VwGH 15.05.2012, 2012/05/0003
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO NÖ 1996 §14 Z2; BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3; BauO NÖ 1996 §4 Z3; BauO NÖ 1996 §4 Z4; BauRallg; |
RS 1 | Die gegenständliche Terassenüberdachung (bestehend aus vier Holzstützen und einem Dachstuhl im Ausmaß von 3,45 m x 3,70 m x 2,10 m) stellt ein mit dem Boden kraftschlüssig - mittels verschraubter Metallschuhe - verbundenes Bauwerk iSd § 4 Z 3 NÖ BauO 1996 dar. Ob die Schrauben relativ leicht auch durch einen Laien entfernt werden könnten, ist nicht von Relevanz. Ebenso unbedenklich ist die Behörde davon ausgegangen, dass für die fachgerechte Herstellung der Terrassenüberdachung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich ist, gilt es doch Gefahren, insbesondere durch Umstürzen oder Vertragen einer solchen Überdachung, etwa auch bei Windstößen, zu vermeiden, weshalb eine Terrassenüberdachung dieser Dimension entsprechend sicher aufgestellt werden muss (Hinweis E vom , 2003/05/0095, und E vom , 2006/05/0224). |
Normen | BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3; BauO NÖ 1996 §35 Abs2; BauRallg; VwRallg; |
RS 2 | Die Frage der Bewilligungsfähigkeit (also hier die Prüfung der Zulässigkeit im Sinne des § 35 Abs. 2 NÖ BauO 1996) ist nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages zu beurteilen (Hinweis Hauer-Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, S. 424). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 99/05/0146 E RS 1 |
Normen | BauO NÖ 1976 §111; BauRallg; |
RS 3 | Eine Benützungsbewilligung gemäß § 111 NÖ BauO 1976 kann den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen (Hinweis E vom , 2005/05/0181). Wenn aber eine Benützungsbewilligung erkennen lässt, dass damit bewilligungspflichtige Projektänderungen bewilligt wurden, dann ist davon auszugehen, dass in Wahrheit zugleich auch eine Baubewilligung erteilt wurde (Hinweis E vom , 2003/05/0248), was auch in Bezug auf Bauteile möglich ist, auf die sich die (ursprüngliche) Baubewilligung gar nicht bezogen hat. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der IW in B, vertreten durch Mag. Thomas Nitsch und Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Hauptstraße 48, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1592/001-2011, betreffend Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde B), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Schließung aller Fensteröffnungen in der südlichen Brandwand zum Grundstück Nr. 200/8, KG G, betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die Baubewilligung für den Zu- und Umbau des Wohnhauses in B, R 4, Grundstück Nr. 200/6, EZ. 165, KG G, erteilt.
Auf Grund eines Ansuchens der Beschwerdeführerin um Kollaudierung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wie folgt entschieden:
"Die Baubehörde hat mit Bescheid vom , Zahl 7192-1990 die Baubewilligung für den Zu- und Umbau auf dem Bauplatz in B, R 4, Parz. Nr. 200/6, EZ. 165, KG. G erteilt. Nach Fertigstellungsmeldung vom wurde am eine Endbeschau vorgenommen. Aufgrund des Ergebnisses dieser Beschau ergeht nachstehender
Spruch
Der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz stellt gemäß § 111 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-8 fest, dass das oben angeführte Bauvorhaben bewilligungsgemäß, mit geringfügigen Abänderungen ausgeführt worden ist und erteilt daher hiefür die Benützungsbewilligung.
Die geringfügigen, in den Auswechslungsplänen und in der Niederschrift angeführten Abänderungen werden nachträglich genehmigt. ...
Das Protokoll über die Endbeschau liegt in Kopie bei und bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.
..."
Dem Protokoll über die Endbeschau vom ist unter Bezug auf vorgelegte Auswechslungspläne zu entnehmen, dass unter anderem als Änderung ein Raum angebaut worden sei, der als Garage im Plan eingetragen sei und an der südlichen Brandwand eine verglaste Öffnung aufweise, welche "im Bereich des öffentlichen Gutes Grundstück Nr. 306/2" liege.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) der Auftrag
.) zum Abbruch der ohne Bewilligung errichteten Terrassenüberdachung,
.) zur Schließung aller Fensteröffnungen in der südlichen Brandwand zum Grundstück Nr. 200/8, KG G,
.) und zur widmungsgemäßen Verwendung des unterirdischen,
straßenseitigen Abstellraumes (Zubau)
erteilt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Liegenschaft als "Grünland-Freihaltefläche" gewidmet und das darauf befindliche Ursprungsgebäude als erhaltenswertes Gebäude im Grünland ausgewiesen sei. Aufgrund dieser Widmung sei für die freistehende Terrassenüberdachung (bestehend aus vier Holzstützen und einem Dachstuhl im Ausmaß von 3,45 m x 3,70 m x 2,10 m) keine Genehmigung erreichbar. Gemäß § 10 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung 1997 (BTV; Anmerkung: Siehe vormals § 35 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 - mit Ausnahmemöglichkeiten) seien Außenwände an einer Grundgrenze als eigene Brandwände und öffnungslos auszuführen, weshalb bereits im Bewilligungsverfahren für die Auswechslungspläne im Jahre 1994 diese auf eine öffnungslose Wand abgeändert worden seien. Die nunmehr festgestellten Fensteröffnungen seien demgemäß konsenslos und überdies nachträglich nicht bewilligungsfähig. Der seitliche Zubau sei nicht als Garage, sondern als Abstellraum gewidmet. Die Nutzung als Garage sei daher nicht zulässig.
Mit Bescheid vom gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich des Abbruches der Terrassenüberdachung und der Schließung der Fensteröffnungen. Im Übrigen wurde der baupolizeiliche Auftrag dahingehend abgeändert, dass die Nutzung des ostseitigen Zubaus zu einem anderen als dem genehmigten Verwendungszweck (Abstellraum), wie insbesondere als KFZ-Werkstätte oder Garage, verboten wird.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, zur Qualifizierung der Terrassenüberdachung als Bauwerk iSd § 4 BO sei festzuhalten, dass im Rahmen der Lokalaugenscheine vom sowie vom mittels Lichtbilder und Niederschriften dokumentiert worden sei, dass die Terrassenüberdachung, bestehend aus vier Holzstützen und einem Dachstuhl, an jeder Holzstütze über Metallschuhe mit Schraubverbindungen kraftschlüssig mit dem Terrassenboden verbunden sei, was von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten werde. Es komme aber bei der Beurteilung einer kraftschlüssigen Verbindung nicht auf die jederzeitige Entfernbarkeit des Objektes an, sondern es würde bereits das Eigengewicht der Konstruktion ausreichen, um eine kraftschlüssige Verbindung zu begründen. Bereits nach dem beabsichtigten Verwendungszweck der Terrassenüberdachung sei schon in Anbetracht der zu erwartenden Beanspruchung durch Windkräfte und Schneelasten davon auszugehen, dass für die fachgerechte Herstellung der Konstruktion ein wesentliches Ausmaß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei. Für Bauwerke, die von Menschen betreten werden können - was gegenständlich der Fall sei -, seien bautechnische Kenntnisse stets erforderlich. Die verfahrensgegenständliche Terrassenüberdachung stelle somit ein Bauwerk iSd § 4 BO dar. Die Terrassenüberdachung sei nicht im Rahmen des Bewilligungsbescheides vom und des zugrundeliegenden Bestandplanes genehmigt worden und sei im Einreichplan vom September 1995 nicht vorgesehen gewesen. Es handle sich bei dem Bauwerk nicht um einen Zubau zum im Grünland als erhaltungswürdig bewilligten Ursprungsgebäudes. Eine Prüfung der Möglichkeit einer nachträglichen Einbeziehung in den seinerzeitigen Zu- und Umbau des erhaltungswürdigen Ursprungsgebäudes habe unterbleiben können, da bereits mit Erlassung des Bescheides vom die höchstzulässige Erweiterungsfläche ausgeschöpft gewesen sei. Die Terrassenüberdachung sei auf einer Parzelle errichtet worden, die gemäß § 19 Abs. 2 Z. 18 ROG "von jeglicher Bebauung freizuhalten" sei, und somit widerspreche das Bauwerk der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart ("Grünland-Freihaltezone"), weshalb auch keine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne.
Bezüglich der Fensteröffnungen in der südlichen Brandwand sei auszuführen, dass der Plan des Ursprungsgebäudes vom eine Belichtungsöffnung in der südlichen Außenwand im seinerzeit als Bad ausgewiesenen Raum enthalten habe. An der Stelle, wo sich heute ein "Küchenfenster" befinde, sei damals ein "Schuppen" eingezeichnet gewesen, ohne Belichtungsöffnung. Der Einreichplan für den Um- und Zubau habe keinerlei Fensteröffnungen im Bereich des Altbestandes enthalten und sei mit Bescheid vom - ohne solche Fensteröffnungen - bewilligt worden. Die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom im Rahmen des Bewilligungsverfahrens darauf hingewiesen worden, dass vorgefundene Fensteröffnungen in der Feuermauer zum Anrainer S. unzulässig und somit nicht genehmigungsfähig seien. In der Folge sei der Einreichplan aus dem Jahr 1991 überarbeitet worden. Es ergebe sich aus dem der Benützungsbewilligung vom zugrundeliegenden Austauschplan (Einreichplan 1995) zweifelsfrei, dass in der Fassadendarstellung der südlichen Brandwand keinerlei Fensteröffnungen seien. An der Stelle im Grundriss des Austauschplanes aus dem Jahr 1995, wo seinerzeit im Altbestand ein "Schuppen" ohne Belichtungsöffnung bestanden habe, sei erstmals in diesem Plan ein "Küchenfenster" eingezeichnet. Der Altbestand des Ursprungsgebäudes sei jedoch nicht Gegenstand der Benützungsbewilligung für den Um- und Zubau vom . Die vier Belichtungsöffnungen in der südlichen Brandwand seien daher nicht behördlich bewilligt, und Planabweichungen eines Bauvorhabens würden durch die Benützungsbewilligung nicht saniert. Im Zuge des Umbauvorhabens sei der Beschwerdeführerin von der Baubehörde auch ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die vorhandenen Fenster- und Lüftungsöffnungen in der südlichen Brandwand nicht genehmigungsfähig seien. Schließlich sei der ostseitige Zubau als Abstellraum gewidmet und dürfe daher weder als Garage noch als KFZ-Werkstätte benutzt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die Dachsteher der Terrassenüberdachung kraftschlüssig mit dem Boden verbunden seien. Außerdem sei für die Aufstellung eines Flugdaches ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich, um die zu erwartenden Beanspruchungen durch Windkräfte und Schneelasten entsprechend zu berücksichtigen. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden Bauwerke, die von Menschen betreten werden können, stets bautechnische Kenntnisse erfordern. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass jeder Hobbyhandwerker die Überdachung errichten könne und außerdem die Verschraubung vom Fundament der Terrasse jederzeit entfernt werden könne, könne daran nichts ändern.
Auf Grund der derzeitigen Widmung "Grünland-Freihaltezone" sei jegliche Bebauung gesetzlich verboten. Die Frage, wann die gegenständliche Terrassenüberdachung aufgestellt worden sei, sei nicht mehr relevant. Entscheidend sei, dass für diese bewilligungspflichtige Terrassenüberdachung keine rechtskräftige Baubewilligung vorliege und dass nach der derzeitigen Widmung eine nachträgliche Bewilligung nicht in Frage komme. Daher habe eine Aufforderung zur Einbringung eines Antrages auf nachträgliche Baubewilligung unterbleiben können.
Sowohl aus dem Grundkataster als auch auf dem Lichtbild sei ersichtlich, dass sich die südliche Außenwand unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück befinde. Die Nachbarn S. hätten auch entsprechende Bedenken bezüglich einer allfälligen Gefährdung durch die Öffnungen in der Brandwand vorgebracht. Auch sei in allen im Bauakt vorhandenen Bauplänen die Situierung der südlichen Außenwand unmittelbar an der Grundstücksgrenze eingezeichnet. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die südliche Außenwand liege nicht direkt an der Grundstücksgrenze, könne daher nicht nachvollzogen werden.
Aus dem Passus in der Niederschrift zum Bescheid vom , wonach der Raum, der als Garage im Plan eingetragen sei, an der südlichen Brandwand eine verglaste Öffnung habe, welche im Bereich des öffentlichen Gutes gelegen sei, könne nichts gewonnen werden. Diese verglaste Öffnung habe deswegen bewilligt werden können, da der an dieses Fenster angrenzende Grünstreifen im Zeitpunkt der Bewilligung im Jahr 1995 öffentliches Gut gewesen und somit kein Genehmigungshindernis für dieses Fenster vorgelegen sei. Dieses Fenster sei jedoch nicht verfahrensgegenständlich.
Der Beschwerdeführerin sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen vier Fensteröffnungen, die nun verschlossen werden sollen, um jene in der ehemaligen Küche, der Speisekammer, des Bades und des WCs des Altbestandes handle. Eine behördliche Bewilligung dieser vier Fenster liege nicht vor.
Sowohl die vorhandene Terrassenüberdachung als auch die vier Fenster in der südlichen Brandwand würden über keine rechtskräftige Baubewilligung verfügen und seien aufgrund der Flächenwidmung bzw. der Bestimmung des § 10 BTV nicht nachträglich bewilligungsfähig, weshalb nur mit Abbruchaufträgen vorgegangen werden könne. Die Nutzung des ostseitigen Zubaus als Garage bzw. KFZ-Werkstätte sei durch die aufgenommenen Lichtbilder ausreichend dokumentiert, und es sei zu Recht ein Nutzungsverbot ausgesprochen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass es sich bei der gegenständlichen Terrassenüberdachung um kein Bauwerk iSd BO handle. Insbesondere liege ein Bauwerk nur dann vor, wenn dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere und eine kraftschlüssige Verbindung mit dem Boden gegeben sei. Die gegenständliche Terrassenüberdachung sei zwar mit dem Boden verbunden, könne jedoch jederzeit unkompliziert und durch einen Laien entfernt werden. Sie sei vollkommen einfach durch einen Hobbyhandwerker zu errichten und könne mit einer vom Baumarkt bereits vorgefertigten und zum Eigenzusammenbau angefertigten Gartenhütte verglichen werden. Eine solche sei - wie auch die Terrassenüberdachung - ohne besonderes Wissen und ohne wesentliche bautechnische Kenntnisse aufzubauen. Dass bereits das Eigengewicht der Konstruktion ausreiche, um eine kraftschlüssige Verbindung zu begründen, stelle eine nicht gesetzmäßige Auslegung dar, zumal unter Zugrundelegung dieser Auslegung auch ein Sonnenschirm oder ein Zelt ein Bauwerk iSd § 4 Z. 3 BO darstellen würde.
Die belangte Behörde habe keine Differenzierungen vorgenommen, die jedoch unbedingt erforderlich seien, da es sonst insbesondere bei der vorliegenden Flächenwidmung "Grünland-Freihaltegebiet" zu keinerlei Nutzung kommen könne. Dies könne jedoch nicht Sinn und Zweck einer Fläche als Widmung "Grünland-Freihaltefläche" sein. Die Raumordnung selber führe beispielsweise Hochwasserschutz, Umfahrungsstraßen, besonders landschaftsbildprägende Freiräume u. dgl. als zulässig an. In Anbetracht dessen, dass die im bekämpften Bescheid angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lediglich auf den Begriff des Bauwerkes abstelle, jedoch dieser Begriff nicht im Zusammenhang mit der Flächenwidmung "Grünland-Freihaltegebiet" beurteilt werde, finde diese Judikatur auf den gegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung. Die belangte Behörde hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Bebauung nicht vorliege und daher die Widmung "Grünland-Freihaltezone" durch die Terrassenüberdachung nicht beeinträchtigt werde. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass sich die Terrassenüberdachung sehr gut in das Gesamtbild dieses Wohngebietes einfüge und sohin § 19 Abs. 2 Z. 18 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz (ROG) nicht widerspreche.
Es sei sehr wohl aufgrund der vorgenommenen Umwidmung im Jahr 2006 von "Grünland-Landwirtschaft" auf "Grünland-Freihaltezone" bei einer allfälligen Bewilligungspflicht - welche jedoch ausdrücklich bestritten werde bzw. Anzeigepflicht entscheidend, wann diese Terrassenüberdachung aufgestellt worden sei. Es müsste § 19 Abs. 2 Z. 1a ROG herangezogen werden, und die Terrassenüberdachung diene der Befriedigung der familieneigenen Wohnbedürfnisse, weshalb diese bauliche Änderung bzw. der Zubau gesetzlich zulässig sei und eine Aufforderung zur Einbringung eines Bewilligungsantrages hätte ergehen müssen.
Die belangte Behörde sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die südliche Außenwand direkt an der Grundstücksgrenze liege, was sich jedoch weder aus dem Akteninhalt noch aus Lichtbildern ergebe. Vielmehr folge aus dem Plan aus dem Jahr 1961, dass die Grundstücksgrenze quer zur verbauten Fläche und zur Außenmauer verlaufe. Wie weit die Außenmauer von der Grundstücksgrenze entfernt sei, hätte die belangte Behörde im Hinblick auf § 10 BTV durch entsprechende Erhebungen eruieren müssen.
Unrichtig sei die im angefochtenen Bescheid angeführte Situierung der vier Fenster. Diese würden sich im ehemaligen "Schupfen", im nunmehrigen Bad, WC und Abstellraum befinden; die ehemalige Küche sei mittig gewesen. Das Fenster im ehemaligen Bad sei bereits mit Baubewilligung aus dem Jahr 1961 zugunsten der Voreigentümerin der Liegenschaft, weitere zwei Fenster seien mit Bescheid vom bewilligt worden, was die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen habe.
Gemäß § 19 Abs. 2 Z. 18 ROG besteht das Grünland - Freihalteflächen aus Flächen, die aufgrund öffentlicher Interessen (Hochwasserschutz, Umfahrungsstraßen, besonders landschaftsbildprägende Freiräume, u. dgl.) von jeglicher Bebauung freigehalten werden sollen.
Gemäß § 10 BTV sind Außenwände als Brandwände und öffnungslos zu errichten an einer Grundstücksgrenze, sofern nicht das angrenzende Grundstück als Verkehrsfläche, Parkanlange oder Grüngürtel gewidmet oder ein Gewässer ist (Z. 1); gegen eine Reiche (Z. 2); bei einem Abstand von weniger als 3 m, gerichtet gegen eine Grundstücksgrenze, wenn es die Sicherheit von Personen und Sachen aufgrund der zulässigen Bebauung auf dem Nachbargrundstück erfordert, es sei denn das angrenzende Grundstück ist als Verkehrsfläche, Parkanlage oder Grüngürtel gewidmet oder es ist ein Gewässer (Z. 3a) oder es handelt sich lediglich um Vorbauten und diese sind im Verhältnis zur Außenwand untergeordnet (Z. 3b).
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein auf § 35 Abs. 2 Z. 3 BO gestützter Bauauftrag. Gemäß dieser Gesetzesstelle hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Bauanzeige vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.
Gemäß § 4 Z. 3 BO ist ein Bauwerk ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist.
Gemäß § 4 Z. 4 BO sind bauliche Anlagen alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind.
Die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 (Nachbarrechte) verletzt werden könnten, bedarf gemäß § 14 BO einer Baubewilligung.
Die belangte Behörde, ist gestützt auf den bei ihr in Vorstellung gezogenen Bescheid und auf dem Boden der Verwaltungsakten, zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass die gegenständliche Terrassenüberdachung ein mit dem Boden kraftschlüssig - mittels verschraubter Metallschuhe - verbundenes Bauwerk iSd § 4 Z. 3 BO darstellt. Angesichts der bereits durch die Verschraubung gegebenen kraftschlüssigen Verbindung braucht auf das Beschwerdevorbringen der Herstellung einer kraftschlüssigen Verbindung durch das Eigengewicht des Bauwerkes nicht weiter eingegangen werden, zumal die belangte Behörde das Bestehen einer kraftschlüssigen Verbindung auch nicht mit dem Eigengewicht der Terrassenüberdachung begründet hat. Ob die Schrauben relativ leicht auch durch einen Laien entfernt werden könnten, ist nicht von Relevanz. Ebenso unbedenklich ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass für die fachgerechte Herstellung der Terrassenüberdachung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich ist, gilt es doch Gefahren, insbesondere durch Umstürzen oder Vertragen einer solchen Überdachung, etwa auch bei Windstößen, zu vermeiden, weshalb eine Terrassenüberdachung dieser Dimension entsprechend sicher aufgestellt werden muss (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/05/0095, und vom , Zl. 2006/05/0224).
Es steht unbestritten fest, dass für die Terrassenüberdachung keine Baubewilligung erteilt wurde. Nach den genannten Vorschriften der BO war eine solche auch vor der von der Beschwerdeführerin erwähnten Umwidmung im Jahre 2006 nötig, sodass diese Umwidmung insofern keine Rolle spielt. Vor Erlassung eines Abbruchauftrages ist allerdings grundsätzlich zu prüfen, ob eine Baubewilligung erteilt werden könnte. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0014).
Das gegenständliche Grundstück weist die Widmung "Grünland-Freihaltefläche" auf. Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bestimmungen des ROG über die Unzulässigkeit der Bebauung von Flächen mit der Widmung "Grünland-Freihaltefläche" einer nachträglichen Baubewilligung entgegenstehen. Daher erweist sich diese bauliche Anlage als unzulässig im Sinne des § 35 Abs. 2 Z. 3 BO, weshalb der Auftrag zur Beseitigung der Terrassenüberdachung ohne vorherige Aufforderung zur Einreichung einer Genehmigung zu Recht erging.
Die Beschwerdeführerin zieht den von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Grenzverlauf in Zweifel, wonach sich die südliche Außenwand unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück Nr. 200/8, KG G, befinde. Dem ist zu entgegnen, dass nach dem mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom bewilligten Bauplan (Lageplan) die Bewilligung für ein Vorhaben erteilt wurde, das im Süden direkt an der Grundgrenze liegt. Dass eine andere Ausführung hinsichtlich der Lage des Bauvorhabens (und somit entgegen der Bewilligung) erfolgt wäre, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet, ebenso nicht, dass sich die Grundgrenze seit der Baubewilligung vom geändert habe. Die belangte Behörde konnte somit davon ausgehen, dass sich die südliche Außenwand in dem von der Baubewilligung vom umfassten Bereich an der Grundstücksgrenze befindet und somit bewilligungsgemäß als Brandwand zu errichten ist.
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach drei der Fensteröffnungen in der südlichen Außenwand baubehördlich bewilligt worden seien, ist Folgendes auszuführen:
Der Einreichplan aus dem Jahr 1961 weist eine Öffnung in der südlichen Außenwand im seinerzeit als Bad ausgewiesenen Raum auf (nicht jedoch im damals als "Schupfen" ausgewiesenen Raum). Durch die Aktenlage ist nun nicht nachvollziehbar, ob das im Einreichplan 1961 eingezeichnete Fenster in dieser Form in Konsumierung der Baubewilligung aus dem Jahre 1961 errichtet worden ist. (Mit der Baubewilligung vom ist lediglich der in den entsprechenden Bauplänen mit roter Farbe eingezeichnete Zu- und Umbau bewilligt worden, sie hat sich aber nicht auf den - in diesen Plänen ohne Fensteröffnungen eingezeichneten - Altbestand im betreffenden Teil des Erdgeschosses bezogen.) Feststellungen zum ursprünglich bewilligten und errichteten Altbestand fehlen. Ohne diese kann aber nicht beurteilt werden, ob das Fenster im seinerzeit als Bad ausgewiesenen Raum baubehördlich bewilligt ist.
Der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom ist im Übrigen ein auf § 111 NÖ-BO 1976 gestützter Benützungsbewilligungsbescheid. Eine solche Benützungsbewilligung kann den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0181). Wenn aber eine Benützungsbewilligung erkennen lässt, dass damit bewilligungspflichtige Projektänderungen bewilligt wurden, dann ist davon auszugehen, dass in Wahrheit zugleich auch eine Baubewilligung erteilt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0248), was auch in Bezug auf Bauteile möglich ist, auf die sich die (ursprüngliche) Baubewilligung gar nicht bezogen hat.
Im Beschwerdefall ist mit dem erwähnten Benützungsbewilligungsbescheid vom unter anderem der in dem diesem zu Grunde liegenden Bestandsplan ersichtliche, als Garage neu errichtete Raum (Anmerkung: westlich des als "Schupfen" seinerzeit bewilligten Baubestandes) mit einer verglasten Öffnung an der südlichen Wand (mit)bewilligt worden. Gegenüber des südlich angrenzenden Bauteiles (ehemaliger "Schupfen") springt dieser neue Raum allerdings zurück, sodass nicht hinreichend ersichtlich ist, ob er an der Grundgrenze liegt (in der Niederschrift zur Benützungsbewilligung vom wird die Wand auch in diesem Bereich als "Brandwand" bezeichnet, die Öffnung liege allerdings "im Bereich des öffentlichen Gutes"). Es ist nicht eindeutig nachvollziehbar, ob dieses Fenster nicht trotz seiner Bewilligung mit dem Bescheid vom vom gegenständlichen Bauauftrag (der sich auf alle Fensteröffnungen in der südlichen Brandwand zum Nachbargrundstück bezieht) umfasst ist. Die Bescheidbegründung, nach der dies nicht der Fall sei, reicht angesichts des auch in der Beschwerde angesprochenen Umstandes, dass die Fenster im Bescheidspruch weder zahlenmäßig noch lagemäßig näher definiert wurden, für die erforderliche Bestimmtheit des Auftrages bei der gegebenen Aktenlage nicht aus.
Für den Bereich des ehemaligen "Schupfens" weist der Bestandsplan, auf den sich der Bescheid vom bezieht, im Grundriss ein Fenster aus, nicht jedoch in der Ansicht. Da der Bescheid vom ausdrücklich auch das Protokoll über die Endbeschau vom zu seinem Bestandteil erklärt, in dem ein solches Fenster mit dieser Situierung nicht genannt ist, ist dieser Widerspruch im Plan dahin aufzulösen, dass das Fenster als nicht bewilligt anzusehen ist.
Abschließend ist zu bemerken, dass die Beschwerde kein Vorbringen zum Auftrag zur Unterlassung der Verwendung des straßenseitigen Abstellraumes zu einem anderen als dem genehmigten Verwendungszweck enthält und sich der Beschwerdepunkt darauf auch nicht bezieht.
Der angefochtene Bescheid war aus den oben dargestellten Gründen, soweit er die Schließung aller Fensteröffnungen in der südlichen Brandwand zum Gegenstand hat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO NÖ 1976 §111; BauO NÖ 1996 §14 Z2; BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3; BauO NÖ 1996 §35 Abs2; BauO NÖ 1996 §4 Z3; BauO NÖ 1996 §4 Z4; BauRallg; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2012050003.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-68949