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten, ..."
§ 20 Abs. 1, 2 und 4 BörseG (Abs. 1 und 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 11/1998, Abs. 2 in der Stammfassung), lauten:
"§ 20. (1) Börsebesucher sind diejenigen physischen Personen, die zur Erteilung von Aufträgen und zum Abschluss von Geschäften für Börsemitglieder an der Börse oder im Handelssystem berechtigt und vom Börseunternehmen als Börsebesucher zugelassen sind. Das Börsebesuchsrecht wird durch Vereinbarung mit dem Börseunternehmen erworben. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht Kontrahierungszwang des Börseunternehmens.
(2) Als Börsebesucher dürfen nur zugelassen werden:
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1. | Börsemitglieder, die physische Personen sind, | |||||||||
2. | Mitglieder der Geschäftsleitung eines Börsemitglieds und | |||||||||
3. | Bedienstete eines Börsemitglieds. | |||||||||
... |
(4) Die Börsebesucher sind verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit im Börsehandel die Bestimmungen des § 18 Z 1 einzuhalten."
In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend die Stammfassung des § 20 BörseG, welcher in Abs. 4 vorsah, dass die Pflichten u.a. des § 18 Z 1 BörseG auch für Börsebesucher galten, 1049 BlgNR 17. GP, 34, heißt es:
"Von den Börsemitgliedern sind die Börsebesucher zu unterscheiden. Die Börsemitglieder sind zumindest bei den Wertpapierbörsen in der Regel nur protokollierte Firmen oder juristische Personen, während die Börsebesucher diejenigen physischen Personen sind, die von den Börsemitgliedern an die Börse zum Abschluss von Geschäften entsandt werden (das Merkmal der Berechtigung zum Geschäftsabschluss unterscheidet sie von den übrigen Besuchern nach § 21).
...
Für die Pflichten der Börsebesucher gilt das zur Mitgliedschaft Ausgeführte."
§ 48 Abs. 1 Z 2 und 7 sowie Abs. 2 Z 4 BörseG in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001 lautete:
"§ 48. (1) Wer
...
2. den Kurs oder die Preisbildung eines zum Handel an der Börse oder in einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates (§ 2 Z 37 BWG) zugelassenen Handelsgegenstandes durch Abschluss eines Scheingeschäftes oder durch vorsätzliche Verbreitung falscher Gerüchte zu beeinflussen versucht (Preismanipulation),
...
7. als Börsemitglied die ihm gemäß § 18 Z 1 bis 3 obliegenden Pflichten verletzt,
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Wer
...
4. als Börsebesucher die ihm gemäß den §§ 18 Z 1 und 20 Abs. 4 obliegenden Pflichten verletzt,
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 7 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
§ 9 Abs. 1 und 2 VStG lauten:
"§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden."
Für die zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage, ob die Bestellung des Mag. J zum verantwortlichen Beauftragten für die E-AG vorliegendenfalls eine Bestrafung des Mitbeteiligten ausschloss, ist maßgeblich, ob sich die übertretenen Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG allein an die juristische Person E-AG, oder aber (darüber hinaus) auch an den Mitbeteiligten gerichtet haben. I. Zu § 48 Abs. 2 Z 4 BörseG iVm § 20 Abs. 4 und § 18 Z 1 leg. cit. sowie mit § 18 Abs. 2 Xetra-Handelsregeln der Wiener Börse (Spruchpunkte 2. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):
Beim Mitbeteiligten handelte es sich unstrittig um einen Börsebesucher. Diese sind gemäß § 20 Abs. 1 BörseG dadurch gekennzeichnet, dass sie "zum Abschluss von Geschäften für Börsemitglieder an der Börse oder im Handelssystem berechtigt und vom Börseunternehmen als Börsebesucher zugelassen sind". Wie in der Amtsbeschwerde zutreffend ausgeführt wird, verpflichtet § 20 Abs. 4 BörseG auch die Börsebesucher bei ihrer Tätigkeit im Börsehandel, die Bestimmungen des § 18 Z 1 BörseG einzuhalten. Während somit die Verpflichtung zur Beachtung der Handelsbedingungen der Börse durch die Börsemitglieder unmittelbar aus § 18 Z 1 BörseG resultiert, folgt eine entsprechende Verpflichtung für Börsebesucher aus § 20 Abs. 4 leg. cit. Dem entsprechend richtet sich im Fall eines Verstoßes gegen die vorzitierten Verpflichtungen die Strafdrohung des § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG gegen Börsemitglieder, jene - von der erstinstanzlichen Behörde hier angewendete - des § 48 Abs. 2 Z 4 BörseG aber gegen Börsebesucher. Wenn § 20 Abs. 4 BörseG nun die Börsebesucher verpflichtet bei ihrer Geschäftstätigkeit die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten, so ist diese Norm dahingehend zu verstehen, dass die Erstgenannten bei der von ihnen ausgeübten Tätigkeit, nämlich beim Abschluss von Geschäften für Börsemitglieder an der Börse oder im Handelssystem, die für eben diesen Handel aufgestellten Bedingungen der Börse einzuhalten haben. Eine der belangten Behörde oder dem Mitbeteiligten etwa vorschwebende Auslegung, wonach § 20 Abs. 4 BörseG nur solche Bedingungen betreffe, welche das Börseunternehmen ausdrücklich für Börsebesucher aufstellt, würde den Systemzusammenhang zwischen § 20 Abs. 1 und Abs. 4 BörseG verkennen und der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung ihren Anwendungsbereich weitgehend entziehen. Sie wird daher vom Verwaltungsgerichtshof - zumal auch die oben zitierten Ausführungen in der Regierungsvorlage in diese Richtung gehen - nicht vertreten.
Indem die belangte Behörde die aufgezeigte Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid, soweit er die Erledigung der Berufung gegen die Spruchpunkte 2. und 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
II. Zu § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG (Spruchpunkte 1. und 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses):
Zur Auslegung des § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG in der hier maßgeblichen Fassung führen Kapfer/Puck, Der neue Marktmanipulationstatbestand im österreichischen Börserecht, ÖBA 2005, 518 f, Folgendes aus:
"Das Delikt war hinsichtlich beider Begehungsformen als Versuchsdelikt konzipiert. Dass es durch die Tathandlung tatsächlich zu einer Kursbeeinflussung kommt, war daher nicht entscheidend. Der Tatbestand sah vor, dass es strafbar ist, wenn 'versucht wird', Preismanipulation zu begehen. Daraus ergab sich, dass Preismanipulation nur vorsätzlich begangen werden konnte. Ein fahrlässiges Versuchen ist nämlich gemäß § 8 VStG ausgeschlossen.
§ 48 Abs 1 Z 2 BörseG (in der Fassung BGBl I 2001/2) führte als erste Begehungsform der Preismanipulation die so genannte Manipulation durch Scheingeschäfte an. Hierbei handelte es sich um eine transaktionsbezogene (handelsgestützte) Marktmanipulation. Der hier zentrale Begriff des Scheingeschäfts war in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Historisch gesehen erfasste der Begriff des Scheingeschäfts wohl nur börsliche Käufe und Verkäufe, die nach außen hin zwar abgeschlossen werden, aber nicht erfüllt werden sollen. Ein solch restriktives Verständnis des Tatbestandes hätte diesem vor dem Hintergrund moderner Abwicklungssysteme faktisch seinen ganzen praktischen Anwendungsbereich genommen. Unter Scheingeschäften im Sinne des Tatbestandes waren daher fiktive Geschäfte im weiteren Sinn zu verstehen.
Charakteristisches Merkmal von solchen Scheingeschäften war es, dass ihnen die sonst Börsegeschäften zukommende wirtschaftliche Relevanz fehlt. Die Veränderung einer Wertpapierposition unter Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos wird bei Scheingeschäften nämlich vermieden. Dies kann insbesondere durch aufeinander abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders erreicht werden. Ob diese Orders von einem Marktteilnehmer ('Wash Sale') oder von mehreren zusammenwirkenden Marktteilnehmern ('Matched Orders') eingegeben werden, macht keinen Unterschied. Solche Geschäfte haben regelmäßig folgenden manipulativen Effekt: Die Umsatzentwicklung stellt für viele Investoren ein Indiz hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung eines Finanzinstrumentes dar ('Volume goes with the trend') und beeinflusst somit entscheidend ihre Anlagestrategie. Durch das erhöhte - wirtschaftlich nicht begründete - Volumen wird somit ein Signal in den Markt gesendet, durch das die Kursentwicklung beeinflusst wird. Insbesondere in engen Märkten können abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders aber auch unmittelbar dazu verwendet werden, ein bestimmtes Kursniveau zu erreichen oder zu halten. Dies durch den Abschluss von Scheingeschäften zu einem künstlichen Preis, der dann den Börsekurs des illiquiden Wertpapiers bestimmt."
Weiters heißt es bei Aicher/Kalss/Oppitz, Grundfragen des neuen Börserechts, 226:
"§ 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG pönalisiert den Versuch, durch 'Abschluss eines Scheingeschäftes' den Kurs oder die Preisbildung eines Wertpapieres zu beeinflussen. Der Tatbestand erfasst sowohl 'Wash Sales', dh Geschäfte mit wirtschaftlich identen Vertragspartnern, als auch 'Matched Orders' Geschäfte, bei denen Auf- und Gegenaufträge aufeinander abgestimmt sind. Eine derartige Interpretation entspricht dem Ziel der Norm, Geschäfte zu verbieten, die allein deswegen vorgenommen werden, um dem Markt irreführende Informationen über das Ausmaß des Interesses an einem Wertpapier zukommen zu lassen."
Wie die genannten Autoren zutreffend ausführen, muss der Versuch der Beeinflussung des Kurses oder der Preisbildung eines Handelsobjektes "durch Abschluss eines Scheingeschäftes" getätigt werden. Das Delikt setzt somit voraus, dass ein Scheingeschäft "abgeschlossen" wurde. Nicht jeder, der versucht, den Kurs oder die Preisbildung eines Handelsgegenstands zu beeinflussen, kann als Täter in Betracht kommen, sondern nur derjenige, welcher zu diesem Zweck ein Scheingeschäft "abschließt", also die - im Sinne des wirtschaftlichen Trägers verstandene - "Vertragspartei" des "Scheingeschäftes". In dem von der beschwerdeführenden Partei angenommenen Fall eines "Wash Sale", also eines "Geschäftes mit wirtschaftlich identischen Vertragspartnern", kommt somit als Adressat der Strafnorm nur derjenige in Betracht, für dessen Rechnung die zum Scheingeschäft zusammengeführten gegenläufigen Aufträge in das Handelssystem eingegeben wurden. Dies war nach Annahme der beschwerdeführenden Partei jedoch nicht der Mitbeteiligte, sondern die E-AG.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die in den Spruchpunkten 1. und 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorgenommene Tatanlastung an den Mitbeteiligten zu Unrecht erfolgte.
Aus diesen Erwägungen war die vorliegende Amtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Erledigung der Berufung gegen die Spruchpunkte 1. und 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die belangte Behörde richtete, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Kostenzuspruch an die belangte Behörde oder an den Mitbeteiligten kam schon im Hinblick auf das teilweise Obsiegen der beschwerdeführenden Partei gemäß § 50 VwGG nicht in Betracht.
Wien, am