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VwGH vom 17.04.2012, 2012/05/0029

VwGH vom 17.04.2012, 2012/05/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. der H W und 2. des Dipl.Ing. G H, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen den Bescheid des Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-683/003-2009, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Aus den Beschwerdeschriftsätzen und dem angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem in dieser Beschwerdeangelegenheit ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 883/10, ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind Pächter einer Liegenschaft mit einer Fläche von ca. 550 m2, die im als "Grünland-Kleingärten" gewidmeten "Erholungsgebiet Seeschlacht" der mitbeteiligten Gemeinde liegt. Auf der Liegenschaft befindet sich ein Gebäude mit einer bebauten Fläche von 50,06 m2, für das als Sommerhaus mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom die Baubewilligung erteilt wurde. Im Jahre 1992 wurde dieses Wohnhaus um einen Wintergarten und eine Überdachung der Kellerstiege ohne baubehördliche Bewilligung erweitert.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde dem Zweitbeschwerdeführer der baupolizeiliche Auftrag erteilt, den Wintergarten abzubrechen und die Überdachung bei der Außenkellerstiege zu entfernen. Dieser Bauauftrag ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom stellten die Beschwerdeführer das Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung des Wintergartens und der Überdachung der Kellerstiege unter Vorlage eines Einreichplanes. Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom gemäß § 20 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 (BO) mit der Begründung abgewiesen, dass für das Grundstück die Flächenwidmung "Grünland-Kleingarten" bestehe und das vorhandene Gebäude bereits das in dieser Widmungsart höchstzulässige Maß an verbauter Fläche aufweise. Das eingereichte Bauvorhaben widerspreche daher dem gültigen Flächenwidmungsplan und dem NÖ Kleingartengesetz (KlGG).

Die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom als unbegründet abgewiesen. Dazu führte der Gemeindevorstand aus, dass das KlGG eine Bebauungsdichte von 15% der Fläche eines einzelnen Kleingartens und eine Grundrissfläche einer Kleingartenhütte von maximal 35 m2 vorsehe. Die am erteilte Baubewilligung für ein Sommerhaus mit einer bebauten Fläche von 50,06 m2 sei aus den im damaligen Zeitpunkt geltenden besonderen Bebauungsbestimmungen für Kleingartenanlagen im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde zu erklären. Dem nunmehrigen Bauvorhaben stünden die Bestimmungen des KlGG entgegen.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Berufungsbescheid am Vorstellung, die mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen wurde. Darin stellte die belangte Behörde fest, dass das bestehende Gebäude der Beschwerdeführer eine Grundrissfläche von 50,06 m2 habe und dieses Flächenausmaß den bis in Kraft stehenden Bebauungsbestimmungen für Kleingartenanlagen in der mitbeteiligten Gemeinde entsprochen habe. Dieses Flächenausmaß sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom baubehördlich bewilligt worden. Außer Streit stehe, dass das Grundstück der Beschwerdeführer die Widmungsart "Grünland-Kleingartenanlage" aufweise und das KlGG anzuwenden sei. Auf Grund der zitierten Flächenausmaßbestimmung könne die beantragte Erweiterung der Kleingartenhütte nicht bewilligungsfähig sein. Die Hinweise der Beschwerdeführer auf andere Kleingartenparzellen, deren Bebauung nicht dieser Flächenwidmung entspreche, und auf behauptete Gleichheitswidrigkeiten gehe ins Leere, weil die Prüfung eines Bauvorhabens gemäß § 20 Abs. 1 (BO) auf Widersprüche zu bestimmten rechtlichen Festlegungen bzw. Gesetzen beschränkt sei. Da die projektierte Erweiterung der Kleingartenhütte der Bestimmung des § 6 Abs. 2 KlGG widerspreche, sei das Bauvorhaben im Rahmen der Vorprüfung nach § 20 Abs. 3 BO abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit dem eingangs zitierten Erkenntnis abwies.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellten die Beschwerdeführer den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 BO (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-15) bedürfen Neu- und Zubauten von Gebäuden einer Baubewilligung.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 7 BO hat die Baubehörde bei Anträgen nach § 14 leg. cit. vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben eine Bestimmung dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegensteht. Stellt die Baubehörde eines der in § 20 Abs. 1 BO angeführten Hindernisse fest, hat sie gemäß § 20 Abs. 3 erste Satz leg. cit. - allenfalls nach einem Vorgehen gemäß § 20 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. - den Antrag abzuweisen.

Die hier maßgeblichen Regelungen des mit in Kraft getretenen KlGG (in der anzuwendenden Fassung LGBl. 8210-6) lauten:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. Kleingärten: Grundflächen, die für eine nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung und für Zwecke der Erholung bestimmt sind;

2. Kleingartenanlagen: Verbände von mindestens 10 aneinander angrenzenden Kleingärten mit einer Gesamtfläche von mindestens 2500 m2 mit den dazugehörigen Wegen und sonstigen Gemeinschaftsanlagen;

(…)

4. Kleingartenhütten: Gebäude in Kleingärten die höchstens zwei Geschosse über dem anschließenden Gelände aufweisen und nicht der ganzjährigen Benützung dienen."

"§ 5

Größe der Kleingärten

Die Größe des einzelnen Kleingartens darf 120 m2 nicht unter- und 300 m2 nicht überschreiten. Dieses Ausmaß darf durch Restflächen bis auf 400 m2 vergrößert werden. Die Breite des einzelnen Kleingartens muß mindestens 10 m betragen."

"§ 6

Zulässigkeit

(1) In Kleingartenanlagen dürfen an Gebäuden nur Kleingartenhütten und die für die widmungsgemäße Nutzung erforderlichen Gemeinschaftsanlagen errichtet werden. In jedem Kleingarten darf nur eine Kleingartenhütte errichtet werden. Nebengebäude sind nicht zulässig.

(2) Die Bebauungsdichte darf 15 % der Fläche des einzelnen Kleingartens nicht übersteigen. Die Grundrissfläche der Kleingartenhütte darf jedoch nicht 35 m2, die Traufenhöhe nicht 2,60 m und die Firsthöhe nicht 4,70 m übersteigen. Vordächer, Dachvorsprünge und ähnliche offene nicht raumbildend ausgeführte Vorbauten dürfen nicht mehr als 30 % der Grundrissfläche ausmachen. Die Grundrissfläche der Kleingartenhütte darf unterkellert werden. Befestigte Terrassen dürfen bis zu einer Größe von 16 m2 errichtet werden.

(…)"

"§ 14

Übergangsbestimmungen

(1) Kleingartenanlagen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bestehen, gelten als Kleingartenanlagen im Sinne dieses Gesetzes, deren Errichtung nicht untersagt wurde.

(1) Soweit diese Kleingartenanlagen einschließlich der in ihnen errichteten Baulichkeiten zwingenden Bestimmungen dieses Gesetzes widersprechen und der bestehende Zustand nicht durch rechtswirksame behördliche Bewilligungen gedeckt ist, sind sie innerhalb von drei Jahren ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an dessen Bestimmungen anzupassen oder zu beseitigen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Erfordernisse des § 2 Z. 2, § 4 Abs. 1 und 2, § 5 sowie § 6 Abs. 4 und 5.

(…)

(5) Verordnungen, mit denen für bestehende Kleingartenanlagen Bebauungsbestimmungen festgelegt wurden, die über die Bestimmungen dieses Gesetzes hinausgehen und die am in Kraft standen, dürfen bis zum aufrechterhalten werden.

Die am anhängigen Verfahren sind nach diesen Bebauungsbestimmungen zu Ende zu führen."

Die Beschwerde bringt vor, dass im Beschwerdefall ein Widerspruch zu § 5 KlGG vorliege und das in dieser Gesetzesbestimmung vorgeschriebene Ausmaß von der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft mit einer Fläche von ca. 550 m2 deutlich überschritten werde. Auch wenn der Gesetzgeber klar die Intention erkennen lasse, wonach ein Kleingarten für die nicht gewerbsmäßige Nutzung und zu Erholungszwecken vorgesehen sei, gelte es dennoch, besondere Sachlagen zu berücksichtigen, die eine bessere bzw. leichtere Nutzung von Kleingärten zuließen. Weder ein Wintergarten noch überdachte Kellerstiegen widersprächen den Intentionen des KlGG. Dazu komme, dass die Bebauungsvorschriften nicht ausreichend determiniert seien, um dem Legalitätsprinzip zu entsprechen, bestünden doch keine Regelungen für den Fall eines Grundstückes, das eine deutlich größere Fläche, als im KlGG vorgesehen, aufweise.

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück, wie die Beschwerde selbst vorbringt, in einer Kleingartenanlage liegt. Ob die in dieser Anlage befindlichen Kleingärten, insbesondere das verfahrensgegenständliche Grundstück, der in § 5 KlGG festgelegten Größe entsprechen, ist für die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Baulichkeiten in der Kleingartenanlage nicht von Bedeutung. Das KlGG unterscheidet nämlich zwischen der Größe der Kleingärten einerseits und der Zulässigkeit der Baulichkeiten in der Kleingartenanlage andererseits (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/1517).

Auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung durften die Beschwerdeführer das bestehende Gebäude als Sommerhaus mit einer verbauten Grundrissfläche von 50,06 m2 errichten. Wenn sie nunmehr die Erteilung einer Baubewilligung für die Erweiterung des Sommerhauses durch Errichtung eines Wintergartens samt einer Überdachung der Kellerstiege beantragt haben, so steht einer solchen Baubewilligung die Bestimmung des § 6 Abs. 2 KlGG entgegen, sodass die diesbezügliche Beurteilung der belangten Behörde nicht zu beanstanden ist.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach die "Bebauungsvorschriften" nicht ausreichend determiniert seien, sind die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dessen oben zitiertem Erkenntnis entgegenzuhalten, wonach der Flächenwidmungsplan iVm den Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 nicht gegen Art. 18 B-VG verstoße, diese Verordnung auch nicht unsachlich sei und im Übrigen die Beschwerdeführer ohnedies eine größere Fläche, nämlich (rund) 50 m2, bebauen durften, sodass auch die Anwendung der §§ 5 und 6 Abs. 1 und 2 KlGG im Beschwerdefall keine verfassungsrechtlichen Bedenken erweckte.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand, dass mindestens 70 % der Parzellen im genannten Erholungsgebiet nicht entsprechend der Flächenwidmung "Grünland-Kleingarten" bebaut seien und lediglich betreffend drei Liegenschaften ein baupolizeilicher Auftrag zur Abtragung erlassen worden sei, ist zu erwidern, dass daraus kein Rechtanspruch der Beschwerdeführer abgeleitet werden kann, eine Baubewilligung entgegen den Bestimmungen des KlGG zu erhalten.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. In seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2) und vom , Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich) hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom , Nr. 13556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/07/0143, und vom , Zl. 2009/05/0346).

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche

Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Wien, am