zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 04.06.2008, 2004/13/0111

VwGH vom 04.06.2008, 2004/13/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2036- W/03, betreffend Verweigerung der Erlassung eines Abrechnungsbescheides, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden des Finanzamts vom und vom wurden über die Beschwerdeführerin gemäß § 112a BAO zwei Mutwillensstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- verhängt. An die Beschwerdeführerin ergingen in diesem Zusammenhang die Buchungsmitteilungen Nr. 5 vom und Nr. 9 vom , in denen sie über folgende Belastungen ihres Abgabenkontos informiert wurde:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"
Festsetzung Zwangs- und Ordnungsstrafen 2001
zahlbar bis
3.000.00"
"
Festsetzung Zwangs- und Ordnungsstrafen 2001
zahlbar bis
3.000.00"

Mit Schriftsätzen vom (bezogen auf Buchungsmitteilung Nr. 9) und (bezogen auf Buchungsmitteilung Nr. 5) beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung von Abrechnungsbescheiden mit der gleich lautenden Begründung, es sei ihr jeweils "irrtümlich eine Zahlung von öS 3000.- für Zwangs- und Ordnungsstrafen vorgeschrieben" worden. Da die Beschwerdeführerin "keine Zwangs- und Ordnungsstrafen erhalten" habe, sei die jeweils "irrtümliche Buchung ... daher zu annullieren".

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diese Anträge mit der Begründung ab, es handle sich "um Bescheide über die Festsetzung von Ordnungs- bzw. Mutwillensstrafen", gegen die ein Rechtsmittel möglich gewesen wäre. Dass es sich um derartige Bescheide handle, sei der Beschwerdeführerin schon in einem (in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht enthaltenen) "Abrechnungsbescheid vom " bekannt gegeben worden. Eine Meinungsverschiedenheit über die Verbuchung der Bescheide liege nicht vor.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom - vorerst nur hinsichtlich der Buchungsmitteilung Nr. 9 und des Antrags vom - folgende Berufung:

"Aktenwidrig ist die Begründung, daß bezüglich der Verbuchung des gegenständlichen Bescheides keine Meinungsverschiedenheit gegenüber der Behörde vorliegt. Ich habe bezüglich der Buchung der Zwangs- und Ordnungsstrafe darauf hingewiesen, daß ich keine derartige Strafe erhalten habe. Einen Bescheid, den ich gar nicht erhalten habe, kann ich nicht bekämpfen. Die Begründung, daß ich die Bescheide, die gar nicht existieren, in einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren anfechten hätte können, widerspricht der primitivsten menschlichen Logik. Ich stelle daher den Antrag, meiner Berufung stattzugeben und die Buchung von öS 3000.- für Zwangs- und Ordnungsstrafen zu annullieren."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt diese Berufung ab. Es führte aus, beide Buchungsmitteilungen beträfen - wie schon im bekämpften Bescheid mitgeteilt - jeweils eine "Mutwillensstrafe". Abschriften der Bescheide würden in Kopie beigelegt. Es liege auch kein Zustellmangel vor, weil die Bescheide nachweislich am und am zugestellt worden seien. Ein Zustellmangel bedürfe (auch) keines Abrechnungsbescheides, sondern würde durch Zustellung des Bescheides behoben.

Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom auch insoweit Berufung, als er sich auf die Buchungsmitteilung Nr. 5 und den Antrag vom bezogen hatte. Die Begründung entsprach wortgleich derjenigen der Berufung vom .

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der mit Berufungsvorentscheidung vom erledigten Berufung vom an die belangte Behörde. Sie führte dazu ergänzend aus:

"Aktenwidrig ist, daß die nichtexistierenden Bescheide über Zwangs- und Ordnungsstrafen mir am und zugestellt wurden. Auch der Berufungsvorentscheidung vom waren die angekündigten Bescheide nicht beigelegt. Die Beilage ist ja schon deshalb unmöglich, da man einen nichtexistierenden Bescheid auch nicht beilegen kann. Gegenstand des gegenständlichen Antrages ist auch keine Mutwillensstrafe sondern die Belastung meines Kontos mit nichtexistierenden Zwangs- und Ordnungsstrafen. Ich stelle daher den Antrag, meiner gegenständlichen Berufung stattzugeben."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde "die Berufung" der Beschwerdeführerin ab, wobei sie zur zweiten Berufung der Beschwerdeführerin ausführte:

"Am wurde eine weitere Berufung gegen den Bescheid vom eingebracht. Die Erstberufung bezieht sich auf die bereits oben angeführte Buchungsmitteilung Nr. 9/2001, die Zweitberufung, die sohin erst nach Erlassung der Berufungsvorentscheidung eingelangt ist und damit als Bestandteil des Vorlageantrages vom zu behandeln ist, auf die Buchungsmitteilung Nr. 5/01."

Die Abweisung der Berufung begründete die belangte Behörde wie folgt:

"Mit Bescheiden vom und erließ das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg zwei Festsetzungen von Mutwillensstrafen, jeweils im Ausmaß von S 3.000,--. Die Bescheide wurden ordnungsgemäß am und am auf dem Steuerkonto der Bw. verbucht. Die Zustellung der Bescheide erfolgte durch Hinterlegung am und am , wobei die Bw. die Bescheide auch jeweils an diesen Tagen persönlich am Postamt abgeholt hat.

Das Vorbringen, sie habe keine Kenntnis von der Verhängung von Mutwillensstrafen gehabt, hat sich somit nach der Bestätigung der Post über die persönliche Behebung der Schriftstücke als haltlos herausgestellt. Die Bf. (gemeint: Bw) hätte daher die Möglichkeit gehabt die Vorschreibungen der Mutwillensstrafen innerhalb der gesetzlichen Berufungsfristen zu bekämpfen. Der Abgabenbehörde erster Instanz ist zuzustimmen, dass eine rechtsgültige Zustellung der Bescheide vorliegt und das Berufungsvorbringen nicht geeignet ist eine Meinungsverschiedenheit über eine Zahlungsverpflichtung aufzuzeigen. Es ist kein Rechtsgrund für die Erlassung eines Abrechnungsbescheides gegeben, daher war die Berufung spruchgemäß abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der angefochtene Bescheid bedarf zunächst der Deutung, weil die belangte Behörde zwar die unterschiedlichen (und rechtlich trennbaren) Anfechtungsgegenstände der beiden Berufungen bemerkt, sich zugleich aber die im Vorlagebericht des Finanzamtes vertretene Auffassung, die Berufung vom sei eine "Ergänzung zum Vorlageantrag" vom , in leicht modifizierter Form ("Bestandteil des Vorlageantrages") zueigen gemacht hat. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist - ungeachtet des Singulars "Berufung" im Spruch des angefochtenen Bescheides - im Ergebnis davon auszugehen, das die belangte Behörde über die Bekämpfung des Bescheides vom insgesamt, also in Bezug auf beide mit diesem Bescheid abgewiesenen Anträge, abgesprochen hat. Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht vertreten.

2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist - wie die Beschwerde zutreffend hervorhebt - aktenwidrig. Das "Vorbringen, sie habe keine Kenntnis von der Verhängung von Mutwillensstrafen gehabt", hat die Beschwerdeführerin nie erstattet. Sie hat sich von Anfang an nur gegen die Verbuchung von "Zwangs- und Ordnungsstrafen" gewandt und dies im Vorlageantrag (erstmals ausdrücklich) gegenüber der Verbuchung einer "Mutwillensstrafe" abgegrenzt. Dass es zumindest auch um die Bezeichnung der verhängten Strafen und nicht nur um die Zustellung der Bescheide vom und vom gehe, dürfte auch das Finanzamt erkannt haben, dessen eigene Bezugnahmen auf den Gegenstand der Buchungen sich von dessen Bezeichnung in den Buchungsmitteilungen ("Zwangs- und Ordnungsstrafen") zunächst im erstinstanzlichen Bescheid ("Ordnungs- bzw. Mutwillensstrafe") und in der Folge in der Berufungsvorentscheidung ("Mutwillensstrafe") schrittweise entfernten. Der angefochtene Bescheid ist hingegen begründet, als ob sich die Beschwerdeführerin gegen die Verbuchung von Mutwillensstrafen als solche (d.h. unter dieser Bezeichnung) gewandt hätte.

3. In der Gegenschrift wird zu diesem Thema nun u.a. ausgeführt:

"Wenn ein Abgabepflichtiger Zweifel darüber hat, ob eine Buchung unter der Abgabenartenbezeichnung 'ZO', laut Buchungsmitteilung 'Zwangs- und Ordnungsstrafe' der kostenmäßigen Vorschreibung einer Mutwillensstrafe entspricht, so steht ihm lediglich ein Auskunftsrecht zu. Dieser Auskunftsverpflichtung ist die Behörde in ihrem Bescheid vom auch entsprechend nachgekommen (...) Die Buchungen entsprechen der Rechtslage und den edv-technischen Vorgaben zur Buchung von Mutwillensstrafen, daher war auch aus diesem Titel kein Korrekturbedarf gegeben (...) Die Bf. (...) vermeint auf Grund der edv-technisch vorgegebenen Textierung der Buchungsmitteilungen eine neue Realität schaffen zu können (...) Zur Abrundung der Ausführungen darf jedoch darauf hingewiesen werden, dass die zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen (...) ersucht wurde, (...) eine parteienfreundlichere Bezeichnung der 'Abgabenart Mutwillensstrafe' zu suchen und technisch umzusetzen."

Auch diesen Ausführungen der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden. Gerade ein Widerspruch zwischen "edv-technischen Vorgaben", wie sie die belangte Behörde ins Treffen führt, und der rechtlichen Wirklichkeit könnte zur Klarstellung im Wege eines Abrechnungsbescheides Anlass geben, wenn er zu aufklärungsbedürftigen Mängeln in der Verbuchung führt. Ein solcher Widerspruch liegt hier dem Grunde nach auch vor, insofern die erwähnten "Vorgaben" - wenn man dieser Erklärung der belangten Behörde für den Inhalt der Buchungsmitteilungen folgt - dem Stand der BAO vor der Novelle BGBl. I Nr. 9/1998 entsprechen. Der

3. Abschnitt, Unterabschnitt J., des Gesetzes trug damals die Überschrift "Zwangs- und Ordnungsstrafen" und enthielt nur die §§ 111 (betreffend Zwangsstrafen) und 112 (betreffend Ordnungsstrafen). Mit der erwähnten Novelle wurde § 112a BAO, betreffend Mutwillensstrafen, in das Gesetz eingefügt und die Überschrift vor § 111 BAO in "J. Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen" geändert. Dementsprechend wurden durch weitere, gesonderte Anordnungen des Gesetzgebers auch die Bezugnahmen auf "Zwangs- und Ordnungsstrafen" an anderen Stellen des Gesetzes (§§ 3 Abs. 2 lit. c, § 10, § 78 Abs. 2 lit. d, § 207 Abs. 3 BAO) in solche auf "Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen" abgeändert. Wenn die "edv-technische Vorgabe" für die Verbuchung einer Mutwillensstrafe lautet, dies falle unter "Zwangs- und Ordnungsstrafen", so trägt dies dem geänderten Gesetz daher nicht Rechnung. Eine spätere Anpassung an die Rechtslage bedeutet in einem solchen Fall die Beseitigung eines Fehlers und kein bloßes Entgegenkommen ("parteienfreundlichere Bezeichnung").

4. Für die Entscheidung über die Beschwerde kommt es aber darauf an, ob eine "Meinungsverschiedenheit" im Sinne des § 216 BAO in der hier noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 180/2004 vorlag, worunter in Übereinstimmung mit den Erläuterungen zu dieser Novelle, 686 BlgNR XXII. GP 37, die sich auf die Auslegung schon der bisherigen, dem Wortlaut nach engeren Fassung beziehen, Fragen der Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto schlechthin zu verstehen sind (vgl. dazu auch die Nachweise bei Ritz, BAO2 und BAO3, jeweils § 216, Tz 1 und 3). Es kann hier auf sich beruhen, ob die dezidierte Bezeichnung einer Mutwillensstrafe als Zwangsstrafe oder als Ordnungsstrafe, statt der bloßen Zuordnung zum Bereich der "Zwangs- und Ordnungsstrafen", oder ob allenfalls - unter anderen Rahmenbedingungen als den hier gegebenen - auch Letztere Anlass zu einem Abrechnungsbescheid geben könnte. Im vorliegenden Fall war jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen und die Antragstellung der Beschwerdeführerin, die - zunächst versteckt und erst im Vorlageantrag halbwegs offen - nur auf die veraltete Bezeichnung des maßgeblichen Unterabschnitts der BAO in der Buchungsmitteilung zielte - nicht anders zu werten, als wenn sie sich auf eine andere das Verständnis nicht beeinträchtigende, etwa orthographische Unrichtigkeit bezogen hätte. Die Ermöglichung von Verfahren über die bescheidmäßige Feststellung von Mängeln dieser Art ist aber nicht der Zweck des § 216 BAO, sodass die belangte Behörde im Ergebnis richtig entschieden hat. Der in der Beschwerde gerügten Aktenwidrigkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides fehlt es an der für eine Bescheidaufhebung aus diesem Grunde in § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG erforderten Wesentlichkeit.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am