VwGH vom 20.10.2011, 2009/18/0253
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des ASJ in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1016/06, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 51 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Feststellung, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, er sei in Indien gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) bedroht, gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 FPG als unzulässig zurückgewiesen.
In ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei von der Asylbehörde rechtskräftig abgewiesen worden. Unter einem habe die Asylbehörde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , der von der belangten Behörde mit Bescheid vom bestätigt worden sei, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ausgewiesen worden.
Der nunmehr gestellte Antrag erweise sich als unzulässig, weil zum einen über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers schon eine Entscheidung der Asylbehörde vorliege, zum anderen könne ein Feststellungsantrag wie der gegenständliche nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden. Das Ausweisungsverfahren des Beschwerdeführers sei allerdings bereits rechtskräftig abgeschlossen, sodass der Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen sei.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer räumt ein, dass seinem am gestellten Asylantrag keine Folge gegeben wurde. Es sei auch richtig, dass das Bundesasylamt mit Bescheid vom ausgesprochen habe, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei.
Weiters erklärt er ausdrücklich, dass seiner dagegen gerichteten Berufung vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom keine Folge gegeben wurde sowie dass die Behandlung einer gegen den Bescheid des unabhängigen Bundessenates gerichteten Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt wurde.
Er führt des Weiteren ins Treffen, dass er am einen weiteren Asylantrag eingebracht habe, über den letztlich erst mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom entschieden worden sei. Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde dieser Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, ohne dass mit dieser Entscheidung auch über die Frage des Verbotes des Refoulements abgesprochen wurde.
Der Beschwerdeführer räumt weiters ein, dass er den hier gegenständlichen Feststellungsantrag mit Schriftsatz vom eingebracht hat.
Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 51 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung iSd § 50 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FPG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mit konkreten, die Person des Fremden betreffenden, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG im Verfahren gemäß § 51 FPG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen.
Den Fremdenpolizeibehörden steht, sofern nicht ein neues Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes bereits eingeleitet wurde, nach der hier noch maßgeblichen Rechtslage vor dem FrÄG 2009 die Kompetenz zur Abänderung eines das Refoulementverbot betreffenden "negativen" Ausspruches der Asylbehörde zu, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt - behauptetermaßen - wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich des im Bescheid genannten Staates anders zu lauten hat. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann. Hingegen wäre beim Fehlen einer solchen Sachverhaltsänderung ein bei der Fremdenpolizeibehörde eingebrachter Antrag auf Feststellung nach § 51 Abs. 1 zweiter Satz FPG wegen entschiedener Sache (als unzulässig) zurückzuweisen, wenn insoweit bereits die Entscheidung der Asylbehörde über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0438, mwN).
Im zuletzt genannten - hier vorliegenden - Fall stand nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum früher geltenden Fremdengesetz 1997 (FrG) einer Entscheidung die Anordnung des § 75 Abs. 2 FrG, wonach ein auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gerichteter Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gestellt werden konnte, nicht entgegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/21/0308, und vom , Zl. 2004/18/0406). Dies trifft auch auf die insoweit inhaltlich gleichgelagerte Rechtslage nach dem FPG zu, sodass sich die anderslautende Rechtsauffassung der belangten Behörde als unzutreffend erweist.
Die belangte Behörde hat aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinn des oben Gesagten überhaupt keiner Beurteilung dahingehend unterzogen, ob sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich des im Bescheid genannten Staates anders zu lauten hätte. Der bloße Hinweis im angefochtenen Bescheid, über die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung sei bereits im (ersten) Asylverfahren des Beschwerdeführers entschieden worden, reicht nicht aus, um überprüfen zu können, ob die - oben näher beschriebenen - Voraussetzungen für die Antragszurückweisung tatsächlich gegeben waren. Daran ändert auch die zwischenzeitig gemäß § 68 Abs. 1 AVG erfolgte Zurückweisung eines neuen Asylbegehrens des Beschwerdeführers nichts. Den weiteren Asylantrag hat der Beschwerdeführer noch während der Geltung des Asylgesetzes 1997 gestellt. Bei der nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgten Beurteilung (vgl. § 75 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 2005) erfolgte aber im Rahmen der vom Asylgerichtshof vorgenommenen Zurückweisung kein (neuerlicher) Abspruch gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (vgl. dazu etwa die Zusammenfassung der zum Asylgesetz 1997 ergangenen Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0344, mwN).
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-68585