VwGH vom 29.01.2018, Ra 2016/04/0058
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des MMag. R K in W, vertreten durch die Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/1/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-021/021/6658/2015-17, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines bestimmt bezeichneten Vereins zu verantworten, dass dieser Verein mit der Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, durch Organisation des "Amarktes" in der Zeit von bis an einem näher bezeichneten Ort das Gewerbe "Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen (Eventmanagement)" ausgeübt habe, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, und über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 380,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt.
2 2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen das Straferkenntnis gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.
3 Der Verein habe die Organisation des Marktes selbständig im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 ausgeübt. Nach den Umständen des Falles sei von einer Wiederholungsabsicht gemäß § 1 Abs. 4 GewO 1994 und der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit auszugehen. Der Verein habe zudem im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung in der Absicht gehandelt, einen Ertrag zu erzielen, zumal die Einnahmen zur Kostendeckung für den Betrieb eines Benefizstandes verwendet worden seien. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung in eventu Abweisung der Revision.
6 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 4.1. Gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,00 zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
8 Nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.
9 Nach § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, bei Vereinen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist.
10 4.2. Die Revision begründet ihre Zulässigkeit zunächst mit dem Fehlen von Rechtsprechung zum Verhältnis von § 1 Abs. 6 GewO 1994 zu § 1 Abs. 2 GewO 1994.§ 1 Abs. 6 GewO 1994 stelle eine lex specialis dar, weshalb die Tätigkeit eines Vereins nur unter den dort normierten Voraussetzungen als gewerbsmäßig ausgeübt qualifiziert werden dürfe.
11 Dem ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass durch § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 das Merkmal der Ertragsabsicht gegenüber der allgemeinen Grundregel des § 1 Abs. 2 GewO 1994 weiter gefasst (vgl. RV 341 BlgNR 17. GP 31 f) wird, wobei die allgemeine Bestimmung des § 1 Abs. 2 GewO 1994 daneben weiterhin anwendbar ist (vgl. ).
12 4.3. Im Weiteren wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts von einer Ertragsabsicht des Vereins auszugehen sei. Die alleinige Tatsache, dass der Verein einen positiven Saldo erwirtschaftet habe, könne nämlich die Gewinnerzielungsabsicht nicht begründen. Vielmehr müsse beurteilt werden, wofür dieser Überschuss verwendet werde.
13 Die Revision ist wegen dieses Vorbringens zulässig und berechtigt.
14 4.3.1. Das Verwaltungsgericht erachtete den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GewO 1994 - im Hinblick auf die strittige Ertragsabsicht - als erfüllt, weil der Verein die Einnahmen aus dem Amarkt nicht alleine für die Organisation dieses Marktes verwendet habe, sondern auch Auslagen für die Benefizaktion bestritten habe.
15 4.3.2. Im Zusammenhang mit der Ertragsabsicht nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 kommt es nach der ständigen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, ob die von einem nach dem Vereinsgesetz 2002 konstituierten Verein entfaltete Tätigkeit der GewO 1994 unterliegt, nicht darauf an, ob der Verein tatsächlich Gewinn erzielt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Absicht besteht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Ist die Gebarung eines derartigen Vereins mit dem Bemühen verbunden, Auslagen gering zu halten oder unter Umständen zu vermeiden, und im Übrigen dahin ausgerichtet, Einnahmen lediglich in der Höhe der aus der Verwirklichung der ideellen Vereinszwecke zwangsläufig erwachsenden Auslagen zu erzielen, so liegt eine solche Ertragserzielungsabsicht nicht vor. Umgekehrt mangelt es aber nicht jeder Vereinstätigkeit, deren Erträgnisse der Verminderung des Gesamtaufwandes eines Vereines dienen, schon allein im Hinblick auf diese Eigenschaft an Gewerbsmäßigkeit. Entscheidend ist vielmehr, ob jene Vereinstätigkeit, in deren Rahmen Einkünfte erzielt werden, in der Absicht betrieben wird, einen mit dieser Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwand übersteigenden Ertrag zu erzielen. Eine Ertragserzielungsabsicht ist gegeben, wenn die einer gewerblichen Tätigkeit entsprechenden Geschäfte "in einer Weise abgeschlossen werden, welche die Möglichkeit der Erzielung eines Gewinnes offen lässt, und welche eben charakteristisch ist für den auf einen Gewinn abzielenden Betrieb einer Unternehmung" (vgl. , , und 0029 und , jeweils mwN).
16 Für die Beurteilung der Frage, wann eine getrennt zu beurteilende Tätigkeit vorliegt, deren Gewerbsmäßigkeit nach den oben angeführten Grundsätzen isoliert zu beurteilen ist, kann nach der Rechtsprechung darauf abgestellt werden, ob die Tätigkeit in Form einer selbständigen Unternehmung ausgeübt wird. Dies ist nach dem Gesamtbild der festgestellten wirtschaftlichen Momente zu beurteilen. Auch das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbetriebes, auf das in § 1 Abs. 6 GewO 1994 betreffen die Ertragsabsicht bei Tätigkeit von Vereinen ausdrücklich abstellt, sowie der Umstand, ob die Tätigkeit einem gesonderten Kundenkreis angeboten wird, ist zu berücksichtigen (vgl. wiederum , mwN).
17 4.3.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kommt dem Vorbringen der Revision, die Organisation und Abhaltung des Benefizstandes sei Teil der Organisation und Abhaltung des Anlassmarktes und sei untrennbar mit diesem verbunden, entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Ertragsabsicht zu. Für den Fall, dass der Benefizstand nach den unter Punkt 4.3.2. genannten Kriterien ausschließlich dem Zweck der Organisation des Anlassmarktes dient und als Teil des Marktes nicht als eigenständige gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren ist, ist der Betrieb dieses Standes und der damit in Zusammenhang stehende Aufwand als Teil der Vereinstätigkeit selbst anzusehen.
18 Vom Verwaltungsgericht wurden keine Feststellungen getroffen, die die Beurteilung ermöglichen, ob es sich bei dem Betrieb des Benefizstandes um eine getrennte Unternehmung oder um einen untrennbaren Teil der Organisation des Marktes im Rahmen der Vereinstätigkeit handelt. Insbesondere geht aus den Feststellungen auch nicht hervor, ob der Verein den Benefizstand selbst betreibt.
19 Hinsichtlich des erzielten Überschusses fehlen wiederum Feststellungen, die die Beurteilung erlauben, in welchem Ausmaß dieser zur Aufrechterhaltung der Vereinstätigkeit unabdingbar ist.
20 4.4. Damit fehlen die zur Überprüfung des Vorliegens der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung notwendigen Tatsachengrundlagen (sekundärer Feststellungsmangel). Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, ist es von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung abgewichen, weshalb der Revision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
21 4.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.