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VwGH vom 21.01.2010, 2009/18/0479

VwGH vom 21.01.2010, 2009/18/0479

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, Hofrat Dr. Enzenhofer, Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des D P in W, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1669/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe eigenen Angaben zufolge seit 1968 in Deutschland gelebt und dort 11 Jahre die Schule besucht, die er als "Kaufmann" abgeschlossen habe. Am sei er nach Österreich eingereist und habe Sichtvermerke bis erhalten.

Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht, von der er - laut Ausführungen im angefochtenen Bescheid - am geschieden worden sei. (Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund seiner Angaben im Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gab der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom bekannt, dass seine Ehe zwar noch aufrecht sei, er jedoch seit eineinhalb Jahren von seiner Frau getrennt lebe und über ihren Aufenthaltsort nicht informiert sei.)

Nachdem der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zu einem unbekannten Zeitpunkt verlassen habe, sei er Anfang Jänner 1997 nach Österreich zurückgekehrt.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß den §§ 146, 147 Abs. 2, 298 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden, weil er am Angestellte einer näher genannten Firma unter Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Mietwagenkunde zu sein, zur Herausgabe eines Pkw im Wert von ca. S 350.000,-- verleitet habe, sowie am durch die polizeiliche Anzeige, der Pkw sei ihm gestohlen worden, einem Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht habe.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß der §§ 146, 147 Abs. 3 StGB zu einer Zusatzstrafe von sieben Monaten unbedingt rechtskräftig verurteilt worden, weil er am Bedienstete einer näher genannten Firma durch Auftreten als zahlungswilliger und -fähiger Telefonkunde zur Freischaltung dreier Rufnummern sowie am zusammen mit einem Mittäter Bedienstete verschiedener Firmen teilweise durch Angabe einer falschen Adresse, teils unter Vorgabe, der Mittäter sei ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Telefonkunde, zur Übergabe von vier SIM-Karten für gleichzeitig erworbene Mobiltelefone und zur Freischaltung der entsprechenden Anschlüsse verleitet habe.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden, weil er im Frühjahr 1998 einen slowenischen Reisepass verfälschen habe lassen, um bei entsprechenden Gelegenheiten über seine wahre Identität täuschen zu können. So habe er im Mai 1998 bei einer deutschen Bank ein Konto eröffnet, um sich mit auf das Konto gezogenen Euroschecks unberechtigt in den Besitz von Waren und Geldern zu versetzen. Dabei habe der Beschwerdeführer zahlreiche Transaktionen im Zeitraum von bis mit einem Gesamtschaden von mehreren DM 1.000,-- getätigt. Weiters habe er unter Vorlage eines gefälschten jugoslawischen Reisepasses bei einer deutschen Bank ein Girokonto eröffnet und unter Vorlage dieses Reisepasses zwei Verträge über die Zuweisung von Funktelefonnummern unterzeichnet, wobei durch das nicht gedeckte Konto ein Schaden von DM 1.374,-- entstanden sei. Am habe der Beschwerdeführer eine deutsche Bank dadurch geschädigt, dass er drei Euroschecks zu je DM 400,-- eingelöst habe. Außerdem habe er im Zeitraum vom bis in sechs Fällen die Scheckkarte bei Geldautomaten eingesetzt und versucht, dadurch einen weiteren Schaden in der Höhe von DM 3.000,-- zu verursachen. Auch mit einem gefälschten spanischen Reisepass habe der Beschwerdeführer versucht, bei insgesamt zehn Transaktionen im Frühjahr 2000 einen Schaden von ca. DM 6.500,-- zu verursachen.

Dadurch - so die belangte Behörde weiter - werde der in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Vermögensdelikten - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - (auch) im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Der Beschwerdeführer habe von 1985 bis 1997 in Österreich gelebt und das Bundesgebiet anschließend in Richtung Deutschland verlassen. Erst im Jahr 2003 sei er nach Österreich zurückgekehrt. "Trotz seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet" sei von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten und sohin im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das wiederkehrende (gleich gelagerte) strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seiner Gastländer einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne daher keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers gestellt werden. Dies umso weniger, als er seine Straftaten in einer Vielzahl von Angriffen in einem sehr kurzen Zeitraum mit hoher krimineller Energie gesetzt habe.

Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmen Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer insgesamt zwar ca. 19 Jahre, zuletzt jedoch lediglich ca. sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe bzw. aufhalte. Ungeachtet dessen könne er sich nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration seiner Person berufen, weil diese bereits durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Relativierung erfahre. Auch von einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers könne nicht ausgegangen werden, weil dieser schon in den Jahren 1988 bis 1996 und zuletzt von 2004 bis 2008 nur sporadisch einer Beschäftigung (als Arbeiter) bei wechselnden Arbeitgebern nachgegangen sei. Über familiäre Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei nichts bekannt.

Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen - insbesondere jene an der Einhaltung der strafrechtlichen Normen und der fremdenrechtlichen Vorschriften - gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des § 61 FPG stünden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ebenfalls nicht entgegen.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes betreffend erscheine nach Ansicht der belangten Behörde ein Ausspruch auf unbestimmte Zeit (unbefristet) angemessen. Wer, wie der Beschwerdeführer, zahlreiche Vermögensdelikte begehe, lasse nicht nur seine Geringschätzung, sondern vielmehr seine offenbare Negierung maßgeblicher, zum Rechtsschutz aufgestellter Vorschriften erkennen. In Anbetracht der durch sogenannte "Südosteuropäische Banden" verursachten ausufernden Eigentumskriminalität könne vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich gegen die im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG getroffene Verhaltensprognose der belangten Behörde und bringt vor, "das Urteil des LG für Strafsachen Wien" sei seit vielen Jahren getilgt und daher nicht geeignet, zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes herangezogen zu werden. Es sei auch nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer in Österreich sozial integriert und mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Was die Verurteilung durch das Landgericht Berlin betreffe, so liege diese auch schon 8 1/2 Jahre zurück, sodass auf Grund des langen seither vergangenen Zeitraums davon auszugehen sei, dass keine negative Verhaltensprognose vorliege. Ein Aufenthaltsverbot erscheine daher nicht mehr gerechtfertigt.

2. Dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer zuletzt mit Urteil des Landgerichts Berlin vom zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahre rechtskräftig verurteilt wurde, wodurch der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 3 zweiter Satz FPG erfüllt ist. Dass diese Verurteilung den Voraussetzungen des § 73 StGB nicht entspricht, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Beschwerde stellt auch nicht in Abrede, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1997 bis 2001 insgesamt dreimal unter anderem wegen schweren Betrugs, der Vortäuschung einer strafbaren Handlung und der Verwendung mehrerer gefälschter Reisepässe rechtskräftig verurteilt wurde. Demnach hat der Beschwerdeführer nach den oben (I.1.) wiedergegebenen, unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wiederholt versucht, sich durch Vortäuschen von Zahlungsfähigkeit und - willigkeit Vorteile zu verschaffen, bzw. unter Täuschung über seine wahre Identität und Verwendung gefälschter Reisepässe deutsche Bankinstitute bei einer Vielzahl von Tathandlungen um erhebliche Geldbeträge geschädigt. Der Beschwerdeführer hat seine Straftaten in einer Vielzahl von Angriffen in einem kurzen Zeitraum und mit hoher krimineller Energie ausgeführt. Durch dieses massive Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer in gravierender Weise gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Vermögensdelikte verstoßen.

Entgegen der Beschwerdeansicht durfte die belangte Behörde bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers auch das allenfalls bereits getilgten Verurteilungen zugrunde liegende strafbare Verhalten berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0409, mwN).

Falls der Beschwerdeführer - eigenen Angaben zufolge - mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet wäre, wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen müsste, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dabei könnten strafrechtliche Verurteilungen alleine nicht ohne Weiteres die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes begründen und wären vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig.

In Ansehung des genannten schwerwiegenden Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers wäre die im § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme jedoch auch gerechtfertigt. Dem - in der Beschwerde nicht aufgegriffenen - Umstand, dass die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG und nicht auch gesondert nach § 86 Abs. 1 leg. cit. beurteilt hat, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung zu (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0024, mwN). Die Beschwerde bestreitet auch nicht, dass der Beschwerdeführer am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert ist und während seines gesamten inländischen Aufenthaltes nur sporadisch einer Beschäftigung bei wechselnden Arbeitgebern nachgegangen ist. Somit sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Beschwerdeführer nicht neuerlich in einschlägiger Weise straffällig werden könnte. Im Hinblick auf die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers, die sich auch aus dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ergibt, erscheint der seit der letzten Verurteilung im Juli 2001 verstrichene Zeitraum jedenfalls nicht ausreichend, um einen Wegfall oder auch nur eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr anzunehmen.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hat die belangte Behörde die insgesamt sehr lange Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers, zuletzt jedoch lediglich seit ca. sechs Jahren berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Der Beschwerdeführer ist nicht in den Arbeitsmarkt integriert. Selbst wenn die Ehe noch aufrecht wäre, bestünde - eigenen Angaben zufolge - kein Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau. Sonstige familiäre Bindungen wurden nicht geltend gemacht.

Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die oben beschriebene, sich aus dem gravierenden Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer - trotz seines insgesamt sehr langen inländischen Aufenthaltes - dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, ist daher nicht zu beanstanden.

4. Ferner ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Fundstelle(n):
GAAAE-68812