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VwGH vom 27.02.2019, Ra 2016/04/0103

VwGH vom 27.02.2019, Ra 2016/04/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der a GmbH in W, vertreten durch MMag. Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zlen. LVwG-840100/16/KI/IH/BHu und LVwG- 840104/6/KI/IH/BHu, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. E GmbH in L, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14, 2. R GmbH in P, vertreten durch die Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rockhgasse 6/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1.1. Mit Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vom wurde von der erstmitbeteiligten Partei (Auftraggeberin) das Vorhaben "Fernwärme R (...) - Heizcontainer mit Erdgasbetrieb" als Bauauftrag im Verhandlungsverfahren im Sektorenbereich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben.

Die Ausschreibungsunterlagen sahen zur Angebotsbeurteilung drei Kriterien (einschließlich ihrer Gewichtung) vor, nämlich "Kosten für Ersatz- und Verschleißteile für drei Jahre" mit 70 %, "Angebotene Technik: Thermischer Wirkungsgrad des Kessels, Minimumleistung der Kesselanlage, Emissionswerte" mit 15 % und "Übereinstimmung des Angebots mit den Bedingungen der Ausschreibung, insbesondere betreffend Haftung, Schadenersatz, Vertragsstrafen" mit 15 %.

2 Die Revisionswerberin und die zweitmitbeteiligte Partei (sowie fünf weitere Bieter) legten jeweils ein Angebot.

3 Die Auftraggeberin teilte mit E-Mail vom mit, dass nach eingehender Prüfung sämtlicher Unterlagen die Zuschlagsentscheidung zugunsten des Angebots der zweitmitbeteiligten Partei getroffen worden sei.

Auf Anfrage der Revisionswerberin gab die Auftraggeberin folgende Gewichtung der einzelnen Kriterien, nach denen der Auftrag vergeben worden sei, bekannt:

  • Angebot, Kosten für Ersatz- und Verschleißteile für drei Jahre: 70 %

  • Thermischer Wirkungsgrad des Kessels: 9 %

  • Minimumleistung der Kesselanlage: 5 %

  • Emissionswerte: 1 %

  • Übereinstimmung des Angebots mit den Bedingungen der Ausschreibung: 15 %

  • Zudem wurde der Revisionswerberin mitgeteilt, dass sie hinsichtlich der Kriterien "Angebot, Kosten für Ersatz- und Verschleißteile für drei Jahre" 69,7 von 70, "Thermischer Wirkungsgrad des Kessels" 6 von 9, "Minimumleistung der Kesselanlage" 3,8 von 5, "Emissionswerte" 1 von 1 und "Übereinstimmung des Angebots mit den Bedingungen der Ausschreibung" 15 von 15 Punkten erhalten habe, was eine Gesamtpunkteanzahl von 95,5 Punkten ergebe.

  • 4 1.2. Diese Zuschlagsentscheidung wurde nach Durchführung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens für nichtig erklärt. Mit neuerlicher Zuschlagsentscheidung vom teilte die Revisionswerberin mit, dass dem Angebot der zweitmitbeteiligten Partei (mit Kessel V) als Bestbieterin nach Ablauf der Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden solle.

  • 5 Mit der Zuschlagsentscheidung wurde die Bewertung der Kriterien offengelegt. Hinsichtlich des Kriteriums "Angebotene Technik" (maximal zu vergebende Punkte: 15) stellte sich diese wie folgt dar:

  • Subkriterium "Thermischer Wirkungsgrad des Kessels" (maximal zu vergebende Punkte: 5):

  • Revisionswerberin: 2,0 Punkte

  • Mitbeteiligte Partei: 2,0 Punkte

  • - Subkriterium "Minimumleistung der Kesselanlage" (maximal zu vergebende Punkte: 5):

  • Revisionswerberin: 3,8 Punkte

  • Mitbeteiligte Partei: 5,0 Punkte

  • - Subkriterium "Emissionswerte" (maximal zu vergebende Punkte: 5):

  • Revisionswerberin: 5,0 Punkte

  • Mitbeteiligte Partei: 5,0 Punkte

  • 6 2.1. Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) den Antrag der Revisionswerberin, die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom für nichtig zu erklären, ab und sprach aus, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Erkenntnis). Unter einem wurde der Antrag der Revisionswerberin, die nachträglich erfolgte Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskriterien hinsichtlich des Kriteriums "Angebotene Technik (Subkriterien Thermischer Wirkungsgrad des Kessels, Minimumleistung der Kesselanlage, Emissionswerte)" und/oder hinsichtlich Preis für nichtig zu erklären, als unzulässig zurückgewiesen (Beschluss). Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils für unzulässig.

  • 7 2.2. In der Begründung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass die Ausschreibung nicht angefochten und daher bestandfest geworden sei. Auf Grund der Höhe des Auftragswertes kämen die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich zur Anwendung. Die Angebote der zweitmitbeteiligten Partei seien nicht unter gesonderter Auspreisung eingereicht und auch nicht als Haupt- und Alternativangebot oder Abänderungsangebot ausdrücklich bezeichnet worden. Die bestandfeste Ausschreibung lasse sowohl Alternativangebote als auch Abänderungsangebote zu. Die zweitmitbeteiligte Partei habe ihre Angebote bzw. ihr Angebot nicht als Alternativ- bzw. Abänderungsangebot gekennzeichnet und keine gesonderten Preisblätter erstellt. Vielmehr sei nur ein Preisblatt mit einem Gesamtangebotspreis eingereicht und das Angebot mit zwei verschiedenen Kesselsystemen erstellt worden. Da die zweitmitbeteiligte Partei lediglich Bieterlücken ausgefüllt und sohin keinen alternativen Leistungsvorschlag eingebracht habe, sei von zwei Hauptangeboten auszugehen, wobei aber nur ein Preisblatt vorliege und daher nur zu einem Gesamtangebotspreis angeboten worden sei. Es könne von zwei zulässigen Hauptangeboten ausgegangen werden, weil eine Manipulationsabsicht des Bieters und eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht hervorgetreten sei.

  • 8 Aus der "Beurteilung - Evaluierung - Letztpreisangebote" gehe hervor, dass sowohl die Kriterien als auch Subkriterien von der Auftraggeberin nicht geändert worden seien. Entgegen der Ausschreibungsunterlage, aus der lediglich eine Gewichtung der Hauptkriterien, nicht jedoch der Subkriterien ersichtlich sei, seien beim zweiten Hauptkriterium "Angebotene Technik" die drei Subkriterien mit jeweils fünf Punkten gewichtet worden. Diese Gewichtung gehe aus der Ausschreibungsunterlage nicht hervor und sei daher für den Bieter nicht ersichtlich gewesen. Sie widerspreche auch der bei der erstmalig vorgenommenen Evaluierung zugedachten Gewichtung von neun Punkten zu fünf Punkten zu einem Punkt. Es liege jedoch eine dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-532/06 entsprechende Konstellation vor, bei der die nachträgliche Gewichtung von Subkriterien ausnahmsweise zulässig sei. Die Änderung der Gewichtung der Subkriterien sei zudem für die Bewertung des Angebots der Revisionswerberin und somit für den Ausgang des Vergabeverfahrens nicht von Relevanz gewesen.

  • 9 Zur Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der nachträglichen Festlegung der Gewichtung bestimmter Zuschlagskriterien führte das Verwaltungsgericht aus, dass nur sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist gesondert anfechtbare Entscheidungen seien. Dies gelte nicht für Festlegungen nach der Zuschlagsentscheidung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Zuschlagsentscheidung die letzte gesondert anfechtbare Entscheidung im Vergabeverfahren.

  • 10 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

  • 11 Die Auftraggeberin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

  • II.

2.1. Die Revisionswerberin macht geltend, die angefochtene Entscheidung widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EuGH, wonach es unionsrechtlich unzulässig sei, Gewichtungsregeln oder Unterkriterien für Zuschlagskriterien bei der Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots anzuwenden, die nicht in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung enthalten seien. Die vom Verwaltungsgericht getroffene Annahme, es liege im Ermessen des Auftraggebers, die Bedeutung der einzelnen Zuschlagskriterien auch im Nachhinein festzulegen, verstoße gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil dann nicht mehr die Ausschreibung und die darin in ihrer Bedeutung festgelegten und den Bietern bekannt gegebenen Kriterien für die Zuschlagsentscheidung maßgeblich seien. Die angefochtene Entscheidung verstoße auch gegen die Vergabegrundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz, weil den potentiellen Bietern zum Zeitpunkt der Vorbereitung ihrer Angebote alle Kriterien, die vom Auftraggeber bei der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots berücksichtigt werden, und - wenn möglich - deren relative Bedeutung bekannt sein müssten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssten die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung im Verhältnis zueinander aus den Ausschreibungsunterlagen deutlich erkennbar sein. Eine nachträgliche Verschiebung der Gewichtung der Zuschlagskriterien im Verhältnis zueinander im Rahmen der Bewertung der Angebote sei demnach ausgeschlossen (Bezug: ).

13 2.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen der Gegenstand öffentlicher Aufträge sowie die Kriterien für ihre Vergabe vom Beginn des Verfahrens über die Vergabe dieser Aufträge an klar bestimmt sein. Ein öffentlicher Auftraggeber darf hinsichtlich der Zuschlagskriterien keine Unterkriterien anwenden, die er den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat. Außerdem muss sich der Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten (vgl. TNS Dimarso NV, C-6/15, Rn. 23, mwN). In dem - sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von der Revisionswerberin ins Treffen geführten - Urteil vom , Lianakis AE, C-532/06, Rn. 38 und 42, hat der EuGH entschieden, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich keine Gewichtungsregeln anwenden darf, die er den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat. Es muss insbesondere vom Beginn des Vergabeverfahrens an klar festgelegt sein, wie die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet werden, damit die Bieter objektiv feststellen können, welches Gewicht ein Zuschlagskriterium gegenüber einem anderen hat, wenn der öffentliche Auftraggeber sie später bewertet. Außerdem darf die Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien während des gesamten Verfahrens nicht verändert werden (vgl. EuGH C-6/15, Rn. 25).

14 Der EuGH hat es allerdings für zulässig erachtet, dass ein öffentlicher Auftraggeber nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Angeboten Gewichtungskoeffizienten für die Unterkriterien, die im Wesentlichen den Kriterien entsprechen, die den Bietern vorher zur Kenntnis gebracht wurden, festlegt, und zwar unter drei Voraussetzungen, nämlich dass diese nachträgliche Festlegung erstens die in den Ausschreibungsunterlagen bestimmten Zuschlagskriterien nicht ändert, zweitens nichts enthält, was, wenn es bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen wäre, diese Vorbereitung hätte beeinflussen können, und drittens nicht unter Berücksichtigung von Umständen gewählt wurde, die einen der Bieter diskriminieren konnten (vgl. EuGH C-532/06, Rn. 42 f, sowie ATI EAC, C-331/04, Rn. 32).

15 2.3. Im vorliegenden Fall waren in den Ausschreibungsunterlagen neben den drei Zuschlagskriterien und deren Gewichtungskoeffizienten auch die Subkriterien des zweiten Zuschlagskriteriums angegeben. Die Gewichtungskoeffizienten für die Subkriterien wurden jedoch erst nachträglich festgelegt. Folglich gilt es zu prüfen, ob die für eine solche Vorgehensweise notwendigen Voraussetzungen, wie sie der EuGH in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung verlangt, erfüllt sind.

16 Dass durch die nachträgliche Festlegung der Gewichtungskoeffizienten für die Subkriterien die in den Ausschreibungsunterlagen bestimmten Zuschlagskriterien für den Auftrag nicht verändert wurden, steht fest. Die von der Auftraggeberin vorgenommene Gewichtung der drei näher bezeichneten Subkriterien mit jeweils fünf Punkten erfolgte innerhalb des (mit 15 Punkten bewerteten) zweiten Hauptkriteriums "Angebotene Technik" und wirkte sich so nicht auf die beiden anderen Hauptkriterien aus.

17 Die nachträgliche Festlegung der Gewichtungskoeffizienten für die drei Subkriterien mit jeweils fünf Punkten enthält zudem nichts, was, wenn es bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen wäre, die Vorbereitung der Revisionswerberin hätte beeinflussen können. Ein solcher Umstand wird von der Revisionswerberin auch nicht mit ihrem allgemeinen Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht aufgezeigt, wonach sie für den Fall, dass die drei Subkriterien jeweils gleichwertig bewertet würden, ein anderes Angebot gelegt hätte, um noch mehr Punkte erzielen zu können. Gegen diese Behauptung spricht zudem, dass die Revisionswerberin - wie ihr vom Verwaltungsgericht bereits vorgehalten wurde - beim gegenständlichen zweiten Zuschlagskriterium sowohl bei einer Punkteaufteilung von neun Punkten zu fünf Punkten zu einem Punkt als auch bei einer Punkteaufteilung zu jeweils fünf Punkten das gleiche Ergebnis, nämlich 10,8 Punkte, erreichte. Soweit die Revisionswerberin in ihrem Fall eine willkürliche Bewertung des zweiten Subkriteriums ("Minimumleistung der Kesselanlage") behauptet und dabei moniert, hier nur 3,8 Punkte erhalten zu haben, kommt es darauf in Zusammenhang mit der hier aufgeworfenen Frage nicht an, weil hinsichtlich dieses Subkriteriums bei beiden Gewichtungsvarianten jeweils fünf Punkte zu vergeben waren.

18 Ausgehend davon ist die nachträgliche Gewichtung der Subkriterien auch nicht in einer Weise erfolgt, die einen der Bieter diskriminieren konnte. Es wird weder von der Revisionswerberin dargetan noch ist ersichtlich, inwieweit die Bewertung der drei Subkriterien mit jeweils fünf Punkten im vorliegenden Fall zu einer Ungleichbehandlung der Bieter hätte führen können.

19 3.1. In der Revision wird weiters gerügt, die mitbeteiligte Partei habe das idente Angebot einmal mit B-Geräten und einmal mit V-Geräten angeboten. Die beiden Hauptangebote wären deshalb auszuscheiden gewesen. Das Verwaltungsgericht sei in diesem Fall jedoch von einem Ermessen der Auftraggeberin ausgegangen, ob von einem entsprechenden Ausscheidensgrund Gebrauch gemacht werde oder nicht. Die besondere Relevanz für den vorliegenden Fall sei immanent, weil bei Ausscheiden der Angebote der zweitmitbeteiligten Partei die Revisionswerberin mit ihrem Angebot den Zuschlag erhalten müsste.

20 3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits aus der Zusammenschau der Begriffsbestimmungen der Z 1 ("Abänderungsangebote"), Z 2 ("Alternativangebote") und Z 3 ("Angebote") des § 2 BVergG 2006 abgeleitet hat, ist die Legung zweier der Ausschreibung entsprechender Angebote, die sich nur im Preis unterscheiden, vergaberechtlich nicht zulässig (vgl. ). Dies lässt sich damit begründen, dass der Bieter hier versuchen könnte, je nach Ergebnis der Angebotsöffnung sein niedrigstes Angebot entweder zB wegen Unterpreisigkeit ausscheiden zu lassen oder es als zu wertendes Angebot darzustellen (vgl. Schramm/Öhler in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar (2009) § 20 (Exkurs) Rz. 2).

21 Davon unterschieden werden im Schrifttum die Angebote eines Bieters, die einen bewertungsrelevanten Unterschied auch in der angebotenen Leistung aufweisen. Das setzt voraus, dass der Bieter auf Grund der Ausschreibung den Leistungsgegenstand (oder Teile davon) selbst festlegen kann und die Qualität dieser selbst festgelegten Leistung im Rahmen der Bestbieterermittlung bewertet wird. In einem solchen Fall sind beide Angebote vom Auftraggeber zu prüfen und anhand der Zuschlagskriterien zu bewerten (vgl. Feuchtmüller in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015) Rz. 1327).

22 3.3. Im vorliegenden Fall hat die mitbeteiligte Partei ihr Angebot mit zwei verschiedenen Kesselsystemen erstellt und dieses mit einem Preisblatt und einem Gesamtangebotspreis eingereicht. Entgegen dem Revisionsvorbringen liegen somit nicht zwei Angebote eines Bieter vor, die sich nur im Preis unterscheiden und deshalb nach der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung auszuscheiden wären. Dass den Bietern bei der Wahl des Kesselsystems kein Spielraum zukam, wird in der Revision nicht behauptet.

Dem Verwaltungsgericht kann vielmehr nicht entgegen getreten werden, wenn es von zwei Angeboten der zweitmitbeteiligten Partei ausgegangen ist, die einen bewertungsrelevanten Unterschied in der angebotenen Leistung aufweisen und die somit von der Auftraggeberin anhand der Zuschlagskriterien zu bewerten waren; dies auch vor dem Hintergrund, dass ein Sektorenauftraggeber im Unterschwellenbereich gemäß § 269 Abs. 2 BVergG 2006 Angebote aus den in Abs. 1 leg. cit. genannten Gründen ausscheiden kann, dies aber nicht tun muss (vgl. Stempkowski/Holzinger in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015) Rz. 1830).

23 4.1. Die Revisionswerberin wendet sich schließlich gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Nichtigerklärung der nachträglichen Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskritierien hinsichtlich des Kriteriums "Angebote Technik". Diese sei rechtswidrig erfolgt, weil es sich um eine mit der letzten Zuschlagsentscheidung (gesondert) anfechtbare Entscheidung handle. Die Festlegung der neuen Gewichtung der Subkriterien sei vor der nunmehr angefochtenen (zweiten) Zuschlagsentscheidung zustande gekommen.

24 4.2. Nach dem Konzept des BVergG 2006 können nur die in § 2 Z 16 lit. a leg. cit. taxativ aufgezählten gesondert anfechtbaren Entscheidungen mit einem eigenständigen Nachprüfungsantrag angefochten und für nichtig erklärt werden (vgl. noch zum BVergG 2002: ). Anträge, die sich gegen nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen richten, sind - so ausdrücklich § 322 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 - unzulässig.

25 § 2 Z 16 lit. b BVergG 2006 sieht vielmehr vor, dass nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen nur in dem gegen die ihnen nächstfolgende gesondert anfechtbare Entscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag angefochten werden können. Die Rechtswidrigkeit einer nicht gesondert anfechtbaren Entscheidung belastet somit die nächstfolgende gesondert anfechtbare Entscheidung ebenfalls mit Rechtswidrigkeit und ist durch Nichtigerklärung dieser gesondert anfechtbaren Entscheidung zu beseitigen (vgl. Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006 - Kommentar (2012) § 312 Rz. 130). Eine zusätzliche ausdrückliche Anfechtung der nicht gesondert anfechtbaren Entscheidung kommt hingegen nicht in Betracht, was durch § 312 Abs. 2 Z 2 und § 325 Abs. 1 BVergG 2006 ausdrücklich klargestellt ist (vgl. Walter in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht4 (2015) Rz. 2118).

26 Gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006 sind im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung gesondert anfechtbare nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen die Ausschreibung, die Nicht-Zulassung zur Teilnahme, die Aufforderung zur Angebotsabgabe, sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist, das Ausscheiden eines Angebotes, die Widerrufsentscheidung und die Zuschlagsentscheidung.

27 4.3. Die von der Auftraggeberin nachträglich vorgenommene Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskritierien hinsichtlich des Kriteriums "Angebote Technik" bildet deshalb keine gesondert anfechtbare nach außen in Erscheinung tretende Entscheidung im Sinn des § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006, weil eine - hier ausschließlich in Betracht kommende - "sonstige Festlegung" während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist erfolgen muss. Die gegenständliche Festlegung der Auftraggeberin trat hingegen erst mit der Zuschlagsentscheidung und somit nach Ablauf der Verhandlungsphase bzw. der Angebotsfrist nach außen in Erscheinung.

28 Eine allfällige Rechtswidrigkeit der nachträglichen Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskritierien konnte von der Revisionswerberin - wie im vorliegenden Fall auch tatsächlich geschehen - dadurch geltend gemacht werden, dass die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung begehrt wurde und dabei - im Rahmen der Beschwerdepunkte und der Begründung - die Rechtswidrigkeit dieser nachträglichen Festlegung geltend gemacht wurde (vgl. ).

29 Die Zurückweisung des Antrages der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der nachträglichen Festlegung der Gewichtung der Zuschlagskritierien hinsichtlich des Kriteriums "Angebote Technik" erfolgte daher zu Recht.

30 5. Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016040103.L00

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