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VwGH vom 05.07.2004, 2004/14/0040

VwGH vom 05.07.2004, 2004/14/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der A F in E, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Michael-Gaismair-Straße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0554-I/02, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom gab das Finanzamt einem Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführerin über rund EUR 60.000,-- insofern nur teilweise Folge, als ein Betrag von rund EUR 19.000,--

im Zusammenhang mit nachgelassenen Bankverbindlichkeiten durch Abschreibung nachgesehen wurde. Mit rechtskräftiger Berufungsvorentscheidung vom wurde eine dagegen erhobene Berufung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass eine weitergehende Nachsicht nicht vertretbar sei.

In der Folge leitete das Finanzamt hinsichtlich der verbliebenen und nicht entrichteten Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Beschwerdeführerin Exekutionsmaßnahmen ein.

Mit Schriftsatz vom schilderte die Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt ihre finanzielle Situation dahin, dass von einem Pensionseinkommen von vormals EUR 1.199,-- EUR 605,-- gepfändet würden. In diesen EUR 605,-- "stecke" ein Sachbezugswert von EUR 290,-- für ihr Wohnrecht im Hotel ihrer Tochter. Die Wohnung, auf die sich dieses Wohnrecht beziehe, habe die Beschwerdeführerin mit einem Kredit in Höhe von EUR 33.000,-- saniert. Die Kosten für diesen Kredit beliefen sich auf EUR 450,--pro Monat. Weiters habe sie eine Krankenversicherung und eine Autoversicherung, deren Kosten sich insgesamt auf rund EUR 3.000,-- jährlich beliefen. Die Kosten für die Kranken- und Autoversicherung würden von ihrer Tochter getragen, da der Beschwerdeführerin von ihrer Pension nach Abzug der Pfändung und des Kredites nur mehr EUR 144,-- blieben. In der Folge machte die Beschwerdeführerin den "Vorschlag", dass sie eine einmalige Zahlung von EUR 10.000,-- leiste, für welche wiederum ihre Tochter einen Kredit aufnehmen müsse, und obige Pfändung wäre "damit erledigt".

Das Finanzamt wertete diese Eingabe als neuerliches Nachsichtsansuchen und wies dieses mit Bescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Rückzahlung des Bankkredites für die Wohnungssanierung und die Prämienzahlungsverpflichtungen keinen Anspruch auf eine Nachsichtsgewährung begründeten. Im Übrigen würde auf die Erledigungen vom und vom verwiesen.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin über 72 Jahre alt sei und den Hotelbetrieb über Jahrzehnte hinweg mit unermüdlichem Einsatz geführt habe. Ungeachtet dessen hätten insbesondere die ständig gestiegenen Kosten der Betriebsführung sowie die Zinsentwicklung zu einer massiven Überschuldung des Unternehmens geführt, sodass die Beschwerdeführerin letztlich nicht einmal mehr die Kreditzinsen, geschweige denn die Kredite selbst habe bedienen können. Schließlich habe sie den Betrieb im Jahr 2000 veräußern müssen, wobei ihr ein Sanierungsgewinn nur auf Grund der unzulänglichen steuerlichen Beratung zugerechnet worden sei. Es verstehe sich von selbst, dass der Beschwerdeführerin dieser Sanierungsgewinn "lediglich bescheidmäßig", ihr aber niemals "das dieser Berechnung zugrunde liegende Einkommen zugeflossen" sei. Obwohl die Beschwerdeführerin zeitlebens hart gearbeitet und eine enorme Steuerleistung erbracht habe, sei ihr nunmehriges Pensionseinkommen sehr bescheiden. Durch die Steuereinhebung werde die Beschwerdeführerin auf ein derart niedriges Existenzniveau gedrückt, dass ihre Existenz mehr als gefährdet sei. Das wirtschaftliche Missverhältnis zwischen der Abgabeneinhebung und den bei der Beschwerdeführerin entstehenden Nachteilen sei evident, die persönliche Unbilligkeit damit gegeben. Eine sachliche Unbilligkeit werde von der Rechtsprechung insbesondere dann angenommen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei der Sinn und Zweck der Besteuerung eines Sanierungsgewinnes "keineswegs darin gelegen, die hierauf entfallende Steuer im Wege einer Pensionspfändung einzuheben, wenn die betreffende Person auf Grund ihres Alters und der Überschuldung ihren Betrieb veräußern müsse und auf Grund einer unrichtigen steuerlichen Beratung vor einem buchmäßigen Sanierungsgewinn" stehe. Es werde daher beantragt, "alle Abgabenschulden" der Beschwerdeführerin nachzusehen und die Einkommensteuer für 2000 rückzuerstatten, soweit diese zwangsweise eingebracht worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend wies die belangte Behörde zunächst darauf hin, dass das Finanzamt den Antrag vom zu Recht in sachliche Behandlung genommen und nicht wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen habe, weil die Beschwerdeführerin neue Umstände, nämlich eine existenzbedrohende Finanzlage insbesondere im Hinblick auf ihre Kreditrückzahlungsverpflichtung geltend gemacht habe.

In der Folge wies die belangte Behörde allerdings darauf hin, dass die von der Beschwerdeführerin aufgezeigten neuen Aspekte nichts an der bisherigen Beurteilung des Falles zu ändern vermöchten. Mit dem Vorbringen, dass das Einkommen der Beschwerdeführerin zur Hereinbringung der gegenständlichen Abgabenschuld in dem vom Gesetz vorgegebenen Umfang gepfändet werde, sodass ihr nur mehr die unpfändbaren Teile der Pensionsbezüge verblieben, zeige sie eine persönliche Unbilligkeit nicht auf, weil vom sich ergebenden Existenzminimum angenommen werden müsse, dass der Verpflichtete damit seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten kann. Durch die laufende Pensionspfändung könne die offene Abgabenforderung innerhalb eines Zeitraumes von drei bis vier Jahren eingebracht werden. Auch eine sachlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liege nicht vor, weil die steuerliche Erfassung einer Betriebsvermögenserhöhung infolge Wegfalles von Verbindlichkeiten im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage darstelle, wobei die Steuerbelastung ihrer Ursache nicht in der Abgabeneinhebung, sondern in der Konzeption der Besteuerung der betrieblichen Einkünfte habe. Mit der nicht näher konkretisierten Behauptung, der Ausweis eines buchmäßigen Sanierungsgewinnes sei auf eine unzulängliche steuerliche Beratung zurückzuführen, mache die Beschwerdeführerin im Ergebnis Umstände geltend, die den Bereich der abgabenrechtlichen Gestaltungsfreiheit tangierten. Hierauf brauche aber nicht näher eingegangen zu werden, weil das Verfahren nach § 236 Abs. 1 BAO nicht dazu diene, die aus einer bestimmten Gestaltung folgende Abgabenvorschreibung im Hinblick auf eine allenfalls vorteilhaftere Alternative zu korrigieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift behauptete Verspätung der Beschwerde nicht zu erkennen ist. Gemäß § 103 Abs. 2 BAO in der ab geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2003, BGBl. I 124/2003, ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber nur dann unwirksam, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen, oder ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird. Ob - wie die belangte Behörde meint - unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 103 Abs. 2 BAO in der Fassung vor dem genannten Abgabenänderungsgesetz eine "ausreichende" Zustellungsbevollmächtigung für den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführerin vorlag, ist daher im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Jahr 2004 nicht weiter von Bedeutung. Dass die von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte Zustellungsbevollmächtigung des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine der in § 103 Abs. 2 BAO in der geltenden Fassung normierten Einschränkungen erfahren hätte, behauptet die belangte Behörde nicht und ist auch aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht erkennbar.

Unberechtigt ist das Beschwerdevorbringen, es handle sich beim angefochtenen Bescheid nicht um einen formell wirksamen Bescheid, weil zwar das Briefpapier des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, Senat 3, verwendet, der gegenständliche Bescheid aber "lediglich durch den bearbeitenden Referenten" unterfertigt worden sei. Aus der Unterfertigung sei aber nicht ersichtlich, ob tatsächlich der unabhängige Finanzsenat den gegenständlichen Bescheid erlassen habe.

Gemäß § 282 Abs. 1 BAO in der Fassung Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I 2002/97, obliegt die Entscheidung über Berufungen namens des Berufungssenates dem Referenten (§ 270 Abs. 3), außer 1. in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) wird die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt oder

2. der Referent verlangt, dass der gesamte Berufungssenat zu entscheiden hat. Gegenständlich behauptet weder die Beschwerdeführerin, dass sie eine Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt oder der Referent eine solche verlangt habe, noch ist solches den Verwaltungsakten zu entnehmen.

Aber auch mit ihrem Vorbringen, die rechtliche Wertung des Berufungsentscheides sei nicht haltbar, weil die Beschwerdeführerin lediglich eine kleine Rente beziehe, und es ihr nicht zuzumuten sei, "den Rest ihres Lebens auf das Existenzminimum gepfändet zu sein und monatlich eine Abgabenschuld zu begleichen, die lediglich formell auf dem Papier bestehe und deren Vorteile die Beschwerdeführerin niemals lukriert hat", zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0155). Solche wirtschaftlichen Auswirkungen behauptet die Beschwerdeführerin mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen nicht. Sie zeigt aber auch nicht auf, inwiefern gegenständlich (auch vor dem Hintergrund der bereits mit Bescheid vom teilweise nachgesehenen Abgabenschuld) eine Abgabenschuld zu begleichen ist, die - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - lediglich "formell auf dem Papier" besteht. Unverständlich ist sowohl das ausdrückliche Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe die Vorteile der Abgabenschuld niemals lukriert, aber auch der Versuch, mit diesem Vorbringen allenfalls zum Ausdruck zu bringen, die Beschwerdeführerin habe keine Vorteile aus dem Nachlass der entsprechenden Bankverbindlichkeiten gehabt.

Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am