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VwGH vom 12.09.2016, Ra 2016/04/0042

VwGH vom 12.09.2016, Ra 2016/04/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zlen. VGW-001/076/10735/2015-16, VGW- 001/076/10737/2015, VGW-001/076/10738/2015, betreffend Beschlagnahme in einem Verwaltungsstrafverfahren nach der GewO 1994 (Mitbeteiligter: A I in W, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Loquai-Platz 13/19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

Vorgeschichte

1 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ist der Mitbeteiligte gewerberechtlicher Geschäftsführer der K GmbH, welche an näher bezeichneten Standorten in Wien zur Ausübung des freien Gewerbes "Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und Bier in handelsüblich verschlossenen Gefäßen, jeweils beschränkt auf acht Verabreichungsplätze (Erscheinungsbild Würstelstand)" berechtigt ist.

2 Bei einer Kontrolle dieser Würstelstände sowie eines Lagers in Wien wurden alkoholische Getränke vorgefunden, vorläufig beschlagnahmt und eine Bescheinigung über die vorläufige Beschlagnahme an die K GmbH ausgestellt.

3 Mit Bescheiden jeweils vom wurde seitens der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin gemäß § 39 Abs. 1 VStG die Beschlagnahme dieser alkoholischen Getränke verfügt. Diese Bescheide waren an den Mitbeteiligten - nicht hingegen an die K GmbH als Eigentümerin der beschlagnahmten Waren - adressiert. Angefochtener Beschluss

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wurden die Beschwerden des Mitbeteiligten gegen die genannten Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen (I.) und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (II.).

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Feststellung des oben angeführten Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht aus, die vom Mitbeteiligten in Beschwerde gezogenen Beschlagnahmebescheide seien vor dem Hintergrund der zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Leere gegangen. Die Beschlagnahme von Gegenständen könne nur dem Eigentümer gegenüber ausgesprochen werden. Sei Eigentümer - wie hier - eine andere Person als der Beschuldigte des Verwaltungsstrafverfahrens, so könne eine lediglich dem Beschuldigten gegenüber ausgesprochene Beschlagnahme in dessen Rechtssphäre keine Auswirkung haben. Aus der fehlerhaften Adressierung der vorliegenden Beschlagnahmebescheide folge daher, dass dem Mitbeteiligten keine Beschwerdelegitimation zukomme, auch wenn die Bescheide vom an ihn ergangen seien. Der Beschwerdeführer sei nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt worden (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 93/02/0259).

Revision

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

In dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich das Verwaltungsgericht auf Rechtsprechung stütze, von welcher der Verwaltungsgerichtshof in späteren Entscheidungen abgegangen sei (Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 96/04/0215, sowie vom , 2009/02/0337).

7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

8 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht bringt zur Zulässigkeit ihrer Amtsrevision vor, das Verwaltungsgericht sei von der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach dem Beschuldigten des im Zusammenhang mit der Beschlagnahme von Verfallsgegenständen stehenden Verwaltungsstrafverfahrens jedenfalls das Recht zur Erhebung einer (nunmehr) Beschwerde gegen den Beschlagnahmebescheid ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse an den beschlagnahmten Gegenständen zukomme.

9 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Rechtslage

Verfall

10 Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen gemäß § 17 Abs. 1 VStG nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde.

Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

11 Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde gemäß § 39 Abs. 1 VStG zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen. Gewerberechtlicher Geschäftsführer

12 Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt, so sind gemäß § 370 Abs. 1 GewO 1994 Geld- oder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen. Beschlagnahme gegenüber dem gewerberechtlichen Geschäftsführer

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der Amtsrevisionswerberin zitierten Erkenntnis 96/04/0215 unter anderem festgehalten:

"Mit dem Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51 und 51e VStG als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, auch wenn der erstbehördliche Bescheid an den Beschwerdeführer adressiert und somit auch an ihn ergangen sei, sei seine dagegen erhobene Berufung nicht zulässig. Der Bescheid sei nämlich - ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit - ins Leere gegangen. Die Beschlagnahme von Gegenständen könne nur dem Eigentümer gegenüber ausgesprochen werden. Sei Eigentümer, wie hier, eine andere Person als der Beschuldigte des Verwaltungsstrafverfahrens, so könne eine lediglich dem Beschuldigten gegenüber ausgesprochene Beschlagnahme in dessen Rechtssphäre keine Auswirkungen haben. Aus der fehlerhaften Adressierung des Beschlagnahmebescheides folge keineswegs eine Berufungslegitimation. Daß auch der Eigentümer der betreffenden Gegenstände kein Berufungsrecht habe, folge daraus, daß der Bescheid gar nicht an ihn gerichtet gewesen sei.

...

Die belangte Behörde verkennt im vorliegenden Fall den normativen Gehalt des erstbehördlichen Bescheides, wenn sie meint, er sei deshalb ins Leere gegangen, weil die in Rede stehende Ringmappe mit Werbematerial nicht im Eigentum des Beschwerdeführers stehe. Eine Beschränkung der Wirksamkeit der im erstbehördlichen Bescheid ausgesprochenen Beschlagnahme lediglich auf den Fall, daß die gegenständliche Ringmappe mit Werbematerial im Eigentum des Beschwerdeführers steht, ist weder dem erstbehördlichen Bescheid unmittelbar zu entnehmen, noch ergibt sie sich aus dem Gesetz. Mit ihrer Rechtsansicht, da die Beschlagnahme von Gegenständen nur gegenüber dem Eigentümer ausgesprochen werden könne, sei der erstbehördliche Bescheid ins Leere gegangen, verkennt die belangte Behörde den Unterschied zwischen Rechtswirksamkeit und Rechtswidrigkeit.

Die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen nach § 39 Abs. 1 VStG ist Teil des Verwaltungsstrafverfahrens, in dem jedenfalls der Beschuldigte Parteistellung genießt. Es steht ihm daher - unabhängig von einem allfälligen Berufungsrecht des Sacheigentümers (vgl. den hg. Beschluß vom , Slg. N.F. Nr. 989/A und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/17/0034) - gemäß § 51 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 6 VStG das Recht der Berufung gegen den Beschlagnahmebescheid ohne Rücksicht darauf zu, ob er Eigentümer des beschlagnahmten Gegenstandes ist."

14 Diese (in Zusammenhang mit einer Übertretung der GewO 1994 ergangene) Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen fortgeführt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 96/04/0264, vom , 99/05/0039, vom , 2010/07/0041, vom , 2009/02/0337, und vom , 2009/02/0343).

15 Das vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte hg. Erkenntnis 93/02/0259, ist dagegen vereinzelt geblieben.

16 Das vom Verwaltungsgericht im Vorlagebericht angeführte hg. Erkenntnis vom , 2011/17/0112, ist vorliegend nicht einschlägig, da es wie die dort angeführte hg. Rechtsprechung alleine die Beschlagnahme nach § 53 Glücksspielgesetz (GSpG) betrifft.

17 Der Mitbeteiligte bringt vor, der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von den Konstellationen, die den von der Amtsrevisionswerberin zitierten hg. Erkenntnissen zu Grunde lagen, weil die Beschlagnahmebescheide nur gegenüber dem Mitbeteiligten als gewerberechtlichen Geschäftsführer ergangen seien, und verweist auf das hg. Erkenntnis vom , 96/02/0330, 0331. In dieser Entscheidung verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass der seiner Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit jenem vergleichbar ist, der dem Erkenntnis 93/02/0259 zu Grunde lag. Dieser Verweis ändert nichts daran, dass das Erkenntnis 93/02/0259 vereinzelt geblieben ist.

Was den vom Mitbeteiligten behaupteten Unterschied der Sachverhaltskonstellationen angeht, ist darauf hinzuweisen, dass auch dem Erkenntnis 96/04/0215 (wie die obige Wiedergabe zeigt) ein Sachverhalt zu Grunde lag, in der die Beschlagnahme lediglich dem Beschuldigten gegenüber ausgesprochen worden war. Gerade aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde den Unterschied zwischen Rechtswirksamkeit und Rechtswidrigkeit verkannt hat.

Wenn der Mitbeteiligte meinen sollte, der Beschlagnahmebescheid dürfte alleine gegenüber dem Eigentümer der beschlagnahmten Gegenstände erlassen werden, ist darauf hinzuweisen, dass § 17 Abs. 1 VStG auch den Verfall solcher Gegenstände vorsieht, die nicht im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen, wenn diese Gegenstände dem Täter oder Mitschuldigen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, dass die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/04/0187).

In diesem Sinne sieht § 370 Abs. 1 GewO 1994 seit der Novelle BGBl. I Nr. 42/2008 vor, dass Verfallsstrafen gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer zu verhängen sind. Die Materialien (AB 420 BlgNR 33. GP, 24) führen aus, dass die Verhängung einer Verfallsstrafe gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer ermöglicht werden soll, und gehen offenbar davon aus, dass mit der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers diesem iSd § 17 Abs. 1 VStG auch die entsprechenden Gegenstände vom Verfügungsberechtigten überlassen werden. Sohin bestehen keine Bedenken, den Verfall und damit verbunden auch die Beschlagnahme gegenüber dem gewerberechtlichen Geschäftsführer auszusprechen. Darauf hinzuweisen ist, dass sich aus § 17 VStG eine Parteistellung des vom Beschuldigten verschiedenen Eigentümers eines vom Verfall bedrohten Gegenstandes ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/04/0104 bis 0106, mwN).

Ergebnis

18 Aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Beschluss als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am