VwGH vom 26.09.2012, 2012/04/0018

VwGH vom 26.09.2012, 2012/04/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch die Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. A14-17-4894/2012-5, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Feststellung der individuellen Befähigung für die Ausübung des Gewerbes "Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk) gemäß § 94 Z. 22 GewO 1994" gemäß § 19 GewO 1994 abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, die Beschwerdeführerin habe als Nachweise für ihre individuelle Befähigung die folgenden Unterlagen vorgelegt:

o Positives Gutachten der Wirtschaftskammer Steiermark, Landesinnung der Friseure, vom "über die am 27. Oktober abgelegte Arbeitsprobe";

o Lehrabschlussprüfungszeugnis im Lehrberuf Friseur und Perückenmacher;

o Versicherungsdatenauszug der "Österreichischen Sozialversicherung".

Nach Einräumung des Parteiengehörs zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sie bezüglich ihrer unternehmerischen Fähigkeiten eine siebenjährige Dienstzeit bei einer näher bezeichneten GmbH vorweisen könne. Bei dieser Tätigkeit sei sie für die Filiale verantwortlich und daher auch für den Warenbestand, den Wareneinkauf und den Warenverkauf zuständig gewesen. Für die korrekte Durchführung dieser Aufgaben seien selbstverständlich kaufmännische Fähigkeiten erforderlich gewesen, die sich die Beschwerdeführerin im Verlauf der sieben Jahre auch angeeignet habe; sie habe in dieser Zeit durchgehend Kontakt mit betriebsfremden Personen, wie etwa Lieferanten und Kunden, gehabt. Die Beschwerdeführerin wolle die Tätigkeit des Friseurs und Perückenmachers als mobile Friseurin bis zu ihrem Pensionsantrittsalter ausüben und werde auch keine Dienstnehmer beschäftigen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel könnten nicht das Äquivalent zu den in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Friseure und Perückenmacher (Stylist) geforderten Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen.

Nach dieser Verordnung sei nämlich neben einer einschlägigen Vorbildung und fachlichen Tätigkeiten ein zusätzlicher Nachweis von unternehmerischen Kenntnissen und Fähigkeiten erforderlich, der entweder durch die Ablegung der Unternehmerprüfung oder durch eine diese ersetzende Ausbildung bzw. durch eine Tätigkeit als Selbständiger, Betriebsleiter oder in leitender Stellung erbracht werden könne. Der Beschwerdeführerin mangle es in dieser Hinsicht an der erforderlichen kaufmännisch-rechtlichen Qualifikation; auch das vorgelegte Gutachten der Wirtschaftskammer Steiermark, Landesinnung der Friseure, welches als Beweismittel nach § 45 Abs. 2 AVG der freien Beweiswürdigung durch die Behörde unterliege, bestätige lediglich die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht, nicht jedoch in unternehmerischer Hinsicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe nach Absolvierung der Lehrabschlussprüfung "über ein Jahr" als Friseurin gearbeitet und sich durch ihre siebenjährige Beschäftigung bei der K. Bio-Diesel Vertriebs GmbH auch ausreichende kaufmännische Fähigkeiten angeeignet. Auch wenn die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab für die individuelle Befähigung bildeten, so dürfe daraus keinesfalls der Schluss gezogen werden, nur diese Vorschriften allein zögen die individuelle Befähigung nach sich. Darüber hinaus gehe aus dem vorgelegten Gutachten der Landesinnung der Friseure vom eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten besitze.

In der Verfahrensrüge bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe keine Erhebungen zu der entscheidungswesentlichen Frage durchgeführt, ob die Beschwerdeführerin ausreichende unternehmerische Qualifikationen aufweise, und sei insofern ihrer Manuduktionspflicht nach § 13a AVG nicht nachgekommen; insbesondere in Hinblick auf die Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei der K. Bio-Diesel Vertriebs GmbH hätte die belangte Behörde diese anleiten müssen, weitere Beweise für ihre unternehmerischen Qualifikationen vorzulegen.

2. Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben - zu denen gemäß § 94 Z. 22 GewO 1994 auch das Gewerbe "Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)" zählt - ist gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 der Nachweis der Befähigung.

Unter Befähigungsnachweis ist gemäß § 16 Abs. 2 GewO 1994 der Nachweis zu verstehen, dass der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

Gemäß § 18 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (jetzt: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) für jedes reglementierte Gewerbe durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.

Die im gegenständlichen Fall maßgebliche Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Friseure und Perückenmacher (Stylist) (Friseure- und Perückenmacher-Verordnung), BGBl. II Nr. 47/2003 idF BGBl. II Nr. 399/2008, lautet wie folgt:

"Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Friseure und Perückenmacher (§ 94 Z 22 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:


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1.
Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder
2.
Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
3.
Zeugnisse über
a)
die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Friseur und Perückenmacher (Stylist) und
b)
eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
4.
Zeugnisse über
a)
den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und
b)
eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
5.
Zeugnisse über
a)
eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und
b)
eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger."
3.
Kann der gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde gemäß § 19 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.
Beim "individuellen Befähigungsnachweis" im Sinn des § 19 GewO 1994 wird der gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher nach ständiger hg. Rechtsprechung am Maßstab der den Befähigungsnachweis im Sinn des § 18 Abs. 1 GewO 1994 festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0031, mwN).
4.
Die belangte Behörde hat somit zur Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin durch die von ihr beigebrachten Beweismittel die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen im Sinne des § 19 GewO 1994 nachgewiesen hat, zu Recht die Bestimmungen der Friseure- und Perückenmacher-Verordnung als Maßstab herangezogen.
Der belangten Behörde ist weiters auch darin beizupflichten, dass die Beschwerdeführerin angesichts der von ihr vorgelegten Beweismittel - insbesondere des Lehrabschlussprüfungszeugnisses - im Verwaltungsverfahren eine Tätigkeit hätte nachweisen müssen, die der in Z. 3 lit. b der Verordnung zusätzlich geforderten (arg. "und") ununterbrochenen, mindestens dreijährigen einschlägigen Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter
gleichwertig wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0048); die belangte Behörde hat somit richtigerweise auf ein "Äquivalent" zu dem Erfordernis der Verordnung abgestellt.
Diesen Nachweis einer gleichwertigen, mindestens dreijährigen
einschlägigen Tätigkeit (als Friseurin und Perückenmacherin) hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren gerade nicht erbracht; vielmehr hat sie sich in diesem Zusammenhang auf ihre siebenjährige Dienstzeit bei einem Unternehmen berufen, ohne aber irgendeinen Zusammenhang ihrer Tätigkeiten dort mit dem Gewerbe der Friseure und Perückenmacher zu behaupten. Dies steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen, demzufolge die Beschwerdeführerin nach Abschluss der Lehre lediglich "über ein Jahr" als Friseurin gearbeitet habe.
5.
Zu dem Beschwerdevorbringen zu dem Schreiben der Landesinnung der Friseure vom ist Folgendes auszuführen:
Zwar weisen die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Gewerberechtsnovelle 2002 auf die Möglichkeit der Behörde hin, ein Gutachten der zuständigen Wirtschaftskammergliederung "zur Frage der Erbringung des Befähigungsnachweises einzuholen". Allerdings sind auch im Falle der Vorlage eines positiven Gutachtens die Schlüssigkeit des Gutachtens und die Vollständigkeit der hiefür herangezogenen Unterlagen und Belege zu prüfen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
In dem im vorliegenden Fall von der Wirtschaftskammer Steiermark, Landesinnung der Friseure, verfassten "Gutachten zum Antrag auf Feststellung der individuellen Befähigung" vom wird nach Hinweisen auf den Antrag der Beschwerdeführerin, auf eine von dieser abgelegte "Arbeitsprobe" vom und auf die Friseure- und Perückenmacher-Verordnung lediglich wie folgt ausgeführt:
"Die Landesinnung der Friseure ist zur Überzeugung gekommen, dass die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten nachgewiesen sind. (siehe beigeschlossenes Protokoll)."
Aus dem ebenfalls in den Verwaltungsakten enthaltenen Protokoll über die Arbeitsprobe der Beschwerdeführerin am ist ersichtlich, dass an jenem Tag die fachliche Ausführung einzelner, von der Beschwerdeführerin ausgeführter Arbeitsschritte (etwa Hochsteckfrisur, Tagesfrisur, Dauerwelle, Färbung, Schnitt oder Rasur) beurteilt wurde.
Wenn die belangte Behörde angesichts des Inhaltes dieser Urkunde beweiswürdigend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass sich daraus lediglich fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Beschwerdeführerin ableiten ließen, nicht jedoch eine mit Blick auf Z. 3 lit. b der Friseure- und Perückenmacher-Verordnung ausreichende unternehmerische Qualifikation, so ist dies durch den Gerichtshof nicht zu beanstanden.
6.
Entgegen der in der Verfahrensrüge der Beschwerde vertretenen Auffassung ist es in Anbetracht der Wortfolge "wenn durch die beigebrachten Beweismittel … nachgewiesen werden" in § 19 erster Satz GewO 1994 Sache des Antragstellers, die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen initiativ nachzuweisen, sodass die Behörde in diesem Zusammenhang keine amtswegige Ermittlungspflicht trifft; die Behörde ist in diesem Verfahren auch nach Maßgabe des § 13a AVG nicht verpflichtet, den Antragsteller anzuleiten, welche bestimmte Beweismittel beizubringen wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0163, mwN).
Mit Blick auf diese Mitwirkungspflicht und das in § 41 Abs. 1 VwGG normierte Neuerungsverbot sah sich der Senat nicht veranlasst, die in der Verhandlung beantragte weitere Äußerung der Wirtschaftskammer Steiermark einzuholen.
7.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
8.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am