VwGH vom 24.02.2004, 2004/14/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der Gges.m.b.H. in R, vertreten durch Dr. Edith Egger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Gänsbacherstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0231-I/03, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2000 und 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Gegenstand des Unternehmens der im Oktober 1999 gegründeten beschwerdeführenden GmbH ist die Führung von Hotelbetrieben und Tourismusgeschäften. Auf Grund eines abgeschlossenen Pachtvertrages betrieb die Beschwerdeführerin unter anderem das Schlosshotel M.
In den im April 2003 erlassenen Umsatzsteuerbescheiden wurden - abweichend von den eingereichten Erklärungen - die unter dem Titel "nicht steuerbarer Schadenersatz für Nichtbelegung" erhaltenen Zahlungen von (brutto) rund 6,4 Mio (2000) und rund 4,1 Mio (2001) Schilling als steuerbare Entgelte eingestuft. Begründend wurde auf die Niederschrift über das Ergebnis einer Umsatzsteuersonderprüfung hingewiesen, in welcher ausgeführt worden war, dass die Beschwerdeführerin ein Kontingent von 60 Zimmern dem italienischen Reisebüro V. überlassen habe. Dieses habe das ausschließliche "Vertriebsrecht" bezüglich der Belegung der Zimmer erworben und laut Vertrag eine "Belegzahl von 20.000 Nächtigungen pro Jahr" garantiert. Unabhängig von dieser Belegung seien fix vereinbarte Entgelte (drei mal 500 Mio Lire) zu leisten gewesen. Die Bezahlung von Stornogebühren oder Schadenersatz für Nichtbelegung sei nicht vereinbart worden. Nach Ansicht des Prüfungsorganes handle es sich daher um reine Mietzahlungen, die zur Gänze der Umsatzsteuer unterlägen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen. Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Umsatzsteuer gemäß § 1 Abs. 1 UStG 1994 unter anderem die Lieferungen und sonstigen Leistungen unterlägen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführe. Das Umsatzsteuerrecht kenne den Begriff des Schadenersatzes nicht. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung komme es allein darauf an, ob einer Leistung eine Gegenleistung des Leistungsempfängers gegenüberstehe, also ein Leistungsaustausch stattfinde. Der echte (nicht steuerbare) Schadenersatz werde nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten habe, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen habe. Es sei daher in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob ein Leistungsaustausch oder "echter" Schadenersatz vorliege. Die Beschwerdeführerin vertrete die Ansicht, dass die rechnerische Differenz zwischen den in den Jahren 2000 und 2001 vertraglich vereinbarten und vereinnahmten Entgelten und den Entgelten laut tatsächlicher Belegung eine Art Stornogebühr, einen Schadenersatz oder ein Pönale darstellen könne. Ferner sei im Streitfall das Erfüllungsgeschäft einzig in der Beherbergung von Gästen zu erblicken. Dieser Ansicht könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Nach der vorliegenden Übersetzung der Vereinbarung vom liege die Leistung der Beschwerdeführerin nicht einzig in der Beherbergung und Verpflegung der Gäste, sondern habe diese auch eine Leistung sui generis zu erbringen, die aus nachfolgenden Bestandteilen bestehe. Dem Reisebüro V. werde durch den gegenständlichen Vertrag das alleinige Belegungs- und Vermarktungsrecht hinsichtlich 60 der insgesamt 90 Zimmer des Hotelkomplexes M eingeräumt. Unter Belegungsrechten seien nach der im Vertrag vom (in der Folge nur Vertrag) getroffenen Definition "die Rechte auf den alleinberechtigten Genuss und die alleinberechtigte Nutzung der in Beilage 3 genannten Hotelzimmer sowie der in Beilage 4 genannten Dienstleistungen" zu verstehen. Dass es sich bei dem alleinigen Belegungs- und Vermarktungsrecht um eine Art "Gebietsschutz" handle, werde sogar von der Beschwerdeführerin bestätigt. Hinzu komme, dass durch den Vertrag auch die Nutzungsmöglichkeit der der Beschwerdeführerin verbleibenden 30 Zimmer stark eingeschränkt worden sei. Die Beschwerdeführerin könne diese Hotelzimmer nur außerhalb des deutschen, italienischen und österreichischen Marktes (bei Letzterem mit Wirksamkeit erst ab dem zweiten Vertragsjahr) frei vermarkten. Auch sei bei der Belegung dieser Zimmer eine Preisbindung dahingehend vereinbart worden, dass die von dem Reisebüro V. gegenüber der Kundschaft im Vertrag festgelegten Nächtigungsentgelte von der Beschwerdeführerin nicht unterschritten werden dürften. Dem Reisebüro V. sei hingegen die Möglichkeit auf Weitergabe ihrer Belegungsrechte innerhalb des eigenen Konzerns und an eigene Handelspartner eingeräumt worden. Durch den Vertrag habe sich die Beschwerdeführerin aber auch zur Einhaltung eines bestimmten Qualitätsstandards verpflichtet. Darüber hinaus habe sich die Beschwerdeführerin sogar noch verpflichtet, für den Fall des Unterschreitens des vereinbarten Qualitätsstandards den mit den Eigentümern des Hotels abgeschlossenen Pachtvertrag an das Reisebüro V. abzutreten. Ferner werde im Vertrag detailliert dargelegt, wie die Verpflegung der Gäste des Reisebüro V. auszusehen habe. Auch seien die Öffnungszeiten des Büros und der Bar sowie die von der Beschwerdeführerin zu erbringenden Leistungen im Bereich des Schwimmbades, des Zimmerservices sowie im Animations- und Sportbereich genau festgelegt worden. Dass der gegenständliche Vertrag ganz auf die Bedürfnisse der Kundschaft des Reisebüro V. ausgerichtet gewesen sei, werde auch durch die getroffenen Abreden verdeutlicht, wonach ein eigener Mitarbeiterstab des Reisebüro V. ständig im Hotel anwesend sei. Die Kosten der Unterbringung und der Verköstigung dieses Mitarbeiterstabes gingen zu Lasten der Beschwerdeführerin. Ferner habe sich die Beschwerdeführerin vertraglich verpflichtet, dem Mitarbeiterstab des Reisebüro V. zur Durchführung seiner Tätigkeiten alle Lokalitäten und die notwendige Ausstattung gratis und während der ganzen Vertragsdauer zur Verfügung zu stellen. Zu den Aufgaben des ständig anwesenden Mitarbeiterstabes des Reisebüro V. gehöre vor allem die Unterstützung des Personals und des Managements der Beschwerdeführerin im Bereich der Animation. Die Organisation, die Durchführung und die Kosten der Animationsprogramme habe jedoch die Beschwerdeführerin zu tragen. Nach Ansicht der belangten Behörde werde daher der Betrag von 1,5 Milliarden Lire für die vertraglich vereinbarte Leistung sui generis erbracht. Der Vertrag sei als atypischer Vertrag einzustufen, der vom typischen Beherbergungsvertrag abweiche. Beim typischen Beherbergungsvertrag werde durch die Zimmerbestellung des Gastes und die darauf folgende mündliche, telefonische oder schriftliche Zusage des Beherbergers ein zweiseitig verbindliches und entgeltliches Vertragsverhältnis, der Beherbergungsvertrag begründet. Bei diesem Vertragsverhältnis seien Buchungsstornierungen in der Regel nur nach Maßgabe der allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Durch den gegenständlichen Vertrag werde die Nutzungsmöglichkeit des Hotels durch die Beschwerdeführerin stark eingeschränkt. Das gesamte Vertragswerk sei darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Kundschaft des Reisebüro V. zu erfüllen. Dieses erlange durch den gegenständlichen Vertrag eine Stellung, die mit jener eines Pächters (zumindest hinsichtlich der ihm zugewiesenen 60 Zimmer) vergleichbar sei. Für eine derartige Betrachtungsweise spreche auch der Umstand, dass die Öffnungszeiten des Hotels in Bezug auf die Kundschaft des Reisebüro V. einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien festgelegt werde. In Anbetracht der aufgezeigten Umstände könne sich die belangte Behörde der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die rechnerische Differenz zwischen den in den Jahren 2000 und 2001 vertraglich vereinbarten und vereinnahmten Entgelten und den Entgelten laut tatsächlicher Belegung (wirtschaftlich betrachtet) nur eine Stornogebühr, eine Pönale oder einen Schadenersatz darstellen könne, nicht anschließen. Für die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht fänden sich keine Anhaltspunkte im Vertragstext.
Rücktrittsvereinbarungen würden im Beherbergungsgewerbe üblicherweise in Verbindung mit Stornogebühren festgelegt. Derartige Stornogebühren würden nach den in den Geschäftsbedingungen festgelegten Grundsätzen entweder pauschal oder nach dem tatsächlichen Kostenanfall erhoben. Auffallend sei weiters, dass im Vertrag Pönalzahlungen explizit geregelt seien. So sei beispielsweise eine Pönale bei nicht termingerechter Übergabe der Zimmer an das Reisebüro V. vereinbart worden. Nach Auffassung der belangten Behörde könne allein aus dem Umstand, dass eine Auslastungsgarantie und auch der Preis pro Nächtigung festgehalten worden sei, nicht geschlossen werden, dass die rechnerische Differenz vom vertraglich vereinbarten und vereinnahmten Entgelt auf das Entgelt laut tatsächlicher Belegung eine Stornogebühr darstelle. Die Vereinbarung von Nächtigungsentgelten sei nämlich auch im Hinblick auf die vereinbarte Preisbindung bezüglich der der Beschwerdeführerin verbleibenden 30 Hotelzimmer und für die an anderer Stelle vereinbarten Preissenkungen bedeutsam. Es treffe zu, dass im Vertrag zwar die Nächtigungsentgelte aufgelistet seien. Dennoch habe die Beschwerdeführerin für die vertraglich aufgezählten Leistungen ein Pauschalentgelt von 1,5 Milliarden Lire erhalten. Im Übrigen sei dem Reisebüro V. eine Option auf die alleinigen Belegungs- und Vermarktungsrechte für die restlichen 30 Zimmer eingeräumt worden. Auch sei für den Fall der Ausübung des Optionsrechtes eine pauschale Erhöhung des vertraglich vorgesehenen Entgeltes um 10 % und keine Entgeltzahlung nach abgerechneten Nächtigungen vereinbart worden. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, im Vertrag finde sich ein Hinweis dafür, dass es sich bei Unterschreiten der garantierten Nächtigungszahlen um einen Schadensfall handle, könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Die entsprechende Bestimmung regle lediglich die Verpflichtung der Beschwerdeführerin an der Vermarktung des Hotels bei Verringerung des Kundenstroms mitzuwirken. Diese Verpflichtung treffe die Beschwerdeführerin, um den Schaden aus der mangelnden Belegung zu vermindern. Der Umstand, dass durch die mangelnde Belegung ein Schaden im Vermögen des Reisebüro V. und nicht etwa der Beschwerdeführerin eintrete, könne nach Ansicht der belangten Behörde nicht dazu führen, dass Teile des vereinbarten Entgeltes für vertraglich im Vorhinein festgelegte Leistungen der Beschwerdeführerin als Schadenersatz zu werten seien. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin das vertraglich vereinbarte Entgelt für die Leistung sui generis laut Vertrag erhalte. Der Leistungsinhalt bzw. das Erfüllungsgeschäft sei im Wesentlichen in der Bereitstellung von 60 Zimmern sowie der Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit der verbleibenden 30 Zimmer zu erblicken. Das Entgelt unterliege daher zur Gänze der Umsatzsteuer.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, nur Umsätze für Leistungen, die in den Jahren 2000 und 2001 tatsächlich erbracht worden seien, versteuern zu müssen.
Zur Begründung der behaupteten Rechtsverletzung stützt sich die Beschwerdeführerin - vor dem Hintergrund, dass das Umsatzsteuerrecht auf dem Grundsatz des Leistungsaustausches beruhe, Gegenstand der Besteuerung das Erfüllungsgeschäft nicht aber das Verpflichtungsgeschäft sei, weshalb die Leistungserbringung maßgeblich sei, wenn das Erfüllungsgeschäft nicht mit dem Verpflichtungsgeschäft übereinstimme - vornehmlich darauf, dass im vorliegenden Fall das Erfüllungsgeschäft die Beherbergung der Gäste "und zwar jedes einzelnen Gastes" sei.
Dieses Vorbringen könnte vor dem Hintergrund, dass das Erfüllungsgeschäft mit dem Verpflichtungsgeschäft tatsächlich nicht übereinstimmt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nur begründen, wenn man davon ausginge, dass die Vereinbarungen des Vertrages, zumindest in dem Umfang, wie sie die belangte Behörde zur Widerlegung der bereits in der Berufung vertretenen Ansicht, das Erfüllungsgeschäft sei einzig in der Beherbergung der Gäste zu erblicken, verwendet hat, nicht eingehalten worden wären. Derartiges wird in der Beschwerde allerdings nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin stellt weder konkret in Abrede, dass die Vereinbarungen des Vertrages tatsächlich eingehalten wurden, noch sind der Beschwerde Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die belangte Behörde Beweismittel, die von der Beschwerdeführerin zur Erhärtung ihres - den Vereinbarungen des Vertrages widersprechenden - Standpunktes vorgebracht worden wären, unzutreffend gewürdigt hätte.
Die Ansicht der Beschwerdeführerin, "die Differenz zwischen den erbrachten Leistungen und dem bezahlten Betrag könne" eine Stornogebühr, einen Schadenersatz oder ein Pönale darstellen, wenn ein Reiseveranstalter einem Beherbergungsbetrieb eine gewisse Nächtigungsanzahl garantiert habe, der Preis pro Nächtigung festgesetzt worden sei, die tatsächlichen Beherbergungs- und Verpflegsleistungen aber den garantierten Umfang nicht erreicht hätten, mag abstrakt zutreffen. Die Beschwerdeführerin übersieht aber, dass sie sich im Beschwerdefall unbestritten zu wesentlich umfangreicheren, von der belangten Behörde detailliert angeführten Leistungen verpflichtet hat und sachverhaltbezogen auch nicht in Abrede gestellt wurde, dass diese Leistungen tatsächlich erbracht wurden. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Aneinanderreihung von Literaturstellen zu unterschiedlichen, im Beschwerdefall nicht gegebenen Sachverhalten die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzeigt.
Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, dass der gegenständliche Vertrag von italienischen Juristen in deren Sprache verfasst worden sei und im italienischen Rechtskreis manch verwendetes Wort eine andere Bedeutung habe als in der österreichischen Rechtsanwendung und gerade deshalb in der Vertragsauslegung vom "faktischen wirtschaftlichen" Gehalt der Vereinbarung auszugehen sei, zeigt sie damit nicht auf, dass im Beschwerdefall zwischen den Vertragsparteien etwas Anderes gewollt gewesen wäre, als dies in der Vertragsübersetzung zum Ausdruck gekommen ist. Auf den Umstand, dass die Vertragsparteien im Vertrag als "Käufer" und "Verkäufer" bezeichnet wurden, hat die belangte Behörde ihre Beurteilung in keiner Weise gestützt.
Die Beschwerdeführerin zeigt aber auch mit ihrer Rüge, es seien trotz ausgewiesener Zustellvollmacht Schriftstücke, insbesondere derart wichtige wie Berufungsvorentscheidungen nicht dem Bevollmächtigten, sondern ausschließlich der Beschwerdeführerin zugestellt worden, keine wesentliche Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid auf, weil sie nicht darstellt, inwiefern sie durch die behaupteten Zustellmängel in der Verfolgung ihrer Rechte gehindert worden wäre. Unbestritten ist, dass Anträge auf Entscheidung von Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtzeitig gestellt wurden. Hinsichtlich des angefochtenen Bescheides wurde ein Zustellmangel nicht gerügt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am