VwGH vom 19.03.2013, 2012/03/0172

VwGH vom 19.03.2013, 2012/03/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des HG in K, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom , Zl E1/8992/2012, betreffend Aufhebung eines Waffenverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Aufhebung des gegen ihn im Jahr 2008 erlassenen Waffenverbots gemäß § 12 Abs 7 des Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Gegen den Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Magistrats der Stadt Krems an der Donau vom ein Waffenverbot gemäß § 12 Abs 1 WaffG erlassen worden. Die dagegen gerichtete Berufung sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom abgewiesen worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1a (Abs 1, Z 1, 2 und 4) WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten verurteilt worden, die ihm unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Die Verurteilung sei erfolgt, weil der Beschwerdeführer in Krems zumindest vom (In-Kraft-treten der Bestimmung des § 50 Abs 1a WaffG) bis zum in Bezug auf eine größere Zahl unbefugt besessen habe a) 14 näher genannte genehmigungspflichtige Schusswaffen (Faustfeuerwaffen sowie halbautomatische Gewehre), b) eine verbotene Waffe (eine näher bezeichnete Pump-Gun), und c) Kriegsmaterial, nämlich 7 halbautomatische Gewehre, sowie 7 Läufe, ein Gleitstück und 4 Verschlüsse für halbautomatische Gewehre (ebenfalls alle näher angeführt). Zur Strafbemessung sei als mildernd angeführt worden der ordentliche Lebenswandel und das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers, als erschwerend sei die Vielzahl der unbefugt besessenen Waffen sowie eine besondere Sorglosigkeit bei deren Aufbewahrung und Verwaltung gewertet worden. Das Urteil sei am rechtskräftig geworden und nicht getilgt.

Mit Schreiben vom habe der Beschwerdeführer die Aufhebung des Waffenverbots beantragt. Er habe seit dem weder Schusswaffen noch Munition besessen. Als Büchsenmacher und Waffentechniker habe er ein technisches Naheverhältnis zu Schusswaffen gehabt, er wäre den täglichen Umgang mit Schusswaffen und Kriegsmaterial gewohnt gewesen. Das Strafurteil und das Waffenverbot hätten beim Beschwerdeführer zu einem tiefgreifenden Sinneswandel geführt, zumal er dadurch auch Einkommenseinbußen erlitten habe. Bis zum Jahr 1994 habe sich der Beschwerdeführer als selbständiger Büchsenmacher nicht um behördliche Genehmigungen kümmern müssen; die im Strafurteil angeführten genehmigungspflichtigen Schusswaffen und das Kriegsmaterial habe er schon sehr lange in seinem Besitz gehabt und deshalb nicht mehr bewusst an diese Waffen gedacht, weshalb sie in Vergessenheit geraten wären. Nunmehr würde der Beschwerdeführer aber wissen, dass er das WaffG genau einhalten müsse.

Im Verfahren zur Aufhebung des Waffenverbots gemäß § 12 Abs 7 WaffG sei lediglich zu prüfen, ob die zur Erlassung geführt habenden Gründe weggefallen seien. Ursache für die Erlassung des Waffenverbotes sei der Umstand gewesen, dass der Beschwerdeführer zumindest über 5 Jahre hinweg von 2002 bis vorsätzlich eine größere Zahl von genehmigungspflichtigen Schusswaffen und Kriegsmaterial sowie eine verbotene Waffe unbefugt besessen habe. Dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe sich bloß fahrlässig über waffenrechtliche Bestimmungen hinweggesetzt, sei entgegenzuhalten, dass seine Verurteilung wegen einer Vorsatztat erfolgt sei. Bei der Frage, ob der unbefugte Besitz von Waffen und Kriegsmaterial die Aufrechterhaltung des Waffenverbotes rechtfertige, müssten neben der Tatsache eines allenfalls vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffenrecht jedenfalls auch die Art des Verstoßes und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer habe sich bewusst und exzessiv über waffenrechtliche Vorschriften hinweggesetzt und damit die in seiner Waffenbesitzkarte eingeräumte Berechtigung in einem bedeutenden Ausmaß überschritten. Zudem habe er (was im Gerichtsverfahren als erschwerend gewertet worden sei) eine besondere Sorglosigkeit bei der Aufbewahrung und Verwaltung der Waffen an den Tag gelegt. Der hohe Bestand von illegalen genehmigungspflichtigen Schusswaffen und von Kriegsmaterial, das offenbar bewusst vernachlässigte angesprochene Risiko, dass sich mit besonderem Wissen ausgestattete Kriminelle in den Besitz dieses Bestandes setzen könnten, sowie die in diesem hohen Bestand zum Ausdruck kommende, als nicht mehr rational einzustufende Leidenschaft für das Sammeln von Waffen, ohne sich um die Rechtmäßigkeit des Besitzes zu kümmern, hätten insgesamt bereits eine Qualität erreicht, die auch das weitere Verhalten des Beschwerdeführers nicht kalkulierbar erscheinen ließen, sodass mit dem konkreten Risiko einer neuerlichen schwerwiegenden waffenrechtlichen Fehlleistung gerechnet werden müsse. Dies vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen weiterhin bemüht sei, mit der Waffenbranche bzw mit Sportschützenvereinen in Kontakt zu bleiben. Daran könne auch das nunmehrige knapp über 5 Jahre anhaltende Wohlverhalten des Beschwerdeführers nichts ändern. Die Möglichkeit eines künftigen Missbrauchs einer Waffe und einer dadurch hervorgerufenen Gefährdung iSd § 12 Abs 1 WaffG geschützter Rechtsgüter sei weiterhin nicht von der Hand zu weisen. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer beantragten bzw angebotenen psychologischen Gutachtens gemäß § 3 der 1. WaffV sei anzuführen, dass ein derartiges Gutachten die hier nicht ausschlaggebende waffenrechtliche Verlässlichkeit betreffe. Die Behörde müsse somit weiterhin die Gefahr der Gefährdung von Rechtsgütern durch eine missbräuchliche Verwendung von Waffen durch den Beschwerdeführer befürchten, weshalb die Aufrechterhaltung des Waffenverbots iSd § 12 Abs 7 WaffG nach wie vor geboten sei, weil die Gründe für seine Erlassung noch nicht weggefallen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), lauten:

"Waffenverbot

§ 12. (1) Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

(4) Die Behörde hat dem Betroffenen auf Antrag für die verfallenen Waffen, soweit er deren rechtmäßigen Erwerb glaubhaft macht, mittels Bescheides eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen. Ein solcher Antrag ist binnen einem Jahr ab Eintritt der Rechtskraft des Verbotes nach Abs. 1 zu stellen.

(7) Ein Waffenverbot ist von der Behörde, die dieses Verbot in erster Instanz erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind."

§ 12 Abs 7 WaffG verpflichtet die Behörde bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages, unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Beschwerdeführers seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs 1 WaffG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht ist. Bei der Beurteilung des Weiterbestehens der Gefährdungsprognose hat die Behörde vor allem das Verhalten des Beschwerdeführers seit seiner Anlasstat zu berücksichtigen und allfällige in diesem Zeitraum liegende, für die weiter andauernde Aktualität der Prognose relevante Umstände festzustellen. Bei Fehlen derartiger Umstände, also bei einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers in dem zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegenden Zeitraum, muss dieser Beobachtungszeitraum ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können. Der relevante Beobachtungszeitraum beginnt nicht erst mit der (rechtskräftigen) Verhängung des Waffenverbots, sondern bereits mit dem Abschluss der diesem Waffenverbot zugrundeliegenden Anlasstat zu laufen. Im Hinblick auf den dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist auch hier ein strenger Maßstab anzulegen (vgl etwa VwGH vom 21. Oktober 20011, 2010/03/0174, mwH). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach das Verstreichen eines Zeitraums von 5 Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes anzusehen ist (vgl etwa ), betrifft nicht die für ein Waffenverbot entscheidende Gefährdungsprognose ().

Die Aufhebung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs 7 WaffG dient nicht dazu, die Rechtskraft des seinerzeit erlassenen Waffenverbotes zu durchbrechen, wenn keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist (vgl etwa ). Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 (er sei teilweise als selbständiger Büchsenmacher, teilweise als Waffentechniker bei namhaften Betrieben tätig gewesen) sei der Besitz der im Waffenverbot genannten Gegenstände durch seine Gewerbeberechtigung (ohnehin) gedeckt gewesen, danach hätte er - was er aber verabsäumt habe - "bei entsprechender Antragsstellung anstandslos" eine Erweiterung seiner Waffenbesitzkarte und eine Ausnahmebewilligung für den Besitz von Kriegsmaterial erlangen können und er habe mit diesen Gegenständen niemals strafbare Handlungen begangen oder sie an Unberechtigte weitergegeben, vermag er das gegen ihn erlassene Waffenverbot nicht zu relativieren.

Weiters versagt sein Hinweis, der Verwaltungsgerichtshof habe in dem dem Erkenntnis vom , 2005/03/0052, zugrundeliegenden Fall, der mit seinem Fall vergleichbar sei, die Argumentationsweise im damals angefochtenen Bescheid nicht geteilt, weil dieses Erkenntnis die Erlassung des Waffenverbots nach § 12 Abs 1 WaffG, nicht aber - so wie der bekämpfte Bescheid -

die Aufhebung eines Waffenverbots auf dem Boden des § 12 Abs 7 WaffG betrifft.

Mit dem Vorbringen, die strafgerichtliche Verurteilung und das verhängte Waffenverbot hätten bei ihm einen erheblichen Sinneswandel bewirkt, sodass infolge seines Wohlverhaltens seit der Erlassung des Waffenverbots dessen Aufrechterhaltung nicht mehr gerechtfertigt sei, macht der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend, dass wegen des Zeitraums, der seit seinem dem Waffenverbot zugrundeliegenden Verhalten verstrichen sei, die qualifizierte Gefährdungsprognose nach § 12 Abs 1 WaffG nicht mehr aufrecht sei. Bei der Wahl des Beobachtungszeitraums sind stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wozu die Bedachtnahme auf Art und zeitliches Ausmaß der Anlasstat gehört (vgl , mwH). Der Beschwerdeführer hat sein waffenrechtlich verpöntes Verhalten über einen längeren Zeitraum , nämlich (unstrittig) von 2002 bis , gesetzt (dieser Zeitraum entspricht ungeachtet dessen auch in etwa lediglich jenem, der seit dem Ende dieses Fehlverhalten bis zur Erlassung des bekämpften Bescheides verstrichen ist). Zudem steht fest, dass der Beschwerdeführer auch Kriegsmaterial besessen hat, dessen unbefugter Besitz waffenrechtlich regelmäßig im höheren Ausmaß ins Gewicht fällt als der unbefugte Besitz anderer Waffen (vgl ). Gleiches gilt für den dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Besitz einer verbotenen Waffe. Ferner fällt das seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten aus waffenrechtlicher Sicht insofern besonders ins Gewicht, weil er dieses Fehlverhalten trotz seines früheren Berufs setzte, obwohl gerade deshalb mit den waffenrechtlichen Vorschriften besonders vertraut sein musste.

Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer mit seiner Kritik der Ausführungen der belangten Behörde betreffend seinen Versuch, mit Sportschützenvereinen bzw deren Mitgliedern in Kontakt zu bleiben, nichts zu gewinnen. Gleiches gilt für seine Bekundung, nach wie vor ein waffentechnisches Interesse zu haben, deshalb aber keinen Grund zur Annahme zu geben, dass er Waffen missbräuchlich verwenden könnte.

Auf dem Boden des Gesagten erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer (um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen) zu vernehmen gehabt, als nicht zielführend, zudem wird nicht aufgezeigt, welches Vorbringen des Beschwerdeführers dabei die Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Gleichermaßen fehl geht schließlich der Einwand, die belangte Behörde hätte ein Gutachten nach § 3 der 1. Waffengesetz-Durchführungsverordnung einzuholen gehabt, weil ein solches Gutachten zur Frage, ob der Betroffene dazu neigt, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder diese leichtfertig zu verwenden (vgl § 3 Abs 1 leg cit), nicht die Frage einer qualifizierten Gefährdungsprognose im Zusammenhang mit einem Waffenverbot, sondern (lediglich) die Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit betreffend den Besitz waffenrechtlicher Urkunden betrifft.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am