VwGH vom 28.08.2007, 2007/17/0004
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-06/27/6348/2005/18, betreffend Einstellung von Strafverfahren gemäß § 48 Abs. 1 Z 2 des Börsegesetzes (mitbeteiligte Partei: JW in Wien, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der beschwerdeführenden Partei vom wurde dem Mitbeteiligten Folgendes angelastet:
"Sie waren in den nachfolgend angeführten Zeiträumen Vorstand und für die Einhaltung des Börsegesetzes (BörseG), BGBl 555/1989 idjgF namhaft gemachter verantwortlicher Beauftragter (seit ) der E AG (...).
In dieser Funktion haben Sie gemäß § 9 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl. 52/1991 idjgF Folgendes zu verantworten:
1.) Die E AG hat von bis versucht, den Kurs bzw die Preisbildung der Aktien der S AG (...), AT..., somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, durch den fortgesetzten Abschluss von Scheingeschäften, zu beeinflussen. Dies indem Händler der E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... in das XETRA-Handelssystem der Wiener Börse aufeinander abgestimmte zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen eingegeben haben. Die aufeinander abgestimmten Orders wurden dann jeweils zum gesetzten Limitpreis gegeneinander ausgeführt (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften vgl Anlage./I die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Die gegenständlichen Orders sind ein und demselben wirtschaftlich Berechtigten zuzurechnen und wurden von der E AG an die FMA gemäß § 10 Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG), BGBl 753/1996 idjgF als Eigenhandel gemeldet (vgl Anlage./II die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
2.) Die E AG hat von bis als Börsemitglied die ihr in dieser Eigenschaft gemäß § 18 Z 1 BörseG idgF obliegende Pflicht, die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten (hier § 18 Abs 2 Xetra- Handelsregeln idjgF), fortgesetzt dahingehend verletzt, dass durch Händler der E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... betreffend die Aktien der
S AG, AT..., somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, jeweils aufeinander abgestimmte, zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen - somit gegenläufige Aufträge - in das Xetra- Handelssystem der Wiener Börse idjgF eingegeben wurden. Dies so, dass diese Orders gegeneinander zur Ausführung gelangen konnten und schließlich auch gegeneinander ausgeführt wurden (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften vgl Anlage./I die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Dabei handelte die E AG sowohl auf der Kauf- als auch der Verkaufsseite wissentlich für ein und denselben wirtschaftlich Berechtigten (vgl Anlage./II die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
3.) Die E AG hat von bis versucht, den Kurs bzw die Preisbildung der Aktien der A AG (...), AT..., somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, durch den fortgesetzten Abschluss von Scheingeschäften, zu beeinflussen. Dies indem Händler der E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... in das XETRA Handelssystem der Wiener Börse aufeinander abgestimmte zeitnahe Kauforders und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen eingegeben haben. Die aufeinander abgestimmten Orders wurden dann jeweils zum gesetzten Limitpreis gegeneinander ausgeführt (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften vgl Anlage./III die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Die gegenständlichen Orders sind ein und demselben wirtschaftlich Berechtigten zuzurechnen und wurden von der E AG an die FMA gemäß § 10 WAG idjgF als Eigenhandel gemeldet (vgl Anlage./IV die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
4.) Die E AG hat von bis als Börsemitglied die ihr in dieser Eigenschaft gemäß § 18 Z 1 BörseG idgF obliegende Pflicht, die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten (hier § 18 Abs 2 Xetra- Handelsregeln idjgF), fortgesetzt dahingehend verletzt, dass durch Händler der E AG in deren Geschäftsräumlichkeiten in der ... betreffend die Aktien der
A AG, somit eines zum Handel an der Wiener Börse zugelassenen Handelsgegenstandes, jeweils aufeinander abgestimmte, zeitnahe Kauf- und Verkaufsorders unter Verwendung von Orderlimits in gleichen Stückzahlen - somit gegenläufige Aufträge - in das Xetra-Handelssystem der Wiener Börse eingegeben wurden. Dies so, dass diese Orders gegeneinander zur Ausführung gelangen konnten und schließlich auch gegeneinander ausgeführt wurden (zu den einzelnen Orders bzw Geschäften vgl Anlage./III die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet). Dabei handelte die E AG sowohl auf der Kauf- als auch der Verkaufsseite wissentlich für ein und denselben wirtschaftlich Berechtigten (vgl Anlage./IV die einen integrierten Teil dieses Spruchs bildet).
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.) § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 2/2001 unter Heranziehung von § 9 Abs 2 VStG idgF.
2.) § 48 Abs 1 Z 7 BörseG idgF iVm § 18 Z 1 BörseG idgF iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse idjgF unter Heranziehung von § 9 Abs 2 VStG idgF.
3.) § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 2/2001 unter Heranziehung von § 9 Abs 2 VStG idgF.
4.) § 48 Abs 1 Z 7 BörseG idgF iVm § 18 Z 1 BörseG idgF iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse idjgF unter Heranziehung von § 9 Abs 2 VStG idgF."
Wegen dieser Delikte wurde er wie folgt verurteilt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Geldstrafe von | falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von | Freiheitsstrafe von | Gemäß |
1) 500 Euro | 30 Stunden | -- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 2 BörseG |
2) 500 Euro | 30 Stunden | -- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 7 BörseG iVm § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse |
3) 1500 Euro | 90 Stunden | -- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 7 BörseG |
4) 1500 Euro | 90 Stunden | -- | §§ 16, 19, 22, 44a VStG iVm § 48 Abs 1 Z 7 BörseG iVm § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse |
Somit insgesamt 4000 Euro | Somit insgesamt 240 Stunden (10 Tage)" |
Nach den Feststellungen der beschwerdeführenden Partei in der Begründung dieses Straferkenntnisses lautete § 18 Abs. 2 der XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse im Zeitraum der gegenständlichen Tatanlastungen wie folgt:
"Die Eingabe gegenläufiger Aufträge durch ein Börsemitglied, die dasselbe Wertpapier betreffen und im elektronischen Handelssystem zu einem Geschäftsabschluss zusammengeführt werden könnten (Crossing-Geschäfte) ist unzulässig, sofern das Börsemitglied wissentlich sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite für eigene Rechnung oder für Rechnung desselben Kunden handelt. Derartige Geschäfte führen im Fortlaufenden Handel nicht zu Börsepreisen, sofern das Börsemitglied für eigene Rechnung handelt. Satz 1 findet entsprechende Anwendung auf sonstige Verhaltensweisen, die eine Umgehung der Vorschrift darstellen. ..."
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom wurde dieser Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte 2 und 4 des Straferkenntnisses vom nicht Folge gegeben und dieses Straferkenntnis - unter Berichtigung der Übertretungs- und Strafnorm - bestätigt.
Demgegenüber wurde der Berufung des Mitbeteiligten mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Spruchpunkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieses in den genannten Spruchpunkten behoben und das Verfahren diesbezüglich nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verwaltungsverfahrens zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides Folgendes aus:
"Der Berufungswerber wurde zu den Punkten 1.) und 3.) des Straferkenntnisses wegen der versuchten Beeinflussung der Kurs- bzw. Preisbildung durch den fortgesetzten Abschluss von Scheingeschäften bestraft, zu den Punkten 2.) und 4.) des Straferkenntnisses wegen der Eingabe gegenläufiger Aufträge in das Handelssystems XETRA, welchen In-Sich-Geschäfte zu Grunde lagen.
Eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung wird nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art 4 7. ZPEMRK dann unzulässig, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weiter gehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst.
Nach den Feststellungen zu Punkt I. wurden von der E AG beim Handel mit den verfahrensgegenständlichen Aktien gegenläufige Aufträge in das Xetra- Handelssystem der Wiener Börse in der Weise eingespielt, dass sie zu einem Geschäftsabschluss zusammengeführt wurden. Dadurch wurde im automatisierten Handelssystem ein Preis angezeigt. Die Orders wurden mit dem Vermerk 'agent' erteilt, obwohl keine Kundengeschäfte vorlagen. Die E AG handelte damit sowohl auf der Kauf- als auch der Verkaufsseite wissentlich für ein und denselben wirtschaftlich Berechtigten. Diese In-sich-Geschäfte sind nach Auffassung des erkennenden Senates aber nichts anderes als Scheingeschäfte, da kein Wechsel des wirtschaftlich Berechtigten erfolgte.
Damit bleibt für eine gesonderte Bestrafung des Berufungswerbers wegen der versuchten Beeinflussung der Preisbildung durch den Abschluss von Scheingeschäften (§ 48 Abs. 1 Z. 2 Börsegesetz) kein Raum mehr, da mit der Bestrafung zu den Punkten 2) und 4) des Straferkenntnissen das Täterverhalten hinsichtlich des Unrechts- und Schuldgehalts erschöpft ist, zumal die Übertretungen auch der selben Strafdrohung unterliegen. (Letztlich verwendete auch die erstinstanzliche Behörde die Begriffe 'Crossing' und Scheingeschäft synonym, siehe Aktenvermerk vom , Band II des erstinstanzlichen Aktes, Aktenblatt 25).
Es konnte daher dahin gestellt bleiben, ob die angelastete 'Preismanipulation' infolge der grundlegenden Neuregelung der Bestimmungen über den Markmissbrauch durch das BGBl I 2004/127, welches noch vor dem Zeitpunkt des Erlassens der erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit in Kraft getreten war, unter dem Blickwinkel der neuen Begriffsbestimmungen des § 48a auch als 'Marktmanipulation' im Sinne des neu geschaffenen § 48c Börsegesetz strafbar blieb."
Ausschließlich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei beantragt, den angefochtenen Spruchpunkt wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Mitbeteiligte, welcher gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides die zur hg. Zl. 2007/17/0017 protokollierte Beschwerde erhoben hatte, erstattete eine Gegenschrift, in welcher er die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 18 Z 1 des Börsegesetzes 1989, BGBl. Nr. 555 (im Folgenden: BörseG), die wiedergegebenen Teile in der Stammfassung lautet:
"§ 18. Die Börsemitglieder sind verpflichtet
1. bei ihrer Geschäftstätigkeit die Handelsbedingungen der Börse einzuhalten, ..."
§ 48 Abs. 1 Z 2 und 7 BörseG in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001 lautete:
"§ 48. (1) Wer
...
2. den Kurs oder die Preisbildung eines zum Handel an der Börse oder in einem geregelten Markt eines Mitgliedstaates (§ 2 Z 37 BWG) zugelassenen Handelsgegenstandes durch Abschluss eines Scheingeschäftes oder durch vorsätzliche Verbreitung falscher Gerüchte zu beeinflussen versucht (Preismanipulation),
...
7. als Börsemitglied die ihm gemäß § 18 Z 1 bis 3 obliegenden Pflichten verletzt,
...
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
In ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt die beschwerdeführende Partei die Auffassung, die dem Mitbeteiligten hier zur Last gelegten Delikte nach § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG bzw. nach § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG in Verbindung mit § 18 Z 1 BörseG und § 18 Abs. 2 XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse stünden zueinander in echter Konkurrenz. Scheinkonkurrenz liege weder in Form der Subsidiarität, der Spezialität noch der Konsumtion vor:
Eine ausdrückliche Subsidiaritätsregel zwischen den beiden Tatbeständen bestehe nicht.
Der zuletzt genannte Tatbestand könne - anders als jener nach § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG - nur durch Börsemitglieder begangen werden. Insofern sei der Adressatenkreis des § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG ein weiterer.
Andererseits verlange § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG - anders als ein Verstoß gegen die zitierte Bestimmung der XETRA-Handelsregeln - den Vorsatz, den Kurs oder die Preisbildung eines Handelsgegenstandes zu manipulieren.
Schließlich wird in der Beschwerde ausgeführt:
"Weiters ist auch nicht jedes In-Sich Geschäft in der Ausprägung eines 'Crossing' gemäß § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln ein Scheingeschäft gemäß des § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 97/2001! Beim 'Crossing' nach § 18 Abs 2 XETRA Handelsregeln geht es darum, dass Orders wissentlich so eingegeben werden, dass es zu einem In-Sich Geschäft kommen kann. Das heißt, dass ein Börsemitglied bzw Börsebesucher (auch ohne weitere Abstimmung nach Volumen, Zeit etc) eine Kauf- und gegenläufige Verkaufsorder für eigene bzw für Rechnung desselben Kunden in das Handelssystem eingegeben hat, die miteinander ausgeführt werden könnten. Es ist daher leicht möglich, dass ein bestimmtes Orderverhalten nur eine Verletzung der Handelsregeln wegen 'Crossing' gemäß § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA- Handelsregeln darstellt. Das ist zB dann der Fall, wenn das schließlich zu Stande gekommene In-Sich Geschäft mangels ausreichender Abstimmung der gegenläufigen Orders kein Scheingeschäft darstellt. Eine solche mangelnde Abstimmung kann zB dann vorliegen, wenn eine Person zunächst eine Kauforder eingibt, die bis Monatsultimo im Handelssystem aktiv bleibt und erst zwei Wochen später eine gegenläufige Verkaufsorder in derselben Aktie. Kommen die beiden Orders (in einer solch illiquiden Aktie) gegeneinander trotzdem zur Ausführung ist dies zwar ein 'Crossing' im Sinn des § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA- Handelsregeln (wenn von einem Börsemitglied bzw Börsebesucher eingegeben) aber kein Scheingeschäft im Sinn des Preismanipulationstatbestands gemäß § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 97/2001. Ein Scheingeschäft liegt in einem solchen Fall deshalb nicht vor, weil die handelnde Person für den Zeitraum, in dem die zuerst eingegebene Kauforder im Handelssystem aktiv war, das mit dem Aktienhandel üblicherweise verbundene Kursrisiko übernommen hat (die Kauforder hätte leicht mit einer von einem Dritten eingegebenen Verkaufsorder ausgeführt werden können).
Dies alles zeigt somit deutlich, dass die beiden gegenständlichen Verwaltungsstrafdelikte in keinem Verhältnis von Art und Gattung zueinander stehen. Es besteht zwischen den Verwaltungsstrafbestimmungen der 'Verletzung der Handelsregeln wegen Crossing' gemäß § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA-Handelsregeln und der Strafbestimmung der 'Preismanipulation' gemäß § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 97/2001 somit keine Spezialität.
Schließlich ist zu untersuchen, ob die Strafbestimmung der Preismanipulation gemäß § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 97/2001 von der Strafbestimmung der 'Verletzung der Handelsregeln wegen Crossing' gemäß § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA-Handelsregeln oder umgehrt konsumiert wird. Eine solche Konsumtion zweier Straftatbestände liegt nach der Judikatur des VwGH nur dann vor, wenn eine wertende Beurteilung ergibt, dass der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt miterfasst wird ().
Wie sich bereits aus den obigen Ausführungen zu einer möglichen Spezialität der beiden gegenständlichen Strafbestimmungen ergibt stehen diese in keinem typischen Zusammenhang. Eine Preismanipulation gemäß § 48 Abs 1 Z 2 BörseG idF BGBl I Nr 97/2001 ist nicht notwendigerweise mit einer Verletzung der Handelsregeln wegen Crossing gemäß § 18 Z 1 BörseG iVm § 18 Abs 2 XETRA- Handelsregeln verbunden oder umgekehrt (vgl ). Eine Bestrafung einer Handlung, die - wie im beschwerdegegenständlichen Zusammenhang - beide Straftatbestände erfüllt, nach nur einer Strafnorm, würde somit den Unwert einer solchen Handlung nicht voll abdecken. Dies zeigt sich auch im unterschiedlichen wesentlichen Schutzzweck der beiden Strafbestimmungen. Der Preismanipulationstatbestand schützt die Integrität des Börsehandels und soll verhindern, dass es an der Börse zu anormalen oder künstlichen Preisen kommt. Es ist dabei unerheblich wer (Privatanleger oder professioneller Händler) zu diesem Zweck preismanipulative Scheingeschäfte tätigt. Dieser Tatbestand zielt daher ausschließlich und umfassend darauf ab, die Preisbildungsfunktion der Börse zu schützen. Davon unterscheidet sich der Tatbestand der 'Verletzung der Handelsregeln wegen Crossing' ganz gravierend. Hier soll sichergestellt werden, dass Börsemitglieder bzw Börsehändler die 'Regeln' jener Börse, bei der sie zugelassen sind, einhalten. Börsemitglieder und Börsehändler genießen auf Basis ihrer Zulassung im Börsehandel gewisse Privilegien. Mit diesen Privilegien gehen aber auch besondere Pflichten wie zB die Einhaltung der Handelsregeln einher. Bei diesem Delikt steht somit die Sanktionierung des in der Nichteinhaltung dieser für bestimmte professionelle Börseakteure vorgesehenen zusätzlichen Pflichten bestehenden 'Unrechts' im Mittelpunkt. Eine Bestrafung nach nur einer der beiden hier gegenständlichen Bestimmungen kann den Unrechtsgehalt einer Tat, die beide Straftatbestände erfüllt, somit nicht ausreichend abdecken.
Dies zeigt, dass sich die beiden hier gegenständlichen Strafbestimmungen nicht gegenseitig konsumieren."
Auch ein Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZPEMRK läge im Falle der Bestrafung wegen beider Verwaltungsübertretungen nicht vor. Das Doppelbestrafungs- bzw. -verfolgungsverbot greife nur dort, wo ein Delikt den Unrechtsgehalt eines anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasse, also bei Straftatbeständen, die einander wegen Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschlössen. Da dies nicht der Fall sei, komme die zitierte Konventionsbestimmung - anders als die belangte Behörde meine - hier nicht zum Tragen.
In seiner Gegenschrift vertritt der Mitbeteiligte die Auffassung, die belangte Behörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass bei Vorliegen eines - vom Mitbeteiligten freilich bestrittenen - Verstoßes gegen § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG in Verbindung mit § 18 Z 1 BörseG und § 18 Abs. 2 XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse eine Bestrafung nach § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG wegen Spezialität des erstgenannten Straftatbestandes nicht in Betracht komme.
Das in der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde angeführte Beispiel "überzeuge nicht", weil diesfalls - wie der Mitbeteiligte ja behaupte - auch keine Strafbarkeit nach § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG vorliege, zumal - aus der Sicht des Kunden - "der Gehalt der Transaktion von der Behörde als lauter" eingestuft werde. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Ausführung eines von einem Kunden aufgetragenen lauteren Geschäftes für den diesen Auftrag ausführenden Börsehändler rechtswidrig sein solle.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Die belangte Behörde hat die mit dem angefochtenen Bescheidpunkt vorgenommene Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ausschließlich auf den Umstand gestützt, dass eine auf § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG gestützte Bestrafung des Mitbeteiligten gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen würde. Aus Anlass der vorliegenden Amtsbeschwerde war der Überprüfung des angefochtenen Bescheides daher auch nur diese Frage zu Grunde zu legen.
Unstrittig ist zunächst, dass eine Subsidiaritätsregel zwischen den beiden in Rede stehenden Straftatbeständen nicht besteht.
Zutreffend gehen auch alle Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass der Adressatenkreis des § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG gegenüber jenem des § 48 Abs. 1 Z 7 leg. cit. insoweit weiter ist, als er nicht nur Börsemitglieder erfasst.
Strittig ist jedoch, ob § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG in Verbindung mit § 18 Z 1 leg. cit. und § 18 Abs. 2 der XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse einen (auf Börsemitglieder zugeschnittenen) Spezialfall des § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG darstellt. Dies ist - anders als der Mitbeteiligte meint - jedoch nicht der Fall.
Zur Auslegung des § 48 Abs. 1 Z 2 BörseG in der hier maßgeblichen Fassung führen Kapfer/Puck, Der neue Marktmanipulationstatbestand im österreichischen Börserecht, ÖBA 2005, 518 f, Folgendes aus:
"Das Delikt war hinsichtlich beider Begehungsformen als Versuchsdelikt konzipiert. Dass es durch die Tathandlung tatsächlich zu einer Kursbeeinflussung kommt, war daher nicht entscheidend. Der Tatbestand sah vor, dass es strafbar ist, wenn 'versucht wird', Preismanipulation zu begehen. Daraus ergab sich, dass Preismanipulation nur vorsätzlich begangen werden konnte. Ein fahrlässiges Versuchen ist nämlich gemäß § 8 VStG ausgeschlossen.
§ 48 Abs 1 Z 2 BörseG (in der Fassung BGBl I 2001/2) führte als erste Begehungsform der Preismanipulation die so genannte Manipulation durch Scheingeschäfte an. Hierbei handelte es sich um eine transaktionsbezogene (handelsgestützte) Marktmanipulation. Der hier zentrale Begriff des Scheingeschäfts war in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Historisch gesehen erfasste der Begriff des Scheingeschäfts wohl nur börsliche Käufe und Verkäufe, die nach außen hin zwar abgeschlossen werden, aber nicht erfüllt werden sollen. Ein solch restriktives Verständnis des Tatbestandes hätte diesem vor dem Hintergrund moderner Abwicklungssysteme faktisch seinen ganzen praktischen Anwendungsbereich genommen. Unter Scheingeschäften im Sinne des Tatbestandes waren daher fiktive Geschäfte im weiteren Sinn zu verstehen.
Charakteristisches Merkmal von solchen Scheingeschäften war es, dass ihnen die sonst Börsegeschäften zukommende wirtschaftliche Relevanz fehlt. Die Veränderung einer Wertpapierposition unter Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos wird bei Scheingeschäften nämlich vermieden. Dies kann insbesondere durch aufeinander abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders erreicht werden. Ob diese Orders von einem Marktteilnehmer ('Wash Sale') oder von mehreren zusammenwirkenden Marktteilnehmern ('Matched Orders') eingegeben werden, macht keinen Unterschied. Solche Geschäfte haben regelmäßig folgenden manipulativen Effekt: Die Umsatzentwicklung stellt für viele Investoren ein Indiz hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung eines Finanzinstrumentes dar ('Volume goes with the trend') und beeinflusst somit entscheidend ihre Anlagestrategie. Durch das erhöhte - wirtschaftlich nicht begründete - Volumen wird somit ein Signal in den Markt gesendet, durch das die Kursentwicklung beeinflusst wird. Insbesondere in engen Märkten können abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders aber auch unmittelbar dazu verwendet werden, ein bestimmtes Kursniveau zu erreichen oder zu halten. Dies durch den Abschluss von Scheingeschäften zu einem künstlichen Preis, der dann den Börsekurs des illiquiden Wertpapiers bestimmt."
Wie die genannten Autoren zutreffend ausführen, ist § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG als Versuchsdelikt konzipiert. Bei derartigen Delikten ist ein Versuch schon begrifflich ausgeschlossen, weil sie bereits Handlungen, die an sich den Versuch eines Deliktes darstellen würden, unter Strafe stellen (vgl. Hauer/Leukauf Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, 1277). Eine Anwendbarkeit des § 8 VStG kommt daher nicht in Betracht. Der nach § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG strafbare Versuch muss sich auf die Beeinflussung des Kurses oder der Preisbildung eines Handelsgegenstandes beziehen, was einen darauf gerichteten Vorsatz des Täters, nicht jedoch den tatsächlichen Eintritt dieses Erfolges voraussetzt. Weiters muss der Versuch "durch Abschluss eines Scheingeschäftes" getätigt werden. Das Delikt setzt damit voraus, dass ein Scheingeschäft "abgeschlossen" wurde. Der bloße Versuch des Abschlusses eines solchen durch Eingabe von Orders verwirklicht den Tatbestand nicht; dieser ist erst gegeben, wenn gegenläufige Orders zu einem "Scheingeschäft" zusammengeführt werden (falls darüber hinaus der Manipulationsvorsatz in der Person des Abschließenden vorliegt).
Demgegenüber setzt ein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 der XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse weder die tatsächliche Zusammenführung der gegenläufigen Offerte, noch den Vorsatz des Börsemitgliedes, hiedurch Kurse oder Preisbildungen zu manipulieren, voraus.
Es trifft daher zu, dass § 48 Abs. 1 Z 7 BörseG in Verbindung mit § 18 Z 1 leg. cit. und § 18 Abs. 2 der XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse auf die Sanktionierung des durch die Verletzung von Handelsregeln durch ein Börsemitglied bewirkten Unrechts abzielt. Demgegenüber sanktioniert allein § 48 Abs. 1 Z 2 erster Fall BörseG den Unrechtsgehalt des "Zustandekommens" des Scheingeschäftes und der damit verbundenen falschen Signale für den Markt sowie jenen des spezifischen, auf die Manipulation des Kurses oder der Preisbildung gerichteten Vorsatz des Täters.
Die Ausführungen des Mitbeteiligten in der Gegenschrift verkennen zum einen den klaren Wortlaut des § 18 Abs. 2 XETRA Handelsregeln der Wiener Börse; zum anderen versagen sie fallbezogen auch deshalb, weil hier von der E-AG überhaupt keine Kundenaufträge ausgeführt wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0037, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage des Doppelbestrafungsverbotes dahingehend zusammengefasst, dass die bloße Tatsache, wonach eine Handlung mehr als einen Straftatbestand erfülle, nicht gegen Art. 4 des 7. ZPEMRK verstoße. Dort jedoch, wo eine Strafverfolgung wegen verschiedener Straftatbestände, die auf einer Tathandlung beruhen, nacheinander erfolge, müsse der Gerichtshof aber prüfen, ob diese Straftatbestände dieselben wesentlichen Elemente aufweisen oder nicht.
Vorliegendenfalls erfolgte - bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - die Strafverfolgung wegen der hier in Rede stehenden Straftatbestände nicht nacheinander, sondern in einem einheitlichen Verfahren vor denselben Behörden.
Auch sonst ist - jedenfalls nicht ohne nähere Begründung - ersichtlich, dass beide Straftatbestände dieselben wesentlichen Elemente aufwiesen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn nahezu jede nach § 18 Abs. 2 der XETRA-Handelsregeln der Wiener Börse verpönte Eingabe gegenläufiger Aufträge durch ein Börsemitglied geradezu typischerweise zu deren Zusammenführung zu einem "Scheingeschäft" führte und mit dem Vorsatz einer dadurch bewirkten Kurs- bzw. Preisbildungsmanipulation verbunden wäre. Dass dies auch bei der wissentlichen Eingabe nicht aufeinander abgestimmter Kauf- und Verkaufsorders für denselben wirtschaftlich Berechtigten der Fall wäre bzw. dass für derartige Eingaben kein rationaler Grund ersichtlich wäre und es sich dabei bloß um einen theoretischen Fall handeln würde, wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht unter Feststellung der diesbezüglich maßgeblichen Handelsabläufe bzw. unter Herausarbeitung der Interessenslagen der Beteiligten dargetan.
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am