VwGH vom 31.01.2017, Ra 2016/03/0010

VwGH vom 31.01.2017, Ra 2016/03/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl KLVwG- 1962/4/2015, betreffend Versagung eines Waffenpasses (mitbeteiligte Partei: W S in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Mit Bescheid vom wies die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft (BH) den Antrag der mitbeteiligten Partei vom auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 WaffG ab.

2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündliche Verhandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm §§ 21 Abs 2, 22 Abs 2 WaffG Folge und hob den Bescheid auf. Ferner wurde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses stattgegeben und der revisionswerbenden BH aufgetragen, einen Waffenpass für eine Schusswaffe der Kategorie B für die mitbeteiligte Partei auszustellen und diesen entsprechend zu vergebühren (Spruchpunkt I.). Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig (Spruchpunkt II.).

3 Begründend wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die mitbeteiligte Partei ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei und über eine Dienstwaffe (Schusswaffe der Kategorie B) verfüge. Sie sei derzeit im Bereitschaftsdienst in W tätig und werde zu verschiedensten Einsätzen gerufen, die auch ins Drogenmilieu, zu Familienstreitigkeiten oder zu bewaffneten Raubüberfällen führen könnten; sie sei auch bei Demonstrationen eingesetzt (dabei habe sie auch mit "Linksradikalen" oder mit "Fußballrowdys" zu tun). Bei einer Festnahme im Zuge eines bewaffneten Raubüberfalles habe der Beschuldigte Drohungen gegen die Polizeibeamten, auch gegen die mitbeteiligte Partei, ausgesprochen (nach Haftentlassung würde er "die Polizeibeamten aufspüren und sie erschießen"). Diese Drohung sei besonders ernst zu nehmen, weil der Täter bereits einschlägig vorbestraft sei, die mitbeteiligte Partei auf Grund einer speziellen Kennung auf der Uniform leicht erkennbar sei und nur vor der Dienststelle zur Umsetzung dieser Drohung abgepasst werden müsste. Zudem habe der Dienstvorgesetzte in einer Stellungnahme bemerkt, dass für den Mitbeteiligten der Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen gegeben sei. Dass sich diese Drohung nicht nur als Gefahr während der Dienstzeit darstelle, sondern auch auf Zeiten außerhalb des Dienstes beziehe, ergebe sich weiters schon aus der Drohung selbst. Damit sei die mitbeteiligte Partei (neben einem erhöhten Sicherheitsrisiko als Polizeibeamter) zusätzlich einer besonderen Gefahr ausgesetzt, die das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahren erheblich übersteige. Da die drohende Person bereits wegen bewaffneten Raubes einschlägig vorbestraft sei, sei bei der Person des Drohenden eine entsprechende Gewaltbereitschaft mit Waffen anzunehmen, der mit alternativen Verteidigungstechniken nicht wirksam begegnet werden könnte. Die ordentliche Revision sei insbesondere deshalb unzulässig, weil die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweiche.

4 B. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der BH, mit der insbesondere beantragt wird, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

II. Erwägungen

5 Das Verwaltungsgericht hatte im vorliegenden Fall die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Novelle zum WaffG, BGBl I Nr 120/2016, zu beachten. Zum Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen ist zunächst auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2016/03/0109, mwH, hinzuweisen, worauf gemäß § 43 Abs 2 und 9 VwGG verwiesen wird.

6 Das Verwaltungsgericht hat die in diesem Beschluss wiedergegebenen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt bei seiner Entscheidung nicht beachtet.

7 Auf dem Boden der Feststellungen des Verwaltungsgerichtes führt die mitbeteiligte Partei während ihrer Dienstzeit als Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ohnehin eine Dienstwaffe. Da das WaffG auf Menschen hinsichtlich jener Waffen und Munition, die ihnen auf Grund eines öffentlichen Dienstes oder Amtes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffe zugeteilt worden sind, nicht anzuwenden ist (vgl § 47 Abs 1 Z 2 lit a WaffG), können die Regelungen betreffend den Bedarf einer dem WaffG unterliegenden Waffe nicht zum Tragen kommen.

8 Wenn die mitbeteiligte Partei den Bedarf zum Führen einer Schusswaffe nach dem WaffG mit möglichen Gefährdungen in der Freizeit auf Grund ihrer dienstlichen Tätigkeiten begründet, ist festzuhalten, dass die Abwehr einer allgemeinen Gefahr wie der rechtswidrigen Verwirklichung des Tatbestands einer rechtlich strafbaren Handlung (die vorsätzlich begangen wird) nach dem StGB auf dem Boden des Sicherheitspolizeigesetzes den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (die für die Sicherheitsbehörde den Exekutivdienst versehen) zukommt. Es kann daher die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden in Anspruch genommen werden, um einen befürchteten Eintritt von Notwehrsituationen hintanzuhalten (vgl die zitierte hg Entscheidung Ra 2016/03/0109, mwH). Weiters ist auf die Ausführungen in dieser Entscheidung zur Fürsorgepflicht des Dienstgebers einschließlich der Ermöglichung des Führens einer Dienstwaffe außerhalb der Dienstzeit bei Fortwirken einer entsprechenden dienstlichen Gefahrenlage hinzuweisen. Dies gilt insbesondere auch für die vom Verwaltungsgericht angenommene besondere Gefahrenlage für die mitbeteiligte Partei im Hinblick auf eine im Rahmen einer Festnahme infolge eines Raubüberfalls vorgenommenen Drohung.

9 Aus der dort wiedergegebenen Leitlinie der Rechtsprechung, wonach es nicht einsichtig ist, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die sich außerhalb des Dienstes befinden, mit einer anderen Schusswaffe tätig werden sollen als mit einer ihnen zur Verfügung gestellten Dienstwaffe, ergibt sich, dass diese Überlegung (umso mehr) für die Zeit innerhalb des Dienstes zum Tragen kommt, für die ohnehin jedenfalls eine Dienstwaffe zur Verfügung steht.

10 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass § 1 Abs 3 der Richtlinien-Verordnung, BGBl Nr 266/1993 (RLV), von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Erfüllung ihrer Aufgabe ein Einschreiten außerhalb des Dienstes nur dann verlangt, wenn ihnen dies (sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind) nach den eigenen Umständen zumutbar ist (vgl (VwSlg 18.256 A/2011), worauf ebenfalls gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird). Deshalb kommt ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Dienstes nicht in die Lage, sich unbewaffnet einer ihm zwangsläufig erwachsenen Gefahr aussetzen zu müssen, der am zweckmäßigsten nur mit Waffengewalt begegnet werden kann, wie dies § 22 Abs 2 WaffG verlangt (Gleiches gilt etwa hinsichtlich der sich aus § 43 Abs 1 und Abs 3 BDG ergebenden Dienstpflichten). Im WaffG befindet sich im Übrigen auch keine Grundlage dafür, für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreffend ihnen nach diesem Gesetz erteilte Berechtigungen zum Führen von Waffen anzuordnen, dass diese während der Dienstzeit oder für die Zeit außerhalb des Dienstes eine solche Waffe führen oder das Führen einer solchen Waffe zu erwarten, wobei (wie erwähnt) die Fürsorgepflicht des Dienstgebers auch die Ermöglichung des Führens einer Dienstwaffe außerhalb der Dienstzeit bei Fortwirken einer entsprechenden dienstlichen Gefahrenlage betrifft (vgl § 47 Abs 1 Z 2 lit a WaffG sowie ) und auch ein Einschreiten nach § 1 Abs 3 RLV außerhalb der Dienstzeit grundsätzlich die Verwendung der Dienstwaffe bedingt, zumal nicht einsichtig ist, dass ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei seinem dienstlichen Einschreiten mit einer anderen Schusswaffe tätig werden soll als mit der ihm zur Verfügung gestellten Dienstwaffe (vgl dazu nochmals VwSlg 18.256 A/2011).

III. Ergebnis

11 A. Die angefochtene Entscheidung war daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12 B. Da nach § 48 Abs 3 VwGG einer mitbeteiligten Partei nur für den Fall der Abweisung der Revision Anspruch auf Aufwandersatz zusteht, geht ihr Antrag auf Aufwandersatz in der Revisionsbeantwortung fehl.

13 C. Für das fortgesetzte Verfahren ist auf die in Art 6 des Deregulierungs- und Anpassungsgesetzes 2016 - Inneres, BGBl I Nr 120/2016, enthaltene Neufassung des § 22 Abs 2 WaffG hinzuweisen, die mit in Kraft tritt.

Wien, am