VwGH vom 21.12.2010, 2009/21/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 55/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am mit einem bis gültigen Reisevisum in das Bundesgebiet ein. Er heiratete eine österreichische Staatsbürgerin, doch wurde diese Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom , rechtskräftig seit , für nichtig erklärt. Im Hinblick darauf erging gegen den Beschwerdeführer ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot, das aber - nachdem der Beschwerdeführer am erneut eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet hatte - mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom gemäß § 44 Fremdengesetz 1977 aufgehoben wurde.
Mittlerweile hatte der Beschwerdeführer, der einen ersten Asylantrag am zurückgezogen hatte, einen zweiten Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen, zugleich sprach das Bundesasylamt aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zulässig sei. Von der Erlassung einer Ausweisung nach § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 sah das Bundesasylamt ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom ab. Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ehe mit Beschluss vom zu Zl. 2005/01/0443 ihre Behandlung abgelehnt wurde.
In der Folge wies die Bundespolizeidirektion Steyr den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG mit Bescheid vom aus. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom ab. Sie führte - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dass sich der Beschwerdeführer nach dem genannten Ablehnungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes nunmehr rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Angesichts seiner legalen Einreise am , seines sechsjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet, der strafrechtlichen Unbescholtenheit, der am mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe und des Umstands, dass der Beschwerdeführer seit April 2004 durchgehend einer Beschäftigung nachgehe, im Unternehmen des Dienstgebers integriert sei und sich einen entsprechenden Freundeskreis aufgebaut habe, sei ihm - so die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 66 Abs. 1 FPG - eine "entsprechende Integration" zuzugestehen. Dem sei jedoch, so die belangte Behörde im Ergebnis, gegenüberzustellen, dass der Beschwerdeführer einen unbegründeten Asylantrag gestellt und 2002 eine "Scheinehe" geschlossen habe. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen; ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG "Gebrauch gemacht werden" müssen, da das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Fehlverhalten die von ihm geltend gemachte Integration überwiege.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und nachdem die im hg. Aussetzungsbeschluss vom geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 244/09 ua., nicht aufrechterhalten werden können, in dem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die bekämpfte Entscheidung erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde die gebotene Interessenabwägung nach § 66 FPG nicht ausreichend vorgenommen hat. Insoweit gleicht der gegenständliche Fall jenen, die den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2007/21/0493, und Zl. 2009/21/0031, zugrunde lagen. Auch im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde vor allem die aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt und sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob der Ehefrau des Beschwerdeführers ein Familiennachzug in das Herkunftsland des Beschwerdeführers möglich und zumutbar wäre. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass das Bundesasylamt von einer Ausweisung des Beschwerdeführers abgesehen hatte, ist unterblieben.
Der angefochtene Bescheid war daher wie im Fall der genannten Vorerkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-69000