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VwGH vom 27.01.2010, 2009/21/0085

VwGH vom 27.01.2010, 2009/21/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 267/08, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer reiste am nach Österreich ein und beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Er heiratete am seine Arbeitskollegin, die österreichische Staatsbürgerin E., von der er (im Einvernehmen) am geschieden wurde.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend verwies sie auf die Ausführungen der Erstbehörde (Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), wonach E. am ausgesagt habe, bei der genannten Ehe habe es sich um "eine Aufenthaltsehe mit Bereicherung gehandelt, was einen gerichtlich strafbaren Tatbestand darstellt". E. sei für den Abschluss der Ehe eine Geldleistung von EUR 5.000,-- versprochen worden, sie habe jedoch nie eine finanzielle Gegenleistung erhalten. Weiters habe sie ausgesagt, mit dem Beschwerdeführer in W eine Kleinwohnung gemietet, mit ihm jedoch nie gemeinsam gewohnt zu haben. Vielmehr habe E. mit ihren drei Kindern durchgehend in ihrem Elternhaus gelebt. Sie habe sich bemüht, die Eheschließung vor ihren Angehörigen geheim zu halten. Nach der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung habe der Beschwerdeführer mit E. nur zwei- oder dreimal kurz Kontakt gehabt.

Der Vermieter der genannten Wohnung M., so referierte die belangte Behörde die Ausführungen der Erstbehörde weiter, habe angegeben, der Beschwerdeführer und E. seien an ihn und seine Lebensgefährtin herangetreten und hätten sie gebeten, bei der Hochzeit am als Trauzeugen zu fungieren, was sie auch getan hätten. E. sei zur Hochzeit im Arbeitsgewand erschienen und habe von der Lebensgefährtin des M. "ein den Umständen entsprechendes Gewand geliehen bekommen". Nach der Trauung sei E. wieder zur Arbeit gefahren. Nachdem der Beschwerdeführer, dem eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei, wieder nach Österreich gekommen sei, sei E. "nach ca. zwei oder drei Monate bei ihm gemeldet" gewesen, gesehen habe er sie jedoch nur selten. Ab Oktober 2007 habe E. keine Miete mehr bezahlt, über ein gemeinsames Familienleben mit dem Beschwerdeführer könne er nichts angeben.

Der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeuge A., ein gemeinsamer Arbeitskollege der E. und des Beschwerdeführers, habe ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ihm erzählt, er hätte sich des Öfteren mit E. getroffen, hätte jedoch nicht zu ihr nach Hause mitkommen dürfen. Die genannte Wohnung habe er nicht gekannt, über ein Zusammenleben des Beschwerdeführers mit E. könne er nichts aussagen.

Es stehe somit - entgegen den dies ableugnenden Ausführungen des Beschwerdeführers - fest, dass dieser eine "Zweckehe" eingegangen sei, um für sich einen Aufenthaltstitel und einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erwirken.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde in Anknüpfung an diese Erwägungen der Erstbehörde, "der Tatbestand des § 86 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG" sei insofern erfüllt, als E. eindeutig ausgeführt habe, dass es sich in ihrem Fall um eine Scheinehe gehandelt habe. Diesen Angaben sei schon deshalb mehr Gewicht beizumessen, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass solche mit der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung (nach § 117 FPG) verbundene Eingeständnisse gegenüber der Behörde nicht leichtfertig gemacht werden. Auch sei nicht anzunehmen, dass jemand zu einer "Liebesheirat" in Arbeitsbekleidung erscheine. Soweit der Zeuge M.

Renovierungsarbeiten in der genannten Wohnung beschrieben habe, hätten diese offenbar dem Zweck gedient, Gemeinsamkeiten in Richtung einer Familiengemeinschaft vorzutäuschen. Generell habe sich aus der Aussage der E. jedoch ergeben, dass das Anmieten einer gemeinsamen Unterkunft nur zum Schein erfolgt sei.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei iSd § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil das Eingehen einer Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht sei und einen krassen Rechtsmissbrauch darstelle. Aus dieser Sicht der Dinge ergebe sich eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Der Beschwerdeführer halte sich "schon jahrelang" in Österreich auf, habe den Großteil dieser Zeit jedoch "im Asylverfahren verbracht". Auch im Hinblick darauf, dass er einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehe, bereits gut deutsch spreche und einen großen Freundeskreis aufgebaut habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er bereits vollständig integriert sei. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen sei im Hinblick auf seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet eine negative Zukunftsprognose zu stellen. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sodass das Aufenthaltsverbot auch zulässig iSd § 66 Abs. 2 FPG sei. Unter Berücksichtigung der schweren Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung seien auch keine Gründe ersichtlich, von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes ergebe sich daraus, dass erst nach Ablauf der genannten Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG konnte gegen den (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten und daher nicht den Bestimmungen des § 86 iVm § 87 FPG unterliegenden) Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Als bestimmte - die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende - Tatsache hat u.a. zu gelten, wenn der Fremde im Sinn des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine so genannte "Scheinehe" geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat.

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen und insoweit eine unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht. Die Annahme einer Scheinehe sei vornehmlich auf die Aussagen der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers gestützt worden, die ihre Darstellungen im Lauf des Verfahrens jedoch geändert habe. Im Gegensatz dazu habe der Beschwerdeführer unverändert und daher glaubwürdig ausgesagt. Auch seien die Angaben des Vermieters M. nicht ausreichend gewürdigt worden.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung darzutun. Zunächst ist er auf seine Einvernahme vor der Polizeiinspektion W vom zu verweisen. Dort führte er - zum entscheidenden Punkt der Anbahnung der Eheschließung befragt - an, er habe E. im September 2006 erklärt, dass seine Aufenthaltserlaubnis bald auslaufe. Wenn sie ihn so liebe wie er sie, dann müsse sie ihn heiraten, damit er bei ihr bleiben könne. Ohne eine Heirat werde er wohl keine Aufenthaltsberechtigung mehr erhalten. Im Gegensatz dazu behauptete er in seiner Stellungnahme vom , "die Initiative zur Eheschließung" sei nicht von ihm, sondern "von der Ex-Gattin" ausgegangen. Von "stets gleich bleibenden Angaben" seinerseits kann daher keine Rede sein.

Schlüssig begründet erscheint dagegen die Würdigung der Darstellungen der Zeugin E. Diese äußerte sich zwar bei ihrer Einvernahme vom pauschal dahin, sie könne sich nicht vorstellen, der Beschwerdeführer habe sie "wegen seiner Ausweisung vom BAL geheiratet". Am legte E. dagegen ausführlich und vergleichsweise detailliert dar, der Beschwerdeführer habe ihr im September 2006, als sie sich als allein stehende Mutter mit drei minderjährigen Kindern in einer finanziell angespannten Situation befunden habe, das Angebot zum Abschluss einer Scheinehe gemacht. Dem habe sie zugestimmt und in W eine karg möblierte Kleinwohnung angemietet, wo sie jedoch nie gemeinsam mit dem Beschwerdeführer gewohnt habe.

Ein Grund dafür, derart deutliche Angaben - in (ausdrücklich erklärter) Kenntnis der Strafbarkeit ihres Verhaltens - entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten, also bloß fälschlich zu machen, ist nicht ersichtlich. Auch steht ihre Aussage mit der Darstellung des Zeugen M., sie und den Beschwerdeführer (selten) in der genannten Wohnung gesehen zu haben, nicht im Widerspruch, zumal die Zeugin E. eine fallweise Nächtigung nicht in Abrede stellte. Die Vornahme - inhaltlich nie näher konkretisierter - Renovierungsarbeiten im Inneren der Wohnung nach deren Anmietung ist mit der von der Zeugin E. vertraglich gegenüber ihrem Vermieter (und zugleich einem späteren Trauzeugen) übernommenen Verpflichtung zu erklären.

Auch die weiteren beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde, die in der Beschwerde nicht substanziiert bekämpft werden, begegnen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung keinen Bedenken, sodass für die weitere Beurteilung von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Schließung einer Aufenthaltsehe und der Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe auszugehen ist. Auf dieser Basis hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass der - wie erwähnt - die Gefährdungsannahme iSd § 60 Abs. 1 FPG rechtfertigende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde.

Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin den mehrjährigen Aufenthalt, die unselbständige Beschäftigung, gute Kenntnisse der deutschen Sprache und den Erwerb eines Freundeskreises durch den Beschwerdeführer ausreichend berücksichtigt. Ebenso ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert ist, dass sie nur auf einem ohne Erfolg gebliebenen Asylantrag und auf einer "Scheinehe" beruht. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann auch die in der Beschwerde weiters erwähnte Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nichts ändern (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0169).

Schließlich ist auch die Ermessensübung nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-69101