VwGH vom 23.08.2012, 2012/05/0051
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Ing. H G in P, Niederösterreich, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1624/001-2011, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. W in N, 2. Marktgemeinde P), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am bei der mitbeteiligten Gemeinde eingebrachten Baugesuch kam die erstmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines "Wohnhauses und einer Tagesstätte" ein. Das Vorhaben wurde in der Folge modifiziert (relevant sind die zuletzt am eingereichten Pläne und Unterlagen). Das zu bebauende Areal ist nach dem am beschlossenen (und hinsichtlich dieses Areals unverändert gebliebenen) Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland-Wohngebiet gewidmet.
Die Tagesstätte soll an der Verkehrsfläche H-Straße, das Wohnhaus dahinter errichtet werden. Das Baugrundstück grenzt an seiner Ostseite an einen 3,60 m breiten Weg, der im rechten Winkel von der H-Straße abzweigt. Auf der anderen Seite dieses Weges liegen mehrere Grundstücke (die durch diesen Weg erschlossen werden). Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des dritten, von der H-Straße gezählten Grundstückes auf Höhe des hinteren Teiles des projektierten Wohnhauses.
Mit Erledigung/Kundmachung vom verständigte der Bürgermeister verschiedene Nachbarn, darunter den Beschwerdeführer vom Vorhaben mit dem Beifügen, würden binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung keine begründeten schriftlichen Einwendungen nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) gegen das Vorhaben eingebracht, entfalle die Bauverhandlung. Wenn die Beteiligten keine Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung innerhalb dieser Frist bekannt gäben oder während der Verhandlung vorbrächten, verlören sie insoweit ihre Parteistellung.
Der Beschwerdeführer und weitere Personen erhoben rechtzeitig schriftlich Einwendungen gegen das Vorhaben und brachten darin insbesondere vor, das Vorhaben stehe mit der Flächenwidmung nicht im Einklang. Das in den Einreichunterlagen teilweise als Wohnstätte und teilweise als Wohnhaus bezeichnete Gebäude sei kein Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) und diene auch nicht dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung. Seine Errichtung im Wohngebiet sei daher unzulässig. Das als "Tageswerkstätte" (richtig: Tagesstätte) bezeichnete Gebäude diene ebensowenig dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung und sei auch kein "Betrieb" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 dritte Variante leg. cit. Überdies seien unzulässige Immissionen zu erwarten, nämlich durch Lärm, Geruch (insbesondere aus der geplanten Großküche zur Versorgung von mindestens 50 Menschen), Staub, Abgase und Licht (durch den Verkehr), zumal das Bauvorhaben nicht einmal die jedenfalls erforderliche Einfriedung vorsehe. Dies sei sowohl gemäß der gültigen Flächenwidmung als auch nach § 48 Abs. 1 BO unzulässig und greife in das gemäß § 6 Abs. 2 Z 2 BO eingeräumte Recht auf Schutz vor Immissionen ein.
Nach verschiedenen Verfahrensschritten brachte die Bauwerberin am etwas modifizierte Projektunterlagen ein. Nach diesen zuletzt maßgeblichen Projektunterlagen sind zwei Gebäude vorgesehen, und zwar ein "Wohnhaus" für behinderte Menschen sowie eine "Tagesstätte" für schwer- oder mehrfach behinderte Menschen.
Das "Wohnhaus" ist ein teilweise zweigeschossiger Flachdachbau. Vom Foyer aus sind einerseits die administrativen Bereiche, wie das Büro, der Aufenthaltsraum und die Garderoben erreichbar, andererseits der Wohnraum und der Essraum der Bewohner. Der Wohnraum ist um ein Atrium angeordnet. An den Wohnraum schließen beidseitig 13 Bewohnerzimmer, die jeweils in Dreier- oder Vierer-Einheiten mit jeweils einem Gang und Sanitärzellen zusammengefasst sind. Weiters gibt es fünf Trainingswohnungen, die jeweils über ein eigenes Bad und eine Küche verfügen. Es gibt auch ein Dienstzimmer (mit Badezimmer). In diesem Gebäude ist weiters eine Wohnküche für die Zubereitung von Frühstück und Abendessen sowie von Mittagessen an Wochenenden und Feiertagen geplant. Die Mitnutzung der Küche des Tagesbetreuungsbereiches ist nicht geplant, um (wie es im Betriebskonzept heißt) den Wohncharakter nicht durch Zentralisierung und Institutionalisierung wichtiger Lebensbereiche mehr als nötig zu gefährden.
Die Tagesstätte ist ein eingeschossiger Flachdachbau.
Die Wärmegewinnung soll über eine Pellets-Heizung erfolgen, die sich mit dem Pufferspeicher im Technikraum (im Gebäude der Tagesstätte) befindet; der Lagerraum für die Pellets befindet sich im Keller - der Zugang erfolgt nur über eine Einstiegsluke im Boden des Technikraumes und einen Vorraum.
Vorgesehen sind 13 Stellplätze (im Freien), die für die Mitarbeiter bestimmt sind.
Im Betreuungs- und Betriebskonzept heißt es dazu insbesondere, das Wohnhaus werde 17 vollbetreute Wohnplätze, wovon ein Wohnplatz als Kurzzeitunterbringungsmöglichkeit vorgesehen sei, umfassen. Vier dieser Plätze seien als Trainingswohnungen zur Vorbereitung auf teilbetreutes Wohnen konzipiert und dementsprechend mit eigenem Zugang ausgestattet bzw. im Obergeschoß situiert. Die anderen Plätze seien zu Gruppen von zwei, drei oder vier Zimmern zusammengefasst. Diese Wohneinheiten seien jeweils einem Vorraum, Bad und WC zugeordnet. Es würden zwei Zimmergrößen angeboten: Die "Normalzimmer" mit 12 m2 Grundfläche, sowie die "Pflegezimmer" mit 17 m2, die für Rollstuhlfahrer oder pflegebedürftige Personen vorgesehen seien (diese Zimmer seien auch mit doppelflügeligen Türen ausgestattet, um die Durchfahrt mit einem Pflegebett zu ermöglichen).
In der Tagesbetreuungsstätte würden Beschäftigungsmöglichkeiten für 32 behinderte Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Interessen angeboten. Für diese Aufgaben sowie für die Einnahme des Mittagessens stünden sechs Gruppenräume zur Verfügung. Diese seien rund um einen großen Mehrzweckraum angeordnet, welcher durch einen verglasten Atriumhof gegliedert und belichtet werde. Die Gruppenräume 1 und 3 seien in erster Linie für das regelmäßige gemeinsame Beschäftigen mit Büchern, Bildern, Instrumenten, Spielen und - im weitesten Sinn - therapeutischem Material vorgesehen. Hier solle vor allem für schwerer behinderte Personen eine lernende Weiterentwicklung verschiedener Wahrnehmungs-, Erlebens- und Handlungsbereiche ermöglicht werden. Der Gruppenraum 2 sei für Keramikarbeiten vorgesehen, im Gruppenraum 4 arbeite die Bastelgruppe, der Gruppenraum 5 sei dem künstlerischem Bereich gewidmet, im Gruppenraum 6 werde die Holzbastelgruppe untergebracht. Der Entspannungsraum diene als Rückzugsmöglichkeit sowie als Ort für Einzeltherapien. In der Küche werde werktags das Mittagessen zubereitet. Beim Kochvorgang werde den zu Betreuenden ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln nahe gebracht.
Der Bürgermeister erteilte nach weiteren Verfahrensschritten mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom (ohne dass eine Bauverhandlung stattgefunden hätte) die angestrebte Baubewilligung (auf Grundlage der zuletzt relevanten Einreichungsunterlagen) mit einer Reihe von Vorschreibungen und erachtete (in der Begründung des Bescheides) die Einwendungen der verschiedenen Nachbarn, darunter auch des Beschwerdeführers, als unberechtigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren noch relevant, wurde zur Begründung ausgeführt, wie den Antragsbeilagen (Betreuungs- und Betriebskonzept) zu entnehmen sei, handle es sich bei der Wohnstätte entgegen der Annahme des Beschwerdeführers um ein Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 1 ROG. Dieses als "Wohnstätte" bezeichnete Wohngebäude diene dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung und sei somit in der Widmung Bauland-Wohngebiet zulässig. Die Tagesstätte werde, wie aus dem Betreuungs- und Betriebskonzept zu entnehmen sei, zum Teil von den im Wohnhaus lebenden Personen genutzt. Diesem Konzept sei auch zu entnehmen, dass durch die Bewohner und Nutzer des Wohnhauses bzw. der Tagesstätte keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Immissionen verursacht würden. Somit sei auch der als Tagesstätte bezeichnete Gebäudeteil mit Vereinsraum im Bauland-Wohngebiet zulässig. Ein Widerspruch zur Flächenwidmung sei nicht gegeben, es sei der Schutz vor unzumutbaren Immissionen gewahrt. Eine rechtliche Verpflichtung für die Errichtung einer Einfriedung im gegenständlichen Bereich bzw. Ortsteil sei nicht gegeben.
Die vorgesehene Heizungsanlage (Pelletsheizung) "wird in einem eigenen Verfahren abgewickelt".
Der Beschwerdeführer (und weitere Personen) habe zwar Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben, eine Bauverhandlung habe aber entfallen können, weil die Einwendungen zwar Nachbarrechte berührten, die Einschreiter aber in keinen Nachbarrechten verletzt worden seien.
Der Beschwerdeführer und weitere Personen erhoben Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom als unbegründet abgewiesen wurde. Zusammenfassend schloss sich die Berufungsbehörde der Beurteilung der Behörde erster Instanz an.
Der Beschwerdeführer und weitere Personen erhoben Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, heißt es zur Begründung, das Vorhaben umfasse eine Wohnstätte mit 17 Wohneinheiten sowie eine direkt daran angegliederte Tagesstätte, wo bis zu 32 behinderte Menschen beschäftigt werden könnten. Das Vorhaben sei hinsichtlich der Anzahl der Wohnplätze sowie in seiner Art und Struktur durchaus mit einer kleineren Wohnhausanlage vergleichbar. Keinesfalls könne der Größenschluss zu einem Pflegeheim gezogen werden (Anmerkung: dies war in der Vorstellung vorgetragen worden). Ein niederösterreichisches Landespflegeheim umfasse meistens weit mehr als 100 Betten und sei ein großer Betrieb mit eigener Küche und sonstigen Nebenanlagen. Der Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach solche Pflegeheime in einem solchen Ausmaß, wo eben die Betreuung der Bewohner im Mittelpunkt stehe, als nicht ortsüblich im Bauland-Wohngebiet angesehen werden könnten, sei nach Auffassung der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht zutreffend. Auch könne beim gegenständlichen Vorhaben, wo Zimmer für geistig behinderte Menschen vorgesehen seien, nicht davon gesprochen werden, dass die Betreuung der Behinderten im Vordergrund stehe. Das Vorhaben solle es eben behinderten Menschen ermöglichen, soweit wie möglich eigenständig zu wohnen, und es seien im Konzept gemeinsame Einrichtungen sowie eine Wohnküche vorgesehen. Auch sei im Wohnbetreuungsgebäude ein Verwaltungstrakt eingerichtet. Die Tagesbetreuungsstätte umfasse verschiedene Gruppenräume, wo verschiedene künstlerische bzw. Basteltätigkeiten durchgeführt würden. Weiters sei eine Küche vorgesehen, wo das Mittagessen zubereitet werde, ein Entspannungsraum, der als Rückzugsmöglichkeit diene, sowie ein Außenbereich, der eine pädagogische Funktion erfüllen solle.
Die Größe des Vorhabens könne daher keinesfalls mit einem Pflegeheim verglichen werden, weil es laut Konzept ja auf ein teilbetreutes Wohnen ausgerichtet sei. Gemäß den Plänen sei nur ein Dienstzimmer vorgesehen, keine Dienstwohnungen für Pflegepersonal. Auch dies sei ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich hier um ein selbständiges Wohnen von behinderten Menschen handle. Nach Auffassung der belangten Behörde sei daher das geplante Objekt in der Widmung Bauland-Wohngebiet durchaus rechtskonform. Es seien nur 17 Wohnungen vorhanden und es sei die Art und Weise der Betreuung nicht mit einem Pflegeheim, wo auch Nachtdienste von mehreren Betreuern verrichtet werden müssten, zu vergleichen. Nach Auffassung der belangten Behörde sei daher auch die Ausnahme vom Immissionsschutz nach § 6 Abs. 2 Z 2 BO maßgeblich, das heiße, dass alle jene Immissionen, die aus dem Wohnbereich kämen, von den Nachbarn hinzunehmen seien. Dazu zählten auch die Benützung der Freianlagen, wo Emissionen, vergleichbar mit dem Lärm spielender Kinder einer Wohnhausanlage, ebenso hinzunehmen seien. Auch die Anzahl der Stellplätze entspreche der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl von Stellplätzen bei Wohnungen und einer Tagesstätte. Die Tagesstätte könne mit einem Schul- oder Kindergartengebäude verglichen werden, das seien Einrichtungen, die im Wohngebiet zulässig seien.
Damit sei das Vorhaben in der Widmung Wohngebiet rechtskonform und es könnten daher keine Lärm-, Geruchs- oder ähnliche Emissionen von den Nachbarn behauptet werden, weil diese gemäß § 6 Abs. 2 BO hinzunehmen seien.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Frage der Übereinstimmung mit der Flächenwidmung kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne des § 6 Abs. 2 BO darstelle.
Auch der Einwand, dass das Bauvorhaben nicht vollständig sei, weil die Heizung fehle, könne nicht geteilt werden. Es bestehe ja durchaus die Möglichkeit, dass das Gebäude mit Fernwärme beheizt werde. Überdies sei die Errichtung einer Heizungsanlage nach § 15 BO nur anzeigepflichtig. Diesbezüglich komme dem Nachbarn im Anzeigeverfahren überhaupt keine Parteistellung zu.
Hinsichtlich des Entfalles der Bauverhandlung sei anzuführen, dass die Baubehörde die Bestimmung des § 22 Abs. 2 BO nicht korrekt angewendet habe. Vielmehr hätte eine Bauverhandlung durchgeführt werden müssen. Die Unterlassung stelle aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, die Vorstellungswerber hätten die Möglichkeit gehabt, im Verwaltungsverfahren ihren Standpunkt ausführlich darzulegen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Bauwerberin hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der die Parteistellung im Bauverfahren behalten hat.
Im Beschwerdefall ist die Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO) in der Fassung LGBl. 8000-16 anzuwenden.
§ 6 Abs. 2 BO lautet:
"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)
sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."
Nach § 14 Z. 1 BO bedürfen Neu- und Zubauten von Gebäuden einer Baubewilligung.
§ 15 BO trifft nähere Bestimmungen zu anzeigepflichtigen Vorhaben; nach dessen Abs. 1 Z. 3 ist das Aufstellen von Wärmeerzeugern (Kleinfeuerungsanlagen nach § 59 Abs. 1 BO) und von Zentralheizungsanlagen anzeigepflichtig.
§ 22 Abs. 2 BO lautet:
"(2) Zur Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens darf die Bauverhandlung entfallen, wenn
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- | die Baubehörde die Parteien nach § 6 Abs. 1 Z. 3 und 4 (Nachbarn) und § 6 Abs. 3 (Straßenerhalter) von dem Einlangen eines Antrages nach § 14 unter Angabe von Zeit und Ort für die Einsichtnahme in den Antrag und seine Beilagen nachweislich verständigt, und |
- | gleichzeitig die Parteien aufgefordert werden, eventuelle Einwendungen gegen das Vorhaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung bei der Baubehörde einzubringen, und |
- | innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben werden. Werden keine Einwendungen erhoben, erlischt die Parteistellung." |
§ 48 BO lautet: | |
"Immissionsschutz |
§ 48.
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
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1. | das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden. |
2. | Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen. |
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
Das zu bebauende Areal liegt nach dem Flächenwidmungsplan aus dem Jahr 1983 im Bauland-Wohngebiet. Da sich der Regelungsinhalt von Flächenwidmungsplänen nach den im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderates geltenden Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes richtet (sofern es keine abweichenden Übergangsbestimmungen gibt, was hier nicht der Fall ist), ist in Bezug auf die Flächenwidmung das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 (ROG) in der Fassung der Kundmachung (Berichtigung) LGBl. Nr. 8000-1 heranzuziehen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0042, mwN).
Im Jahr 1983 hatte § 16 ROG (diese Bestimmung in der Stammfassung) auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 16
Bauland
(1) das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern:
1. Wohngebiete, die für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können;
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2. | Kerngebiete, … |
3. | Betriebsgebiete, … |
4. | Industriegebiete, … |
5. | Agargebiete, … |
6. | Sondergebiete, … |
(2) …
(3) …
(4) Baulichkeiten für die religiösen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung können erforderlichenfalls in allen Teilen des Baulandes zugelassen werden.
(5) …"
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom , VfSlg. 11573, die Wortfolge "in Wohngebäuden untergebracht werden können und" in § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG mit Ablauf des aufgehoben. Diese Aufhebung ist auch im Beschwerdefall zu berücksichtigen (siehe dazu abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0042).
Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 6 Abs. 2 BO ist taxativ (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0346). Mangels Aufzählung in diesem Katalog kommt dem Beschwerdeführer als Nachbarn daher das behauptete Recht auf Einhaltung der Flächenwidmung zwar nicht zu, es besteht aber aus dem Blickwinkel des Immissionsschutzes dann, wenn die Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0055), was hier der Fall ist. Die örtliche Zumutbarkeit von Immissionen ist nach § 48 Abs. 2 BO nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerkes und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0109, Slg. 17523/A).
Zutreffend verweist der Beschwerdeführer darauf, dass das als "Wohngebäude" bezeichnete projektierte Gebäude nicht als "Wohngebäude" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 ROG zu qualifizieren ist, dies (obwohl es natürlich auch der Deckung des Wohnbedarfes der dort untergebrachten Personen dient) schon wegen seines wesentlichen besonderen Verwendungszwecks, nämlich der Betreuung von Menschen (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0327, mwN). Da auch "vollbetreute" behinderte Menschen dort untergebracht werden sollen, muss davon ausgegangen werden, dass eine 24-Stunden-Pflege gegeben ist. Die gegenteilige Beurteilung der belangten Behörde ist nicht nachvollziehbar, wobei im Übrigen zu bemerken ist, dass es für die Frage, ob ein "Wohngebäude" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 ROG vorliegt, nicht auf landesinterne Richtlinien für Pflegeheime ankommt.
Auch das Gebäude mit der Bezeichnung "Tagesstätte" kann weder als Gebäude angesehen werden, das dem täglichen Bedarf der "dort" (nämlich im Wohngebiet) wohnenden Bevölkerung dient, noch als Betrieb im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung. Vielmehr handelt es sich beim Vorhaben insgesamt um eine Betreuungseinrichtung und damit um eine soziale Einrichtung im Sinne des § 16 Abs. 4 ROG, die vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles im Bauland-Wohngebiet zulässig ist.
Allerdings geht der Verwendungszweck des Vorhabens ("Wohnhaus" und "Tagesstätte") über die "Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken" im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 2 BO hinaus. Es war daher im Hinblick auf die Einwendungen des Beschwerdeführers erforderlich, eine Prüfung der zu erwartenden Immissionen vorzunehmen, und zwar, bezogen auf den Beschwerdeführer, an seiner Grundgrenze.
Der Beschwerdeführer trägt weiters vor, dass die vorgesehene Heizungsanlage aus dem Bauverfahren "ausgeklammert" und demnach einem gesonderten Verfahren vorbehalten worden sei. Dies sei nicht zulässig. Er verkenne nicht, dass die Emissionen von in Wohngebieten üblichen Heizungsanlagen im Sinne des § 48 Abs. 2 BO im Bauland-Wohngebiet hinzunehmen seien. Ob aber diese Ortsüblichkeit im Beschwerdefall vorliege oder nicht, könne aber nur beurteilt werden, wenn diese Heizungsanlage überhaupt Gegenstand des Bauverfahrens sei.
Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass die erteilte Baugenehmigung nicht auch eine Heizungsanlage umfasst, in keinen Nachbarrechten verletzt wurde.
Richtig ist, dass eine Bauverhandlung zu Unrecht unterblieb, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend erkannt hat. Wie die belangte Behörde aber ebenfalls richtig ausgeführt hat, begründete diese wenngleich rechtswidrige Unterlassung keinen wesentlichen Verfahrensmangel, weil der Beschwerdeführer im Zuge des Bauverfahrens ausreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen und seine Einwendungen auszuführen (aus dem vom Beschwerdeführer bezogenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0135, ergibt sich nichts Gegenteiliges).
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage eine Prüfung der auf das Grundstück des Beschwerdeführers einwirkenden Immissionen für nicht erforderlich erachtete (die Prüfung ist an der Grundgrenze vorzunehmen), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am