VwGH vom 05.09.2018, Ra 2016/03/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des C T in S (Republik Türkei), vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-800153/2/Kl/Rd, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schärding), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Geschäftsführer und damit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der ? ?ti (im Folgenden: ?. L.), einer Gesellschaft mit Sitz in der Türkei, die ein Güterbeförderungsunternehmen betreibt. Mit Straferkenntnis vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Schärding über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden), weil die ?. L. am eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Textilien) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland durchgeführt habe, ohne über eine hierfür erforderliche Bewilligung zu verfügen.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die mit dem nun angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass der Revisionswerber § 23 Abs. 1 Z 3 und § 7 Abs. 1 Z 4 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) in Verbindung mit Art. 4 Z 1, Art. 6 und Art. 7 des Abkommens zwischen dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie der Republik Österreich und dem Außenminister der Türkischen Republik über den internationalen Straßenverkehr (im Folgenden: Straßentransport-Abkommen), BGBl. Nr. 274/1970 in der Fassung BGBl. Nr. 327/1976, verletzt habe.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aus der im Akt einliegenden Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Ried im Innkreis gehe hervor, dass der Lenker der ?. L. am gegen 19:50 Uhr keine entsprechende Genehmigung für den internationalen Straßengüterverkehr zwischen Österreich und der Türkei habe vorweisen können.
4 Dem Revisionswerber sei bereits vor Fahrtantritt bewusst gewesen, dass er für den gegenständlichen Transport über keine Genehmigung (gemeint ist erkennbar ein Ausweis gemäß Art. 6 Z 2 des Straßentransport-Abkommens) mehr verfüge. Um den konkreten grenzüberschreitenden Güterverkehr durchführen zu können, wäre sohin die Inanspruchnahme der "Rollenden Landstraße" durch den Lenker vonnöten gewesen.
5 Zur durch den Revisionswerber geltend gemachten Diskriminierung türkischer Frächter im Allgemeinen und im Konkreten aufgrund der Kontingentierung bei der Ausstellung der Ausweise nach dem Straßentransport-Abkommen führte das Verwaltungsgericht aus, dass ein solcher Ausweis nur eine der in § 7 Abs. 1 GütbefG vorgesehenen Berechtigungen darstelle. Auch für Frächter aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sei eine Berechtigung erforderlich, nämlich eine Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterverkehrs, ABl. L 300 vom , Seite 72, bzw. ansonsten eine CEMT-Genehmigung oder eine sonstige Bewilligung des Bundesministers, sofern der Bundesminister eine solche Berechtigung nicht für nicht erforderlich erachte. Selbst wenn das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (64/733/EWG), ABl. 217 vom , Seite 3687/64 (im Folgenden: Assoziierungsabkommen), Anwendungsvorrang hätte und somit eine Gleichstellung mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bewirken würde, dürfte der Revisionswerber nicht ohne jegliche Berechtigung einen grenzüberschreitenden Verkehr durchführen. Dass sich der Revisionswerber um eine andere Bewilligung bemüht bzw. eine solche beantragt hätte, werde weder vorgebracht noch geltend gemacht. Überdies erfolge auch hinsichtlich der Gemeinschaftslizenzen eine Kontingentierung "im engeren Sinne", da diese nur in der Anzahl der dem Unternehmen genehmigten Fahrzeugzulassungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten erteilt würden; Frächter der Mitgliedstaaten würden daher im Raum der Europäischen Union keine Bevorzugung gegenüber türkischen Frächtern erfahren.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Revisionswerbers, die das Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Verfahrensakten vorlegte. Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die außerordentliche Revision das Vorverfahren ein. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
7 Mit Beschluss vom , EU 2016/0006, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
"Steht das Unionsrecht, und zwar insbesondere das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (64/733/EWG), ABl. 217 vom , Seite 3687/64, das Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen, ABl. L 293 vom , Seite 3, sowie der Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG-Türkei vom über die Durchführung der Endphase der Zollunion (96/142/EG), ABl. L 35 vom , Seite 1, einer nationalen Regelung entgegen, nach der Güterbeförderungsunternehmer mit Sitz in der Republik Türkei eine grenzüberschreitende gewerbsmäßige Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen nach oder durch das Gebiet der Republik Österreich nur durchführen dürfen, wenn sie für die Kraftfahrzeuge über Ausweise verfügen, die im Rahmen eines zwischen Österreich und der Türkei aufgrund eines bilateralen Abkommens festgesetzten Kontingents vergeben werden, oder ihnen eine Genehmigung für die einzelne Güterbeförderung erteilt wird, wobei an der einzelnen Güterbeförderung ein erhebliches öffentliches Interesse bestehen und der Antragsteller glaubhaft machen muss, dass die Fahrt weder durch organisatorische Maßnahmen noch durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels vermieden werden kann?"
8 Mit Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom , C-629/16, CX, wurde diese Frage wie folgt beantwortet:
"Die Bestimmungen des am in Ankara von der Republik Türkei einerseits sowie von den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichneten und im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom geschlossenen, gebilligten und bestätigten Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, des am in Brüssel unterzeichneten und im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls sowie des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG-Türkei vom über die Durchführung der Endphase der Zollunion sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehen, wonach Unternehmen zur Beförderung von Gütern im Straßenverkehr mit Sitz in der Türkei eine solche Beförderung mit diesem Mitgliedstaat als Zielort oder durch das Hoheitsgebiet dieses Staates nur durchführen dürfen, wenn sie über Ausweise verfügen, die im Rahmen eines Kontingents vergeben werden, das für diese Art der Beförderung in einem zwischen diesem Mitgliedstaat und der Republik Türkei geschlossenen bilateralen Abkommen festgesetzt wurde, oder ihnen eine Genehmigung aufgrund eines erheblichen öffentlichen Interesses erteilt wird, sofern diese Regelung nicht zu einer neuen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 41 Abs. 1 dieses Zusatzprotokolls führt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist."
9 §§ 7, 8, 9, 23 und 24 GütbefG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 32/2013 lauten, soweit für das Verfahren von Bedeutung, wie folgt:
"Verkehr über die Grenze
§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:
1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1072/09,
2. Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der
Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom ,
3. Bewilligung der Bundesministerin/des Bundesministers für
Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch
oder aus Österreich,
4. aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene
Genehmigung der Bundesministerin/des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.
Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist.
(...)
(4) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann anordnen, dass die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern nach, durch oder aus Österreich durch ausländische Unternehmer ohne die in Abs. 1 vorgeschriebenen Berechtigungen gestattet ist, wenn und insoweit der betreffende ausländische Staat in dieser Hinsicht Gegenseitigkeit einräumt oder wenn wirtschaftliche Interessen Österreichs dies rechtfertigen.
(5) Die Bundesministerin/der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung nähere Bestimmungen hinsichtlich des Mitführens und der ordnungsgemäßen Erfassung der Fahrten im Fahrtenberichtsheft gemäß Anhang 7 des Handbuches der Europäischen Verkehrsministerkonferenz festzulegen.
(...)
Erlangung der Berechtigungen
§ 8. (1) Die Bewilligung nach § 7 Abs. 1 Z 3 wird für einzelne Güterbeförderungen erteilt. Die Bewilligung ist nur zu erteilen, wenn daran ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Der Antragsteller hat glaubhaft zu machen, dass die Fahrt weder durch organisatorische Maßnahmen noch durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels vermieden werden kann. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn (insbesondere auch im Hinblick auf die im Bundesgebiet bereits bestehenden Verkehrseinrichtungen) ein Bedürfnis für die beantragte Güterbeförderung nicht besteht. Dabei sind die verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen Österreichs, der Schutz der Bevölkerung und der Umwelt sowie die Möglichkeit der Durchführung der Güterbeförderung im Wege anderer Verkehrseinrichtungen zu berücksichtigen.
(2) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann den Landeshauptmann sowie im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, auch die Landespolizeidirektionen, in dessen oder deren örtlichem Wirkungsbereich das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht wird, gegebenenfalls unter Beschränkungen hinsichtlich Zahl oder Umfang der zu erteilenden Bewilligungen, ermächtigen, die Bewilligungen nach § 7 Abs. 1 Z 3 in seinem Namen und Auftrag zu erteilen, soweit die verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen Österreichs sowie Gründe der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dies erfordern.
(3) Auf Grundlage dieses Bundesgesetzes können Vereinbarungen über die grenzüberschreitende Beförderung von Gütern gemäß § 7 geschlossen werden, wenn der Umfang des zwischenstaatlichen Güterverkehrs dies erfordert. In den Vereinbarungen ist vorzusehen, dass Kraftfahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Fahrten nach, durch und aus Österreich durchführen können. Dabei können auch zwischenstaatliche Kontingente festgelegt werden, bei deren Ausmaß die verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen Österreichs sowie der Schutz der Bevölkerung und der Umwelt zu berücksichtigen sind. Die Vergabe der Kontingenterlaubnis gemäß Abs. 4 vierter Satz durch ausländische Behörden kann vereinbart werden. Die Kundmachung der Kontingente erfolgt durch Verlautbarung in der offiziellen Zeitschrift des Fachverbandes und der Fachgruppen des Güterbeförderungsgewerbes.
(4) Die Vergabe der vereinbarten Kontingente erfolgt in einem vereinfachten Verfahren. Die zuständige Behörde kann Bestätigungen darüber ausgeben, dass die in der Vereinbarung festgelegten Voraussetzungen, insbesondere die Einhaltung des vereinbarten Kontingents, gegeben sind (Kontingenterlaubnis). Die Vergabe der Kontingenterlaubnis zur Beförderung von Gütern nach, durch und aus dem anderen Staat an österreichische Unternehmer kann nur erfolgen, wenn diese - je nach der Art der vorgesehenen Beförderung - entweder zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen oder zur Ausübung des Werkverkehrs (§ 10) berechtigt sind und den Anforderungen der gemäß Abs. 5 zu erlassenden Verordnung entsprechen und wenn volkswirtschaftliche Interessen Österreichs nicht entgegenstehen. Die Vergabe der Kontingenterlaubnis an ausländische Unternehmer kann auch durch die zuständige Behörde des gegenbeteiligten Vertragspartners vorgenommen werden.
(5) Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie sind die Vergabe der Kontingenterlaubnis nach Abs. 4 in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht, deren äußere Form, die näheren Bestimmungen des Vergabeverfahrens sowie der fachlichen Eignung und die Voraussetzungen der betrieblichen Leistungsfähigkeit des Güterbeförderungsunternehmers für die grenzüberschreitende Beförderung von Gütern zu regeln. Neubewerber um die Ausstellung einer Kontingenterlaubnis sind im Verhältnis zu den Marktanteilen der bereits in der grenzüberschreitenden Beförderung von Gütern tätigen Unternehmer angemessen zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann die Vergabe der Kontingenterlaubnis ganz oder teilweise an den Landeshauptmann in seinem Namen und Auftrag übertragen, soweit die verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen Österreichs sowie Gründe der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung dies erfordern.
(6) Bei der erstmaligen Vergabe und dem Entzug von Kontingenterlaubnissen sind die gesetzlichen beruflichen Vertretungen zu hören.
§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden.
(2) Der Lenker hat die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitzuführen und den Aufsichtsorganen (§ 21) auf Verlangen auszuhändigen.
(...)
(4) Die Aufsichtsorgane haben das Mitführen der Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen sowie die ordnungsgemäße Entrichtung der Ökopunkte zu kontrollieren und gegebenenfalls einen entsprechenden Kontrollvermerk anzubringen. Nähere Bestimmungen über die Kontrolle und den Kontrollvermerk sind durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zu erlassen.
(5) Wird die Güterbeförderung ohne die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen durchgeführt oder wird gegen unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verstoßen, so haben die Behörden, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich das Kraftfahrzeug befindet, oder die ihr zur Verfügung stehenden Organe der Straßenaufsicht sowie an Grenzübergängen die diesen zugeordneten Organe, die Unterbrechung der Beförderung anzuordnen. Solange die Anordnung der Unterbrechung aufrecht ist, darf das Kraftfahrzeug nur nach den Weisungen der Behörde oder deren Organe in Betrieb genommen werden. Bei drohender Zuwiderhandlung gegen die Anordnung der Unterbrechung oder gegen die Weisungen sind die Behörde und deren Organe berechtigt, die Fortsetzung der Güterbeförderung durch angemessene Zwangsmaßnahmen, wie Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren der Fahrzeuge, Anlegen von technischen Sperren und Abstellen an einem geeigneten Ort, zu verhindern. Die Zwangsmaßnahmen sind aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist.
(6) Wird die Anordnung der Unterbrechung der Güterbeförderung nicht aufgehoben, so hat die Behörde die Güterbeförderung mit Bescheid bis zu dem Zeitpunkt zu untersagen, bis das einzuleitende Verfahren abgeschlossen und die verhängte Strafe vollzogen ist oder eine Sicherheit gemäß §§ 37, 37a VStG 1991 geleistet wurde. Bei der Untersagung hat die Behörde auch darüber zu entscheiden, was mit dem Kraftfahrzeug oder dem beförderten Gut nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu geschehen hat. Ein Rechtsmittel gegen den Untersagungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung.
(...)
(8) Bei Übertretungen von Abkommen mit Staatengemeinschaften über die grenzüberschreitende Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, Vereinbarungen gemäß § 8 Abs. 3 sowie einer Verordnung gemäß § 8 Abs. 5 können die erforderliche Bewilligung oder die Kontingenterlaubnis zeitlich oder - im Wiederholungsfall -
auf Dauer entzogen werden. Die §§ 87 und 88 GewO 1994 bleiben hiervon unberührt. Der Entzug der erforderlichen Bewilligung oder der Kontingenterlaubnis ist zunächst anzudrohen und mit einer Kürzung der Gesamtanzahl der dem Unternehmer für den in Betracht kommenden Vertragspartner zur Verfügung stehenden Kontingenterlaubnis - je nach Schwere der Übertretung für höchstens vier Monate - zu verbinden. Dabei ist der Transport in seiner Gesamtheit zu beurteilen. Auch Begehungen im Ausland können zum Entzug der erforderlichen Bewilligung oder der Kontingenterlaubnis führen.
(...)
Strafbestimmungen
§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer
(...)
3. Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hierfür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;
(...)"
10 Die Art. 4 bis 8 und 12 bis 14 des Abkommens zwischen dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie der Republik Österreich und dem Außenminister der türkischen Republik über den internationalen Straßentransport, BGBl. Nr. 274/1970 idF BGBl. Nr. 327/1976 (Straßentransport-Abkommen), lauten, soweit für das Verfahren von Bedeutung, wie folgt:
"II. Gütertransport
Artikel 4
1. Für Kraftfahrzeuge einschließlich Anhängern, die in
einem der beiden Staaten zugelassen sind und für Güterbeförderungen zwischen diesen Staaten oder im Transitverkehr durch die beiden Staaten verwendet werden, ist ein Ausweis erforderlich.
2. Kein Ausweis ist bei Leerfahrten und für Fahrzeuge mit
einer Nutzlast bis 2 Tonnen erforderlich.
Artikel 5
Kein Ausweis ist für folgende Güterbeförderungen erforderlich:
1. Die gelegentliche Beförderung von Gütern zu und von
Flughäfen bei Umleitung der Flugdienste.
2. Die Beförderung von Gepäck in Anhängern von Fahrzeugen
zum Personentransport und die Beförderung von Gepäck mit
Fahrzeugen jeglicher Art zu und von Flughäfen.
3. Die Beförderung von Postsendungen.
4. Die Beförderung von Bienen und Fischbrut.
5. Die Beförderung von Müll und Fäkalien.
6. Leichentransporte.
7. Die Beförderung von Gütern und Ausstattungen für Messen,
Ausstellungen, Werbe- und Informationszwecke.
8. Die Beförderung von Kunstgegenständen und Kunstwerken
für Ausstellungen oder für gewerbliche Zwecke.
9. Die Beförderung von Umzugsgut durch hiefür bestimmte
Fahrzeuge.
10. Die Beförderung von Geräten, Zubehör und Tieren zu oder
von Theater-, Musik-, Film-, Sport- und Zirkusveranstaltungen,
Messen oder Jahrmärkten sowie für Rundfunk-, Film- oder
Fernsehaufnahmen.
11. Die Beförderung von Hilfssendungen und Gütern im Fall
von Naturkatastrophen.
12. Die Beförderung von beschädigten Fahrzeugen, Reparatur-
und Abschleppfahrzeugen.
Artikel 6
1. Die Ausweise werden den Beförderungsunternehmern
ausgestellt. Sie berechtigen zur Beförderung mit Kraftfahrzeugen
einschließlich Anhänger.
2. Ein Ausweis eines Staates berechtigt zur Ausübung von
Beförderungen nach und aus dem anderen Staat sowie zum Transit
durch diesen Staat.
3. Ausweise müssen im Fahrzeug während der Dauer der Fahrt
durch das Gebiet des Staates, für den der Ausweis gilt, mitgeführt werden und sind auf Verlangen den zuständigen Überwachungsorganen dieses Staates vorzuweisen.
Artikel 7
1. Die Ausweise werden von den zuständigen Behörden des
Staates, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, namens der zuständigen Behörde des anderen Staates im Rahmen des Kontingentes das jedes Jahr einvernehmlich bis 30. November für das folgende Jahr durch die zuständigen Behörden der beiden Staaten festgesetzt wird, ausgegeben.
2. Die zuständigen Behörden der beiden Staaten tauschen die
erforderliche Anzahl von Formularen für die Beförderungen nach diesem Abkommen aus.
Artikel 8
Unternehmer des einen Staates, die Personen- und Gütertransporte nach den Bestimmungen dieses Abkommens auf dem Gebiet des anderen Staates durchführen, haben die im anderen Staat jeweils geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten.
(...)
Artikel 12
Die nationale Gesetzgebung jedes der beiden Staaten und die Verpflichtungen, die sie auf Grund internationaler Abkommen als Vertragsparteien übernommen haben und die Güter betreffen, deren Beförderung verboten ist oder einer speziellen Genehmigung bedarf, bleiben unberührt.
Artikel 13
Im Falle einer Übertretung der Bestimmungen dieses Abkommens wird die zuständige Behörde des Staates, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, auf Ersuchen der zuständigen Behörde des Staates, in dem die Übertretung begangen wurde, die erforderlichen Maßnahmen in Übereinstimmung mit der nationalen Gesetzgebung gegen den Transporteur ergreifen und die zuständige Behörde des anderen Staates von diesen Maßnahmen in Kenntnis setzen.
Artikel 14
Angelegenheiten, die nicht den Regelungen dieses Abkommens oder den Regelungen internationaler Abkommen unterliegen, bei denen beide Staaten Vertragsparteien sind, bleiben der nationalen Gesetzgebung jedes der beiden Staaten vorbehalten."
11 Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen, ABl. L 293 vom , Seite 3, lautet:
"Artikel 41
(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Der Revisionswerber bringt in seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision vor, dass es im Verfahren um die Frage der Unanwendbarkeit des § 23 Abs. 2 Z 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 GütbefG aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehe (was in der Folge näher ausgeführt wird), sodass eine Vorlage an den EuGH geboten gewesen wäre; dieser Umstand allein sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfSlg. 19.896/2014) schon als erhebliche Rechtsfrage zu qualifizieren.
13 Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts, der zudem nur formelhaft, im Wesentlichen mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG, und damit nicht gesetzmäßig im Sinne des § 25a Abs. 1 VwGG begründet ist - zulässig, da zur Frage der Anwendbarkeit des Systems der Kontingenterlaubnis nach § 7 Abs. 1 Z 4 und § 8 GütbefG in Verbindung mit dem II. Abschnitt des Straßentransport-Abkommens vor dem Hintergrund des Unionsrechts noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.
14 Die Revision ist jedoch nicht begründet:
15 Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die ?. L. die gewerbsmäßige Güterbeförderung, wie sie dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegt, ohne eine Kontingenterlaubnis (Ausweis gemäß Art. 6 Z 2 des Straßentransport-Abkommens) durchgeführt hat. Der Revisionswerber behauptet auch nicht, dass sich die Durchführung der Güterbeförderung auf einen anderen Bewilligungstatbestand nach § 7 GütbefG stützen konnte; er vertritt vielmehr die Auffassung, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dem Erfordernis einer Kontingenterlaubnis und damit im Ergebnis der Bestrafung wegen der ihm angelasteten Übertretung des GütbefG entgegenstünde.
16 Der Revisionswerber bringt dazu - zusammengefasst - vor, dass die jährliche Kontingentierung der Ausweise, die aufgrund von Art. 4 des Straßentransport-Abkommens in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 und 8 Abs. 3 GütbefG für den Güterverkehr zwischen der Türkei und Österreich erforderlich seien, gegen das zwischen der Europäischen Union und der Türkei geltende Assoziationsrecht verstoße. Dadurch, dass Österreich die freie Durchfuhr nur einer beschränkten Anzahl von Frächtern erlaube und damit Handelsströme auf andere zeit- und kostenintensive Ausweichrouten bzw. Verkehrsträger ("Rollende Landstraße") lenke, beschränke das "Kontingentsystem" des § 8 Abs. 3 GütbefG (einhergehend mit der unzureichenden Anzahl der Genehmigungen) den freien Warenverkehr (Art. 5 und 6 des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrates EG-Türkei vom über die Durchführung der Endphase der Zollunion (96/142/EG), ABl. L 35 vom , Seite 1 (im Folgenden: Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/95)) zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Die Transitroute durch Österreich sei einer der wichtigsten Straßenkorridore zwischen der Türkei und der Europäischen Union (vor allem nach Deutschland). Überdies diskriminiere Österreich durch die Kontingentierung türkische Frächter aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit im Verhältnis zu Frächtern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union; dies verstoße gegen Art. 9 Assoziierungsabkommen.
17 Die vom Revisionswerber damit vertretene Ansicht, dass die anzuwendenden nationalen Vorschriften des Güterbeförderungsrechts dem Bereich des freien Warenverkehrs zuzuordnen seien, der u. a. durch den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/95 geregelt werde (der einer derartigen nationalen Beschränkung entgegenstehe), wurde vom EuGH in dem in dieser Sache ergangenen, oben zitierten, Urteil nicht geteilt. Vielmehr müssten die nationalen Regelungen als zum Bereich der Beförderungsdienstleistungen gehörend angesehen werden (Rn. 43 des Urteils). Beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Assoziation zwischen der Türkei und der Europäischen Union bestehe in diesem Bereich keine spezifische Regelung (Rn. 46 des Urteils); der Zugang türkischer Transportunternehmen zum Verkehrsmarkt der Union unterliege somit weiterhin den Bedingungen, die sowohl in den nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten als auch in den bilateralen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei festgelegt seien (Rn. 47 des Urteils).
18 Der EuGH ist daher zum Ergebnis gekommen, dass das Assoziierungsabkommen, das Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen und der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/95 einer nationalen Regelung wie jener nach dem GütbefG, wonach Unternehmen zur Beförderung von Gütern im Straßenverkehr mit Sitz in der Türkei eine solche Beförderung mit diesem Mitgliedstaat als Zielort oder durch das Hoheitsgebiet dieses Staates nur durchführen dürfen, wenn sie über Ausweise verfügen, die im Rahmen eines Kontingents vergeben werden, das für diese Art der Beförderung in einem zwischen diesem Mitgliedstaat und der Republik Türkei geschlossenen bilateralen Abkommen festgesetzt wurde, oder ihnen eine Genehmigung aufgrund eines erheblichen öffentlichen Interesses erteilt wird, nicht entgegenstehen. Dies gilt allerdings nur, sofern diese Regelung nicht zu einer neuen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen führt, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
19 Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen enthält eine Stillhalteklausel, die die Mitgliedstaaten der Union verpflichtet, die Einführung neuer Maßnahmen zu unterlassen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat, für die Republik Österreich also am . Diese Pflicht gilt auch im Bereich der Beförderungsdienstleistungen. Bei einer Regelung, die - wie nach österreichischem Recht das GütbefG - die Durchführung einer Güterbeförderung von der Erteilung einer Bewilligung abhängig macht, handelt es sich um eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (vgl. zu all dem die Rn. 49 bis 53 des Urteils mit weiteren Nachweisen).
20 Vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist daher, ob die gegenständliche Beschränkung bereits vor dem bestanden hat oder erst danach neu eingeführt wurde.
21 Dazu ist festzuhalten, dass das Kontingentsystem im bilateralen Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei bereits mit dem am in Kraft getretenen Straßentransport-Abkommen eingeführt wurde. Auch die - geringfügige - Modifikation der Abwicklung des Kontingentsystems durch das Abkommen zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Republik Österreich und dem Außenminister der türkischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie der Republik Österreich und dem Außenminister der türkischen Republik über den internationalen Straßentransport, BGBl. Nr. 327/1976, ist bereits am und damit lange vor dem in Kraft getreten. Das damit geschaffene System einer beschränkten Erteilung von Kontingenterlaubnissen im Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei gilt seither unverändert bis heute. Schließlich haben auch die innerstaatlichen gesetzlichen Grundlagen des Systems der Kontingenterlaubnis bereits am bestanden (vgl. §§ 7, 7a und 7b Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 63/1952, in der Fassung BGBl. Nr. 222/1994 - vor der mit BGBl. Nr. 593/1995 am erfolgten (bloßen) Wiederverlautbarung als Güterbeförderungsgesetz 1995).
22 Das System der Kontingenterlaubnis für die grenzüberschreitende Güterbeförderung im bilateralen Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei stand somit bereits am in Geltung und stellt daher keine neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen dar. Auch Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen steht damit der Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Erfordernis einer Kontingenterlaubnis für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Güterbeförderung nach § 7 Abs. 1 Z 4 GütbefG nicht entgegen.
23 Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass für die verfahrensgegenständliche Güterbeförderung eine Kontingenterlaubnis erforderlich gewesen wäre. Die Bestrafung des Revisionswerbers wegen der ohne erforderliche Bewilligung durchgeführten Güterbeförderung ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, sodass die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war. Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016030035.L00 |
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