VwGH vom 25.03.2014, 2012/04/0033

VwGH vom 25.03.2014, 2012/04/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Lukasser und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des E H in G, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) vom , Zl. BMWFJ-556.100/0138-IV/5a/2010, betreffend zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten gemäß § 57 Gaswirtschaftsgesetz (mitbeteiligte Partei: E GmbH in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom wurde über den Antrag der mitbeteiligten Partei vom auf Enteignung durch Einräumung von Dienstbarkeiten wie folgt abgesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Spruch

I.

1. Die Errichtung, der dauernde Bestand und der sichere Betrieb sowie die Instandhaltung der von der (mitbeteiligten Partei) geplanten Erdgashochdruckleitung 'Süd 3 - Südschiene DN 800, Abschnitt (P. - S.)' auf der mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ-556.100/0058-IV/5a/2010 genehmigten Trasse sind im Interesse der öffentlichen Energieversorgung gelegen. Zur Sicherung des Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung der Leitung reicht die Einräumung von Dienstbarkeitsrechten iSd. § 57 Abs 3 GWG aus.

2. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend räumt gemäß §§ 57, 70 GWG iVm den Bestimmungen des Eisenbahn-Enteignungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954, zur Sicherung der Errichtung, des Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung der Erdgashochdruckleitung 'Süd 3 - Südschiene DN 800, Abschnitt (P. - S.)' der (mitbeteiligten Partei) und ihren allfälligen Rechtsnachfolgern zu Lasten der im bücherlichen Eigentum (des Beschwerdeführers) befindlichen Liegenschaften GSt-Nr. 59, inneliegend der Liegenschaft EZ 151, Grundbuch (R.), und GSt-Nr. 60, 62, 119 und 130, alle inneliegend der Liegenschaft EZ 21, Grundbuch (R.), im Enteignungswege nachfolgende Dienstbarkeiten ein:

a) Die Duldung der Errichtung, des Betriebs und des Bestandes einer Gasleitungsanlage samt allen Bestandteilen, wie sie mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend von , Zl. BMWFJ-556.100/0058-IV/5a/2010, genehmigt wurde, über die Grundstücke Nr. 59, inneliegend der EZ 151, sowie Nr. 60, 62, 119 und 130, alle inneliegend der EZ 21, jeweils Grundbuch (R.), wie in den einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Plänen NG-Plan Nr. 237-07 und NG-Plan Nr. 238- 07 (jeweils vom ) dargestellt;

b) die Duldung der Entfernung der diese Arbeiten sowie den sicheren Bestand der Anlage hindernden Sachen;


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c)
die Duldung der Überprüfung und Instandhaltung der Anlage;
d)
die Duldung des Betretens und Befahrens der genannten Grundstücke durch die hiezu bestellten Personen und Vertreter zu Zwecken der lit a) bis c);
e)
die Unterlassung sämtlicher Handlungen, die eine Beschädigung oder Störung der Anlage zur Folge haben könnten;
f)
die Unterlassung der Errichtung von Baulichkeiten aller Art und Vornahme von Aufgrabungen auf einem Streifen in der Breite von jeweils 4 m links und rechts der Anlage ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten,
g)
die Unterlassung des Pflanzens von Bäumen und tiefwurzelnden Gehölzen auf einem Streifen in der Breite von 2 m links und 2 m rechts der Anlage.
h)
Gleichzeitig wird der jeweilige Eigentümer der Grundstücke Nr. 59, inneliegend der EZ 151, sowie Nr. 60, 62, 119 und 130, alle inneliegend der EZ 21, jeweils Grundbuch (R.), sowie die durch die Dienstbarkeit beeinträchtigten Berechtigten, sofern sie Enteignete iSd § 4 Abs 2 zweiter Halbsatz EisbEG sind, verpflichtet, die grundbücherliche Einverleibung vorgenannter Dienstbarkeit aufgrund des zu erlassenden Bescheides zu dulden.
(...)
III.
Die in der Verhandlungsschrift, aufgenommen am im Gemeindeamt (R.), enthaltenen Anträge und Einwendungen (des Beschwerdeführers), vertreten durch RA Dr. Reinhard Schanda, über die bereits im Errichtungsbewilligungsverfahren entschieden wurde, werden gemäß § 68 Abs 1 AVG 1991 (...) zurückgewiesen.
Es handelt sich dabei insbesondere um die Vorbringen, o die Duldung der Errichtung der Gasleitungsanlage werde dazu
führen, dass die
Hausbrunnen , die über Aquifere auf den betroffenen Liegenschaften versorgt würden und die ihrerseits die Wohn- und Wirtschaftsgebäude (des Beschwerdeführers) versorgten, versiegen könnten. Dieser Eingriff sei irreversibel und unzumutbar. Daher müsse durch Bedingungen (nicht bloß durch Auflagen) sichergestellt werden, dass keinesfalls die Gefahr besteht, dass die Hausbrunnen beeinträchtigt werden. Bloße Beweissicherungen seien dazu nicht hinreichend, da sie den Schadenseintritt nicht verhindern könnten.
o Von der Leitung gehe eine Gefahr für Leib und Leben (des Beschwerdeführers) aus - insbesondere durch eine mögliche Explosion der Leitung, was insbesondere deshalb zu erwarten sei, weil die Leitung in der Erdbebenzone 4 liege.
(...)"
Mit weiteren Spruchpunkten des angefochten Bescheides (II., IV., V. und VI.) wurden (u.a.) der dem Beschwerdeführer zuerkannte Entschädigungsbetrag festgesetzt und die von der mitbeteiligten Partei zu tragenden Kosten bestimmt.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse - im Wesentlichen aus, mit dem von ihr erlassenen Bescheid vom sei der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum provisorischen Betrieb der Erdgashochdruckleitungsanlage "Süd 3 - Südschiene DN 800, Abschnitt (P. - S.)" rechtskräftig erteilt worden. Da mit dem Beschwerdeführer keine privatrechtliche Vereinbarung habe abgeschlossen werden können, habe die mitbeteiligte Partei die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeitsrechten gemäß § 57 Gaswirtschaftsgesetz (GWG) für diese Erdgashochdruckleitung auf den im Spruch angeführten im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücken beantragt.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, um einen zwangsweisen Eingriff in das Grundeigentum zu rechtfertigen. So müssten ein konkreter Bedarf gegeben sein, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liege, und das Objekt der Enteignung geeignet sein, diesen Bedarf zu decken; schließlich dürfe es nicht möglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken.
Dass die gegenständliche Erdgashochdruckleitung der öffentlichen Versorgungssicherheit mit Erdgas und damit dem allgemeinen Besten diene, sei bereits durch die Aufnahme des Projekts in die langfristige Planung iSd § 12e GWG festgestellt worden und könne, wie bereits im gasrechtlichen Genehmigungsbescheid vom begründet worden sei, nicht ernstlich bezweifelt werden. Gemäß § 57 GWG seien Erdgasleitungsanlagen
ex lege im öffentlichen Interesse gelegen, wenn sie in der langfristigen Planung (§ 12e GWG) vorgesehen seien. Dies sei beim vorliegenden Projekt der Fall.
Solche Vorhaben seien jedoch auch dann im öffentlichen Interesse gelegen, wenn die Errichtung der Anlage zur Erreichung der Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes, insbesondere der in §§ 3 und 12e GWG umschriebenen Ziele, erforderlich sei (§ 57 Abs. 1 GWG). Ziel des Gesetzes sei es nach § 3 Z. 2 GWG, eine Marktorganisation für die Erdgaswirtschaft gemäß dem EU-Primärrecht und den Grundsätzen des Ergasbinnenmarktes gemäß der Erdgasbinnenmarktrichtlinie zu schaffen.
Aufgrund der Dimension des gegenständlichen Projekts könne kein Zweifel daran bestehen, dass es sich dabei um ein für die österreichische Versorgungssicherheit und den europäischen Erdgasbinnenmarkt bedeutsames Projekt handle. Das öffentliche Interesse am gegenständlichen Projekt sei daher auch unabhängig von der langfristigen Planung iSd § 12e GWG gegeben.
Da somit ohne Zweifel ein konkreter Bedarf bestehe, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liege, sei zu prüfen, ob die für die von der mitbeteiligten Partei angestrebte Enteignung in Aussicht genommenen Grundstücke geeignet seien, diesen Bedarf zu decken und der Bedarf anders als durch Enteignung nicht gedeckt werden könne. Dazu sei festzustellen, dass der diese Grundstücke berührende Trassenverlauf bereits im gaswirtschaftlichen Genehmigungsverfahren festgelegt worden und die Eignung der betroffenen Grundstücke demnach erwiesen sei.
Die mitbeteiligte Partei habe unwidersprochen dargelegt, dass sie den Beschwerdeführer des Öfteren zum Zwecke einer gütlichen, privatrechtlichen Einigung betreffend die Leitungseinrichtung kontaktiert und ihm für die privatrechtliche Einräumung der für die Leitungserrichtung, den Leitungsbetrieb und die Leitungserhaltung notwendigen Dienstbarkeitsrechte ein Angebot unterbreitet habe, das angesichts der Höhe der angebotenen Entschädigung keinesfalls als unernsthaft bezeichnet werden könne. Der Beschwerdeführer habe dieses Angebot allerdings nicht angenommen.
Die vorgenommene Enteignung sei aus den im Verfahren zur zwangsweisen Einräumung von Dienstbarkeitsrechten iSd §§ 57, 70 GWG anzustellenden Erwägungen - im Einklang mit der einschlägigen Judikatur - zulässig, weil der im öffentlichen Interesse gelegene Bedarf nicht anders als durch Enteignung gedeckt werden könne. Für die gegenständlichen Grundstücke sei die Enteignung durch zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten ausreichend und daher darauf zu beschränken.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, § 57 GWG ermögliche lediglich eine Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten für die Errichtung einer Gasleitung, nicht jedoch darüber hinausgehende Eigentumsbeschränkungen zugunsten des Betriebes und des Bestandes einer Gasleitung, sei auszuführen, dass die gaswirtschaftliche Genehmigung im Normalfall eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Erdgasleitungsanlage sei, wobei die Instandhaltung und der Bestand der Erdgasleitungsanlage aus logischen Erwägungen mit umfasst seien. Nur wenn die Einhaltung gewisser Auflagen der Errichtungsgenehmigung aus Sicherheitsgründen vor Inbetriebnahme einer Überprüfung bedürfe, könne zunächst nur die Genehmigung zur Errichtung erteilt und die Erteilung der Betriebsgenehmigung vorbehalten werden (§ 47 Abs. 6 GWG).
Da die Enteignung der Genehmigung akzessorisch sei, somit die Zwangsrechtseinräumung immer vom Umfang der erteilten Genehmigung abhänge, liege es auf der Hand, dass eine Enteignung, die der privatrechtlichen Durchsetzung einer Errichtungs- und Betriebsbewilligung diene, nicht nur für die Errichtung, sondern auch zur Sicherung des Bestandes, der Instandhaltung und des Betriebes der Erdgasleitungsanlage zulässig sei, zumal die Ziele des Gesetzes nicht durch die bloße Errichtung von Erdgasleitungsanlagen, sondern erst durch deren Bestand und Betrieb erreicht werden könnten.
Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde begründend aus, die darin angeführten, nicht das gegenständliche Enteignungsverfahren betreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers, die auf eine Abänderung des nach dem GWG genehmigten Projekts abzielten, seien wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die konkrete Ausgestaltung und Trassenführung der Erdgashochdruckleitung auf den Grundstücken des Beschwerdeführers und damit auch die konkrete Belastung dieser Grundstücke seien bereits im Genehmigungsverfahren festgelegt worden, sodass eine neuerliche Entscheidung darüber unzulässig sei. Soweit sich der Beschwerdeführer in seinen Einwendungen nicht gegen die Zwangseinräumung, sondern bloß gegen die bereits rechtskräftig genehmigte Leitungsführung auf seinen Grundstücken gewandt habe, sei sein diesbezügliches Vorbringen zurückzuweisen.
2.
Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1530/10-26, abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
3.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.
Rechtslage:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gaswirtschaftsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000 idF BGBl. II Nr. 479/2009 (GWG), lauten:
"
Ziele

§ 3. Ziel dieses Bundesgesetzes ist es,

1. der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft Erdgas umweltfreundlich, kostengünstig, ausreichend und sicher und in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen und dessen effizienten Einsatz, insbesondere auch bei der Umwandlung von Strom und Wärme, zu gewährleisten sowie die zur sicheren Erdgasversorgung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erforderliche Infrastruktur zu schaffen;

(...)

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

§ 4. (1) Den Netzbetreibern werden nachstehende gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegt:

(...)

3. die Errichtung und Erhaltung einer für die inländische Erdgasversorgung und für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen ausreichenden Erdgasinfrastruktur.

(...)

(4) Erdgasunternehmen haben die bestmögliche Erfüllung der ihnen gemäß Abs. 1 bis 3 im Allgemeininteresse auferlegten Verpflichtungen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln anzustreben.

(...)

Langfristige Planung

§ 12e. (1) Ziel der langfristigen Planung ist es, das Erdgasfernleitungsnetz hinsichtlich

1. der Deckung der Nachfrage an Transportkapazitäten zur Versorgung der Endverbraucher unter Berücksichtigung von Notfallszenarien,

2. der Erzielung eines hohen Maßes an Verfügbarkeit der Transportkapazität (Versorgungssicherheit der Infrastruktur),

3. sowie der Deckung der Transporterfordernisse für sonstige

Transporte zu planen.

(2) Der Regelzonenführer hat die Aufgabe, mindestens einmal jährlich eine langfristige Planung für die Regelzone zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes und der Ziele gemäß Abs. 1 zu erstellen. Der Planungszeitraum wird vom Regelzonenführer festgelegt, wobei dies transparent und nichtdiskriminierend unter Zugrundelegung der ihm zur Verfügung stehenden Daten zu erfolgen hat. Der Mindestplanungszeitraum beträgt drei Jahre.

(...)

Genehmigung von Erdgasleitungsanlagen

§ 47. (1) Erdgasleitungsanlagen dürfen unbeschadet der Bestimmung des § 44 Abs. 3 nur mit Genehmigung der Behörde errichtet, erweitert, geändert und betrieben werden.

(...)

Enteignung

Enteignungsvoraussetzungen

§ 57. (1) Eine Enteignung durch die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten ist zulässig, wenn dies für die Errichtung der Fern- oder Verteilerleitung erforderlich und im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ein öffentliches Interesse liegt jedenfalls dann vor, wenn die Erdgasleitungsanlage in der langfristigen Planung (§ 12e) vorgesehen ist. Bei Erdgasleitungsanlagen, die nicht Gegenstand der langfristigen Planung sind, liegt ein öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn die Errichtung dieser Anlage zur Erreichung der Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes, insbesondere der in den §§ 3 und 12e umschriebenen Ziele, erforderlich ist. Für Erdgasleitungsanlagen mit einem Druckbereich bis einschließlich 0,6 MPa können private Grundstücke nur enteignet werden, wenn öffentliches Gut in dem betreffenden Gebiet nicht zur Verfügung steht oder die Benützung öffentlichen Gutes dem Erdgasunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Enteignung umfasst:


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1.
die Einräumung von Dienstbarkeiten an unbeweglichen Sachen;
2.
die Abtretung von Eigentum an Grundstücken;
3.
die Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung anderer dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen und solcher Rechte, deren Ausübung an einen bestimmten Ort gebunden ist.

(3) Von der im Abs. 2 Z 2 angeführten Maßnahme darf nur in jenen Fällen Gebrauch gemacht werden, wenn die übrigen im Abs. 2 angeführten Maßnahmen nicht ausreichen.

(...)

Enteignungsverfahren

§ 70. Auf das Enteignungsverfahren und die behördliche Ermittlung der Entschädigung sind die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954, mit nachstehenden Abweichungen anzuwenden:

(...)

2. Über die Zulässigkeit, den Inhalt, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie über die Entschädigung entscheidet die Behörde nach Anhörung der für den Enteignungsgegenstand zuständigen gesetzlichen Interessensvertretung.

(...)

9. Hat zufolge eines Enteignungsbescheides die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück für Zwecke einer Erdgasleitungsanlage stattgefunden, so hat die Behörde auf Grund eines innerhalb eines Jahres ab Abtragung der Erdgasleitungsanlage gestellten Antrages des früheren Eigentümers oder seines Rechtsnachfolgers zu dessen Gunsten die Rückübereignung gegen angemessene Entschädigung auszusprechen. (...)"

2. Nach § 57 Abs. 1 erster Satz GWG ist eine Enteignung nur zulässig, wenn sie für die Errichtung der Fern- oder Verteilerleitung erforderlich und im öffentlichen Interesse gelegen ist.

3. Die Beschwerde wendet sich - nach ihren Ausführungen zum Beschwerdepunkt und dem Inhalt der Beschwerdegründe - ausschließlich gegen die Spruchpunkte I. und III. des angefochtenen Bescheides.

4. Soweit die Beschwerde vorbringt, § 70 Z. 2 GWG normiere, dass die Behörde über die Zulässigkeit, den Inhalt, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung erst nach Anhörung der für den Enteignungsgegenstand zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung entscheiden dürfe, weshalb schon aus diesem Grund die gesetzlichen Voraussetzungen für eine zulässige Enteignung nicht vorlägen, genügt es, auf die in den Verwaltungsakten erliegende Verhandlungsschrift vom zu verweisen. Daraus ist ersichtlich, dass an der mündlichen Verhandlung J.E. als Vertreter der Landwirtschaftskammer Niederösterreich teilgenommen hat, der jedoch - entgegen der in der Beschwerde erhobenen Behauptung - trotz erfolgter Umfrage durch den Verhandlungsleiter keine Stellungnahme abgegeben hat.

Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, J.E. habe als persönlicher Bekannter des Beschwerdeführers nur als Privatperson der Verhandlung beigewohnt und die Landeswirtschaftskammer sei vom Verfahren gar nicht informiert worden, ist schon wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) nicht zu berücksichtigen.

5. Die Beschwerde bringt darüber hinaus im Wesentlichen vor, § 57 GWG ermögliche nur Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen für die Errichtung von Gasleitungen. Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Bescheides verpflichte den Beschwerdeführer jedoch darüber hinaus auch zu - dort näher bezeichneten - Duldungen und Unterlassungen (etwa betreffend die Instandhaltung der Gasleitung).

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des GWG (66 BlgNR 21. GP, S. 85f) stellt die § 57 GWG "auf die Erforderlichkeit für Zwecke der dem jeweiligen Erdgasunternehmen auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ab". Die Erläuterungen weisen weiters darauf hin, dass bei privaten Grundstückseigentümern das "Angebot obligatorischer Benützungsrechte" generell nicht ausreichend sei, weil bei einem Grundeigentümerwechsel der "Bestand der Leitung nicht mehr auf Dauer gesichert wäre".

Zu den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Netzbetreiber gehört gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 GWG (u.a.) die "Errichtung und Erhaltung einer für die inländische Erdgasversorgung und für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen ausreichenden Erdgasinfrastruktur". Ziel des GWG ist es wiederum (u.a.), der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft Erdgas (...) ausreichend und sicher und in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen (§ 3 Z. 1 GWG).

Ausgehend von den damit klar erkennbaren Zielen des Gesetzgebers und der den Erdgasunternehmen durch das GWG auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung auch zur "Erhaltung" einer ausreichenden Erdgasinfrastruktur kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, er hätte mit der zitierten Wendung in § 57 Abs. 1 GWG die Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum nur für die Errichtung der genannten Leitungsanlagen zulassen wollen. Auch die besondere Verfahrensbestimmung des § 70 Z. 9 GWG, die von der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück "für Zwecke einer Erdgasleitungsanlage" spricht, bekräftigt dieses Auslegungsergebnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0113).

6. Soweit die Beschwerde das Bestehen eines öffentlichen Interesses an den eingeräumten Dienstbarkeiten in Zweifel zieht, gelingt es ihr ebenfalls nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde stützt ihre Annahme eines öffentlichen Interesses an den eingeräumten Dienstbarkeiten unter anderem auf die Feststellung, dass die gegenständliche Erdgasleitungsanlage in der langfristigen Planung (§ 12e GWG) vorgesehen sei. Diese Feststellung wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Schon aus diesem Grund liegt gemäß § 57 Abs. 1 zweiter Satz GWG ein öffentliches Interesse im Sinn des ersten Satzes dieser Bestimmung vor (vgl. etwa wiederum das hg. Erkenntnis vom ).

7. Soweit die Beschwerde schließlich gegen die (unter Punkt III. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene) Zurückweisung von Einwendungen des Beschwerdeführers vorbringt, dass die Duldung der Errichtung der Gasleitungsanlage dazu führen werde, dass die Hausbrunnen des Beschwerdeführers versiegen könnten, und von der Leitung, die in der Erdbebenzone 4 liege, durch eine mögliche Explosion eine Gefahr für Leib und Leben ausgehen könne, hat die belangte Behörde zutreffend ausgeführt, dass dieses Vorbringen bereits Gegenstand des rechtskräftigen Genehmigungsbescheides vom war. Schon daher gehen diese Einwände des Beschwerdeführers fehl (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0086 = VwSlg. 17.333/A).

8. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG (idF BGBl. I Nr. 122/2013) und § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 auf die §§ 47 ff VwGG (in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung) iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am