VwGH vom 08.09.2009, 2009/21/0072

VwGH vom 08.09.2009, 2009/21/0072

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-07-1070, betreffend Zurückweisung einer Schubhaftbeschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der tschetschenischen Volksgruppe angehörender russischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am nach Österreich ein, wo er nach Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz noch am selben Tag - bis - in Schubhaft genommen wurde.

Am erfolgte im PAZ eine asylrechtliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Dabei wurde er u.a. befragt, ob er im Asylverfahren einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten habe. Der Beschwerdeführer bejahte diese Frage; er werde von Dr. K. vertreten und habe "vorige Woche" eine Vollmacht unterschrieben.

Mit Schriftsatz vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , erhob RA Dr. B., der nunmehr auch vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitende Vertreter des Beschwerdeführers, namens des Beschwerdeführers Schubhaftbeschwerde. Dabei berief er sich im Rubrum des Schriftsatzes auf eine erteilte Vollmacht ("Vollmacht erteilt"). Die belangte Behörde erteilte hierauf am folgenden Mängelbehebungsauftrag:

"Zu Ihrer Beschwerde vom , eingelangt am , werden Sie gemäß § 13 Abs. 3 i.V.m. § 10 Abs. 2 AVG aufgefordert, die Vollmacht des einschreitenden Vertreters bis vorzulegen.

Zweifel hinsichtlich des Bestehens der Vollmacht liegen vor, weil Sie am anlässlich der Befragung im Asylverfahren angaben, von Dr. K. vertreten zu sein.

Bei Versäumung der Frist wird die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen."

RA Dr. B. kam diesem Auftrag innerhalb der gesetzten Frist dergestalt nach, dass er die Kopie einer auf ihn lautenden Vollmachtsurkunde, die als Datum den anführt, übermittelte.

Mit dem nunmehr bekämpften, an RA Dr. B. ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde gemäß § 67c Abs. 3 iVm § 13 Abs. 3 und § 10 Abs. 2 AVG zurück. Da der Beschwerdeführer im Asylverfahren nur von einer Vertretung durch Dr. K. gesprochen, nicht jedoch angegeben habe, dass er RA Dr. B. Vollmacht erteilt hätte, hätten Zweifel am Vorliegen des Vollmachtsverhältnisses zum Zeitpunkt der Einbringung der Schubhaftbeschwerde bestanden. Deshalb sei die belangte Behörde befugt gewesen, ungeachtet des Einschreitens eines berufsmäßigen Parteienvertreters diese Zweifel durch Vorlage der Vollmacht in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG beseitigen zu lassen. Innerhalb der zur Mängelbehebung gesetzten Frist sei eine mit datierte Vollmacht vorgelegt worden. Dass bereits davor vom Beschwerdeführer an RA Dr. B. Vollmacht erteilt worden sei, sei nicht einmal behauptet worden. Aus der vorgelegten Vollmacht vom ergebe sich, dass zum Zeitpunkt der Einbringung der Schubhaftbeschwerde am kein Vollmachtsverhältnis bestanden habe und die Zweifel der belangten Behörde berechtigt gewesen seien. Da das Vollmachtsverhältnis erst mit der Unterschrift und der Datierung der Vollmacht als begründet anzusehen sei, habe zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde kein Vollmachtsverhältnis vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1359/08-8, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:

1. Zunächst sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer ungeachtet des Umstandes, dass der bekämpfte Bescheid an RA Dr. B. erging, zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 81/11/0119, Slg. 11.625/A, und aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0252).

2. Schon im Zeitpunkt des Einlangens der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde hatte für die belangte Behörde kein begründeter Anlass bestanden, die Vollmacht des einschreitenden RA Dr. B., der sich auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen hatte, in Zweifel zu ziehen. Zwar hatte der Beschwerdeführer bei einer asylrechtlichen Einvernahme am angegeben, er werde von Dr. K. vertreten und er habe eine auf diesen lautende Vollmacht unterschrieben. Einerseits ließ sich daraus freilich bereits im Hinblick auf die zeitliche Abfolge nichts für die am eingebrachte und mit datierte Schubhaftbeschwerde ableiten. Andererseits aber bezog sich die Auskunft zu der Dr. K. erteilten Vollmacht ausdrücklich auf das Asylverfahren, sodass für die Frage der Vertretungsbefugnis im hier maßgeblichen Zusammenhang auch insoweit nichts zu gewinnen war.

Noch weniger war die belangte Behörde berechtigt, nach Vorlage der mit datierten Vollmacht für RA Dr. B. eine bereits im Zeitpunkt der Erhebung der Schubhaftbeschwerde aufrechte Vertretungsbefugnis in Abrede zu stellen. Diesbezüglich kann es genügen, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2006/18/0433, zu verweisen (vgl. zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0879).

Schließlich wäre die belangte Behörde aber selbst in dem Fall, dass RA Dr. B. erst mit Vollmacht erteilt worden wäre, nicht zur Zurückweisung der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde befugt gewesen. Zwar ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich ist; erfolgt die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa den Beschluss vom , Zl. 2003/17/0096, oder das Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0101). Wie sich daraus insgesamt ableiten lässt, kann also eine ursprünglich vollmachtslos vorgenommene fristgebundene Verfahrenshandlung durch eine nach Fristablauf erfolgte Vollmachtserteilung nicht saniert werden. Anders liegt jedoch der Fall, wenn die nachträgliche Vollmachtserteilung noch innerhalb der ursprünglich offen stehenden Frist stattfindet. Dann steht einer Berücksichtigung der Verfahrenshandlung nichts im Weg (so schon - hinsichtlich der Begründung des Vollmachtsverhältnisses ausdrücklich auf den Ablauf der offen stehenden Frist bezugnehmend - der grundlegende hg. Beschluss vom , Zl. 577/80, Slg. Nr. 10.641/A).

Im vorliegenden Fall war die Frist zur Erhebung der Schubhaftbeschwerde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0565) auch am noch offen. Auch im Hinblick darauf war der bekämpfte Bescheid daher wegen der (prävalierenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am