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VwGH vom 30.01.2014, 2012/05/0048

VwGH vom 30.01.2014, 2012/05/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz, 4041 Linz, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-014125/12-2011-Ma/Wm, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: MMag. MW in Wien, vertreten durch Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0067, zu verweisen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:

Mit Ansuchen vom beantragte G.S. die Erteilung der Baubewilligung für den teilweisen Abbruch und die Sanierung des bestehenden Gebäudes, die Errichtung eines Zubaues, einer Garage und von Einfriedungsmauern auf der Liegenschaft S.- Straße 45. Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin der östlich an das Baugrundstück angrenzenden Liegenschaft S.-Straße 43. Beide Liegenschaften befinden sich im Wohngebiet. Bau- und Nachbarobjekt sind Teil einer Reihenhausanlage und bilden die Mitte einer aus sechs Objekten bestehenden Gruppenbebauung. Im Norden grenzen sie an die S.-Straße an. Nach dem Bebauungsplan befindet sich im nördlichen Bereich der beiden genannten Liegenschaften parallel zur entsprechenden Straßenfluchtlinie eine Baufluchtlinie (vordere Baufluchtlinie), ebenso eine Baufluchtlinie im Süden der Objekte (innere Baufluchtlinie).

Mit dem genannten Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte als seitlicher Nachbar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der inneren Baufluchtlinie habe. Die belangte Behörde sei aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte in Bezug auf seine Einwendungen, die die Überschreitung der inneren Baufluchtlinie beträfen, präkludiert sei.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde daraufhin der Bescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Landeshauptstadt vom aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtsenat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Mitbeteiligte als östlicher Grundnachbar habe einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der inneren (südlichen bzw. gartenseitigen) Baufluchtlinie. Der gesetzliche oder der durch Baufluchtlinien im Bebauungsplan festgelegte Mindestabstand zur inneren Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze dürfe mit allen in § 6 Abs. 2 Z 3 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes (BTG) aufgezählten Bestandteilen baulicher Anlagen insgesamt um höchstens zwei Meter unterschritten werden. Der absolute Mindestabstand von 2 m sei auf Grund des weit über 2 m gelegenen Abstandes zur maßgeblichen inneren Bauplatz- und Nachbargrundgrenze im Süden gewahrt. Die Freitreppe befinde sich aber mehr als 2 m südlich der südlichen Baufluchtlinie, und dadurch werde der Mindestabstand zur inneren Bauplatz- und Nachbargrundgrenze verletzt. Daran ändere auch die Argumentation der Baubehörde zweiter Instanz hinsichtlich des Vorliegens eines geschlossen bebauten Gebietes nichts. Im Bebauungsplan sei nämlich eine für den Mindestabstand zur inneren Bauplatz- und Nachbargrundgrenze maßgebliche südliche Baufluchtlinie festgelegt, weshalb die Anwendung von § 6 Abs. 1 Z 1 BTG ausscheide. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Einhaltung der südlichen Baufluchtlinie noch näher zu ermitteln sein werde, wie sich die Lage und Größe des Gebäudes im Verhältnis zur bebaubaren Fläche darstelle. So bestehe der Verdacht, dass der Zubau möglicherweise selbst die südliche Baufluchtlinie (wenn auch geringfügig) überschreite.

In der Folge wurde eine Stellungnahme der Abteilung Stadtplanung des Magistrates der beschwerdeführenden Landeshauptstadt vom eingeholt. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, für die Darstellung der Baufluchtlinien sei zum Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanes weder eine Planzeichenverordnung noch eine Richtlinie für die Situierung der Baufluchtlinie zu einem Gebäudeabstand vorhanden. Aus dem der Verordnung zugrundeliegenden Originalplan sei aber eindeutig erkennbar, dass die nordwestseitige vordere Baufluchtlinie zur S.- Straße an der Außenseite des Gebäudes angelegt sei. Was die Toleranz beim Messen betreffe, so weise die Baufluchtlinie eine Strichstärke von 0,35 mm auf, was im Maßstab 1:1.000 35 cm ergebe. Im gegenständlichen Fall bedeute dies Gebäudekante laut Kataster +35 cm. Die innere Baufluchtlinie weise keine Bezugskante auf. Die Messung (Lineal) zwischen den Baufluchtlinien ergebe unter Einbeziehung der Strichstärke einen Abstand von ca. 20,5 bis 20,7 mm, also maximal 20,7 m.

Am änderte der Bauwerber G.S. sein Bauprojekt dahingehend ab, dass die gartenseitige Freitreppe nicht ausgeführt werden solle.

Mit Schreiben vom gab die mitbeteiligte Partei eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom wies der Stadtsenat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Linz vom neuerlich als unbegründet ab, wobei ausgesprochen wurde, dass sich die Baubewilligung auf das im Berufungsverfahren geänderte Projekt beziehe. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die südöstliche (innere) Baufluchtlinie mit dem geplanten Zubau nicht und mit dem vor die Gebäudeaußenwand 1,5 m auskragenden Balkon um 1,49 m überschritten werde, wobei dies im Lichte des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG zulässig sei (wurde näher dargelegt).

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung.

Auf Grund dieser Vorstellung wurde der Bescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Landeshauptstadt vom von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtsenat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt zurückverwiesen. Begründend wurde, soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich, ausgeführt, der Balkon überrage die innere Baufluchtlinie um weniger als 2 m, weshalb diesbezüglich § 6 Abs. 2 Z 3 BTG entsprochen werde. Der Mitbeteiligte erachte sich jedoch insofern in einem Nachbarrecht verletzt, als der Balkon an der Südseite des Zubaues einen Mindestabstand von 2 m gegen die seitlichen Nachbargrundgrenzen (also auch gegenüber der Grenze zum Grundstück des Mitbeteiligten) nicht einhalte. Der Balkon weise zur östlichen Grundgrenze (das sei jene zum Grundstück des Mitbeteiligten) laut Austauschplan 2 (Erdgeschossgrundriss) einen Abstand von nur 1,46 m auf. Der Stadtsenat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt habe diesbezüglich ausgeführt, dass der Bebauungsplan die Gruppenbauweise festlege. In dieser Bauweise wäre es gemäß § 32 Abs. 5 Z 4 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (ROG) zulässig, mit dem Gebäude an die seitlichen Grundgrenzen heranzubauen. Brauchte nun mit dem Gebäude (hier: gartenseitiger Zubau) kein Abstand zur Nachbargrundgrenze eingehalten werden, könnten auch bloße Gebäudeteile wie Balkone in unmittelbarem Anschluss an die Nachbargrundgrenze errichtet werden. Die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG würde voraussetzen, dass mit den baulichen Anlagen ein Mindestabstand zu einer seitlichen oder inneren Bauplatz- bzw. Nachbargrundgrenze einzuhalten wäre, wobei sich dieser Mindestabstand entweder aus dem Gesetz oder aus dem Bebauungsplan ergeben könnte. Brauchte hingegen mit einem Gebäude entweder auf Grund der Festlegungen des Bebauungsplanes (z.B. geschlossene Bauweise oder Gruppenbauweise) oder wegen des Vorliegens eines geschlossen bebauten Gebiets zu bestimmten oder allen Nachbargrundgrenzen schon dem Grunde nach kein Mindestabstand eingehalten werden, könnte gegenüber diesen Grundgrenzen mangels Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG auch nicht der in dieser Bestimmung für bestimmte Bauteile normierte Mindestabstand Platz greifen. Dieser Rechtsansicht könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Vielmehr sei der Auffassung des Mitbeteiligten zuzustimmen, dass der Balkon uneingeschränkt § 6 Abs. 2 Z 3 BTG entsprechen müsse, da er die südliche Baufluchtlinie jedenfalls überschreite. Sinn und Zweck der Festlegung eines gegenüber den Abstandsvorschriften privilegierten zu bebauenden Bereichs (hier: Gruppenbauweise) durch Baufluchtlinien sei, dass eben in diesem Bereich keine Abstände gemäß §§ 5 f BTG eingehalten werden müssten, weder mit Gebäuden noch mit Gebäudeteilen wie einem Balkon. Dies sei jedoch ein in sich abgeschlossener, privilegierter Bereich. Außerhalb dieses Bereiches gelangten jene gesetzlichen Abstandsvorschriften zur Anwendung, die für jedes Grundstück gälten, für welches keine gesonderten Bestimmungen in einem Bebauungsplan bestünden. Derartige gesonderte Bestimmungen gebe es im hier maßgeblichen Bebauungsplan gerade nicht. Da der Balkon die gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 BTG geforderten 2 m zur seitlichen, dem Grundstück des Mitbeteiligten zugewandten Grundgrenze nicht einhalte, sei dieser in seinen subjektiven Rechten verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, nach der Konzeption des BTG seien die zu den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände primär in § 5 BTG normiert, wobei die dort getroffenen gesetzlichen Regelungen nach dem Einleitungssatz dieser Bestimmungen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Festlegung im Bebauungsplan stünden. Die vom ROG dem Planungsorgan eingeräumten Möglichkeiten, durch Verordung (Bebauungsplan) von § 5 BTG abweichende Abstände zu regeln, bestünden im Wesentlichen darin, eine bestimmte, keine Mindestabstände vorsehende Bauweise festzulegen (§ 32 Abs. 2 Z 2 und Abs. 5 ROG) oder Baufluchtlinien anzuordnen (§ 32 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 Z 3 ROG). Die Festlegung der Gruppenbauweise durch den Bebauungsplan habe die rechtliche Wirkung, dass auf mehr als zwei nebeneinanderliegenden Bauplätzen die Gebäude an den gemeinsamen Grenzen aneinandergebaut und nur an den Enden der einzelnen Baugruppen Seitenabstände freigehalten werden müssten. Unstrittig sei, dass sich das Baugrundstück innerhalb einer Baugruppe befinde und nicht an deren Enden. Aus § 32 Abs. 5 Z 4 ROG gehe in keiner Weise hervor, dass sich die Pflicht bzw. das Recht, von seitlicher Nachbargrundgrenze zu seitlicher Nachbargrundgrenze zu bauen, auf einen bestimmten Grundstücksbereich, nämlich den Bereich zwischen vorderer und innerer Baufluchtlinie, beschränke. Habe ein Grundeigentümer die Anbaupflicht bereits konsumiert (z.B. durch die straßenseitige Hauptbebauung), stehe es ihm frei, Erweiterungen dieser Bebauung (z.B. durch einen gartenseitigen Zubau) unter Einhaltung der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen bzw. Bestimmungen des Bebauungsplans bis an die seitlichen Nachbargrundgrenzen zu führen oder von diesen einen Abstand einzuhalten. Dies gelte mangels gesetzlicher Einschränkung auch für Gebäude oder Gebäudeteile, mit denen nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften über die innere (oder auch vordere) Baufluchtlinie vorgebaut werden dürfe. Die normativen Wirkungen von Baufluchtlinien sei in § 32 Abs. 3 Z 2 ROG definiert. Es seien darunter die Grenzen zu verstehen, über die gegen den Vorgarten, den Seitenabstand (Bauwich), den Hof oder den Garten (vordere, seitliche, innere Baufluchtlinien) mit dem Gebäude oder Gebäudeteilen nicht vorgerückt werden dürfe, sofern das BTG nicht ausdrücklich etwas anderes bestimme. Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergebe sich, dass die vordere Baufluchtlinie den zum Vorgarten (zur Straße) und die innere Baufluchtlinie den zur Hof- bzw. gartenseitigen Grundgrenze einzuhaltenden Abstand vorgebe. Keine Bedeutung hätten die vordere und innere Baufluchtlinie hingegen auf die zu den seitlichen Nachbargrundstücken einzuhaltenden Abstände (Bauwich). Diese Abstände regelten die seitlichen Baufluchtlinien. Seitliche Baufluchtlinien seien auf dem Baugrundstück nicht verordnet, sodass sich aus den für das Baugrundstück geltenden Baufluchtlinien keine Aussage über seitliche Mindestabstände treffen lasse. Weder aus der Verordnung der Gruppenbauweise noch der Baufluchtlinien lasse sich ableiten, dass mit einem Gebäude oder Gebäudeteilen zu den seitlichen Grundstücksgrenzen ein Mindestabstand einzuhalten sei. Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG ergebe sich im Übrigen, dass die Anwendbarkeit dieser, bestimmte Gebäude bzw. Gebäudeteile hinsichtlich der einzuhaltenden Abstände privilegierenden Bestimmung zwingend voraussetze, dass mit diesen baulichen Anlagen ein Mindestabstand zu einer seitlichen oder inneren Bauplatz- bzw. Nachbargrundgrenze einzuhalten sei, wobei sich dieser Mindestabstand entweder aus § 5 BTG oder aus dem Bebauungsplan (z.B. durch Festlegung von Baufluchtlinien) ergeben könne (§ 6 Abs. 3a BTG). Müsse hingegen mit einem Gebäude auf Grund der Festlegungen des Bebauungsplans zu bestimmten Nachbargrundgrenzen schon dem Grunde nach kein Mindestabstand eingehalten werden, könne gegenüber diesen Grundgrenzen mangels Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG auch nicht der in dieser Bestimmung für bestimmte Bauteile normierte Mindestabstand Platz greifen. Der zweite Halbsatz des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG enthalte keine absolut geltende Abstandsbestimmung, sondern nur eine relative, die nur und erst dann schlagend werde, wenn der im ersten Halbsatz normierte Ausnahmetatbestand erfüllt sei. Der im zweiten Halbsatz des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG normierte Mindestabstand für Balkone etc. gelte nicht generell, sondern nur gegenüber jener Bauplatzgrenze, der gegenüber vom Abstandsausnahmeprivileg Gebrauch gemacht werde. Lege daher ein Bebauungsplan die Gruppenbauweise sowie eine innere Baufluchtlinie fest, dürfe die innere Baufluchtlinie mit einem Balkon um 2 m überschritten werden, sofern zur inneren (hinteren) Nachbargrundgrenze ein Mindestabstand von 2 m eingehalten werde. Zur seitlichen Grundgrenze dürfe hingegen unmittelbar herangebaut werden, da in Bezug auf diese Grundgrenze auf Grund der festgelegten Bauweise und mangels einer seitlichen Baufluchtlinie keine Mindestabstände gälten und daher für die Anwendung der die Unterschreitung von Mindestabständen regelnden Bestimmung des § 6 Abs. 2 BTG kein Raum bleibe. Das von den Baubehörden der beschwerdeführenden Landeshauptstadt erzielte Ergebnis liege auch auf der Linie des Grundsatzes der Baufreiheit, der aus dem Grundrecht auf Eigentum erfließe und bedeute, dass baurechtlich relevante Normen im Zweifel im Sinne der Baufreiheit auszulegen seien.

§ 5 BTG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 35/2013 lautet

auszugsweise:

"§ 5

Lage und Höhe der Gebäude, Abstandsvorschriften, Vorgarten Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für

die Lage und Höhe von Gebäuden:

1. Bei Neu- und Zubauten ist zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

..."

§ 6 BTG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 35/2013 lautet

auszugsweise:

"§ 6

Ausnahmen von den Vorschriften betreffend Abstände und Vorgärten

...

(2) Die Mindestabstände zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) können unterschritten werden mit:

...

3. Balkonen, Terrassen, Pergolen, Freitreppen, Vordächern, Schutzdächern und angebaute Werbeeinrichtungen um 2 m; ein Mindestabstand von 2 m gegen die seitlichen und die innere Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) darf jedoch nicht unterschritten werden;

...

(3a) Abs. 1 Z 2 bis 4 sowie Abs. 2 und 3 gelten sowohl für die gesetzlichen als auch für die durch einen Bebauungsplan festgelegten Abstände, soweit letzterer nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.

..."

§ 32 ROG idF LGBl. Nr. 115/2005 lautet auszugsweise:

"§ 32

Inhalt des Bebauungsplanes

...

(3) An Fluchtlinien sind zu unterscheiden:

...

2. Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die gegen den Vorgarten, den Seitenabstand (Bauwich), den Hof oder den Garten (vordere, seitliche, innere Baufluchtlinie) mit dem Gebäude oder Gebäudeteilen nicht vorgerückt werden darf, sofern das Oö. Bautechnikgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt;

...

(5) An Bauweisen sind zu unterscheiden:

...

4. Gruppenbauweise, wenn auf mehr als zwei nebeneinanderliegenden Bauplätzen die Gebäude an den gemeinsamen Grenzen aneinandergebaut und nur an den Enden der einzelnen Baugruppen Seitenabstände freigehalten werden müssen;

..."

Der gegenständliche Balkon überragt unbestritten die innere Baufluchtlinie um weniger als 2 m. Er reicht, ebenso unbestritten, näher als 2 m an die seitliche Nachbargrundgrenze des Mitbeteiligten heran.

Die beschwerdeführende Landeshauptstadt vertritt die Auffassung, dass dies zulässig sei, weil die Gruppenbauweise festgelegt sei und somit sogar mit Gebäuden bis an die seitliche Nachbargrundgrenze herangerückt werden dürfte, zumal keine seitliche Baufluchtlinie festgelegt und das Heranbauen an die seitliche Grundgrenze auch nicht durch andere Bestimmungen des Bebauungsplans untersagt sei.

Nun ist es zwar richtig, dass in der Gruppenbauweise an der gemeinsamen Grenze gemäß § 32 Abs. 5 Z 4 ROG aneinandergebaut werden darf. Dies gilt allerdings nicht für jenen Bereich, der südlich (gartenseitig) jenseits der inneren Baufluchtlinie liegt, weil in diesem ganzen Bereich auf Grund des § 32 Abs. 3 Z 2 ROG schon deshalb kein Gebäude oder Gebäudeteil zu stehen kommen darf, da diese innere Baufluchtlinie durchgängig von der westlichen zur östlichen Grundgrenze, also bis zur Grundgrenze des Mitbeteiligten, verläuft. Dass der gesamte Bereich südlich der inneren Baufluchtlinie umfasst ist, folgt bereits aus dieser durchgängigen inneren Baufluchtlinie, sodass es keiner seitlichen Baufluchtlinie mehr bedarf, um diese Normierung im Hinblick auf die mit der Gruppenbauweise ansonsten gegebene bauliche Ausnützbarkeit in Teilbereichen, etwa gegenüber der seitlichen Nachbargrundgrenze, festzulegen. Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, dass jenseits der inneren Baufluchtlinie ja auf Grund der Gruppenbauweise und mangels seitlicher Baufluchtlinien sogar mit einem Gebäude an die seitliche Nachbargrundgrenze herangerückt werden könnte, würde die innere Baufluchtlinie unterlaufen.

Im Ergebnis hat der Mitbeteiligte als seitlicher Nachbar somit einen Rechtsanspruch darauf, dass die Abstandsvorschriften der §§ 5 und 6 BTG ihm gegenüber bei Bauteilen in jenem Bereich, der sich außerhalb der inneren Baufluchtlinie auf der Bauliegenschaft befindet, eingehalten werden.

Im vorliegenden Fall kommen daher, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, Ausnahmen von den Abstandsvorschriften im Bereich südlich der inneren Baufluchtlinie nur im Rahmen des § 6 BTG in Frage, wonach auf Grund des zweiten Halbsatzes des § 6 Abs. 2 Z 3 BTG ein Mindestabstand von 2 m gegen die seitliche Nachbargrundgrenze eingehalten werden muss. Die Gruppenbauweise als solche ist angesichts der bis zur Nachbargrundgrenze reichenden, durchgängigen Festlegung der inneren Baufluchtlinie keine Bestimmung des Bebauungsplanes, die für diesen Bereich anderes im Sinne des § 5 bzw. des § 6 Abs. 3a BTG festlegen würde.

Das somit erzielte Ergebnis folgt eindeutig aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sodass die Heranziehung des Grundsatzes der Baufreiheit schon mangels Vorliegens eines Zweifelsfalles (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0067) nicht in Frage kommt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 1 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-69046