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VwGH vom 31.01.2013, 2012/04/0093

VwGH vom 31.01.2013, 2012/04/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X m.b.H. in Y, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-550313/40/Kü/Ba, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages nach dem Oö. VergRSG (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Amt der Oö Landesregierung, Landesstraßenverwaltung, in 4021 Linz, Bahnhofsplatz 1, weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0076, verwiesen. Demnach hat die mitbeteiligte Partei als Auftraggeber mit Schreiben vom eine Zuschlagsentscheidung betreffend die Vergabe von Straßenbauarbeiten zugunsten eines dritten Bieters als Billigstbieter getroffen. Der von der Beschwerdeführerin eingebrachte Nachprüfungsantrag, gerichtet auf Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen. Diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0076, der belangten Behörde (und nach der Beschwerde auch der Beschwerdeführerin) am zugestellt, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

In ihrem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom führte die Beschwerdeführerin aus, dass der Zuschlag offenbar bereits erteilt worden sei, sodass das Nachprüfungsverfahren unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Erkenntnis nunmehr als Feststellungsverfahren gemäß § 12 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006, LGBl. Nr. 136/2006 (Oö. VergRSG 2006), zu führen sei. Es werde daher (u.a.) die Feststellung beantragt, dass wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die dazu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wurde. Zudem wurde der Ersatz der von der Beschwerdeführerin entrichteten Pauschalgebühren beantragt.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Als Rechtsgrundlagen wurden § 12 Abs. 4, § 13 Abs. 1, § 24 und Art. II Abs. 2 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010, angeführt.

In der Begründung gelangte die belangte Behörde zusammengefasst aufgrund folgender Überlegungen zur Rechtsansicht, der Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin vom sei verspätet:

Strittig sei im vorliegenden Fall alleine die Frage, ob sich die Frist für den gegenständlichen Feststellungsantrag (§ 12 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006) nach der Stammfassung des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, oder nach der durch die Novelle LGBl. Nr. 68/2010 geänderten Fassung dieser Norm bestimme. Während die Stammfassung der letztgenannten Bestimmung eine Frist von sechs Monaten ab Kenntnis bzw. möglicher Kenntnis vom Zuschlag normiere, sehe § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 idF der Novelle LGBl. Nr. 68/2010 eine Frist von nur mehr sechs Wochen vor. Gegenständlich sei die Kenntnis von der erfolgten Zuschlagserteilung aufgrund der Veröffentlichung in einer näher genannten Internetseite ab Mai 2009 für jedermann möglich gewesen.

Die Beantwortung der zuvor genannten Frage richte sich nach der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 LGBl. Nr. 68/2010. Nach dieser Bestimmung seien "im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes beim unabhängigen Verwaltungssenat anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage fortzuführen".

Im vorliegenden Fall komme es daher darauf an, ob bei Inkrafttreten des LGBl. Nr. 68/2010 am das Verfahren über den Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde noch anhängig gewesen sei. Dies sei zu verneinen, weil die belangte Behörde diesen Nachprüfungsantrag bereits mit dem erwähnten Bescheid vom abgewiesen und damit das Nachprüfungsverfahren beendet habe. Die Aufhebung dieses Bescheides durch das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2007/04/0076, sei zwar rückwirkend erfolgt, doch komme eine Fortführung des Nachprüfungsverfahrens durch die belangte Behörde angesichts der zwischenzeitigen Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht.

Zusammengefasst sei - auch unter Bedachtnahme auf das aufhebende hg. Erkenntnis Zl. 2007/04/0076 - davon auszugehen, dass bei Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 68/2010 "kein Nachprüfungsverfahren mehr anhängig" gewesen sei, daher die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 LGBl. Nr. 68/2010 nicht greife und somit für den gegenständlichen Feststellungsantrag die sechswöchige Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 idF der Novelle LGBl. Nr. 68/2010 maßgebend sei. Da diese sechswöchige Frist gegenständlich mit der Zustellung des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am zu laufen begonnen habe (Nichteinrechnung der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in den Fristenlauf zufolge § 12 Abs. 4 letzter Satz Oö. VergRSG 2006), sei der erst am eingebrachte Feststellungsantrag verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erwogen:

Die Beschwerdeführerin vertritt in ihrer Beschwerde zusammengefasst den Standpunkt, für den gegenständlichen Feststellungsantrag gemäß § 12 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sei aufgrund der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 LGBl. Nr. 68/2010 die sechsmonatige Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, maßgebend und der Antrag daher rechtzeitig.

Die Beschwerde ist begründet.

Der hier maßgebende § 12 Abs. 4 des Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, der durch die Novelle LGBl. Nr. 68/2010

unverändert blieb, lautet:

"§ 12

Antrag auf Feststellung

(4) Wird während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, ist das Verfahren auf Antrag des Unternehmers bzw. der Unternehmerin, der bzw. die den Nachprüfungsantrag gestellt hat, als Feststellungsverfahren weiterzuführen. Dies gilt auch, wenn ein Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates über den Antrag auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung vom Verfassungsgerichtshof oder vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde und vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs oder des Verwaltungsgerichtshofs der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen worden ist. Bis zur Stellung eines Antrags gemäß dem ersten Satz ruht das Verfahren; wird bis zum Ablauf der Frist gemäß § 13 Abs. 1 kein Antrag im Sinn dieses Absatzes gestellt, ist das Verfahren formlos einzustellen. § 13 Abs. 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht einzurechnen ist."

§ 13 Abs. 1 des Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, lautete:

"§ 13

Fristen

(1) Das Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zuschlags, des Widerrufs oder der rechtswidrigen Wahl des Vergabeverfahrens erlischt, wenn der Antrag gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 bis 3 oder Abs. 4 nicht binnen sechs Monaten ab dem Zeitpunkt gestellt wird, in dem der Antragsteller bzw. die Antragstellerin vom Zuschlag, vom Widerruf bzw. von der rechtswidrigen Wahl des Vergabeverfahrens Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen können, längstens jedoch sechs Monate nach Zuschlagserteilung oder Widerruf des Vergabeverfahrens.

…"

§ 13 Abs. 1 des Oö. VergRSG 2006 in der mit in Kraft getretenen Fassung LGBl. Nr. 68/2010 lautet:

"§ 13

Fristen

(1) Anträge gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 und 5 sowie Abs. 4 sind binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller bzw. die Antragstellerin vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde."

Art. II des am kundgemachten

LGBl. Nr. 68/2010 lautet:

"Artikel II

(Anm: Übergangsrecht zur Nov. LGBl. Nr. 68/2010)

(1) Dieses Landesgesetz tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich in Kraft.

(2) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes beim unabhängigen Verwaltungssenat anhängige Verfahren sind nach der bisherigen Rechtslage fortzuführen."

Ausgehend vom eingangs zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2007/04/0076, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom (der seinerseits den Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen hatte) aufgehoben hat, stellt der nun verfahrensgegenständliche Feststellungantrag vom einen Antrag im Sinne des § 12 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 dar. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung ist daher für die Antragsfrist § 13 Abs. 1 leg. cit. maßgebend, wobei die Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht einzurechnen ist.

Die belangte Behörde ist daher im Hinblick auf die Erteilung des Zuschlages während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 gegenständlich erst mit der am erfolgten Zustellung des zitierten hg. Erkenntnisses, Zl. 2007/04/0076, zu laufen begonnen hat.

Strittig ist alleine die Frage, ob gegenständlich die sechsmonatige Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, zur Anwendung kommt (diesfalls wäre der am eingebrachte Feststellungsantrag rechtzeitig) oder, wie die belangte Behörde meint, die sechswöchige Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 idF der Novelle LGBl. Nr. 68/2010.

Entscheidend dafür ist die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 des LGBl. Nr. 68/2010, nach der die bisherige Rechtslage (somit u.a. die sechsmonatige Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006) für jene Verfahren weiter anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle () bei der belangten Behörde anhängig waren.

Auch wenn die belangte Behörde über den Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin bereits mit abweisend entschieden hatte, so ist das Verfahren zufolge der (ex-tunc wirkenden) Aufhebung dieses Bescheides durch das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2007/04/0076, als am bei der belangten Behörde anhängig anzusehen.

So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0139, zur insoweit vergleichbaren Übergangsbestimmung des § 38 Abs. 3 S.VKG 2007 ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall wurde der im ersten Rechtsgang ergangene Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem der Nachprüfungsantrag des Beschwerdeführers vom März 2004 in Anwendung des S.VKG 2002 abgewiesen worden war, mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0104, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG trat die Rechtssache dadurch in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die mit dieser Bestimmung angeordnete ex-tunc-Wirkung von aufhebenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes hat zur Folge, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0185, mwN). Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren ist daher so zu behandeln, als wäre es im Zeitpunkt des Inkrafttretens des S.VKG 2007 bei der belangten Behörde anhängig gewesen. Dass der Gesetzgeber mit der Übergangsvorschrift des § 38 Abs. 3 S.VKG 2007 eine davon abweichende (gegenüber dem § 42 Abs. 3 VwGG speziellere) Regelung schaffen wollte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Norm noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. RV 171 BlgLT 13. GP)."

Auch im vorliegenden Fall kann den Gesetzesmaterialien zur Novelle des Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 68/2010, (Beilage 214/2010 zu den Wortprotokollen des OÖ. Landtages XXVII.GP) nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber durch Art. II Abs. 2 leg. cit. eine von § 42 Abs. 3 VwGG abweichende Regelung schaffen wollte.

Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 (arg. "ruht das Verfahren" bzw. "ist das Verfahren formlos einzustellen"), dass aufgrund des aufhebenden Erkenntnisses eines Gerichtshofes des öffentlichen Rechts das Verfahren schon vor der bzw. ohne Einbringung eines Feststellungsantrages wieder anhängig ist.

Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall die Maßgeblichkeit der sechsmonatigen Frist des § 13 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006, zu Unrecht verneint.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am