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VwGH vom 30.04.2013, 2012/05/0020

VwGH vom 30.04.2013, 2012/05/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Senatspräsidenten Dr. Waldstätten, die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Mag. JL in Wien, vertreten durch Mag. Martin Platte, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lothringerstraße 3/12, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 448/11, betreffend Baueinstellung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Laut Aktenvermerk des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), vom sei bei einem Ortsaugenschein auf der Liegenschaft Q-Straße 87 am festgestellt worden, dass mit der Errichtung einer Absprunganlage im Ausmaß von ca. 15 m x 8 m x 5 m in Holzkonstruktion und einer Gerüstanlage in Stahlrohrkonstruktion sowie einer Auffahrrampe in Holzkonstruktion im Ausmaß von 25 m x 5 m x 10 m begonnen worden sei. Der Beschwerdeführer als Eigentümer der Anlage habe angegeben, eine Trainingsanlage für Mountain-Bike-Fahrtraining zu errichten. Es sei mündlich die Baueinstellung ausgesprochen worden.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde die Baueinstellung gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien (BO) ausgesprochen. Begründend wurde ausgeführt, die Bauführung sei ohne Baubewilligung erfolgt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, zur Herstellung der gegenständlichen, unbestritten noch nicht fertiggestellten Baulichkeiten (Sprung- und Rampenanlagen), die teilweise in einer Fundamentplatte verankert seien, sei angesichts ihrer Ausmaße und des Umstandes, dass sie von Menschen betreten würden, ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse für die Gewährleistung der Standsicherheit erforderlich. Die Dimension, insbesondere die Höhe der festgestellten Baulichkeiten könne den im Akt einliegenden Fotos nachvollziehbar entnommen werden. Unsachgemäß errichtete Baulichkeiten der gegenständlichen Art stellten eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen dar, womit sie geeignet seien, öffentliche Rücksichten im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. b BO zu berühren. Sie bedürften somit nach dieser Bestimmung einer Baubewilligung. Dass es sich bei den gegenständlichen Anlagen für "geübte Radfahrer" um keinen Kinder- oder Jugendspielplatz im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 29 BO handle, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Ebenso stellten die Baulichkeiten in dem in Rede stehenden Ausmaß auch keine bewilligungsfreie Sportanlage im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 28 BO dar. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber Gebäude und auf Dauer errichtete Tribünen von dem Ausnahmetatbestand ausgenommen habe, was nur als beispielhafte Aufzählung verstanden werden könne, zeige sich die Intention des Gesetzgebers, dass nicht schlechthin jede bauliche Anlage, die der Ausübung eines Sportes diene, von dem Ausnahmetatbestand erfasst sein solle, sondern nur jene, bei der typischerweise die von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen nur in geringfügigem Ausmaß berührt würden. Dies könne von den gegenständlichen Baulichkeiten, die von Menschen betreten werden sollten, in keiner Weise gesagt werden, weil sie schon auf Grund ihrer Dimension (Ausmaße) und der von ihnen ausgehenden Gefahr für die körperliche Sicherheit von Menschen im Hinblick auf die Stand- und Benutzersicherheit öffentliche Interessen in einem erheblichen Ausmaß berührten, sodass sie vom Ausnahmetatbestand des § 62a Abs. 1 Z. 28 BO, der restriktiv zu interpretieren sei, nicht erfasst würden. Die Baulichkeiten stellten keine Sportanlage im Sinne der genannten Bestimmung dar. Der Umstand, dass die Baulichkeiten nicht auf Dauer errichtet werden sollten, habe für die Bewilligungspflicht keine Relevanz. Die Bewilligungsfähigkeit sei ebenso nicht von Bedeutung, weil sie im gegenständlichen Baueinstellungsverfahren nicht zu prüfen sei. Auch die Möglichkeit der Erwirkung einer Baubewilligung sei irrelevant. Entscheidend sei lediglich, dass es sich um bewilligungspflichtige Bauführungen handle, die ohne Baubewilligung ausgeführt würden. Die Baueinstellung sei daher zu Recht ergangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen die Auffassung der belangten Behörde bestritten, dass es sich um keine Sportanlage im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 28 BO handle und dass Bewilligungspflicht für diese Anlage bestehe. Die Annahmen der belangten Behörde beruhten auch auf Sachverhaltsannahmen, die aktenwidrig seien bzw. zu denen keinerlei Feststellungen getroffen worden seien. Insbesondere seien die Abmessungen der Sportanlage falsch angenommen worden. Diese sei wesentlich geringer dimensioniert. Fraglich sei, wie die belangte Behörde zur Ansicht gelange, dass es sich um eine unsachgemäß errichtete Baulichkeit handle, die eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen darstelle.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift auf die Gesetzesmaterialien zur Novelle LGBl. Nr. 42/1996, denen zu entnehmen sei, dass der Gesetzgeber in § 62a Abs. 1 BO nur jene Bauvorhaben habe bewilligungsfrei stellen wollen, bei denen die von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen - wenn überhaupt - nur in äußerst geringfügigem und daher vernachlässigbaren Ausmaß berührt würden. Damit im Zusammenhang stünden die in § 62a Abs. 1 Z. 28 BO genannten Ausnahmen von der Bewilligungsfreiheit von Sportanlagen, die zum Ausdruck brächten, wo der Gesetzgeber die Grenze der Bewilligungsfreiheit in Bezug auf Sportanlagen habe ziehen wollen. Bei den genannten Ausnahmen handle es sich daher nicht nur um eine Aufzählung in dem Sinne, dass nur Sportanlagen, die die genannten Bauten umfassten, nicht mehr bewilligungsfrei seien, was nämlich zur Folge hätte, dass jede andere Sportanlage (z.B. auch eine Schisprungschanze) bewilligungsfrei wäre. Es handle sich vielmehr um einen Maßstab für die Abgrenzung bewilligungsfreier Sportanlagen anhand der in der BO zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interessen (statische Anforderungen, Ortsbild, Gesundheitsschutz), die in jedem einzelnen Fall zu prüfen seien. Die gegenständlichen Sportanlagen mit einer Höhe von bis zu 10 m, die von Menschen betreten oder mit Fahrrädern befahren werden sollten, könnten dem restriktiv auszulegenden § 62a Abs. 1 Z. 28 BO nicht unterstellt werden. Auf Grund der Dimension und der Nutzung ergäben sich statische Anforderungen zur Abwehr der mit den baulichen Anlagen verbundenen Gefahren für die körperliche Sicherheit von Menschen. Die Kriterien für die in § 62a Abs. 1 Z. 28 BO genannten Ausnahmen von der Bewilligungsfreiheit für Sportanlagen lägen auch hier vor, wenn sie diese nicht sogar erheblich überträfen.

§ 60 der Bauordnung für Wien (BO) idF LGBl. Nr. 25/2009

lautet auszugsweise:

"Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. …

b) Die Errichtung aller sonstigen Bauwerke über und unter der Erde, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sind, öffentliche Rücksichten zu berühren. Öffentliche Rücksichten werden jedenfalls berührt, wenn Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen, Friedhöfe und Grundflächen für öffentliche Zwecke errichtet werden.

…"

§ 62a BO idF LGBl. Nr. 25/2009 lautet auszugsweise:

"Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62a. (1) Bei folgenden Bauführungen ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

28. Sportanlagen, ausgenommen Gebäude und auf Dauer errichtete Tribünen;

(2) Der Bauherr hat sich zur Ausführung aller bewilligungsfreier Bauvorhaben nach Abs. 1 Z 2 bis 34, soweit dafür ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist.

(3) Anlagen nach Abs. 1 müssen den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften entsprechen und sind andernfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 erteilen. Solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

§ 127 BO idF LGBl. Nr. 24/2008 lautet auszugsweise:

"§ 127.

(8) Die Bauführung darf nicht weitergeführt werden, wenn

a) ein Bau ohne Baubewilligung oder entgegen den Bestimmungen des § 62 oder des § 70a ausgeführt wird;

b) der Prüfingenieur oder der Bauführer der Behörde nicht bekanntgegeben worden ist;

c) nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden;


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d)
Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden;
e)
Schalungen oder Pölzungen mangelhaft sind;
f)
die erforderlichen statischen Unterlagen auf der Baustelle nicht aufliegen oder mangelhaft sind;
g)
der Untergrund den Annahmen nicht entspricht, die den statischen Unterlagen zugrunde liegen.

(8a) Wird die Bauführung entgegen Abs. 8 weitergeführt und erlangt die Behörde davon Kenntnis, hat sie den Bau einzustellen. Darüber ist möglichst binnen drei Tagen an den Bauherrn, den Bauführer oder den sonst Verantwortlichen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen; einer Berufung gegen diesen Bescheid kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu.

…"

Die belangte Behörde hat die Baueinstellung ausschließlich darauf gestützt, dass keine Baubewilligung vorliegt, obwohl eine solche erforderlich sei. Andere Tatbestände des § 127 Abs. 8 BO hat sie nicht herangezogen.

Wie sich aus § 62a Abs. 2 und 3 BO ergibt, sind unter den bewilligungsfreien Bauvorhaben auch solche, für die ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, und müssen auch bewilligungsfreie Bauvorhaben, abgesehen von der Bewilligungsfreiheit, uneingeschränkt den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften entsprechen.

Schon daraus ist ersichtlich, dass der Argumentation der belangten Behörde nicht beigepflichtet werden kann, dass im Hinblick auf Sicherheitsaspekte und statische Erfordernisse eine Baubewilligung vonnöten wäre. Auch der Umstand, dass die Anlage von Menschen betreten werden kann, bewirkt nicht, dass Baubewilligungspflicht vorliegt, nennt doch § 62a Abs. 1 BO auch solche Anlagen (z.B. Z. 4: Badehütten, Z. 5: Gartenhäuschen, Lauben, Salettel, Geräte- und Werkzeughütten udgl., Z. 12:

Zirkuszelte, Veranstaltungszelte, Podien, Tribünen, Ringelspiele udgl.).

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sind daher sämtliche Sportanlagen, mit Ausnahme lediglich von Gebäuden und auf Dauer errichteten Tribünen, auf Grund des § 62a Abs. 1 Z. 28 BO von der Baubewilligungspflicht freigestellt. Daran vermögen angesichts des klaren Gesetzeswortlautes auch die Gesetzesmaterialien nichts zu ändern. Dass es sich der Natur der Sache nach hier um eine Sportanlage handelt, steht nicht in Frage.

Auf die Größe der Sportanlage kommt es nicht an, müsste doch sonst, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, wie in anderen Tatbeständen des § 62a Z. 1 BO auch eine Größenbeschränkung vorhanden sein (vgl. z.B. § 62a Abs. 1 Z. 5 BO für die dort genannten Gebäude bis 12 m2 oder § 62a Abs. 1 Z. 13 BO für Flugdächer bis zu einer Höhe von 2,5 m). Derartige Einschränkungen bestehen für Sportanlagen gemäß § 62a Abs. 1 Z. 28 BO nicht.

Im Hinblick auf § 62a Abs. 2 und 3 BO, aber auch im Hinblick darauf, dass § 127 Abs. 8 lit. b ff gegebenenfalls zum Tragen kommt (vgl. Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 295), besteht auch insgesamt keine unsachliche gesetzliche Regelung.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am