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VwGH vom 28.05.2009, 2007/16/0192

VwGH vom 28.05.2009, 2007/16/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehentner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer LL.M., über die Beschwerde des Ing. P S in T, vertreten durch die Puttinger, Vogl & Partner Rechtsanwälte GmbH, in 4910 Ried/Innkreis, Claudistraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0680-L/06, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Übergabsvertrag vom übertrugen die Ehegatten J S und H S (im Folgenden: Übergeber und Übergeberin) ihrem Sohn, dem Beschwerdeführer, eine "ihnen gleichteilig gehörige" Liegenschaft mitsamt einem darauf errichteten Wohnhaus. Als Gegenleistung für die Übergabe verpflichtete sich der Beschwerdeführer "für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz des Übergabsobjektes" zur Duldung eines "Wohnungs- (Wohnungsgebrauchs-)rechtes" zu Gunsten der Übergeber. Die entsprechende Bestimmung des Vertrages lautet folgendermaßen:

"Zur Wohnung: Den Übergebern gebührt das lebenslängliche und höchstpersönliche Wohnungs- und Benützungsrecht am gesamten Übergabsobjekt, so wie sie dieses bisher als Eigentümer ausgeübt haben (...)

Das vorstehende Wohnungs- (Wohnungsgebrauchs-)recht ist grundbücherlich sicherzustellen."

Es wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer die Kosten für die Errichtung und grundbücherliche Durchführung dieses Vertrages und die damit verbundenen Gebühren und Steuern trägt. Für die Gebührenbemessung wurde der erzielbare fiktive Mietzins und somit das gegenständliche Wohnungsgebrauchsrecht mit 300 EUR monatlich bewertet.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Schenkungssteuer für den mit "Übergabsvertrag vom mit J S" angeführten Rechtsvorgang fest. Der steuerpflichtige Erwerb betrage 5.567,95 EUR. Dieser errechne sich aus dem "Wert der Grundstücke" von 23.218,97 EUR abzüglich "grunderwerbsteuerpflichtiger Gegenleistung" von 15.451,02 EUR und abzüglich eines Freibetrages gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG von 2.200 EUR.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung. Der zu Grunde gelegte Barwert der Verbindungsrente betrage 48.387,37 EUR. Richtigerweise dürfe die Aufteilung dieser Rente ausschließlich nach den veräußerten Liegenschaftsanteilen erfolgen. Eine Begründung der Übergabe als quasi zweifache Übergabe der jeweiligen Liegenschaftshälften durch den jeweiligen Übergeber ohne Berücksichtigung der zweiten Liegenschaftshälfte gehe "völlig am tatsächlichen Vertragswillen, der im Übergabsvertrag auch eindeutig dokumentiert ist, vorbei", weil sich die Übergeber ein gemeinsames Wohnrecht ("jeweils für sich und den anderen") ausbedungen hätten. Es liege daher eine einzige Gesamtgegenleistung vor, die nur im Verhältnis der übergebenen Liegenschaftsanteile aufzuteilen sei. Daher hätte der gesamte Barwert der Verbindungsrente auf die Übergeber je zur Hälfte aufgeteilt werden müssen. Für die Vorschreibung einer Schenkungssteuer sei kein Raum, da der Barwert der Verbindungsrente den gesamten dreifachen Einheitswert übersteige.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Von dem nach § 16 BewG mit 48.387,37 EUR ermittelten Barwert des eingeräumten Wohnrechtes entfielen auf den Übergeber 15.451,02 EUR und auf die Übergeberin 32.936,36 EUR. Die Kapitalisierung mit Hilfe des Verbindungsfaktors berücksichtige bei verbundenen Renten die Überlebenswahrscheinlichkeit der kombinierten Lebenserwartung beider Berechtigter. Die Aufteilung des Barwertes einer verbundenen Rente auf die beiden Berechtigten habe zu erfolgen, um für den jeweiligen Erwerbsvorgang die entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Jeder Erwerbsvorgang sei aus steuerlicher Sicht getrennt zu betrachten. Es lägen so viele Erwerbsvorgänge vor wie Vertragsparteien auf beiden Seiten existierten. Die aus dem Barwert einer verbundenen Rente errechneten Teilbeträge stellten die dem jeweiligen Berechtigten zukommende Leistung dar. Sie seien bei der Übergabe als Gegenleistung der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen und verminderten als Gegenleistung die Bemessungsgrundlage für die Schenkungssteuer. Da die Gegenleistung an den Übergeber 15.451,02 EUR betrage, sei von der Differenz zum anteiligen dreifachen Einheitswert Schenkungssteuer vorzuschreiben.

Im dagegen gestellten Vorlageantrag wiederholte der Beschwerdeführer sein Berufungsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Bei einer Mehrheit von Rechtsvorgängen sei hinsichtlich eines jeden einzelnen Tatbestandes die Frage der Steuerfreiheit gesondert zu prüfen. Stünden einem Geschenknehmer bei der Zuwendung eines Gegenstandes mehrere Geschenkgeber gegenüber, seien so viele selbständige Steuervorgänge gegeben wie Geschenkgeber vorhanden seien. Dementsprechend enthalte der in Rede stehende Übergabsvertrag zwei Erwerbsvorgänge, welche eigenständig zu beurteilen und zu besteuern seien. Die ermittelte Gesamtgegenleistung sei auf die beiden Erwerbsvorgänge aufzuteilen. Auf Grund der unterschiedlichen Erlebenswahrscheinlichkeiten der beiden Übergeber sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den beiden Übergebern das Wohnrecht verschieden lange zu gewähren haben werde. In wirtschaftlichem Sinn müsse daher der Erwerber differierende Werte einsetzen, um jeweils das Hälftegrundstück zu erhalten; jeder der Übergeber erhalte auf Grund unterschiedlicher Nutzungsintensität für seinen Hälfteanteil unbestreitbar eine verschieden große Gegenleistung. Dies habe zur Folge, dass sich in Fällen einer Verbindungsrente hinsichtlich des älteren Übergebers, welcher de facto die geringere Gegenleistung zu erwarten habe, im Verhältnis zum Wert seiner übergebenen Liegenschaft eine gemischte Schenkung ergeben könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht "auf Nichtfestsetzung von Schenkungssteuer" verletzt.

Nach § 3 Abs. 1 Z 2 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes (außer Schenkungen im Sinne des bürgerlichen Rechtes) jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Eine solche Zuwendung liegt etwa dann vor, wenn der Leistung eines Teiles eine geringere Leistung des anderen Teiles gegenübersteht und die Bereicherung des anderen Teiles von demjenigen, der die höherwertige Leistung erbringt, gewollt ist; eine solche "gemischte Schenkung" kommt somit bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Betracht.

Bei der Feststellung, ob ein krasses Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen (geringfügige Wertunterschiede bleiben außer Betracht) und somit eine Bereicherung eines Vertragsteiles vorliegt, sind Leistung und Gegenleistung nach ihrem gemeinen Wert zu vergleichen (vgl. aus der stRsp das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0038, VwSlg 7.408/F).

Die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt, ist nicht auf Grund der steuerlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, also der Einheitswerte nach diesem Gesetz, sondern auf Grund eines Vergleiches der Verkehrswerte zu treffen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/16/0104), weil die Steuer von Schenkungen auf dem Grundsatz der objektiven Bereicherung einer Person beruht und weil sich eine solche Bereicherung grundsätzlich nicht aus den steuerlichen Bewertungsvorschriften, die nur der Ermittlung einheitlicher Durchschnittswerte dienen sollen, ergeben kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/16/0246, VwSlg 7.882/F); dies auch aus der Überlegung, dass im täglichen Leben nicht die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften die grundlegende Wertvorstellung der Vertragspartner über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/16/0051).

Liegt danach eine gemischte Schenkung vor, richtet sich die Bewertung, die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen, nach § 19 ErbStG.

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage bei der Antwort auf die Frage, ob eine gemischte Schenkung des Übergebers an den Beschwerdeführer vorliegt, bei der Leistung des Übergebers (Übertragung des Hälfteeigentums an der Liegenschaft) nicht den Verkehrswert der Liegenschaft, sondern den dreifachen Einheitswert herangezogen. Bereits dadurch hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die belangte Behörde ist bei der Leistung des Übergebers (Übertragung des Hälfteeigentums an der in Rede stehenden Liegenschaft) vom Betrag von 23.218,97 EUR, nämlich von der Hälfte des dreifachen Einheitswertes der Liegenschaft, ausgegangen. Die Gegenleistung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aus dem unstrittig mit 48.387,37 EUR angenommenen Barwert des Wohnrechts beider Übergeber mit einem der geringeren Lebenserwartung des Übergebers entsprechenden Anteil am Wohnrecht mit 15.451,02 EUR "errechnet".

Der Beschwerdeführer trägt vor, es handle sich beim in Rede stehenden Übergabsvertrag um einen einheitlichen Rechtsvorgang. Aus dem Zusammenhang und der allgemeinen Lebenserfahrung ergebe sich eindeutig, dass sich die beiden Übergeber ein Wohnrecht ("jeweils für sich und für den zweiten Übergeberteil") ausbedungen hätten, daher liege eine einheitliche Gegenleistung in Höhe des für beide Übergeberteile gesamt kapitalisierten Wohnrechtes vor. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sollte das gesamte kapitalisierte Wohnrecht entsprechend den Liegenschaftsanteilen aufzuteilen, demnach zu halbieren sein. Stelle man dem "hälfteanteiligen dreifachen Einheitswert" von 23.218,97 EUR die "(hälfte)anteilige Gegenleistung" von 24.193,69 EUR gegenüber, bliebe für eine Schenkungssteuer kein Platz.

Ein mehreren Personen eingeräumtes, von diesen gleichzeitig ausübbares Wohnrecht derselben Räumlichkeiten stellt auf der Seite des dadurch Belasteten ein Wohnrecht dar, dessen Wert gegebenenfalls - etwa für die Frage der Schenkungssteuer - auf die Berechtigten aufzuteilen ist.

Dabei ist denkmöglich, dass sich der Übergeber ein Wohnrecht für sich selbst oder aber (in einem Vertrag zu Gunsten Dritter) ein Wohnrecht für seine Ehegattin (allein) oder für einen Dritten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0436) oder auch ein Wohnrecht für sich und seine Ehegattin ausbedingt.

Im Beschwerdefall ist mit zu berücksichtigen, dass der in Rede stehende Übergabsvertrag gleichzeitig auch mit der Übergeberin abgeschlossen wurde und sich diese ebenfalls ein Wohnrecht ausbedungen hat.

Soweit das jeweils ausbedungene Wohnrecht dieselben berechtigten Personen betrifft, ist dessen Wert demnach aufzuteilen. Hätte sich jeder der Übergeberteile das Wohnrecht für sich und für den jeweils anderen Übergeberteil ausbedungen (wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat und in der Beschwerde ins Treffen führt), dann hätte sich jeder der Übergeberteile somit das Gleiche, nämlich das "gesamte" Wohnrecht, ausbedungen und wäre der Wert des "gesamten" Wohnrechtes daher zu halbieren und diese Hälfte beim Erwerbsvorgang jeder Liegenschaftshälfte anzusetzen. Hätten der Übergeber und die Übergeberin jedoch ein Wohnrecht jeweils nur für sich selbst ausbedungen, wäre der Wert des "gesamten" Wohnrechtes nach dem Gesichtspunkt aufzuteilen, wie lange jeder Berechtigte dieses sein Wohnrecht ausüben kann.

Nicht zu verwechseln mit den sich daran anschließenden rechtlichen Fragen, wie eine Leistung zu bewerten ist und welchem Wert (der Grundstückshälfte) die jeweilige Gegenleistung gegenüberzustellen ist (§ 19 ErbStG), handelt es sich bei der Frage, welche Gegenleistung der Übergeber sich ausbedungen hat und der Beschwerdeführer dem Übergeber zu erbringen hat, um eine Tatsachenfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung (§ 167 BAO) zu beantworten hatte. Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt dabei die Prüfung, ob die belangte Behörde ihre Feststellungen dazu schlüssig und in einem mängelfreien Verfahren getroffen hat.

Die belangte Behörde spricht im angefochtenen Bescheid von einer "Gesamtgegenleistung" des Beschwerdeführers und davon, dass jeder der Übergeberteile das (höchstpersönliche) Wohnrecht "gewährt" und somit eine wegen der unterschiedlichen Lebenserwartung unterschiedliche Gegenleistung erhalten habe. Damit geht die belangte Behörde ohne nähere Begründung offenbar davon aus, dass jeder der Übergeberteile ein Wohnrecht jeweils nur für sich selbst ausbedungen habe. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, nach dem tatsächlichen Vertragswillen sei ein "gemeinsames Wohnrecht (jeweils für sich und für den anderen)" ausbedungen worden, setzte sich die belangte Behörde nicht auseinander.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG und die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am