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VwGH vom 18.06.2012, 2012/04/0026

VwGH vom 18.06.2012, 2012/04/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Braunauer Straße 2/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ge(Wi)-221204/1-2012-Di/Hof, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung "Gewerbliche Vermögensberatung mit Berechtigung zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 entzogen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2011 aus der Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer des Vermögensberatergewerbes von T.P. fünf rechtskräftige Verwaltungsübertretungen und aus der Tätigkeit seines eigenen Vermögensberatergewerbes drei rechtskräftige Verwaltungsübertretungen, also insgesamt acht Übertretungen wegen Verstoß gegen § 367 Z. 22 und § 69 Abs. 2 GewO 1994 iVm § 2 und 3 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Standes- und Ausübungsregeln für das Gewerbe der Personalkreditvermittler und § 7 Abs. 1 Maklergesetz zu verantworten; dies deshalb, weil im Zuge von angebotenen Vermittlungen von Personalkrediten Unterlagen für die Gewährung des Kredites (Informationen über die Kreditkonditionen wie Ratenhöhe, Zinsen und Kreditdauer) gegen eine Nachnahmegebühr als Provisionsvorschuss an die Kreditwerber übermittelt worden seien, obwohl der Anspruch auf Provision erst mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäftes entstehe und der Makler (Personalkreditvermittler) keinen Anspruch auf einen Vorschuss habe.

Der Beschwerdeführer sei daher mit folgenden Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Z (der Behörde erster Instanz) bestraft worden: mit Straferkenntnissen vom 17. Juni und (Tatzeiten 30. Oktober bzw. ) mit Geldstrafen von jeweils EUR 700,--, mit Straferkenntnissen vom 20. Dezember, 22. Dezember und wiederum sowie vom (Tatzeiten 6. Juli, 19. Juli, 26. August und ) mit Geldstrafen von jeweils EUR 400,-- und schließlich mit Straferkenntnissen jeweils vom (Tatzeiten 16. März und ) mit Geldstrafen von jeweils EUR 500,--.

Gegen die beiden erstgenannten Straferkenntnisse erhobene Berufungen seien vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 12. bzw. abgewiesen worden, wobei der UVS u.a. begründend ausgeführt habe, das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers sei geeignet, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen bzw. gemeinsame Interessen des Berufsstandes zu schädigen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Z vom sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB für schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden, weil er im Frühjahr 2010 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten einer getäuschten Person unrechtmäßig zu bereichern, eine Person durch Täuschung über Tatsachen, nämlich mit dem falschen Versprechen, ihr werde ein Kredit vermittelt, zur Einzahlung einer Nachnahmegebühr für die Übersendung von Unterlagen, sohin zu einer Handlung veranlasst habe, die diese Person an ihrem Vermögen geschädigt habe.

Das Landesgericht Q habe mit Urteil vom der Berufung gegen das bezirksgerichtliche Urteil keine Folge gegeben und zur Begründung u.a. angeführt, dass die Tat einen bedeutenden Handlungsunwert aufweise, weil es dazu einer raffinierten Vorgangsweise bedurft habe. Dem Beschwerdeführer sei eine Überzeugungstäterschaft zu bescheinigen, weil er bis zum Ende der Berufungsverhandlung hartnäckig seine betrügerische Vorgangsweise geleugnet und wortreich versucht habe, dies als gewöhnliche Vermögensberatung darzustellen.

Unter Wiedergabe des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 und von hg. Judikatur dazu führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe auch nach der Verurteilung durch das Bezirksgericht Z am wegen der gleichen standeswidrigen Geschäftspraxis, aufgrund derer die Behörde erster Instanz bereits sechs Strafen ausgesprochen habe, kein Einsehen erkennen lassen, weshalb er wiederum habe bestraft werden müssen.

Auch vor der rechtskräftigen Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens hätte es dem Beschwerdeführer zumindest zu denken geben müssen, dass seine geschäftliche Vorgehensweise sowohl auf Verwaltungsebene als auch auf Gerichtsebene als nicht rechtskonform beurteilt werde. Erst die "Rechtskraft" des Verwaltungsstrafverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten und dann erst aufgrund der Entscheidung des UVS sein Verhalten zu ändern, liefere nach Ansicht der belangten Behörde - entgegen dem Berufungsvorbringen - keinen Beweis für die zukünftige Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers.

Auch sei bei einer Abwägung zwischen dem Schutz von Kredit suchenden Personen (die über Kreditvermittler oft den einzigen Weg sähen, um an für sie notwendiges Geld zu kommen) und der Schwere des Eingriffs, also der Entziehung der Gewerbeberechtigung, der Schutz der Kredit suchenden Personen, die sich in einer gewissen Ausnahmesituation (Zukunftsangst, mangelnde Perspektiven) befänden und von denen auch wenig Gegenwehr (Anzeige, Klage) zu erwarten sei, als bei weitem schwerwiegender zu bewerten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Absatz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

2. Nach den Gesetzesmaterialien zum Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 (zitiert etwa bei Grabler/Stolzlechner/Wendl , GewO3, § 87 Rz 13) ist ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen, wenn er geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen; außerdem muss es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes "besonders" zu beachten sind, wozu etwa Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln (vgl. § 69 Abs. 2 GewO 1994) gehören.

Bei der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Standes- und Ausübungsregeln für das Gewerbe der Personalkreditvermittler, BGBl. Nr. 505/1996, deren Bestimmungen nach § 2 und 3 der Beschwerdeführer ausgehend von seinen rechtskräftigen Bestrafungen übertreten hat, handelt es sich gerade um derartige, nach § 69 Abs. 2 GewO 1994 erlassene Ausübungs- und Standesregeln.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung den Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0222, mwN).

4.1. In ihrer Rechtsrüge bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten den Schutzzweck der Norm (Verbot einer Vorausprovision auf einen tatsächlich nicht vermittelten Kredit) nicht verletzt; es könne dadurch auch nicht die Standespflicht in einem Ausmaß verletzt worden sein, welches das Ansehen des Berufsstandes schädige. Die Kreditwerber hätten aufgrund des Beratungsauftrages jedenfalls einen zumindest identen Betrag (wie den jeweils verlangten Provisionsvorschuss) als Beratungshonorar zu entrichten gehabt.

Gerade dass sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall "der Rechtsansicht des UVS unterworfen" habe, zeige dessen Normtreue. Da gleichgelagerte Verstöße nach den Erkenntnissen des UVS nicht vorlägen, sei die Zuverlässigkeitsprognose richtigerweise zugunsten des Beschwerdeführers vorzunehmen. Mit dem angefochtenen Bescheid verstoße die belangte Behörde gegen die Erwerbsfreiheit nach Art. 6 StGG.

4.2. Damit wird allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid sowohl Feststellungen zu den verhängten Strafen als auch zu den nach den rechtskräftigen Bestrafungen verletzten Rechtsvorschriften getroffen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/04/0036).

Soweit der Beschwerdeführer mit dem wiedergegebenen Vorbringen, ihm wären zumindest gleich hohe Beratungshonorare (wie die verlangten "Nachnahmegebühren") zugestanden und er habe durch sein Verhalten den Schutzzweck der Norm nicht verletzt, seine achtmalige Bestrafung nach § 367 Z. 22 GewO 1997 und die gerichtliche Verurteilung nach § 146 StGB zu relativieren versucht, kann dies schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil die belangte Behörde bei der Beurteilung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen (einschließlich der subjektiven Tatseite) an die eingangs wiedergegebenen rechtskräftigen Straferkenntnisse bzw. die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung gebunden war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0070, mwN).

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht steht auch das Recht des Beschwerdeführers, Rechtsmittel gegen verwaltungsbehördliche Bestrafungen bzw. eine gerichtliche Verurteilung zu ergreifen, dem angefochtenen Bescheid nicht entgegen: Gerade unter dem Gesichtspunkt des in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ausdrücklich genannten Schutzinteresses der Wahrung des Ansehens des Berufsstandes hat die belangte Behörde zutreffend zu Lasten des Beschwerdeführers gewertet, dass dieser trotz mehrmaliger Bestrafungen und während des anhängigen Berufungsverfahrens vor dem UVS die strafbare Handlung wiederholt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/04/0139).

Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie - gerade auch mit Blick auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Kredit suchenden Personen - die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten acht Übertretungen des § 367 Z. 22 GewO 1994 - jedenfalls in ihrer Gesamtheit - als "schwerwiegende Verstöße" im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 gewertet hat, welche eine Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen.

5. In der Verfahrensrüge macht die Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde zwei beantragte Zeugen nicht vernommen und dem Beschwerdeführer zu den von ihr zugrunde gelegten Verwaltungsübertretungen keine Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 45 Abs. 3 AVG eingeräumt habe. In diesem Zusammenhang legt die Beschwerde allerdings die Relevanz der damit behaupteten Verfahrensmängel nicht konkret dar (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am