VwGH vom 21.01.2010, 2009/18/0503
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M Y, geboren am , vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/436838/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich eingereist, wo er am einen Asylantrag gestellt habe, der im Instanzenzug mit rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland sei für zulässig erklärt worden. Über eine dagegen erhobene Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof im März 2009 den Beschluss gefasst, diese nicht weiter zu behandeln.
Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer u.a. ausgesagt, dass in der Türkei seine Mutter, seine Ehefrau und seine zwei Kinder lebten. In Österreich wäre ein Bruder aufhältig. Diesbezüglich sei in der gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid vom erhobenen Berufung ergänzt worden, dass auch der Neffe und die Schwägerin des Beschwerdeführers (laut zentralem Melderegister unter derselben Adresse wie der Beschwerdeführer) in Österreich wohnhaft wären. Alle drei Verwandte wären österreichische Staatsbürger.
Der Beschwerdeführer sei ab insgesamt nur ca. vier Monate lang - zuletzt bis - in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, wobei "die Gesetzmäßigkeit offen bleibt (vgl. § 33 Abs. 1 NAG)".
Nach Hinweis auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom und sein Berufungsvorbringen sowie § 53 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer, der nicht mehr als Asylwerber gelte, seit Anfang 2009 fast zehn Monate lang unrechtmäßig in Österreich aufhalte.
Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG seien sein ca. achtjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, der nur auf einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz beruht habe und die letzten zehn Monate überhaupt unrechtmäßig sei, und sein Familienleben in Österreich (im Sinn der obigen Sachverhaltsdarstellung) maßgeblich gewesen. Dieses Familienleben sei jedoch in einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer des unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen. Der Beschwerdeführer sei strafrechtlich (gemeint: im strafgerichtlichen Sinn) unbescholten, er weise jedoch eine verwaltungsbehördliche Vorstrafe (Geldstrafe über EUR 40,-- vom gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG) wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet auf. Eine berufliche Integration des Beschwerdeführers liege nicht vor. Bindungen in seinem Heimatstaat dürften insoweit bestehen, als dort seine Mutter, seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder lebten.
Die so vorzunehmende Abwägung falle auch unter Berücksichtigung der Nahebeziehung zu seinen in Österreich lebenden Verwandten zu seinem Nachteil aus. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung aller genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen persönlichen Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die durch den unrechtmäßigen Aufenthalt und "eine gerichtliche Vorstrafe" (offensichtlich gemeint: die obgenannte verwaltungsbehördliche Vorstrafe) empfindlich verletzte öffentliche Ordnung und das damit verbundene öffentliche Interesse an der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers seien über dessen persönliche bzw. private Interessen an einem weiteren inländischen Aufenthalt zu stellen.
In Bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen (§ 43 NAG) habe die belangte Behörde am gemäß § 44b NAG eine negative Stellungnahme abgegeben, sodass von einer Antragsabweisung auszugehen sei. Der bloße Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels habe eine "Aufenthaltserlaubnis" nicht herstellen können.
Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die Behörde zugelassen hätten, seien nicht vorgebracht worden und hätten nicht erkannt werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei, wobei vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird, dass ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bzw. des § 66 Abs. 1 und 2 FPG (idF des BGBl. I Nr. 29/2009) und bringt vor, dass der als rechtmäßig einzustufende achtjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seine Integration in Österreich aufzeige. Wenn von der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung ausgeführt werde, dass der Beschwerdeführer eine gerichtliche Vorstrafe aufweise, so sei dies aktenwidrig, sei doch im angefochtenen Bescheid an anderer Stelle festgestellt worden, dass er strafrechtlich unbescholten sei und nur eine verwaltungsrechtliche Strafe über ihn verhängt worden sei, der nur eine unbedeutende Rolle zukomme. Wenn die belangte Behörde weiters auf eine negative Stellungnahme gemäß § 44b NAG zum Antrag "auf humanitäre Gründe" hinweise, so zeige dies, dass der Beschwerdeführer bemüht gewesen sei, einen "rechtlichen Aufenthaltsstatus" zu schaffen. Eine berufliche Integration des Beschwerdeführers (im Bundesgebiet) liege bereits deshalb vor, weil er nachweisen haben können, dass er rechtmäßig in Österreich gearbeitet habe. Auch sei nicht ausreichend beachtet worden, dass drei seiner Verwandten österreichische Staatsbürger seien.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG und des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Oktober 2001 und die in seinem Berufungsvorbringen ins Treffen geführten Bindungen zu seinem Bruder, seiner Schwägerin und seinem Neffen, die hier wohnhaft und österreichische Staatsbürger seien, berücksichtigt. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt nach seiner illegalen Einreise im Oktober 2001 nur auf Grund des von ihm gestellten Asylantrages vorläufig berechtigt war und seit der rechtskräftigen negativen Beendigung des Asylverfahrens unberechtigt ist. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass in der Türkei die Mutter, die Ehefrau und die beiden Kinder des Beschwerdeführers leben und dass er ab insgesamt nur ca. vier Monate lang - zuletzt bis - in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden ist. Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet - trotz der verhältnismäßig langen Dauer seines inländischen Aufenthaltes - kein allzu großes Gewicht zu.
Wenn die Beschwerde ins Treffen führt, dass in den Ausführungen der belangten Behörde im Rahmen der Interessenabwägung die Rede davon sei, dass auch eine "gerichtliche Vorstrafe" die öffentliche Ordnung verletze, so ergibt sich aus den dazu im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den für eine Interessenabwägung maßgeblichen Kriterien zweifelsfrei, dass die belangte Behörde von der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ausgegangen ist und ihm lediglich eine verwaltungsrechtliche Bestrafung angelastet hat, sodass es sich bei dem dazu in Widerspruch stehenden Hinweis auf eine "gerichtliche" Vorstrafe um ein offenkundiges Versehen der belangten Behörde bei der Bescheidabfassung handelt.
Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2007/18/0261, und vom , Zl. 2009/22/0163, mwN). Dieses große öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt maßgeblich beeinträchtigt. Die Anhängigkeit eines Verfahrens über einen vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen steht der Erlassung einer Ausweisung hiebei nicht entgegen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0424, mwN).
Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0138, mwN) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung der vorliegenden Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegensteht, begegnet daher keinem Einwand.
3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei. Es ergeben sich auch keine besonderen Umstände, die eine Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten. Die in der Beschwerde angesprochene Stellung eines Antrages zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen stellt hiebei keinen Umstand im genannten Sinn dar.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am