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VwGH vom 27.11.2012, 2012/03/0148

VwGH vom 27.11.2012, 2012/03/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des K O und der A O, beide in W, beide vertreten durch Proksch Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/1/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-220.111/0011- IV/SCH2/2012, betreffend Enteignung nach dem Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz - EisbEG (mitbeteiligte Partei: Ö AG in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom war der mitbeteiligten Partei nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und eines teilkonzentrierten Genehmigungsverfahrens gemäß §§ 23b, 24 und 24f UVP-G 2000 die Genehmigung für das Vorhaben "Verbindung Ostbahn - Flughafenschnellbahn" nach Maßgabe näher genannter Projektsunterlagen und unter Erteilung von Nebenbestimmungen erteilt sowie festgestellt worden, dass der durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Vorhabens entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer sei als die Nachteile, die den Parteien durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Bauvorhabens entstehen.

2. Da Verhandlungen über eine vertragliche Inanspruchnahme der für die Umsetzung des Bauvorhabens erforderlichen Grundflächen der Beschwerdeführer erfolglos blieben, beantragte die mitbeteiligte Partei am die Enteignung näher bezeichneter Grundflächen der Beschwerdeführer.

3. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom verfügte die belangte Behörde gemäß §§ 2 und 6 Abs 1 HlG iVm § 2 Abs 1 und 2 Z 1, 3 und EisbEG zugunsten der mitbeteiligten Partei die Enteignung, einerseits durch Einräumung des lastenfreien Eigentums von näher bezeichneten Grundflächen der Beschwerdeführer, andererseits durch Einräumung einer Dienstbarkeit auf Baudauer von zwei Jahren hinsichtlich eines ebenfalls planlich näher dargestellten weiteren Grundstücksbereichs.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Bei dem gegenständlichen Neubauvorhaben "Verbindung Ostbahn - Flughafenschnellbahn" handle es sich um einen Teil einer Hochleistungsstrecke im Sinne des § 1 HlG und somit um eine öffentliche Eisenbahn im Sinne des § 2 EisbG. Im Bescheid vom sei das öffentliche Interesse am Bau dieser Eisenbahnstrecke im UVP-Verfahren festgestellt und in der Begründung näher erläutert worden. An diese Entscheidung sei die Enteignungsbehörde gebunden.

Im Enteignungsverfahren sei - unter Beiziehung eines Sachverständigen - festgestellt worden, dass die beantragte Enteignung zur Umsetzung des eisenbahnrechtlichen Bauvorhabens erforderlich sei.

Die Beschwerdeführer hätten die Aktivlegitimation der Enteignungswerberin, der mitbeteiligten Partei, bestritten; diesem Vorbringen komme aber keine Berechtigung zu:

Gemäß § 1 Abs 1 EisbEG stehe die Ausübung des Enteignungsrechtes in dem vollen durch § 365 ABGB zugelassenen Umfang jedem Eisenbahnunternehmen insoweit zu, als die Gemeinnützigkeit des Unternehmens von der hiezu berufenen staatlichen Verwaltungsbehörde anerkannt sei. Das Argument der Beschwerdeführer, die von der Erstbehörde zitierte Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (wonach im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren das Überwiegen des öffentlichen Interesses zu prüfen sei und nach Rechtskraft des Baugenehmigungsbescheids die Parteien im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden könnten, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse), sei wegen der Aufhebung des § 52 EisbG durch die Novelle 2006 "veraltet", verkenne, dass sich die §§ 51 ff EisbG in der Fassung vor der Novelle auf nicht öffentliche Eisenbahnen bezogen hätten. Aus den Überlegungen der Beschwerdeführer zur (unzureichenden) Umsetzung der Richtlinie 2001/14/EG sei für sie ebensowenig etwas zu gewinnen, weil sich die Behörde an die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage zu halten habe.

Gemäß § 18b EisbG (idgF) komme dem Eisenbahnunternehmen das Enteignungsrecht nach Maßgabe des EisbEG zu. Da der Mitbeteiligten mit dem Bescheid vom die erforderlichen Genehmigungen zum Bau des strittigen Vorhabens erteilt worden seien, habe sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Eisenbahnunternehmen auch das Enteignungsrecht. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seien Enteignungen nur zulässig, wenn die Enteignung durch das öffentliche Interesse geboten sei. Die Feststellung, dass das öffentliche Interesse an der Durchführung des Bauvorhabens die entgegenstehenden Interessen überwiege, liege im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid. Da dieser rechtskräftig geworden sei, könnten die Beschwerdeführer nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

4.1. Die Beschwerde stellt das Vorliegen einer rechtskräftigen eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung, mit der der Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festgelegt wurde, nicht in Frage; sie behauptet auch nicht, dass für die Ausführung der verfahrensgegenständlichen, in der eisenbahnrechtlichen Baubewilligung vorgeschriebenen Maßnahmen etwa lediglich eine geringere Grundfläche erforderlich wäre oder die Einräumung von Servituten in geringerem Ausmaß ausgereicht hätte.

4.2. Sie bringt aber Folgendes vor:

Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Aktivlegitimation der Enteignungswerberin, der mitbeteiligten Partei, zu prüfen. Gemäß § 1 EisbEG sei die Ausübung des Enteignungsrechts nur jenen Eisenbahnunternehmen zugestanden, denen die Gemeinnützigkeit von einer hiezu berufenen staatlichen Verwaltungsbehörde zuerkannt wurde. Die Gemeinnützigkeit müsse beim Unternehmen selbst gegeben sein. Aus der Legaldefinition nach § 1a EisbG, wonach ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen ein Eisenbahnunternehmen sei, das dem Bau und Betrieb von Haupt- und Nebenbahnen diene und darüber verfügungsberechtigt sei, ergebe sich keine Gemeinnützigkeit. Die Mitbeteiligte sei auch keine öffentliche Eisenbahn im Sinn des § 2 EisbG, weil dies nur solche Eisenbahnen seien, die dem allgemeinen Personen-, Reisegepäck- oder Güterverkehr zu dienen bestimmt seien und auf denen die Verpflichtung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen bestehe. Die Mitbeteiligte aber erbringe keine Verkehrsleistung.

§ 14 EisbG normiere das Erfordernis einer Konzession für Bau und Betrieb von Hauptbahnen und vernetzten Nebenbahnen, wobei zum Bau und zum Betrieb bundeseigener Haupt- und vernetzter bundeseigener Nebenbahnen keine Konzession erforderlich sei (§ 14 Abs 2 EisbG). Die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob eine Konzession für die Mitbeteiligte als Unternehmen vorliege.

An der Gemeinnützigkeit der Mitbeteiligten fehle es nach Auffassung der Beschwerdeführer auch deshalb, weil es sich bei ihr um eine Aktiengesellschaft, "sohin eine privatrechtliche Person", handle. Dass die öffentlichen Interessen am Bau und Betrieb des gegenständlichen Vorhabens die entgegenstehenden Interessen überwögen, ändere nichts am Fehlen der Gemeinnützigkeit der Mitbeteiligten als solche.

Die von der belangten Behörde herangezogene Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zum Verhältnis von eisenbahnrechtlicher Baugenehmigung und Enteignung könne im Beschwerdefall nicht mehr angewendet werden, weil § 52 EisbG durch die Novelle BGBl I Nr 125/2006 aufgehoben worden sei.

Die belangte Behörde hätte weiters berücksichtigen müssen, dass sich der Unternehmensgegenstand der Mitbeteiligten mit BGBl I Nr 59/2009 geändert habe, zumal die Ö Be AG mit Ablauf des im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Ö Ba AG als übernehmende Gesellschaft, nach der Verschmelzung als Ö AG bezeichnet, verschmolzen worden sei.

Im Weiteren bezieht sich die Beschwerde auf Bestimmungen der Richtlinie 2001/14/EG und bringt vor, gemäß Art 4 der Richtlinie müsse die Geschäftsführung des Infrastrukturbetreibers unabhängig sein. An dieser Unabhängigkeit fehle es, zumal die Ö AG 100 %ige Tochtergesellschaft der Ö Holding AG sei, die ihrerseits zu 100 % im Eigentum der Republik Österreich stehe. Zudem bestünden zwischen den jeweiligen Organen Personalidentitäten. Die fehlende Unabhängigkeit und damit verbundene "abstrakte Diskriminierungsmöglichkeit" der Mitbeteiligten habe sich auch schon konkret realisiert, wobei auf das Verfahren Rs C-136/11 vor dem EuGH zu verweisen sei, in dem Verstöße der Mitbeteiligten auf Grund der Diskriminierung gegen ein Eisenbahnverkehrsunternehmen gerade auf Grund der Konzernverbundenheit der Ö releviert würden. Damit sei "rechtlich und auch faktisch erwiesen, dass sowohl die rechtlich technische Umsetzung der Richtlinie der Gemeinnützigkeit widerspricht also auch die mitbeteiligte Partei als Antragstellerin dieses Verfahrens weder auf Grund des Gesetzes noch faktisch gemeinnützig ist bzw agiert".

4.3. Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht aufgezeigt.

4.3.1. Zum Verhältnis zwischen eisenbahnrechtlicher Baugenehmigung und darauf aufbauender Enteignung wird vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die rechtskräftige eisenbahnrechtliche Baugenehmigung den Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn im Sinne des § 2 EisbEG notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festlegt. Vor diesem Hintergrund kann der Eigentümer einer durch den rechtskräftigen Baugenehmigungsbescheid betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren nicht mehr einwenden, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse. Vielmehr ist im Enteignungsverfahren nur mehr zu prüfen, in welchem Umfang eine Enteignung für die Ausführung dieser Maßnahmen erforderlich ist (vgl , , 2003/03/0196, und , 2008/03/0078, je mwN).

Hinsichtlich der von § 1 EisbEG als Voraussetzung des Enteignungsrechts geforderten "Anerkennung" der Gemeinnützigkeit des Eisenbahnunternehmens hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis 2003/03/0196 ausgeführt, dass durch die Verleihung der Konzession an das Eisenbahnunternehmen die Gemeinnützigkeit im Sinne des § 1 EisbEG anerkannt würde und das EisbG eine darüber hinausgehende gesonderte Feststellung der Gemeinnützigkeit das EisbG bei öffentlichen Eisenbahnen - im Gegensatz zu nichtöffentlichen Eisenbahnen (vgl § 52 Abs 1 EisbG) -

nicht vorsieht (vgl dazu auch ).

4.3.2 Warum sich an diesen Grundsätzen durch die Novelle BGBl I Nr 125/2006 etwas geändert haben sollte, sodass die genannte Judikatur, wie die Beschwerde - ohne nähere Ausführungen -

meint, "veraltet" sei, ist schon mangels näherer Darlegung durch die Beschwerde nicht zu sehen:

Mit dieser Novelle wurde das EisbG insofern umstrukturiert, als die vormalige Gliederung des Gesetzes in Teile für öffentliche Eisenbahnen (Abschnitt III, §§ 14 bis 50) und nichtöffentliche Eisenbahnen (Abschnitt IV, §§ 51 bis 53) aufgegeben und durch eine "Gliederung des Gesetzes nach Sachgebieten" ersetzt wurde (vgl RV 1412 BlgNR 22. GP, 6). Dabei wurde der Regelungsinhalt der bisherigen §§ 51 und 52 EisbG im Wesentlichen durch die §§ 17 bis 17b EisbG ersetzt. Während nach der alten Rechtslage in der - neben der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und Betriebsbewilligung für Bau und Betrieb einer nichtöffentlichen Eisenbahn erforderlichen - "Genehmigung" auf Antrag darüber zu entscheiden war, ob dem Eisenbahnunternehmen die Gemeinnützigkeit im Sinne des § 1 EisbEG zuerkannt wird (§ 52 Abs 1 EisbG in der Stammfassung), ist seither hinsichtlich der gemäß § 17 EisbG für nichtöffentliche Eisenbahnen erforderlichen Genehmigung in § 17a Abs 2 EisbG normiert, dass diese nur erteilt werden darf, "wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder wenn das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn die entgegenstehenden Interessen überwiegt (Gemeinnützigkeit der Eisenbahn)".

Die EB (RV, aaO, 6) führen dazu aus:

"In Verbindung mit § 17a, der den selben Wortlaut wie § 14a Abs 3 erster Satz hat, sind auch nicht-öffentliche Eisenbahnen nunmehr schon von Gesetzes wegen als gemeinnützig ausgewiesen. Dies wegen der großen Bedeutung nicht-öffentlicher Eisenbahnen für den Gütertransport auf der Schiene sachlich gerechtfertigt, und auch verwaltungsökonomisch."

Während also zuvor die Gemeinnützigkeit im Einzelfall gesondert in der Genehmigung zuerkannt werden musste, ist nach der geltenden Rechtslage seit der Novelle 2006 die Feststellung der Gemeinnützigkeit automatisch mit der Erteilung der Genehmigung verbunden. Genehmigungsvoraussetzung ist bereits, dass keine öffentlichen Interessen entgegenstehen bzw das öffentliche Interesse am Bau und Betrieb der Eisenbahn in einer Abwägungsentscheidung als überwiegend festgestellt wurde. Warum daraus die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse hinsichtlich des Verhältnisses zwischen eisenbahnrechtlicher Baugenehmigung und darauf aufbauender Enteignung gezogen werden sollten, ist nicht ersichtlich.

Die Umstellung der Regelungen betreffend nichtöffentliche Eisenbahnen durch die genannte Novelle hat an der Rechtsstellung der Mitbeteiligten im Übrigen auch deshalb nichts geändert, weil es sich bei ihr bzw ihren Rechtsvorgängern nicht um nichtöffentliche Eisenbahnen im Sinne des § 1 Abschnitt II EisbG (Stammfassung), also um "Eisenbahnen, die ein Unternehmen vornehmlich für eigene Zwecke betreibt (nicht-öffentlicher Verkehr)" (§ 3 EisbG), handelte.

4.3.3. Auch die von der Beschwerde aufgezeigte Umstrukturierung der Mitbeteiligten durch (offenbar gemeint) BGBl I Nr 95/2009 ändert an deren Rechtsstellung - bezogen auf das Enteignungsrecht nach § 1 EisbEG - nichts Entscheidendes:

§ 1 EisbEG normiert (unverändert seit der Stammfassung), dass die Ausübung des Enteignungsrechtes in dem vollen durch § 365 ABGB zugelassenen Umfange "jedem Eisenbahnunternehmen insoweit zu(steht), als die Gemeinnützigkeit des Unternehmens von der hiezu berufenen staatlichen Verwaltungsbehörde anerkannt ist".

In den EB (365 BlgHH, 8. Sess, 18f, zitiert in Kühne/Hofmann/Nugent/Roth,

Eisenbahnenteignungsgesetz/Eisenbahngesetz (1982), 70) wird dazu Folgendes ausgeführt:

"Eine Nothwendigkeit, im gegenwärtigen Gesetz zu normieren, in welcher Weise und wo die Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Unternehmens zu erfolgen habe, liegt nicht vor, da einerseits dem Abtretungspflichtigen gegenüber genügt, dass der Ausspruch überhaupt geschieht, andererseits es in der Natur der Sache liegt, daß

1. bei Staatsbahnen die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch den Entschluß der Staatsverwaltung zum Baue einer Eisenbahn selbst gegeben ist;

2. bei Privatbahnen die Anerkennung in der Conzessionsurkunde niedergelegt, oder sofern es entweder nicht in derselben geschieht oder eine Conzession im eigentlichen Sinne des Wortes nicht ertheilt wird, in einer anderen Urkunde ausgesprochen werden muß."

Gemäß § 14 Abs 2 EisbG (Stammfassung) bedurfte es "zum Bau und Betrieb von bundeseigenen Eisenbahnen" keiner Konzession.

Die Österreichischen Bundesbahnen wurden durch das Bundesbahngesetz 1969 - BBG (BGBl Nr 137/1969) aus der staatlichen Hoheitsverwaltung in einen eigenen Wirtschaftskörper übergeführt, der einen Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes darstellte (§ 1 Abs 1 BBG 1969), mit der Aufgabe der Beförderung von Personen und Gütern sowie der Herstellung und Unterhaltung aller hiezu notwendigen Einrichtungen (§ 2 Abs 1 BBG 1969).

Durch das Bundesbahngesetz 1992 (BBG 1992, BGBl Nr 825/1992) wurde der als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper ÖBB in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit übergeführt (§ 1 Abs 1 BBG 1992). Aufgabe dieses Unternehmens blieb (weiterhin) "die Beförderung von Personen und Gütern sowie die Herstellung und die Unterhaltung aller hiezu notwendigen Einrichtungen" (§ 1 Abs 3 BBG 1992), Betriebszweck die Sicherstellung einer modernen und leistungsfähigen Verkehrsbedienung.

Wiewohl dieses Gesetz die organisatorische und buchhalterische Trennung der Unternehmensbereiche Infrastruktur und Erbringung von Verkehrsleistungen verlangt (§ 2 Abs 5 BBG 1992), wurde das Unternehmen selbst nicht formal in gesellschaftsrechtlich unabhängige Bereiche getrennt.

Eine solche Trennung erfolgte erst durch die Novelle 2003 (BGBl I Nr 138/2003 - Bundesbahnstrukturgesetz 2003), durch die die bisherige Sonderstellung der ÖBB als Gesellschaft sui generis aufgehoben, die gesellschaftsrechtliche Trennung der Bereiche Absatz und Infrastruktur angeordnet und Aktiengesellschaften ohne gesetzliche Sonderbestimmungen geschaffen wurden: Die ÖBB wurden in eine Holding-Konstruktion umstrukturiert, wobei Unternehmensgegenstand der Ö Holding AG, deren Anteile zu 100 % dem Bund vorbehalten sind (§ 2 Abs 1 leg cit), die Umstrukturierung der ÖBB und die Ausübung der Anteilsrechte (an den ÖBB und den umstrukturierten Gesellschaften und sonstigen Gesellschaften) ist (§ 4 Abs 1 leg cit). Der Infrastrukturbereich wurde in zwei selbständige Gesellschaften aufgegliedert, die Ö Be AG (7. Hauptstück, §§ 25 bis 28), deren Aufgabe insbesondere die eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens ist (§ 26), und die Ö Ba AG (8. Hauptstück, §§ 29 bis 35), deren Aufgabe insbesondere Planung und Bau von Schieneninfrastruktur einschließlich von Hochleistungsstrecken, sowie die zur Verfügungstellung von Schieneninfrastruktur ist (§ 31).

Gemäß § 51 Abs 1 BBG idF der Novelle 2003 bedarf die Ö Be AG zum Bau und zum Betrieb von Haupt- und Nebenbahnen keiner Konzession nach dem EisbG; ebenso wenig die Ö Ba AG, soweit sie in Erfüllung ihrer Aufgaben (§ 31) tätig ist; ihr kommen für die Planung und dem Bau neuer Schieneninfrastrukturvorhaben die Rechte und Pflichten eines Eisenbahnunternehmens zu (§ 51 Abs 2 leg cit).

Diese Aufspaltung der Infrastruktur in zwei unabhängige Gesellschaften wurde durch die Novelle BGBl I Nr 95/2009 wieder rückgeführt, die Ö Be AG mit Ablauf des im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit der Ö Ba AG als übernehmende Gesellschaft verschmolzen, wobei die Firma der übernehmenden Gesellschaft nunmehr Ö Aktiengesellschaft lautet (§ 29a BBG idF der genannten Novelle).

Aufgabe der neuen Gesellschaft ist nach § 31 Abs 1 BBG insbesondere die eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens, indem eine bedarfsgerechte und sichere Schieneninfrastruktur geplant, gebaut, instandgehalten, bereitgestellt und betrieben wird.

Gemäß § 51 BBG in der seither geltenden Fassung bedarf die Ö AG zum Bau und zum Betrieb von Haupt- und Nebenbahnen keiner Konzession nach dem EisbG; schon für Planung und Bau neuer Schieneninfrastrukturvorhaben kommen ihr die Rechte und Pflichten eines Eisenbahnunternehmens zu.

Auch wenn daher die Ausnahme von der Konzessionspflicht für "bundeseigene Eisenbahnen" (§ 14 Abs 2 EisbG in der Stammfassung), also vom Bund als unmittelbarer Eigentümer selbst betriebene Eisenbahnen, seit der dargestellten rechtlichen Ausgliederung der ÖBB aus dem Bund nicht mehr greift, bedarf die Mitbeteiligte, der für Planung und Bau neuer Schieneninfrastrukturvorhaben die Rechte und Pflichten eines Eisenbahnunternehmens zukommen, für Bau und Betrieb von Haupt- und Nebenbahnen gemäß § 51 BBG keiner Konzession.

4.3.4. Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich einer Enteignung (vgl etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , VfSlg 18239) ist nicht (allein) entscheidend, dass der Enteignungswerber bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllt ("Gemeinnützigkeit"), vielmehr ist zudem erforderlich, dass das konkrete Projekt, das durch Enteignung umgesetzt werden soll, "gemeinnützig" in dem Sinn ist, dass die öffentlichen Interessen an seiner Verwirklichung gegenläufige (öffentliche oder private) Interessen übersteigen; insofern ist also eine "projektbezogene" Gemeinnützigkeit erforderlich. Deren Vorliegen wurde im Beschwerdefall - für das vorliegenden Enteignungsverfahren bindend - mit der rechtskräftig erteilten Genehmigung vom festgestellt.

4.3.5. Einzugehen bleibt auf das Beschwerdevorbringen, die Richtlinie 2001/14/EG belege das Fehlen der Gemeinnützigkeit der Mitbeteiligten.

Auch dieses Vorbringen geht fehl:

Diese Richtlinie - Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur, ABl Nr L 75 vom - (iF: RL) regelt Grundsätze und Verfahren für die Festlegung und Berechnung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn (Art 1 Abs 1 RL), trifft im Wesentlichen also Regelungen betreffend die Nutzung, nicht aber hinsichtlich der Schaffung von Eisenbahninfrastruktur, insbesondere durch Regelungen von Voraussetzungen für zwangsweise Inanspruchnahme von für die Schaffung von Eisenbahninfrastruktur erforderlichen Grundflächen Dritter. Schon deshalb ist das darauf bezogene Vorbringen der Beschwerde nicht zielführend.

Gleiches gilt für den Hinweis der Beschwerde auf das anhängige Vorabentscheidungsverfahren zu Rs C-136/11, in dem vom Fragen über die Verpflichtung des Eisenbahninfrastrukturbetreibers zur Information hinsichtlich fahrplanmäßiger Abfahrtszeiten, Echtzeitdaten bzw Verspätungen und Ausfällen von Zügen beantwortet wurden.

4.4. Es lässt daher schon der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Dem steht auch Art 6 EMRK nicht entgegen:

Der EGMR sieht den Entfall der nach Art 6 Abs 1 EMRK grundsätzlich gebotenen öffentlichen Verhandlung dann als zulässig an, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Ausnahme davon rechtfertigen (vgl etwa die Urteile des EGMR in den Fällen Jussila gegen Finnland, , Nr 73053/01; Bösch gegen Österreich, , Nr 17912/05; Hofbauer gegen Österreich 2, , Nr 7401/04). Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände etwa dann angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen betrifft; der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier insofern geklärt, als das Vorliegen einer rechtskräftigen eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung, mit der der Umfang der für die Herstellung und den Betrieb der Eisenbahn notwendigen Baumaßnahmen verbindlich festgelegt wurde, von der Beschwerde ebensowenig in Frage gestellt wird wie die Notwendigkeit der Einbeziehung der verfahrensgegenständlichen Grundflächen zur Umsetzung des gegenständlichen Projekts.

Bei der Beurteilung, ob aufbauend auf diesem Sachverhalt die gegenständlichen Grundflächen enteignet werden dürfen, handelt es sich deshalb ausschließlich um eine Rechtsfrage. Da somit keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, steht Art 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am