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VwGH vom 17.11.2011, 2009/21/0022

VwGH vom 17.11.2011, 2009/21/0022

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/21/0025 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der A, vertreten durch Mag. Christian Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Dr. Glatz Straße 1, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft New Delhi vom , Zl. VAN-72238 und 72239, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die 1940 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nepal, stellte (gemeinsam mit ihrer 1977 geborenen Tochter, der Beschwerdeführerin zur hg. Zl. 2009/21/0025) - im Wege des Österreichischen Honorarkonsulates in Katmandu - am bei der österreichischen Botschaft in New Delhi den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 88 Tagen zum Zweck des Besuchs ihres in Innsbruck lebenden Sohnes, eines österreichischen Staatsbürgers. Sie legte dazu diverse Unterlagen vor, unter anderem eine Verpflichtungserklärung des einladenden Sohnes und Buchungsbestätigungen hinsichtlich des Hin- und Rückflugtickets (von Katmandu nach Doha und weiter nach München für bzw. retour, wieder mit Zwischenaufenthalt in Doha, für 13./).

Mit Schreiben vom teilte die genannte Botschaft der Beschwerdeführerin mit, seitens der Behörde würden keine weiteren Dokumente mehr benötigt. Dem Antrag könne jedoch nicht stattgegeben werden, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde. Sie habe nämlich nicht überzeugend nachweisen können, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihrem derzeitigen Wohnsitz habe. Vor einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag werde der Beschwerdeführerin jedoch noch eine Äußerungsmöglichkeit gegeben.

In der hierauf erstatteten rechtsanwaltlichen Stellungnahme vom brachte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, der Nachweis der Buchung des Hin- und Rückfluges spreche gegen die Absicht der Beschwerdeführerin, sie wolle nicht wieder rechtzeitig ausreisen. Die Beschwerdeführerin habe "Zeit ihres Lebens" in Nepal gelebt und habe daher dort auch ihren Lebensmittelpunkt. Sie stamme aus einer wohlhabenden Familie, was auch dadurch belegt werde, dass sie in K. über Felder und Wohnhäuser und in P. über ein weiteres Wohnhaus verfüge. Außerdem seien die meisten Angehörigen der Beschwerdeführerin ebenfalls in Nepal aufhältig, weshalb es keinen Grund für die Annahme gebe, die Beschwerdeführerin werde nach Ablauf des Visums nicht wieder in ihre Heimat reisen. Bei diesen Familienangehörigen handle es sich um die verheiratete Tochter R., die vier Kinder habe, um eine weitere verheiratete Tochter mit einem Kind und um einen ebenfalls verheirateten Sohn, der zwei Kinder habe.

Hierauf reagierte die Botschaft mit Schreiben vom , wonach die Inlandsbehörden entsprechende Erhebungen zur einladenden Person geführt und das Bundesministerium für Inneres "in diesem Zusammenhang zur Entscheidung gelangt" sei, dass die Wiederausreise der Visawerber nicht gesichert sei.

Dazu nahm die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom insbesondere dahin Stellung, dass die immer in Nepal aufhältig gewesene Beschwerdeführerin nunmehr ihren Sohn und ihren Enkel in Österreich besuchen wolle. Ihre Tochter (die Beschwerdeführerin zur Zl. 2009/21/0025), die schon ihre Tätigkeit als Lehrerin aufgegeben habe, um ihre Mutter zu unterstützen, wolle sie nur deshalb begleiten, um der Beschwerdeführerin, insbesondere wegen ihres fortgeschrittenen Alters, auch bei der anstrengenden Reise behilflich zu sein. Aufgrund des Wohlstandes der Familie in Nepal bestehe überhaupt keine Veranlassung, nicht wieder dorthin auszureisen. Zu den in Österreich aufhältigen Personen (österreichischer Sohn, mit einem Österreicher verheiratete Tochter und ledige Tochter) brachte die Beschwerdeführerin noch vor, dass sich diese zu keiner Zeit in Österreich unrechtmäßig aufgehalten hätten. Deren Aufenthalt in Österreich könne daher keinen "negativen Einfluss" auf die Entscheidung haben.

Ungeachtet dieser Stellungnahmen der Beschwerdeführerin wies die Österreichische Botschaft New Delhi (die belangte Behörde) den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums mit dem angefochtenen Bescheid vom unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als nicht erfüllt erachtete.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die (allgemeinen) Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise - wie folgt:

"Erteilung von Visa

§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn


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1.
2.
die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;"
Im Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0104, beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof näher mit der in der Z 2 des § 21 Abs. 1 FPG genannten Erteilungsvoraussetzung. Zunächst kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden. Insbesondere wurde dort zum Ausdruck gebracht, es dürfe nicht ohne Weiteres ("generell") unterstellt werden, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedürfe vielmehr konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung, andernfalls werde davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint (vgl. in diesem Sinne im Anschluss an die genannte Entscheidung unter anderem auch das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0207, und das ebenfalls die hier belangte Behörde betreffende Erkenntnis vom 2007/21/0427; siehe etwa auch das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0229).
Die belangte Behörde begründete die Versagung des Visums nur mit dem Hinweis auf die für maßgeblich angesehene Gesetzesstelle, nämlich auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG, was noch keinen Begründungsmangel darstellt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. ausführlich den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/21/0216). Diesbezüglich findet sich im vorgelegten Verwaltungsakt auf dem Antragsformular ein handschriftlicher Vermerk mit folgendem Wortlaut:
"Eine Überprüfung des Einladers durch die Polizeibehörde ergab, dass die Wiederausreise nicht gesichert erscheint. In unserer Beurteilung ist die Familienbindung nach Nepal nicht gegeben. Auch die Verwurzelung in Nepal ist nicht gegeben. Es sind bereits Familienmitglieder in Österreich zurückgeblieben."
Der erste Satz dieser Begründung bezieht sich auf eine - allerdings völlig unbegründet gebliebene - Äußerung eines Mitarbeiters des Bundesministeriums für Inneres mit dem Wortlaut:
"
Die Wiederausreise ist nicht gesichert (§ 21/1/2 FPG) ". Welche im Schreiben der belangten Behörde vom angesprochenen Erhebungen zur einladenden Person durch die Inlandsbehörden, die dieser Einschätzung zugrundliegen sollen, geführt wurden und welches Ergebnis die diesbezüglichen Ermittlungen erbracht haben, ist den vorgelegten Akten aber nicht zu entnehmen. Nach der Aktenlage ist daher nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund "die Überprüfung des Einladers durch die Polizeibehörde" die Annahme rechtfertigte, die Wiederausreise der Beschwerdeführerin sei nicht gesichert.
Aber auch die behördliche Annahme, eine familiäre Bindung der Beschwerdeführerin und eine Verwurzelung in Nepal seien nicht gegeben, lässt sich an Hand der vorgelegten Akten nicht nachvollziehen. Auf das dieser Beurteilung entgegenstehende Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Aufenthalt in Nepal "Zeit ihres Lebens", zur Abstammung aus einer wohlhabenden Familie, die über Grundbesitz und mehrere Wohnhäuser verfüge, und zum Aufenthalt ihrer nächsten Angehörigen (Kinder und Enkel) ist die belangte Behörde in der aktenmäßigen Begründung nicht eingegangen. Insbesondere lässt sich auch nicht entnehmen, dass das diesbezügliche Vorbringen für unwahr gehalten worden wäre. Dem entsprechend wird auch in der Gegenschrift - ungeachtet der (in den vorgelegten Akten allerdings nicht dokumentierten) Behauptung an anderer Stelle, die Beschwerdeführerin sei einer Aufforderung des Österreichischen Honorarkonsulates in Katmandu zur persönlichen Vorsprache nicht nachgekommen, sodass die Familienverhältnisse in Nepal nicht zu verifizieren gewesen seien -

eingeräumt, dass die in den Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vorgebrachten wirtschaftlich-finanziellen Verhältnisse seitens der belangten Behörde nicht bezweifelt worden und die Familienverhältnisse "aus dem vorangegangenen Erhebungsverfahren" bekannt gewesen seien. Dass diese Umstände aber gegen eine fehlende Rückkehrabsicht sprechen, bedarf keiner weiteren Erörterung.


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Soweit die belangte Behörde - entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme vom , dass sich die Kinder der Beschwerdeführerin "zu keiner Zeit" in Österreich unrechtmäßig aufgehalten hätten - noch ins Treffen führt, dass bereits andere Familienmitglieder in Österreich "zurückgeblieben" seien, lässt sich daraus jedenfalls noch kein zwingender Schluss auf das voraussichtliche Verhalten der Beschwerdeführerin ziehen. Umstände, dass die Beschwerdeführerin das Visum nützen könnte, um auf Dauer in Österreich zu bleiben, werden aber weder von der belangten Behörde aufgezeigt noch bestehen dafür nach der Aktenlage ausreichend konkrete Anhaltspunkte.
Daraus folgt, dass die Überlegungen der belangten Behörde nicht geeignet sind, den in Rede stehende Abweisungsgrund im vorliegenden Fall tragfähig zu begründen. Im Übrigen hat sie auch dem (schon in der Stellungnahme vom und nun auch in der Beschwerde ins Treffen geführten) Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Bestätigung für die Buchung von Hin-
und Rückflug vorgelegt hat, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen (siehe dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0483; vgl. idS zuletzt auch den Beschluss vom , Zl. 2010/21/0289).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren auf gesonderten Ersatz der "Einzahlungsgebühr" findet darin keine Deckung.
Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-68957