Suchen Hilfe
VwGH vom 15.12.2011, 2009/18/0244

VwGH vom 15.12.2011, 2009/18/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des M T in W, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/59.287/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird im Umfang ihres Hauptantrages als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Der in der Beschwerde gestellte Eventualantrag, "das verhängte Aufenthaltsverbot entsprechend zu reduzieren", wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Der Beschwerdeführer sei zuletzt mit einem bis gültigen "Reisevisum" nach Österreich eingereist und habe am die österreichische Staatsbürgerin B. geheiratet. Am habe er auf diese Ehe gestützt einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht und eine Niederlassungsbewilligung, gültig vom bis , erhalten, die anschließend auch verlängert worden sei. Bereits am (richtig: ) sei die Ehe des Beschwerdeführers mit B. rechtskräftig geschieden worden.

Daraufhin habe der Beschwerdeführer - nachdem er sich von seiner ersten Ehefrau am hatte scheiden lassen - diese am neuerlich geheiratet. Diese habe am bei der österreichischen Botschaft in S Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für sich und die gemeinsame Tochter eingebracht.

Am habe B. Anzeige gegen die Vermittlerin der Ehe mit dem Beschwerdeführer, D., eingebracht und zu Protokoll gegeben, dass sie dem Ersuchen auf Eheschließung mit diesem gegen Bezahlung nachgegeben habe, weil es sich laut Angaben von D. um einen Notfall gehandelt hätte. Wegen dieses Notfalls und des versprochenen Geldes habe B. am den Beschwerdeführer geheiratet. Für diese Eheschließung ohne Absicht, ein eheliches Zusammenleben zu führen, habe sie EUR 10.000,-- bekommen. Sie habe mit dem Beschwerdeführer nie zusammengelebt, nie Geschlechtsverkehr mit ihm gehabt oder "in irgendeiner Weise den Haushalt besorgt".

Der Beschwerdeführer habe das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten.

Bei ihrer Vernehmung am habe D. gestanden, die Ehe des Beschwerdeführers mit B. vermittelt zu haben. Die Ehe sei nur zu dem Zweck geschlossen worden, damit dieser einen Aufenthaltstitel bekomme. Er habe nicht bei seiner Ehefrau gewohnt, sei aber oft zu Besuch gewesen. Da er nicht gut Deutsch könne, habe sie gedolmetscht.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, sie sehe keinen Grund, an der Richtigkeit der Zeugenaussage von B. zu zweifeln. Nachvollziehbar habe sie begründet, dass sie sich in die Aufenthaltsehe eingelassen habe, weil sie in finanziellen Nöten gewesen sei. Dieses Vorbringen werde vom Beschwerdeführer auch indirekt bestätigt, indem er zu Protokoll gegeben habe, dass B. laufend Geld verlangt habe. Auch D. habe überzeugend ausgesagt, dass sie die Ehe nur deshalb vermittelt habe, damit der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel bekomme. Es sei auch kein Grund ersichtlich, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Nach Ansicht der belangten Behörde sei es nicht nachvollziehbar, warum das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bloß hätte "vorgetäuscht" werden sollen. Im Gegensatz dazu habe der Beschwerdeführer seinerseits größtes Interesse an der "Aufrechterhaltung der Ehe", weil sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet und darüber hinaus sein freier Zugang zum Arbeitsmarkt davon abhingen. Er bestreite lediglich, eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein und behaupte, regelmäßig Sex mit seiner Ehefrau gehabt zu haben. Auffallend sei, dass er keine besonderen Merkmale an ihrem Körper nennen habe können. Als Erklärung habe er wenig überzeugend angegeben, dass sie immer im Bademantel bei abgedrehtem Licht zu ihm ins Bett gekommen sei. Die Angaben des Beschwerdeführers stünden insgesamt im krassen Widerspruch zu den schlüssigen und glaubwürdigen Aussagen der Zeuginnen B. und D. und hätten daher von der belangten Behörde nur als Schutzbehauptungen gewertet werden können. Daher werde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsamen Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung - trotz eines Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung - dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige.

Der Beschwerdeführer sei zuletzt seit ca. fünfeinhalb Jahren durchgehend in Österreich aufhältig und verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einer Cousine. Außerdem gehe er regelmäßig einer Beschäftigung nach. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, insofern rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiter eingehen können. Auch die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes basiere auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten, weshalb auch die während seines Aufenthaltes erzielte Integration des Beschwerdeführers wesentlich geschmälert werde. Seine privaten und familiären Interessen hätten daher gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Bei einer Abwägung dieser Interessenlagen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Auch die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes erscheine nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben, in eventu, das verhängte Aufenthaltsverbot entsprechend zu reduzieren.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und bringt vor, diese sei unschlüssig, weil der Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung einer bereits geschiedenen Ehe rein logisch kein Interesse mehr haben könne. Die Anzeige von B. gegen

D. sei wohl eher auf eine Animosität zwischen den beiden Frauen oder darauf zurückzuführen, dass B. die Scheidung nicht verwunden habe bzw. darüber verärgert sei. Die belangte Behörde setze sich auch nicht ausreichend mit den widersprechenden Angaben der Zeuginnen D. und B. hinsichtlich der Verhandlungen und der Preisgestaltung der vermittelten Eheschließung auseinander.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung auf. Diese begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053, mwN) in Anbetracht der eindeutigen Aussage der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers und der damit im Einklang stehenden Zeugenaussage von D., wonach die Ehe von ihr nur zu dem Zweck vermittelt worden sei, dass der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel bekomme, keinen Bedenken. Von wem konkret die Verhandlungen über die Preisgestaltung bzw. die Bedingungen der Ehe geführt wurden, ist für die Beurteilung, ob eine Aufenthaltsehe vorliegt, nicht von Relevanz. Entgegen der Beschwerdeansicht hat B. die Anzeige gegen D. auch nicht nach der Scheidung, sondern während aufrechter Ehe eingebracht. Übereinstimmung zwischen den beiden Zeuginnen besteht auch darüber, dass der Beschwerdeführer und B. nie zusammengelebt und somit kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben. Demgegenüber bestreitet der Beschwerdeführer lediglich allgemein das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, ohne jedoch konkrete Beweisergebnisse zu nennen, die seinen Standpunkt stützen könnten.

2. Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung sowie die Verlängerung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit der Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Auf Grund dieses Sachverhaltes begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt und die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass die Eheschließung jahrelang zurückliege, sodass dieses einmalige Fehlverhalten ein Aufenthaltsverbot nicht mehr rechtfertige, ist dem zu erwidern, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt das Eingehen einer Aufenthaltsehe tatsachenwidrig bestritten hat. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers liegt somit noch nicht so lange zurück, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme nicht mehr gerechtfertigt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0220).

Der Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid sei hinsichtlich der Beweiswürdigung mangelhaft begründet, ist nicht berechtigt, weil aus der Begründung des Bescheides mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar ist, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat und welche Erwägungen für die Beurteilung maßgeblich waren.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG ist die belangte Behörde zutreffend von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen, der allerdings nicht allzu schwer wiegt, weil der Aufenthalt und die Aufnahme einer Beschäftigung erst durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers ermöglicht worden sind. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die von ihm ausgehende Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gegenüber. Von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier:

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und auch im Sinn des § 66 FPG zulässig sei, keinem Einwand.

4. Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, auch wenn eine Aufenthaltsehe vorliege, was ausdrücklich bestritten werde, sei die Dauer von zehn Jahren jedenfalls bei weitem überhöht, weil sich der Beschwerdeführer während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich wohlverhalten habe. Im Hinblick auf das lange Zurückliegen der Eheschließung hätte die belangte Behörde mit einer Abmahnung vorgehen können oder ein Aufenthaltsverbot in wesentlich geringerer Dauer verhängen müssen.

Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel bzw. dessen Verlängerung erlangt zu haben. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer bis zuletzt das Eingehen einer Aufenthaltsehe tatsachenwidrig bestritten hat, kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne (vgl. erneut das hg. Erkenntnis Zl. 2009/18/0220, mwN).

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Schließlich beantragt der Beschwerdeführer, "in eventu in Stattgebung der Beschwerde das verhängte Aufenthaltsverbot entsprechend zu reduzieren".

Dieser, auf eine inhaltliche Abänderung des angefochtenen Bescheides abzielende Eventualantrag, war einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich, weil dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Bescheidbeschwerde lediglich die Stellung eines Kassationsgerichts zukommt. Im Umfang dieses Eventualantrages war die Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0677). Wien ,am

Fundstelle(n):
JAAAE-68581