VwGH vom 05.04.2017, Ra 2016/04/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W101 2014031-1/6E, betreffend Beschwerde nach dem Datenschutzgesetz 2000 (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. T S in W, 2. N in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 1. Der Erstmitbeteiligte brachte am eine Datenschutzbeschwerde gemäß § 31 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) ein und führte darin aus, die Zweitmitbeteiligte habe durch Weitergabe seiner Daten an eine näher bezeichnete psychosoziale Beratungseinrichtung sein Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt. Er begehrte die Feststellung dieser Rechtsverletzung.
2 Die Zweitmitbeteiligte hielt dieser Beschwerde im Wesentlichen entgegen, der Erstmitbeteiligte habe im Rahmen eines ärztlichen Entlassungsgesprächs sein Einverständnis zur Vorankündigung einer Kontaktaufnahme durch ihn mit der betreffenden Beratungseinrichtung gegeben. Im Rahmen der telefonischen Vorankündigung sei im Beisein des Erstmitbeteiligten dessen Name angegeben worden. Darüber hinaus sei es zu keiner Weitergabe von Daten gekommen.
3 2. Mit Bescheid vom wies die Revisionswerberin die Beschwerde des Erstmitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. In ihrer Begründung stellte sie im Wesentlichen zusammengefasst fest, dem Erstmitbeteiligten sei nach einem stationären Aufenthalt in der von der Zweitmitbeteiligten betriebenen Krankenanstalt im Rahmen des ärztlichen Entlassungsgesprächs das Angebot gemacht worden, ihn bei einer psychosozialen Beratungseinrichtung als Patient anzukündigen. Er habe der vorgeschlagenen Ankündigung seiner Person ausdrücklich mündlich zugestimmt, weshalb in der Folge eine Mitarbeiterin der Zweitmitbeteiligten telefonisch den Namen des Erstmitbeteiligten übermittelt und ersucht habe, diesem bei Bedarf einen Termin zuzuteilen. Eine weitere Datenübermittlung habe nicht stattgefunden. In rechtlicher Hinsicht gelangte die Revisionswerberin zu dem Schluss, die festgestellte ausdrückliche Erklärung des Erstmitbeteiligten sei wirksam und aus diesem Grund die beschwerdegegenständliche Datenübermittlung gemäß § 7 Abs. 2 und 3 sowie § 9 Z 6 DSG 2000 gerechtfertigt und zulässig gewesen. Die vorgebrachte Rechtsverletzung liege nicht vor.
4 3. Gegen diesen Bescheid erhob der Erstmitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die Rechtsverletzung antragsgemäß festgestellt werde. In ihrer Begründung wendet sich die Beschwerde primär gegen die Beweiswürdigung im bekämpften Bescheid.
5 4. Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom hob das Bundesverwaltungsgericht den bekämpften Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Rechtssache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Revisionswerberin zurück.
6 In seiner Begründung traf das Bundesverwaltungsgericht folgende "Feststellung": Da die Zeugin, welche das relevante Telefonat geführt habe, selbst ausgesagt habe, nur den Nachnamen des Erstmitbeteiligten auf einen Nachrichtenempfänger gesprochen zu haben, sei nicht abschließend festgestellt, ob der Erstmitbeteiligte aufgrund der auf dem Anrufbeantworter hinterlassenen Nachricht für die Datenempfängerin identifizierbar gewesen sei. Im Übrigen sei kein Mitarbeiter der Datenempfängerin zu der Frage einvernommen worden, ob am Tag der behaupteten Übermittlung ein Anrufbeantworter in Betrieb gewesen sei. Somit sei im behördlichen Verfahren nicht geprüft worden, ob am betreffenden Tag tatsächlich Daten des Erstmitbeteiligten übermittelt worden seien.
7 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, aufgrund der oben wiedergegebenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Revisionswerberin gravierende Ermittlungslücken unterlaufen seien. Es könne nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme vor dem Bundesverwaltungsgericht zu einer erheblichen Zeit- und Kostenersparnis führen würde, weshalb gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG der Bescheid an die belangte Behörde zur Durchführung der genannten Ermittlungen und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen sei.
8 Die Revision sei mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage nicht zulässig.
9 5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
10 Der Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und erklärte, seine Anträge aufrecht zu erhalten. Die Zweitmitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
11 6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 6.1. Die Revision bringt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung unter anderem vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG für eine Zurückverweisung der Rechtssache nicht vorgelegen seien. Insbesondere weise das behördliche Verfahren keine gravierenden Ermittlungslücken auf, die eine Zurückverweisung rechtfertigen würden. Im Gegenteil hätte das Bundesverwaltungsgericht ohne großen Aufwand die geforderten Ermittlungsschritte setzen bzw. auf Basis der vorliegenden Beweisergebnisse eine neue oder ergänzende Würdigung vornehmen können.
13 6.2. Die Revision ist schon wegen des vorgebrachten Verkennens der Rechtslage durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG normierten Voraussetzungen zulässig und berechtigt.
14 6.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufheben und die Sache zurückverweisen kann (vgl. grundlegend das Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, sowie die Erkenntnisse vom , Ra 2014/08/0005, und vom , Ra 2014/01/0205).
15 So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Ro 2014/03/0063 ausgesprochen, dass sich die Anwendbarkeit der Zurückverweisungsbestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht auf die von § 28 Abs. 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt. Eine Aufhebung des Bescheides und eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde kommt erst dann in Betracht, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG sind angesichts der Zielsetzung (meritorische Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte) weit zu verstehen. Damit wird dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw. dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer (durch Vermeidung der Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung) entsprochen.
16 Angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht die Möglichkeit der Zurückverweisung bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt § 28 VwGVG, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/04/0031, uva.).
17 6.4. Die Revisionswerberin hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Parteienvernehmung durchgeführt und sämtliche beantragten Zeugenbeweise aufgenommen wurden. Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse hat die Revisionswerberin Sachverhaltsfeststellungen getroffen und diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.
18 Es ist angesichts des aktenkundigen verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht ersichtlich, inwiefern diesem gravierende Ermittlungslücken im Sinne der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anhaften sollten.
19 6.4.1. Soweit das Bundesverwaltungsgericht die amtswegige Prüfung der Sachverhaltsfrage vermisst, ob die Daten des Erstmitbeteiligten der Datenempfängerin tatsächlich zur Kenntnis gelangt seien, ist nicht ersichtlich, inwiefern krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken vorgelegen seien. Die vom Bundesverwaltungsgericht als notwendig angesehenen ergänzenden Ermittlungsschritte hätten im Gegenteil ohne Schwierigkeit - etwa im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - vor dem Bundesverwaltungsgericht nachgeholt werden können.
20 6.4.2. Im Übrigen übersieht das Bundesverwaltungsgericht, dass die Revisionswerberin ausgehend von den im Bescheid getroffenen Feststellungen zu der rechtlichen Beurteilung gelangte, dass die Beschwerde schon wegen Vorliegens einer wirksamen Einverständniserklärung zur Datenübermittlung seitens des Erstmitbeteiligten abzuweisen sei. Inwiefern diese rechtlichen Überlegungen - vor deren Hintergrund sich die Frage erübrigt, ob die Daten bei der Empfängerin eingelangt sind - unzutreffend wären, hat das Bundesverwaltungsgericht gar nicht erst begründet.
21 6.5. Da das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ausging, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
22 Ein Aufwandersatz kommt gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht in Betracht.
Wien, am