VwGH vom 23.05.2014, 2012/04/0155

VwGH vom 23.05.2014, 2012/04/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des AK in P, vertreten durch Dr. Alois Autherith und Mag. Rainer Samek, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-09-0188, betreffend Vorschreibung von Vorkehrungen gemäß § 83 Abs. 3 GewO 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schreiben vom suchte die (damals noch:)

A M AG um Auflassung der hier verfahrensgegenständlichen Treibstofftankstelle an einem näher bezeichneten Standort an. In der dazu durchgeführten Verhandlung vom gab der Beschwerdeführer gemäß der Niederschrift an, dass er als Inhaber und letzter Betreiber der Anlage gelte und nicht vorhabe, die Anlage aufzulassen, sondern er habe diese nur vorübergehend außer Betrieb genommen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau wurden dem Beschwerdeführer daraufhin gemäß § 80 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) notwendige Vorkehrungen für die Betriebsunterbrechung bis längstens aufgetragen. Auf Grund von Verlängerungsansuchen des Beschwerdeführers wurde die Betriebsunterbrechung - wiederum in Verbindung mit aufgetragenen Vorkehrungen - zuletzt bis längstens bewilligt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom wurden der (nunmehr:) A M GmbH in Liquidation (im Folgenden: A GmbH) unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom gemäß § 83 Abs. 3 GewO 1994 für die Auflassung der gegenständlichen Treibstofftankstelle näher umschriebene Vorkehrungen aufgetragen. Die erstinstanzliche Behörde verwies zur Qualifikation der A GmbH als Inhaberin der Betriebsanlage insbesondere darauf, dass diese Rechtsnachfolgerin der N Co GmbH sei, der im Jahr 1970 mehrere Genehmigungen für eine Treibstofftankstelle am hier gegenständlichen Standort erteilt worden seien. Demgegenüber sei die Inhaberschaft des Beschwerdeführers in den an ihn gerichteten Bescheiden im Zusammenhang mit der Betriebsunterbrechung falsch bewertet worden.

Dieser Bescheid wurde auf Grund der Berufung der A GmbH, in der diese angab, nicht sie, sondern der Beschwerdeführer sei Anlageninhaber der gegenständlichen Tankstelle, mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (im Folgenden: Behörde) vom ersatzlos behoben. In ihrer Begründung ging die Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer Pächter der Betriebsanlage sei und das faktische Geschehen in dieser bestimmen könne. Da sich der Inhaberbegriff des § 80 GewO 1994 nicht von demjenigen des § 83 GewO 1994 unterscheide und Adressat der Bescheide nach § 80 Abs. 1 GewO 1994 der Beschwerdeführer gewesen sei, könne die A GmbH nicht Anlageninhaberin der gegenständlichen Tankstelle sein.

Im weiteren Verfahren wurden sodann dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Krems an der Donau vom - unter Bezugnahme auf die in der Behebung des Bescheides vom durch die Behörde zum Ausdruck kommende Auffassung, dass der Beschwerdeführer Anlageninhaber sei -

die näher bezeichneten Vorkehrungen für die Auflassung der Treibstofftankstelle gemäß § 83 Abs. 3 GewO 1994 aufgetragen.

2. Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied die Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid dahingehend, dass ihm (statt zuvor elf) nur mehr sechs Vorkehrungen aufgetragen wurden.

Im Zuge der Wiedergabe des Verfahrensganges verwies die Behörde auf die Verhandlungsschrift über die am von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführte "Überprüfungsverhandlung", auf ein Besprechungsprotokoll vom (aufgenommen beim Magistrat der Stadt Krems an der Donau) und auf die Niederschrift über die am von der erstinstanzlichen Behörde (im ersten Verfahrensgang) durchgeführte Verhandlung. Weiters stellte die Behörde die Ergebnisse der von ihr am durchgeführten Berufungsverhandlung dar, in der insbesondere der Beschwerdeführer sowie ein Vertreter der A GmbH über die faktischen Vorgänge und die Wahrnehmung von Aufgaben auf der gegenständlichen Tankstelle befragt worden sind.

2.1. In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die Behörde aus, dass Adressat der aus der Auflassung der Betriebsanlage resultierenden Verpflichtungen der jeweilige Inhaber der Anlage sei. Die Rechtsfigur der Innehabung entstamme dem Zivilrecht, nach § 309 ABGB sei Inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame habe. Sowohl bei der Entscheidung der Behörde im ersten Verfahrensgang vom als auch im Zuge der Berufungsverhandlung sei die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Inhaber der Betriebsanlage deutlich hervorgekommen. Der Beschwerdeführer verfüge selbst über eine Gewerbeberechtigung für den Betrieb einer Tankstelle und er beschäftige Mitarbeiter (auch) für die Durchführung der Betankungsvorgänge. Darüber hinaus sei er sowohl für etwaige Sicherheitsvorkehrungen als auch für die Sauberkeit des Areals verantwortlich. Der Beschwerdeführer scheine in den im erstinstanzlichen Akt einliegenden Verhandlungsprotokollen als Betreiber auf und er habe laut der Niederschrift über die Verhandlung vom bestätigt, Inhaber der Anlage zu sein. Weiters habe er um Verlängerung der Betriebsunterbrechung angesucht. Der Beschwerdeführer sei daher als Pächter und Inhaber der Betriebsanlage anzusehen und als solcher Adressat der Vorkehrungen iSd § 83 GewO 1994. 2.2. In weiterer Folge prüfte die Behörde noch, welche Maßnahmen inhaltlich von § 83 GewO 1994 gedeckt seien. Dabei gelangte die Behörde zum Ergebnis, dass einige der - durch die erstinstanzliche Behörde aufgetragenen - Vorkehrungen nicht dem Zweck dienten, die aus der Auflassung der Betriebsanlage resultierenden Einwirkungen auf die Umwelt zu beschränken. Diese Vorkehrungen seien daher nicht im Verfahren nach § 83 GewO 1994 vorzuschreiben gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, nicht Inhaber der gegenständlichen Betriebsanlage zu sein.

Die Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.

1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. § 83 GewO 1994 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 63/1997) lautet auszugsweise wie folgt:

" § 83 . (1) Beabsichtigt der Inhaber einer Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 die Auflassung seiner Anlage oder eines Teiles seiner Anlage, so hat er die notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung einer von der in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlage oder von dem in Auflassung begriffenen oder aufgelassenen Anlagenteil ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 zu treffen.

(2) Der Anlageninhaber hat den Beginn der Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde (Genehmigungsbehörde) vorher anzuzeigen.

(3) Reichen die vom Anlageninhaber gemäß Abs. 2 angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der jeweilige Inhaber der in Auflassung begriffenen Anlage oder der Anlage mit dem in Auflassung begriffenen Anlagenteil (auflassender Anlageninhaber) die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die Genehmigungsbehörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen.

..."

3. Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, die Behörde sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer Inhaber der gegenständlichen Treibstofftankstelle sei. Der Beschwerdeführer habe das faktische Geschehen auf der Betriebsanlage nicht beeinflussen können, weil er lediglich Verwalter der Anlage sei. Dies sei auch einem zivilrechtlichen Urteil zu entnehmen, in dem über Wertminderungsansprüche in Bezug auf Kontaminierungen auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück abgesprochen und festgehalten worden sei, dass der Beschwerdeführer die Tankstellenanlage "aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der (...) als Stationär betrieben (habe), und zwar auf Provisionsbasis".

Darüber hinaus sei Bescheidadressat hinsichtlich der Errichtung der Betriebsanlage und Bestandnehmer der Liegenschaft die N Co GmbH gewesen, deren derzeitiger Rechtsnachfolger die A GmbH sei. Die A GmbH habe auch bis zuletzt den Bestandzins an die Grundeigentümer entrichtet. Nach dem Inhalt des - zwar nicht schriftlich abgeschlossenen, aber praktisch umgesetzten und somit mündlich abgeschlossenen - Vertrages zwischen der A GmbH und dem Beschwerdeführer sei die A GmbH für die Betriebsanlage der Tankstelle "zuständig", der Beschwerdeführer habe keine Verfügungsgewalt über die Betriebsanlage im Tankstellenbereich gehabt, er habe lediglich die Treibstoffe der A GmbH auf Provisionsbasis verkauft. Die Behörde sei zwar zutreffender Weise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Reifenhandel und das Gastronomiegewerbe betrieben habe, jedoch könne daraus nicht geschlossen werden, dass er Pächter der gesamten Tankstellenbetriebsanlage sei. Die A GmbH (bzw. ihr Rechtsvorgänger) sei auch Adressat aller die Tankstelle betreffenden Genehmigungen gewesen und sie habe am gemäß § 83 GewO 1994 den Antrag zur Auflassung der Betriebsanlage gestellt. Daran könne auch nichts ändern, dass der Beschwerdeführer in Unkenntnis der Rechtslage im Zuge einer Verhandlung am die Betriebsunterbrechung (statt einer Stilllegung der Betriebsanlage) beantragt habe und diesem Antrag ohne Prüfung der Inhabereigenschaft seitens der Behörde stattgegeben worden sei. In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde auch fehlende Feststellungen zur Qualifikation als Inhaber durch die Behörde.

Schließlich macht der Beschwerdeführer noch geltend, dass der angefochtene Bescheid in sich widersprüchlich sei, weil zwei der aufgetragenen Vorkehrungen einander ausschließen würden und nicht beide umgesetzt werden könnten.

4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Inhaber", wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (§ 309 ABGB). Zum Unterschied vom Besitzer bedarf der Inhaber des sogenannten Eigentümerwillens nicht. Solcherart ist unter anderem auch der Bestandnehmer vom Inhaberbegriff eingeschlossen. Es kommt somit darauf an, wer die Betriebsanlage "betreibt". Mit dem "Inhaber" wird daher der Fall der unmittelbaren Innehabung (im Wesentlichen Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens) angesprochen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/04/0170, mwN, bzw. vom , Zl. 2000/04/0197).

Normadressat eines bescheidmäßigen Auftrags nach § 83 Abs. 3 GewO 1994 ist der Inhaber der Anlage, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1994 zutreffen. Als solcher kann nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat. Unter "Auflassung der Anlage" im Sinn des § 83 GewO 1994 ist die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch den Inhaber zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/04/0169).

5. Die belangte Behörde hat - ausgehend von diesen Vorgaben - geprüft, wer die in einer Tankstelle herkömmlichen Vorgänge, wie das Auftanken von bzw. Serviceleistungen für Kraftfahrzeuge, organisatorische Vorgänge und die Überprüfung von Sicherheitsmaßnahmen, leitet. Den unbestrittenen Angaben des Beschwerdeführers zufolge beschäftigte er Mitarbeiter in der Betriebsanlage, die (u.a.) unter seiner Anweisung Betankungsvorgänge durchgeführt haben. Die Reinigung des Tankstellenareals sowie diverse Sicherheitsvorkehrungen, wie die Bereitstellung von Feuerlöscher, Ölbindemittel und Erste-Hilfe-Kasten, wurden ebenfalls vom Beschwerdeführer durchgeführt. Es ist zwar für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn die Behörde diese Umstände als Indizien dafür wertete, dass der Beschwerdeführer das faktische Geschehen auf der Betriebsanlage (zumindest in bestimmtem Ausmaß) mitbestimmen konnte. Die dargestellten Aufgabenbereiche und Tätigkeiten, die typische Vorgänge auf der Tankstelle betrafen, lassen Rückschlüsse auf die Eigenschaft als Betreiber einer Anlage bzw. darauf zu, wer Einfluss auf das faktische Geschehen in der Betriebsanlage hatte.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit der Bestimmung des faktischen Geschehens auf einer Betriebsanlage im vorliegenden Fall auch durch das Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der A GmbH determiniert wird. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer - bereits im Verwaltungsverfahren - vorgebracht, aus dem Vertrag ergebe sich, dass er keinerlei Verfügungsgewalt über die Betriebsanlage im Tankstellenbereich habe und dass er lediglich "Verwalter" der gegenständlichen Tankstelle gewesen sei. Feststellungen zum Inhalt der vertraglichen Ausgestaltung der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und der A GmbH sowie zu den darin jeweils eingeräumten Möglichkeiten der Einflussnahme auf das faktische Geschehen (beinhaltend auch die Möglichkeit, die Betriebsanlage zu ändern oder aufzulassen) bzw. zur Frage, inwieweit es sich bei diesem Vertragsverhältnis um ein Pachtverhältnis gehandelt hat, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht (der als Grundlage genannte Vertragsentwurf ist - soweit ersichtlich - im vorgelegten Verwaltungsakt auch nicht vollständig vorhanden). Weiters fehlen Feststellungen dahingehend, wer Auflassungshandlungen im dargestellten Sinn gesetzt hat.

6. Da es die Behörde somit unterlassen hat, Feststellungen zu treffen, die für die Frage der Qualifikation als Inhaber der gegenständlichen Betriebsanlage relevant sind, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Novelle BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am