VwGH vom 30.10.2018, Ra 2016/05/0063

VwGH vom 30.10.2018, Ra 2016/05/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-111/005/12950/2015-4, betreffend Duldungsverpflichtung (mitbeteiligte Partei: O W in W, vertreten durch die Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Stadt Wien hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom (eingelangt bei der revisionswerbenden Partei am ) begehrte Frau Dr. M. (im Folgenden: Antragstellerin) als Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien unter Bezugnahme auf den (erstinstanzlichen) Baubewilligungsbescheid vom bei der revisionswerbenden Partei, den Mitbeteiligten als Eigentümer der Nachbarliegenschaft gemäß § 126 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) zur Duldung der Benützung seines Grundes insbesondere für Gerüstungsarbeiten sowie für Vorbereitung und Verputz der Nordwand zu verpflichten. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass die vorzunehmenden Arbeiten nur von der Nachbarseite ausführbar seien.

2 In ihrer Stellungnahme vom teilte die Amtssachverständige Ing. K. mit, dass die nördliche Feuermauer des Hauses der Antragstellerin unmittelbar an die Grundgrenze des Mitbeteiligten anschließe und eine Bauführung auf eigenem Grund nicht möglich sei. Für den Materialtransport, die Aufstellung eines normgerechten Arbeitsgerüstes und die Bauführung werde ein etwa 2 m breiter Streifen entlang der südlichen Grundgrenze des Mitbeteiligten in Anspruch genommen werden müssen, wobei die Arbeiten erfahrungsgemäß eine Arbeitswoche in Anspruch nehmen würden. Dabei seien die Schwierigkeiten des engen Anfahrtsweges und die Herstellung einer Passage über dem Gartenhaus des Mitbeteiligten mitberücksichtigt. In Ergänzung dieser Stellungnahme teilte die Amtssachverständige Ing. K. mit Schreiben vom mit, dass sich die Bauzeit für das Verputzen der Feuermauer durch Schlechtwettertage auf zwei bis drei Wochen verlängern könne.

3 Der Mitbeteiligte führte zum Duldungsantrag der Antragstellerin in seiner Stellungnahme vom aus, dass sich die gegenständliche Feuermauer zumindest teilweise auf seinem Grundstück befinde, wodurch seine subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt würden. Die baulichen Maßnahmen beträfen somit ein anderes Gebäude als jenes, das bewilligt worden sei, weshalb ein Aliud vorliege. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, dass eine zulässige Bauführung vorliege. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die gegenständliche Feuermauer exakt an der Grundstücksgrenze verliefe, würden die beantragten Arbeiten, nämlich der Verputz dieser Wand, die Grundstücksgrenze jedenfalls überschreiten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom brachte der Mitbeteiligte vor, dass das bestehende konsenslos errichtete Gebäude der Antragstellerin mit dem bewilligten Bauplan nicht übereinstimme und daher als Aliud zu betrachten sei. Unter anderem sei eine Überbauung der Grundgrenze erfolgt, weshalb er ersuche, eine unabhängige Messung durchführen zu lassen.

4 In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde das bestehende Gebäude der Antragstellerin mittels Maßstab und Maßband nachgemessen und mit der Baubewilligung vom verglichen. Dazu wurde festgehalten, dass es geringfügige Abweichungen im Zentimeterbereich gebe. Die Antragstellerin gab an, noch weitere Vermessungen an der Feuermauer durchzuführen, damit Mauerteile, welche über die Grundstücksgrenze auf die Liegenschaft des Mitbeteiligten ragten, ordnungsgemäß entfernt werden könnten und damit nach Herstellung des Feuermauerverputzes kein Gebäudeteil über die Grundstücksgrenze rage.

5 In seiner Stellungnahme vom führte der seitens der Antragstellerin beauftrage Architekt Dipl.-Ing. M. aus, dass im September 2007 tatsächlich eine Überragung der gegenständlichen Feuermauer über die Grundgrenze zur Liegenschaft des Mitbeteiligten an der Nord-Ost-Ecke des Gebäudes in einem maximalen Ausmaß von 4 cm auf 4,14 m Länge festgestellt worden sei. Dies habe zu einem sofortigen Rückbau der sich damals noch im Bau befindlichen Giebelwand und auch zur Beseitigung der bereits erfolgten Überbauung geführt. Die Überbauung sei bis vollständig beseitigt worden. Seit diesem Zeitpunkt befinde sich im Prinzip kein Teil der Feuermauer auf dem Nachbargrund, was auch die angeschlossene Vermessung vom des Vermessungsbüros K. GmbH bestätigt habe. Sollte der projektgemäße Abstand der Feuermauer von +5 cm zur Grundgrenze nicht an jeder Stelle gegeben sein, so sei dies im Zuge der Verputzarbeiten noch nachzubessern, was nur von Seiten der Nachbarliegenschaft möglich sei. Die Reduktion der vorhandenen Ziegelstärke der Feuermauer von 38 cm wäre bis zu 13 cm möglich, "unter Beibehaltung des lt. OIB-Richtlinie 6 erforderlichen U-Wertes".

6 Mit Schreiben vom informierte die revisionswerbende Partei den Mitbeteiligten darüber, dass die gegenständliche Feuermauer laut der im Zuge der Verhandlung am durchgeführten Messung lediglich im geringen Zentimeterbereich (2-6 cm) von der erteilten Baubewilligung abweiche. Weiters sei die Feuermauer durch die K. GmbH am nochmals vermessen worden, wobei festgestellt worden sei, dass punktweise die zum Teil abgestemmte Ziegelwand die Grundgrenze zur Liegenschaft des Mitbeteiligten noch überrage. Laut Stellungnahme des Ziviltechnikers Dipl.-Ing. M. sollten diese Teile im Zuge der Herstellung des Feuermauerverputzes beseitigt werden, sodass nach Abschluss der Arbeiten kein Gebäudeteil mehr über die Grundstücksgrenze rage.

7 Mit Stellungnahme vom führte der Mitbeteiligte nochmals aus, dass das gegenständliche Bauwerk nicht mit dem bewilligten Bauvorhaben ident sei und die Zuverlässigkeit des Privatgutachtens der K. GmbH anzuzweifeln sei, zumal nicht nachvollziehbar sei, wie ohne seine Einwilligung von seinem Grundstück aus alle Koten der Feuermauer abgenommen worden sein sollten. Zudem müsse die von dieser Firma verwendete Grundgrenze als strittig erklärt werden und auch die Messdaten würden bestritten, da die Vermarkungs-Stange stark verbogen sei.

8 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom wurde der Mitbeteiligte als Eigentümer der näher bezeichneten Liegenschaft gemäß § 126 Abs. 1 und 3 BO verpflichtet, die Benützung seines Grundes und des darüber befindlichen Luftraumes im Umfang von 2 m entlang der südlichen Grundgrenze und für die Dauer von zwei Wochen zwecks Aufstellung eines Gerüstes und für die Zulieferung des Baumateriales zur Herstellung des Feuermauerverputzes am Gebäude der Antragstellerin zu dulden.

9 Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, bei der am abgehaltenen Ortausgenscheinverhandlung sei festgestellt worden, dass an dem mit Bescheid vom , welcher mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom bestätigt worden sei, bewilligten Wohnhaus der Antragstellerin der Feuermauerverputz fehle. Entsprechend der Baubewilligung und den Bestimmungen des § 129 Abs. 9 BO sei zum Schutz des Mauerwerkes bei freistehenden Feuermauern (Feuermauerteile) zumindest ein glatter Verputz herzustellen. Die Herstellung des Verputzes an der Feuermauer sei ohne Benützung des Nachbargrundes und des darüber befindlichen Luftraumes nicht möglich.

10 Den Einwendungen des Mitbeteiligten sei zu entgegnen, dass entsprechend dem Ermittlungsverfahren und der gutachterlichen Stellungnahme des Ziviltechnikers Dipl.-Ing. M., das auf der Liegenschaft der Antragstellerin errichtete Wohnhaus mit geringen Abweichungen im Zentimeterbereich höhen- und lagemäßig der Baubewilligung entsprechend ausgeführt worden sei. Es liege somit kein "Aliud" vor. Die geringfügigen Abweichungen seien im Zuge der Bauarbeiten, spätestens jedoch bis zur Fertigstellungsanzeige zu beseitigen. Wie aus der gutachterlichen Stellungnahme des Ziviltechnikers Dipl.-Ing. M. hervorgehe, sollten im Zuge der Verputzarbeiten an der Feuermauer jene Mauerteile noch entfernt werden, welche eventuell noch über bzw. bis an die Grundstücksgrenze ragten, sodass nach Herstellung des notwendigen Feuermauerverputzes weder Mauerteile noch der Verputz über die Grundstücksgrenze ragten.

11 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, dass das gegenständliche Gebäude bereits jetzt bis an bzw. über die Grundstücksgrenze rage. Nach den entsprechenden Verputzarbeiten an der Feuermauer würde das gegenständliche Gebäude sohin noch weiter über die Grundstücksgrenze ragen. Das gegenständliche Gebäude entspreche sohin in keiner Weise der Projektierung, was auch nicht durch die nunmehr geplanten Arbeiten behoben werden könne, welche den tatsächlich gegebenen Zustand noch verschlechtern würden. Die im bekämpften Bescheid zitierte gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. M., wonach der in der Natur vorliegende Bestand mit dem vom Verwaltungsgericht bewilligten Projektplan übereinstimme, stütze sich allein auf die von ihm als Planverfasser selbst vertretene Meinung und ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren sei unterblieben bzw. grob mangelhaft geblieben. Die erstinstanzliche Behörde unterlasse jegliche Begründung dafür, weshalb sie sich, ohne ein entsprechendes mangelfreies Ermittlungsverfahren durchzuführen, dieser Stellungnahme vorbehaltlos anschließe. Der diesbezüglich durchgeführte Ortsaugenschein habe zur Feststellung des wahren und maßgeblichen Sachverhaltes nichts beigetragen, weil eine Messung der Gebäudehöhe mit unzulänglichen Mitteln, nämlich nur manuell mit einem Maßband und nicht dem Stand der Technik entsprechend, stattgefunden habe. Auch die Überprüfung der Gebäudeabwicklung und Berechnung der mittleren Gebäudehöhe sowie die Messung der Gebäudehöhe an der Grundgrenze und im Abstand von 2 m davon seien nicht erfolgt. Die diesbezüglichen Gutachten seien Privatgutachten des Planverfassers im Auftrag der Antragstellerin und eine Objektivierung durch Messorgane der Behörde sei unterblieben. Wie sich aus dem Vorbringen des Mitbeteiligten ergebe, weiche das tatsächlich in der Natur vorhandene Gebäude in einem erheblichen Ausmaß vom nachträglich genehmigten Bestand ab. Es sei ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden und die erstinstanzliche Behörde habe sich in keiner Weise mit dem schlüssigen Vorbringen sowie den entsprechenden Beweisanboten des Mitbeteiligten auseinandergesetzt. Schließlich sei eine tatsächliche Umsetzung des angefochtenen Bescheides gar nicht möglich, weil sich innerhalb des 2 m breiten Streifens ein Gartenhaus des Mitbeteiligten befinde, welches abgetragen und wieder aufgebaut werden müsste, was für ihn mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG statt, behob den angefochtenen Bescheid und wies den Antrag auf Duldungsverpflichtung "vom " der Antragstellerin zur Anbringung des Feuermauerverputzes ab. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

13 Begründend hielt das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften zunächst fest, dass es sich bei den beantragten Arbeiten um bauliche Maßnahmen an einem Gebäude handle, für welches mit Bescheid vom , bestätigt mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom , eine Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses erteilt worden sei. "Notwendige" Maßnahmen gemäß § 126 Abs. 1 BO müssten jedenfalls zulässige Maßnahmen im Sinn der BO sein. Zulässig sei ein Bauvorhaben, wenn es nicht bewilligungspflichtig oder zumindest bewilligungsfähig sei. Aus Abstandsbestimmungen, Bestimmungen über Fluchtlinien und Bestimmungen über die Bauweise würden grundsätzlich subjektivöffentliche Nachbarrechte erwachsen, sodass eine Instandsetzungsmaßnahme in Form der Erneuerung des Verputzes an einer bestehenden Feuermauer, würde sie die Grundgrenze überschreiten, jedenfalls bewilligungspflichtig im Sinn des § 60 Abs. 1 lit. c BO wäre (Hinweis auf ). Es könne nicht allein auf Grund der vorliegenden Baubewilligung davon ausgegangen werden, dass die Arbeiten zulässig seien, unabhängig davon, wie nun das Gebäude in der Natur tatsächlich ausgeführt sei. Im vorliegenden Fall habe die Baubehörde in ihrem Schreiben vom klar festgestellt, dass die gegenständliche Feuermauer nicht dem bewilligten Plan entspreche, da die Feuermauer - wenn auch nur im geringen Zentimeterbereich - über die Grundgrenze rage. Die Instandsetzung einer Feuermauer, die über die Grundgrenze rage, stelle jedenfalls ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinn des § 60 Abs. 1 lit. c BO dar. Es wäre daher zuerst durch die revisionswerbende Partei ein Bauauftrag dahingehend zu erlassen, dass die Feuermauer entsprechend dem bewilligten Bescheid herzustellen sei und erst unter diesem Titel - sollte weiterhin keine Zustimmung des Nachbarn für die Arbeiten auf seinem Grund vorliegen - sei ein entsprechender Duldungsauftrag zu erlassen.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens und/oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist angesichts ihres Vorbringens zur Frage der Notwendigkeit bzw. Zulässigkeit baulicher Maßnahmen im Sinn des § 126 Abs. 1 BO zulässig.

16 Im Revisionsfall war die BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 8/2015 anzuwenden.

Die § 60, 126 und 129 BO lauten auszugsweise:

"7. Teil

Formelle Erfordernisse bei Bauvorhaben

Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die § 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn

diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks; ..."

"Benützung des Nachbargrundes, Verlegung fremder Leitungen und ähnliches

§ 126. (1) Die Eigentümer der Nachbarliegenschaften sind verpflichtet, die anlässlich einer Bauführung oder Instandsetzung notwendigen, ohne Benützung des Nachbargrundes oder des darüber befindlichen Luftraumes nicht möglichen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglichen Arbeiten einschließlich der nötigen Sicherungsmaßnahmen, wie etwa Pölzungen und Unterfangungen, gegen Ersatz des erlittenen Schadens auf ihrer Liegenschaft zu gestatten. Über die Höhe des erlittenen Schadens entscheiden im Streitfalle die ordentlichen Gerichte.

...

(3) Werden die nach Abs. 1 und 2 zulässigen Maßnahmen nicht gestattet, hat die Behörde über die Berechtigung und den Umfang der Duldungsverpflichtung zu entscheiden. Mit den Arbeiten darf nach Rechtskraft des Bescheides begonnen werden.

... "

"Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige

Bauwerke

§ 129. ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(9) Freistehende Feuermauern und ebensolche Feuermauerteile sind, auch wenn sie nur vorübergehend ungedeckt bleiben, von außen zu verputzen. Die Behörde kann, wenn es die Rücksicht auf das örtliche Stadtbild erfordert, eine entsprechende Ausgestaltung sichtbarer Feuermauerteile verlangen. Werden aus welchem Anlass immer bisher verdeckte Feuermauerteile freigelegt, so kann der Eigentümer (jeder Miteigentümer) verhalten werden, mindestens einen glatten Verputz herzustellen.

(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den

Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. ... "

17 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. ...

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.

..."

18 Die revisionswerbende Partei bringt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht führe zwar korrekterweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes an, wonach "notwendige" Maßnahmen gemäß § 126 Abs. 1 BO jedenfalls "zulässige" Maßnahmen im Sinn der BO sein müssten; es setze sich aber nicht mit der Frage auseinander, ob das Vorhaben "zumindest bewilligungsfähig" wäre, sondern begründe seine Entscheidung lapidar damit, dass die Maßnahmen bewilligungspflichtig und daher unzulässig seien. Dabei werde allerdings übersehen, dass die Frage, ob ein zumindest bewilligungsfähiges Vorhaben auch bewilligt sein müsse, um "zulässig" zu sein, im zitierten Erkenntnis offen geblieben sei (Hinweis auf ) und bis dato zu dieser Frage eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

19 Darüber hinaus widerspreche die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtsansicht, es müsse zuerst ein Bauauftrag erlassen werden und es könne erst unter diesem Titel der Duldungsauftrag - allenfalls - bewilligt werden, dem klaren Wortlaut des § 129 Abs. 2 BO, wonach der Eigentümer dafür zu sorgen habe, dass die Bauwerke in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der BO entsprechendem Zustand erhalten würden. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Eigentümers zur Instandhaltung ex lege bestehe und nicht erst auf Grund eines Bauauftrages (Hinweis auf , und ). Ein Bauauftrag könne nicht der "Titel" für eine "zulässige" Maßnahme gemäß § 126 BO sein. Unter dem Aspekt der "Erforderlichkeit" sei anzuführen, dass die Behörde einen Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 4 BO nur "nötigenfalls", das heißt, wenn sich der Eigentümer der gesetzlichen Verpflichtung nicht bewusst wäre oder nicht von sich aus der Verpflichtung nachkäme, zu erlassen habe. Die vom Verwaltungsgericht aufgezeigte Vorgehensweise sei im konkreten Fall rechtlich nicht vertretbar und weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

20 Zudem habe das Verwaltungsgericht dem Verhandlungsantrag des Mitbeteiligten nicht entsprochen und der revisionswerbenden Partei keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Insbesondere die Frage, ob die vom erkennenden Gericht als bewilligungspflichtig qualifizierten Maßnahmen bewilligungsfähig und somit doch zulässig seien, hätte in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssen.

21 Dazu ist Folgendes auszuführen:

22 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen "notwendige" Maßnahmen im Sinn des § 126 Abs. 1 BO jedenfalls zulässige Maßnahmen im Sinn der BO sein. Zulässig ist ein Bauvorhaben, wenn es nicht bewilligungspflichtig oder zumindest bewilligungsfähig ist.

23 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits dargelegt, dass sich § 126 BO im XII. Abschnitt der BO "Vorschriften betreffend die Ausführung, Benützung und Erhaltung von Bauten" findet, und es sich um eine Vorschrift betreffend die Ausführung von Bauten handelt, weshalb die Beantwortung der Frage, ob die Arbeiten zulässig und damit notwendig im Sinn dieser Bestimmung sind, davon abhängt, wann mit der Ausführung begonnen werden darf (vgl. ).

24 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ragt die gegenständliche Feuermauer - wenn auch nur im Zentimeterbereich - über die Grundgrenze zur Liegenschaft des Mitbeteiligten und entspricht somit nicht dem der Baubewilligung zugrundeliegenden Plan. Die Bewilligung der Instandsetzung eines Gebäudes setzt aber das Bestehen eines Baukonsenses für dasselbe begrifflich voraus (vgl. , VwSlg. 8771A). In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof zu einer dem § 129 Abs. 2 BO inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des Stmk. Baugesetzes 1995 bereits ausgesprochen, dass die Instandhaltungspflicht das Vorhandensein einer rechtmäßigen baulichen Anlage voraussetzt, die in einem der Baubewilligung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden muss (vgl. ).

25 Daraus ergibt sich fallbezogen, dass die Erteilung einer Baubewilligung für die seitens der Antragstellerin beabsichtigte Instandsetzungsmaßnahme in Form der Erneuerung des Verputzes an der nicht dem Baukonsens entsprechenden Feuermauer nicht in Betracht kommt.

26 Im Übrigen kann dem Verwaltungsgericht jedoch nicht gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, dass ein Duldungsauftrag zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes der Feuermauer erst nach Erlassung eines entsprechenden Bauauftrages ergehen könne, zumal die Verpflichtung des Eigentümers zur Beseitigung von Konsenswidrigkeiten kraft Gesetzes besteht und von einem Bauauftrag unabhängig ist (vgl. Moritz, BauO für Wien5 (2014) Anm zu § 135 Abs. 1, 429). Die zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes der Feuermauer erforderlichen Arbeiten waren jedoch vom Duldungsantrag der Antragstellerin und demgemäß auch vom Duldungsauftrag der revisionswerbenden Partei nicht erfasst.

27 Die in Aussicht genommenen Arbeiten - Erneuerung des Verputzes an der (nicht dem Baukonsens entsprechenden) Feuermauer -

erweisen sich, wie oben dargelegt, als unzulässig und damit als nicht notwendig im Sinn des § 126 Abs. 1 BO, weshalb das Verwaltungsgericht den Duldungsantrag der Antragstellerin zur Anbringung eines Feuermauerverputzes im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

28 Der Vorwurf der revisionswerbenden Partei, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen, ist nicht berechtigt.

29 Das Vorbringen der revisionswerbenden Partei zur fehlenden Äußerungsmöglichkeit ist nicht nachvollziehbar, zumal die Bestimmungen des VwGVG nicht vorsehen, dass der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vor dem Absehen von der von einer (anderen) Partei beantragten Verhandlung Gelegenheit zur Äußerung zu geben wäre. Sollte das Vorbringen der revisionswerbenden Partei auf die in § 24 Abs. 3 zweiter Satz VwGG enthaltene Anordnung abzielen, wonach den sonstigen Parteien Gelegenheit zur Stellung eines Verhandlungsantrages zu geben ist, ist auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach aus den § 18 und 24 Abs. 3 VwGVG nicht abgeleitet werden könne, dass der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde, für welche die erste Gelegenheit zur Beantragung der Verhandlung im Rahmen der Vorlage der Beschwerde samt der Verwaltungsakten beim Verwaltungsgericht (vgl. § 12 VwGVG) besteht, nach der besagten Vorlage nochmals Gelegenheit zur Antragstellung zu geben wäre (vgl. ).

30 Im Übrigen hat die revisionswerbende Partei im Beschwerdeverfahren die von ihr selbst getroffenen Tatsachenannahmen nicht bestritten und kein konkretes (für die Rechtssache relevantes) sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet. Fragen der Beweiswürdigung sind daher für das Verwaltungsgericht nicht aufgetreten und es hat auch keine neuen Sachverhaltsfeststellungen getroffen ; es ist vielmehr von dem von der revisionswerbenden Partei festgestellten Sachverhalt, wonach Teile der in Rede stehenden Feuermauer die Grundgrenze zum Nachbargrundstück überragten, ausgegangen. Es ist daher nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Der EGMR hat im Übrigen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn - wie hier - keine Fragen der (maßgeblichen) Beweiswürdigung auftreten oder die (maßgeblichen Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. etwa bis 0038, mwN).

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

31 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050063.L00
Schlagworte:
Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

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