VwGH vom 13.09.2016, Ra 2016/03/0031

VwGH vom 13.09.2016, Ra 2016/03/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl LVwG-650413/5/SCH/CG, betreffend Auflassung von Eisenbahnübergängen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) vom wurde über Antrag der Revisionswerberin die Auflassung mehrerer Eisenbahnübergänge entlang der ÖBB-Strecke Amstetten - Selzthal gemäß § 48 Abs 1 Z 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) angeordnet. Als Nebenbestimmungen sah der Bescheid unter anderem vor, dass als Ersatz für näher bezeichnete schienengleiche Eisenbahnübergänge bei km 31,950 der Eisenbahnstrecke eine Straßenüberfahrtsbrücke zu errichten sei (Spruchpunkt II.1.), und dass als Ersatz für eine weitere schienengleiche Eisenbahnkreuzung auf einer näher umschriebenen Strecke südlich der Bahn ein ca 900 m langer Ersatzweg herzustellen sei (Spruchpunkt II.2.).

2 Im Folgenden beantragte die Revisionswerberin beim Landeshauptmann von Oberösterreich die Erteilung einer Genehmigung zur Wiederherstellung der unterbrochenen Straßenanlagen durch die Auflassung der oben angesprochenen Eisenbahnkreuzungen im Wege der Errichtung der oben angeführten Straßenüberfahrtsbrücke und des ebenfalls bereits erwähnten ca 900 m langen Ersatzweges. Ihren Antrag stützte sie auf § 20 Abs 1 EisbG.

3 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Oberösterreich den Antrag der Revisionswerberin wegen entschiedener Sache zurück. Er führte aus, dass im Bescheid der BMVIT vom die für die Auflassung der Eisenbahnkreuzungen notwendigen Ersatzmaßnahmen als Nebenbestimmungen enthalten und hinreichend bestimmt seien. Zur Wiederherstellung der unterbrochenen Straßenanlagen sei keine weitere eisenbahnrechtliche Genehmigung notwendig. Da die vorzunehmenden Ersatzmaßnahmen bereits rechtskräftig im Bescheid der BMVIT vom angeordnet worden seien, liege eine entschiedene Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG vor.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe ab, dass im Spruch des Bescheides die Wortfolge "wegen entschiedener Sache" durch die Wortfolge "als unzulässig" ersetzt werde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Begründend führte das LVwG aus, die Zurückweisung wegen entschiedener Sache sei zwar nicht zutreffend, weil über einen Antrag der Revisionswerberin gemäß § 20 Abs 1 EisbG zuvor noch nicht entschieden worden sei. Im Ergebnis sei dem Landeshauptmann von Oberösterreich aber Recht zu geben, dass der Antrag der Revisionswerberin zurückzuweisen sei. § 20 Abs 1 EisbG enthalte keinen Hinweis dafür, dass eine Antragslegitimation des Eisenbahnunternehmens bestehe, um behördlich festlegen zu lassen, dass bzw wie die Wiederherstellung von Verkehrsanlagen zu erfolgen habe. Vielmehr ordne diese Bestimmung ex lege an, dass das Eisenbahnunternehmen in diese Richtung auf geeignete Weise tätig zu werden habe. Die Verpflichtung des Eisenbahnunternehmens ergebe sich also schon unmittelbar aus dem Gesetz und sei nach Maßgabe des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens - gegenständlich sei im Übrigen ein Auflassungsverfahren gewesen - vom Eisenbahnunternehmen zu erfüllen. Ein Einschreiten der Eisenbahnbehörde sei weder von Amts wegen noch auf Antrag vorgesehen. Mangels Antragslegitimation sei der Antrag der Revisionswerberin daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, deren Zulässigkeit im Wesentlichen damit begründet wird, dass die zu lösenden Rechtsfragen, ob § 20 Abs 1 EisbG auch ein Antragsrecht umfasse, sowie, ob die Anordnung zur Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge gleichzeitig die Anordnung bestimmt umschriebener Ersatzmaßnahmen mitumfasse, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht gelöst worden und von grundsätzlicher Bedeutung seien.

6 In der Sache bringt die Revision vor, der Gesetzgeber habe mit § 20 EisbG das Ziel verfolgt, eine behördliche Zuständigkeit für Konflikte zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem jeweiligen Straßenerhalter vorwegzunehmen. Das Eisenbahnunternehmen solle imstande sein, seinen - eventuell aus einem allfälligen Auflassungsverfahren resultierenden - Verpflichtungen nachzukommen. Primär sei zwar eine privatrechtliche Einigung anzustreben, komme diese - wie im vorliegenden Fall - nicht zustande, habe aber die Behörde zu entscheiden. Entgegen der behördlichen Argumentation stelle das Auflassungsverfahren nicht gleichzeitig die Bewilligung für die konkrete Umsetzung der Ersatzmaßnahmen dar. Erforderlich sei vielmehr eine nicht bloß als Nebenbestimmung formulierte Bewilligung oder Anordnung einer konkreten neuen Wegeverbindung. Nur diese könne auch Grundlage einer allfälligen Enteignung sein, wenn keine Einigung mit Grundeigentümern erzielt werden könne. Das Eisenbahnunternehmen sei aufgrund des Bescheides der BMVIT vom zur Auflassung der schienengleichen Eisenbahnkreuzungen verpflichtet, allerdings sei diese Verpflichtung unter Auflagen erfolgt. Diese Auflage könne aber nicht erfüllt werden, weil - nach der im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Rechtsansicht - weder ein Genehmigungsverfahren folge noch die Flächeninanspruchnahme durch Enteignung erwirkt werden könne. Dass der Gesetzgeber einen derart unauflösbaren Widerspruch habe schaffen wollen, könne ihm nicht unterstellt werden.

Wenn § 20 EisbG anordne, die Wiederherstellung habe sich im Rahmen des Bauverfahrens zu bewegen bzw auf diesem zu basieren, werde zum Ausdruck gebracht, dass es einer detaillierten Festlegung bedürfe, die auch gegenüber beiden betroffenen Verkehrsträgern (dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast) bindend und vollziehbar sei. Eine derartige Festlegung müsse aber aus den oben geschilderten Gründen von der Revisionswerberin beantragt werden können.

Rechtslage:

7 Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957

(EisbG) lauten auszugsweise:

§ 20 EisbG BGBl Nr 60/1957 idF BGBl I Nr 125/2006:

" Verkehrsanlagen, Wasserläufe

§ 20. (1) Verkehrsanlagen und Wasserläufe, die durch den Bau der Eisenbahn gestört oder unbenützbar werden, hat das Eisenbahnunternehmen nach dem Ergebnis des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens auf seine Kosten in geeigneter Weise wiederherzustellen. Die Anlagen und Wasserläufe sind von dem bisher hiezu Verpflichteten zu erhalten und zu erneuern. (...)

(2) Wiederhergestellte Verkehrsanlagen und Wasserläufe sind den zur künftigen Erhaltung und Erneuerung gemäß Abs. 1 Verpflichteten förmlich zu übergeben. Wird die Übernahme verweigert, so entscheidet die Behörde nach Maßgabe des Abs. 1, in welchem Umfang die Übernahme sowie die künftige Erhaltung und Erneuerung zu erfolgen hat."

§ 48 EisbG BGBl Nr 60/1957 idF BGBl I Nr 25/2010:

" 4. Teil

Kreuzungen mit Verkehrswegen, Eisenbahnübergänge

1. Hauptstück

Bauliche Umgestaltung von Verkehrswegen, Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge

Anordnung der baulichen Umgestaltung und der Auflassung

§ 48. (1) Die Behörde hat auf Antrag eines zum Bau und zum Betrieb von Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahnen mit beschränkt-öffentlichem Verkehr berechtigten Eisenbahnunternehmens oder eines Trägers der Straßenbaulast anzuordnen:


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1.
(...)
2.
die Auflassung eines oder mehrerer in einem Gemeindegebiet gelegener schienengleicher Eisenbahnübergänge zwischen einer Haupt- , Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt-öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits, sofern das verbleibende oder das in diesem Zusammenhang umzugestaltende Wegenetz oder sonstige in diesem Zusammenhang durchzuführende Ersatzmaßnahmen den Verkehrserfordernissen entsprechen und die allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen den Verkehrsträgern (Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast) wirtschaftlich zumutbar sind.


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Sie kann unter denselben Voraussetzungen eine solche Anordnung auch von Amts wegen treffen. Für die Durchführung der Anordnung ist eine Frist von mindestens zwei Jahren zu setzen.

(2) (bis) (4) (...)"

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig, weil zur strittigen Rechtsfrage des Erfordernisses einer (gesonderten) eisenbahnrechtlichen Genehmigung für straßenbauliche Ersatzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Auflassung von Eisenbahnübergängen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Die Revision ist aber nicht begründet.

9 Die Revisionswerberin vertritt die Rechtsansicht, dass mit den Nebenbestimmungen im Bescheid der BMVIT vom , mit dem im gegenständlichen Fall die Auflassung näher bezeichneter schienengleicher Eisenbahnübergänge gemäß § 48 Abs 1 Z 2 EisbG unter Vornahme entsprechender Ersatzmaßnahmen (Bau einer Eisenbahnüberfahrtsbrücke, Anlegung eines Ersatzweges) angeordnet worden ist, nicht das Auslangen gefunden werden könne. Es sei nach Ansicht der Revisionswerberin vielmehr eine eisenbahnrechtliche Genehmigung für die angeordneten Ersatzmaßnahmen erforderlich, die - mangels privatrechtlicher Einigung mit Grundeigentümern - auch Grundlage für eine allfällige Enteignung sein könne, und die rechtlich auf § 20 EisbG zu stützen sei.

10 Dem ist nicht zuzustimmen.

§ 20 EisbG verpflichtet das Eisenbahnunternehmen unter anderem dazu, Verkehrsanlagen, die durch den Bau der Eisenbahn gestört oder unbenützbar werden, nach dem Ergebnis des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens wiederherzustellen. Schon nach dem Wortlaut der Norm bezieht sie sich auf Fällen, in denen im Gefolge des Baus der Eisenbahn vorhandene Verkehrsanlagen in Mitleidenschaft gezogen wurden und nach Abschluss des Bauvorhabens wiederhergestellt werden müssen. Ein derartiger Fall liegt gegenständlich nicht vor.

11 Im Unterschied dazu enthält § 48 Abs 1 Z 2 EisbG spezielle Regelungen für die Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge. Ihre Auflassung ist auf Antrag oder von Amts wegen von der Behörde anzuordnen, sofern das verbleibende oder das in diesem Zusammenhang umzugestaltende Wegenetz oder sonstige in diesem Zusammenhang durchzuführende Ersatzmaßnahmen den Verkehrserfordernissen entsprechen und die allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder die Durchführung allfälliger Ersatzmaßnahmen den Verkehrsträgern wirtschaftlich zumutbar sind. Um die Einhaltung dieser gesetzlichen Voraussetzungen sicherzustellen, ist die Behörde berechtigt, im Auflassungsbescheid Nebenbestimmungen vorzusehen, mit denen die Ersatzmaßnahmen im Zusammenhang mit der angeordneten Auflassung festgelegt werden. Diese Nebenbestimmungen im Bescheid müssen hinreichend bestimmt sein; sie müssen so bestimmt gefasst sein, dass insbesondere dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, der Auflage zu entsprechen (vgl ). Eine weitere (gesonderte) eisenbahnrechtlichen Genehmigung für das umzugestaltende Wegenetz bzw straßenbauliche Ersatzmaßnahmen zur Erfüllung der Verkehrserfordernisse im Sinne des § 48 Abs 1 Z 2 EisbG sieht das EisbG nicht vor und ist somit auch nicht erforderlich.

12 Wenn die Revisionswerberin die Notwendigkeit einer (gesonderten) eisenbahnrechtlichen Genehmigung für die Ersatzmaßnahmen entgegen dem bisher Gesagten darin erblickt, dass ihr anderenfalls keine Möglichkeit offen stehe, die Voraussetzungen für die Ersatzmaßnahmen - mangels privatrechtlicher Einigung mit den Betroffenen - im Wege des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes (EisbEG) durchzusetzen, ist ihr Folgendes zu erwidern:

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat - im Zusammenhang mit § 20 Abs 1 EisbG - bereits ausgesprochen, dass nach § 3 Abs 1 EisbEG die dauernde oder vorübergehende Abtretung von Grundstücken insoweit begehrt werden kann, als es (unter anderem) zur Herstellung der Bahn, der Bahnhöfe, der an der Bahn und an den Bahnhöfen für Zwecke des Eisenbahnbetriebes zu errichtenden Gebäude oder zu sonstigen Anlagen, deren Herstellung dem Eisenbahnunternehmen obliegt, erforderlich ist. Die Wiederherstellung der durch den Bau der Eisenbahn gestörten oder unbenützbar gewordenen Verkehrsanlagen ("sonstige Anlagen") gehört nach § 20 Abs 1 EisbG zu jenen Pflichten, die dem Eisenbahnunternehmen obliegen. Die bescheidmäßige Abtretung der für ihre Zwecke erforderlichen Grundstücke findet daher in § 3 Abs 1 EisbEG Deckung (vgl ).

14 Nichts anderes gilt aber für Ersatzmaßnahmen, zu deren Vornahme das Eisenbahnunternehmen im Rahmen der Anordnung der Auflassung von Eisenbahnkreuzungen im Sinne des § 48 Abs 1 Z 2 EisbG verpflichtet wird. Auch hier werden dem Eisenbahnunternehmen Verpflichtungen auferlegt, die nötigenfalls unter Heranziehung der Bestimmungen des EisbEG durchzusetzen sind.

15 Ausgehend davon kam der Revisionswerberin jedenfalls in Bezug auf die im gegenständlichen Fall in Rede stehende Durchsetzung von Ersatzmaßnahmen bei Auflassung von Eisenbahnkreuzungen nach § 48 Abs 1 Z 2 EisbG kein Antragsrecht nach § 20 EisbG zu.

16 Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am