VwGH vom 21.12.2010, 2009/21/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner Mag. Dr. Michael Mayer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Steyrergasse 103/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. 2 F 65-2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, eine auf § 53 Abs. 1 iVm § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützte Ausweisung.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die Ausführungen der in erster Instanz entscheidenden Bezirkshauptmannschaft Leibnitz und führte aus, sich den Ausführungen dieser Behörde vollinhaltlich anzuschließen und diese - unter Bedachtnahme auf die ergänzenden Ausführungen im Berufungsbescheid - zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu machen.
Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde legte, der Beschwerdeführer habe bis - jenem Tag, an dem er sein Heimatland verlassen habe - bei seiner Großmutter in Benin City/Nigeria gelebt. Am sei er unrechtmäßig in Österreich eingereist. Hier habe er am einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom in erster Instanz abgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung habe der Beschwerdeführer am zurückgezogen, weshalb zu dieser Zeit auch die ihm nach asylrechtlichen Bestimmungen zugekommene Aufenthaltsberechtigung geendet habe.
Bereits am sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) bei der Staatsanwaltschaft Graz zur Anzeige gebracht worden. Diese Anzeige sei am gemäß § 35 SMG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgelegt worden.
Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin R geheiratet. Daraufhin habe er am die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" beantragt. Nachdem dem Beschwerdeführer von der Niederlassungsbehörde zur Kenntnis gebracht worden sei, dass sein Antrag mangels Anwendbarkeit des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes- NAG (infolge damals aufrechter Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen) zurückgewiesen werden würde, habe er den Antrag am zurückgezogen.
Da der Beschwerdeführer, der auf Grund seines Berufsortes und der dort erfolgten Unterkunftnahme ab Sommer 2006 großteils nur die Wochenenden mit seiner Ehefrau verbracht habe, am gegen seine Ehefrau und deren Tochter tätlich geworden sei, sei er an diesem Tag gemäß § 38 Sicherheitspolizeigesetz aus der Wohnung seiner Ehefrau gewiesen worden. Auf Grund der Angaben der im Ausweisungsverfahren vernommenen Ehefrau des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde in ihren weiteren Erwägungen erkennbar darauf ab, dass es zwischen Beschwerdeführer und seiner Ehefrau in der Nacht vom auf zu einem Streit gekommen sei. Seitdem hätten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau nur noch wenig Kontakt. Zwar seien sie noch miteinander verheiratet, jedoch sei die Beziehung jedenfalls aus Sicht der Ehefrau des Beschwerdeführers als beendet anzusehen, zumal sie seit Oktober 2007 auch einen neuen Freund habe. Zwar gehe die Ehefrau des Beschwerdeführers davon aus, dass er sie noch liebe und die Beziehung weiterführen wolle. Für seine Ehefrau sei die Beziehung allerdings bereits abgeschlossen.
Des Weiteren sei der Beschwerdeführer am wegen Verdachts der Sachbeschädigung zur Anzeige gebracht worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass dem Beschwerdeführer von einem "Türsteher" der Zugang in ein Lokal verweigert worden sei und er infolgedessen aus Wut in ein abgestelltes Fahrzeug getreten habe, wobei an diesem Sachschaden in der Höhe von etwa EUR 300,-- entstanden sei.
Weiters legte die belangte Behörde - indem sie von der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers ausging - ihrer Entscheidung zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit Anfang 2006 einer Erwerbstätigkeit als Fleischer nachgehe, er zu einem Cousin, der in Graz wohne, Kontakt pflege, er in Arnfels, wo er wohne, über Bekannte und Freunde verfüge und dort auch Mitglied des örtlichen Fußballteams sowie einer Musikgruppe sei.
In ihren rechtlichen Erwägungen führte die belangte Behörde zunächst aus, der Beschwerdeführer sei Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe. Es sei daher mangels gemeinschaftsrechtlicher Begünstigungen des Beschwerdeführers von der Zuständigkeit der belangten Behörde auszugehen.
Der Beschwerdeführer benötige - so die belangte Behörde im Hinblick auf den von ihr getätigten Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid - für den Aufenthalt im Bundesgebiet ein Visum oder einen Aufenthaltstitel. Nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens komme ihm keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen mehr zu. Da er auch sonst über keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet verfüge, halte er sich hier unrechtmäßig auf.
Die Interessenabwägung nach § 66 FPG ergebe, dass der Beschwerdeführer unrechtmäßig unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei, während seines Aufenthalts als Asylwerber wegen strafbarer Handlungen zur Anzeige gebracht und auch nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes einer Wegweisung unterzogen worden sei. Sein Verhalten stelle keine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar. Hinsichtlich der Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin R sei zu berücksichtigen, dass er mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt lebe und die eheliche Gemeinschaft nicht mehr bestehe. Vielmehr lebe seine Ehefrau nunmehr mit ihren Kindern (aus einer früheren Beziehung) mit ihrem neuen Lebensgefährten in Scheifling. Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer seit Februar 2006 als Fleischer beschäftigt sei, stelle sich die Ausweisung als zulässig dar. Die Integration des Beschwerdeführers sei in ihrem Gewicht entscheidend gemindert, weil der vorübergehend rechtmäßige Aufenthalt lediglich auf eine nach asylrechtlichen Bestimmungen gewährte, bloß vorläufige Aufenthaltsberechtigung, die auf einem unbegründeten Asylantrag beruht habe, zurückzuführen sei. Seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich seien daher nicht so stark ausgeprägt, dass sie höher zu gewichten wären als das maßgebliche öffentliche Interesse an einer Ausweisung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die Unterscheidung des FPG zwischen Angehörigen von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, und jenen, bei denen das nicht der Fall ist, sei verfassungswidrig. Dem ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof die vom Gesetzgeber anhand des Kriteriums der Ausübung des (unionsrechtlich zustehenden) Rechts auf Freizügigkeit vorgenommene Differenzierung nicht als verfassungswidrig ansieht (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 244/09 ua.). Insoweit sind auch die im Aussetzungsbeschluss vom angestellten Überlegungen obsolet.
In der Beschwerde wird nicht aufgezeigt, dass die behördliche Ansicht, der Beschwerdeführer halte sich mangels irgendeiner Berechtigung zum Aufenthalt unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, und deswegen sei der die Erlassung einer Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, unrichtig wäre. Die diesbezügliche Auffassung der belangten Behörde begegnet auch anhand der Aktenlage keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer bringt allerdings weiter vor, die belangte Behörde habe keine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt. In diesem Zusammenhang führt er die bereits oben wiedergegebenen Umstände - Beschäftigung als Fleischer, Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, in Graz lebender Cousin, Teilnahme am Gemeindeleben als Fußballspieler und Sänger sowie Aufenthalt seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet -
ins Treffen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde all diese Umstände bei ihrer Interessenabwägung - wenngleich durch (zulässigen) Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid - berücksichtigt. Zu Recht durfte die belangte Behörde bei dieser Interessenabwägung auch die strafrechtlich relevanten Handlungen des Beschwerdeführers, deren Begehungen er in seiner Berufung nicht bestritten und zum Teil sogar ausdrücklich bestätigt hat, zu seinen Lasten miteinbeziehen. Dass das vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten letztlich zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, vermag eine wesentliche Stärkung seiner persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet nicht herbeizuführen. Des Weiteren hat die belangte Behörde in ihrer Beurteilung zutreffend berücksichtigt, dass im Entscheidungszeitpunkt - trotz formell aufrechter Ehe - die eheliche Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau bereits seit mehreren Monaten beendet war. Daran vermag auch die subjektive Hoffnung des Beschwerdeführers, die eheliche Gemeinschaft wieder aufnehmen zu können, nichts zu ändern. Ebenso durfte die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung zu Lasten des Beschwerdeführers darauf abstellen, dass sich sein Aufenthalt stets als unsicher darstellte, weil dieser lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war, und er auch hinsichtlich des - bereits während der Geltung des NAG gestellten -
Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Blick auf § 21 Abs. 1 NAG, wonach ein Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich im Ausland zu stellen und dort auch die Erledigung abzuwarten ist, nicht von vornherein begründet auf die Bewilligung seines Niederlassungsantrages hoffen durfte.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft es aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die wie der Beschwerdeführer trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens (unrechtmäßig) in Österreich verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0386, mwN). Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0164, mwN). Vor diesem Hintergrund sind die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht von einem solchen Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten, zumal insbesondere - wie bereits erwähnt - auch die eheliche Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin R nicht mehr besteht.
Zusammenfassend ist es somit insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angesehen hat.
Dass die belangte Behörde das ihr zur Verfügung stehende Ermessen nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Dafür sind auch keine Hinweise erkennbar.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am