VwGH vom 16.10.2013, 2012/04/0159
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2012/04/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerden des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol 1.) vom , Zl. uvs-2012/31/1566-2 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/04/0160) und 2.) vom , Zl. uvs-2012/30/2663-1 (protokolliert zur hg. Zl. 2012/04/0159), jeweils betreffend Übertretung des Maß- und Eichgesetzes (mitbeteiligte Partei jeweils: X in Y), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid vom wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom wurde dem Mitbeteiligten aufgrund der Anzeige des Eichamtes Innsbruck eine näher umschriebene Übertretung des § 43 Abs. 1 Maß- und Eichgesetz (MEG) zur Last gelegt und über ihn gemäß § 63 Abs. 1 MEG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- verhängt.
Aufgrund des gegen die Strafhöhe erhobenen Einspruches des Mitbeteiligten erließ die BH den Bescheid vom , mit dem sie gemäß § 21 VStG von der Verhängung der Geldstrafe absah und dem Mitbeteiligten eine Ermahnung erteilte. Laut aktenkundigem Rückschein wurde dieser Bescheid dem Mitbeteiligten am zugestellt.
Gegen den letztgenannten Bescheid erhob das Eichamt Innsbruck mit Schreiben vom Berufung und führte aus, dass ihm dieser Bescheid am zugestellt worden sei. Die Berufung wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe gegenständlich nicht erfüllt seien.
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof erstangefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Eichamtes als unzulässig zurück. Begründend stellte die belangte Behörde fest, die Zustellung des Bescheides vom an den Mitbeteiligten sei am mittels Zustellnachweis (RSb) erfolgt. Eine Nachfrage bei der Erstbehörde habe aber ergeben, dass dem Eichamt Innsbruck der Bescheid vom "lediglich einfach postalisch" und nicht nachweislich übermittelt worden sei. Da gemäß § 24 VStG iVm § 22 AVG auch die Zustellung an das Eichamt mittels Zustellnachweis bzw. zu eigenen Handen hätte erfolgen müssen, sei nach Ansicht der belangten Behörde der Bescheid vom rechtlich noch nicht existent, sodass die dagegen erhobene Berufung des Eichamtes als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Daraufhin stellte die BH ihren Bescheid vom dem Eichamt Innsbruck am neuerlich - nunmehr mit Zustellnachweis - zu. Gegen diesen Bescheid erhob das Eichamt Innsbruck mit Schriftsatz vom neuerlich Berufung (die inhaltlich gleichlautend wie die genannte Berufung vom begründet wurde).
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof zweitangefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung vom als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde - entgegen ihren Ausführungen im erstangefochtenen Bescheid (dieser stammte allerdings von einem anderen Organwalter der belangten Behörde) - davon aus, dass der Bescheid der BH vom bereits durch seine Zustellung an den Mitbeteiligten am erlassen worden sei, und dass auch die Zustellung dieses Bescheides an das Eichamt Innsbruck, wie von letzterem glaubhaft angegeben, am erfolgt sei. Durch die neuerliche, nunmehr nachweisliche Zustellung dieses Bescheides an das Eichamt Innsbruck am sei der Beginn der Berufungsfrist nicht neuerlich ausgelöst worden. Ausgehend von der Bescheidzustellung am sei die (neuerliche) Berufung des Eichamtes Innsbruck vom verspätet.
Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend erhob jeweils eine auf § 63 Abs. 2 MEG gestützte Amtsbeschwerde sowohl gegen den erstangefochtenen als auch gegen den zweitangefochtenen Bescheid, die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Gegenschriften wurden nicht erstattetet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese (gemäß § 63 Abs. 2 MEG zulässigen) Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dem Eichamt Innsbruck (als "Eichbehörde" im Sinne des § 32 Abs. 2 MEG) gemäß § 63 Abs. 2 MEG das Recht der Berufung gegen Straferkenntnisse oder die Verfügung der Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem MEG zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/04/0158, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Im vorliegenden Fall steht der Berufung des Eichamtes gegen den Bescheid vom nicht entgegen, dass mit diesem Bescheid gemäß § 21 VStG von der Verhängung der Geldstrafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wurde. Gegenständlich kann nämlich dahingestellt bleiben, ob der im VStG verwendete Begriff "Straferkenntnis" auch einen Bescheid umfassen kann, mit dem, wie hier, (bloß) eine Ermahnung erteilt wurde (diese Frage bejahend hinsichtlich des Begriffs "Straferkenntnis" in § 51 Abs. 7 VStG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0245). Entscheidend ist vielmehr, ob der Begriff "Straferkenntnis" - im Sinne des § 63 Abs. 2 MEG - auch Bescheide umfasst, mit denen eine Ermahnung erteilt wurde. Dafür spricht, dass der Zweck des Berufungsrechts der Eichbehörden nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (RV 367 BlgNR 18. GP, Seite 15) einerseits darin besteht, die Interessen des Bundes gegenüber der Nichtverfolgung von Verstößen des MEG zu wahren und andererseits "für einen verbesserten Schutz der Konsumenten gegen falsch anzeigende Messgeräte zu sorgen". Da diese Ziele nicht nur in Fällen der ungerechtfertigten Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren und ungerechtfertigt geringer Strafen, sondern ebenso im Falle des ungerechtfertigten (gänzlichen) Absehens von einer Strafe gefährdet wären, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe das Absehen von der Strafe bzw. das bloße Erteilen einer Ermahnung vom Berufungsrecht der Eichbehörden ausnehmen wollen.
Zum erstangefochtenen Bescheid:
Die belangte Behörde vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass der Bescheid der BH vom gegenüber dem Eichamt Innsbruck mangels (nachweislicher) Zustellung gemäß § 22 AVG rechtlich nicht existent geworden sei und daher vom Eichamt mit Berufung nicht habe bekämpft werden können.
Unstrittig (und durch den Verwaltungsakt belegt) ist jedenfalls, dass der genannte Bescheid vom dem Mitbeteiligten am zugestellt wurde. Zutreffend bringt die Beschwerde vor, dass schon deshalb der Bescheid vom dem Rechtsbestand angehörte und daher von den Eichbehörden ab Kenntniserlangung vom Bescheidinhalt mit Berufung bekämpft werden konnte (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0100, mwN).
Die belangte Behörde hat daher die Berufung des Eichamtes Innsbruck vom zu Unrecht zurückgewiesen, weshalb der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Zum zweitangefochtenen Bescheid:
Die Amtsbeschwerde wendet ein, dass über die erste Berufung des Eichamtes Innsbruck gegen den Bescheid vom nicht inhaltlich abgesprochen worden sei und es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, die zweite Berufung des Eichamtes gegen diesen Bescheid ihrem Wesen nach als Ergänzung der ersten Berufung zu werten. Damit wäre die zweite Berufung nicht als verspätet anzusehen und die belangte Behörde hätte eine meritorische Entscheidung treffen müssen.
In Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Eichamtes ist die belangte Behörde im zweitangefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass der Bescheid vom dem Eichamt Innsbruck bereits am zugestellt wurde. Die vom Eichamt gegen diesen Bescheid erhobene Berufung vom (nach der Aktenlage bei der Erstbehörde eingelangt am ) war, wie bereits dargelegt wurde, zulässig.
Vor diesem Hintergrund löste die neuerliche Zustellung (nunmehr mit Zustellnachweis) dieses Bescheides vom an das Eichamt Innsbruck am gemäß § 6 ZustG keine Rechtswirkungen aus. Da das Eichamt bereits mit der Berufung vom sein Berufungsrecht gegen den Bescheid vom konsumiert hat, war die weitere Berufung des Eichamtes Innsbruck vom (die im Übrigen mit jener vom inhaltsgleich ist) gegen diesen Bescheid unzulässig und wurde daher zutreffend zurückgewiesen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0100, und jenes vom , Zl. 2011/07/0120).
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am