zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 01.03.2017, Ra 2016/03/0001

VwGH vom 01.03.2017, Ra 2016/03/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. J K, Rechtsanwalt in I, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl LVwG- 2015/14/2479-1, betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer; weitere Partei:

Bundesminister für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Tiroler Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies die Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Bestimmung einer Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO für die in einer bestimmten Strafsache beim Landesgericht Innsbruck erbrachten anwaltlichen Leistungen im Kalenderjahr 2011 (in der Höhe von EUR 49.068,88) gemäß § 16 Abs 4 RAO ab. Der dagegen gerichteten Vorstellung gab die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde mit Bescheid vom keine Folge.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gemäß § 28 VwGVG sowie § 23 Abs 6 RAO als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1.), weiters wurde die ordentliche Revision dagegen gemäß § 25a VwGG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt 2.). Der revisionswerbende Rechtsanwalt sei im Zeitraum vom bis zum als Verteidiger des Angeklagten im gegenständlich relevanten Strafverfahren tätig gewesen, am sei durch die zuständige Richterin vom Landesgericht Innsbruck beschlossen worden, dem Angeklagten einen Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 61 Abs 2 StPO beizustellen; in diesem Beschluss sei vermerkt, dass sich der revisionswerbende Rechtsanwalt bereiterklärt habe, die Verfahrenshilfe zu übernehmen. Mit Bescheid der Abteilung 1 des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom sei er dann zum Verfahrenshelfer bestellt worden. Bis zum Zeitpunkt der Bestellung als Verfahrenshelfer sei die revisionswerbende Partei als gewillkürter Rechtsvertreter eingeschritten, weshalb darauf gestützt ein Anspruch auf Entlohnung gegenüber dem Vertretenen bestünde. Nach § 61 Abs 4 StPO gelte die Beigebung eines Verfahrenshelferverteidigers, wenn das Gericht nicht im Einzelnen anderes anordne, jedenfalls für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss. Eine solche Anordnung des die Beigebung verfügenden Landesgerichts sei nicht erfolgt. Damit sei Verfahrenshilfe für die Zeit vor dem nicht gewährt worden. Gegen den Beschluss über die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers hätte auch der revisionswerbenden Partei als dem von der Rechtsanwaltskammer bestellten Verteidiger das Rechtsmittel der Beschwerde offengestanden, der Bestellungsbeschluss sei von ihr aber nicht angefochten worden. Im Zeitraum vom bis zur Beendigung des Verfahrens erster Instanz am habe die revisionswerbende Partei als Verfahrenshelfer lediglich sieben Hauptverhandlungstage absolviert. Die Rechtsmittelfrist sei nicht im Sinn des § 285 StPO verlängert worden. Damit sei aber die Voraussetzung für einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO, dass der zum Verfahrenshelfer bestimmte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig werde, nicht erfüllt. Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision wird wie folgt begründet:

"Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einen solchen. Der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen ist eindeutig."

3 Über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen:

4 Da (worauf die Revision zutreffend hinweist) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der hier einschlägigen Problematik nicht ausreichend besteht, erweist sich die Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes als zulässig.

5 Zum Inhalt des § 16 Abs 4 RAO wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/03/0088, hingewiesen. § 61 Abs 4 Strafprozessordnung 1975 lautet:

"(4) Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gilt, wenn das Gericht nicht im Einzelnen etwas anderes anordnet, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sowie für ein allfälliges Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde oder eines Antrages auf Erneuerung des Strafverfahrens."

6 Unstrittig erfolgte die Beigebung der revisionswerbenden Partei als Verfahrenshilfeverteidiger - die dazu zuvor ihr Einverständnis erklärte - im gegenständlichen Strafverfahren erst zu einem Zeitpunkt, als in diesem Strafverfahren bereits vier der insgesamt elf Verhandlungstage absolviert waren. Da vom beigebenden Gericht nichts anderes im Einzelnen angeordnet wurde, konnte diese Beigebung nach dem Wortlaut des § 16 Abs 4 RAO nur für das weitere, lediglich sieben Verhandlungstage umfassende, Strafverfahren zum Tragen kommen. Die Entscheidung, mit der die Beigebung verfügt wurde, blieb unbekämpft und wurde damit rechtskräftig. Ausgehend davon hat die revisionswerbende Partei lediglich sieben Verhandlungstage der insgesamt elf stattgefundenen Verhandlungstage des gegenständlichen Strafverfahrens als Verfahrenshelfer absolviert. Damit erscheint es aber nicht als rechtswidrig, wenn das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kam, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs 4 RAO im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Weder aus dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei noch aus dem Akteninhalt ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass im Revisionsfall alternative Voraussetzungen (Tätigwerden für insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden bzw Verlängerung der Ausführungsfrist für ein Rechtsmittel iSd § 16 Abs 4 zweiter Satz RAO) für eine angemessene Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO vorlägen. Der Hinweis, mit dieser Entscheidung würde ein einseitiges Risiko des Verfahrenshilfeersuchenden begründet und der Richtlinie 2003/8/EG zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesshilfe in derartigen Streitsachen, ABl L 26 vom , S 41, widersprochen, geht fehl. Die genannte Richtlinie erscheint schon deshalb nicht einschlägig, weil auch nach dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass es sich im vorliegenden Fall um eine grenzüberschreitende Streitigkeit im Sinn des Art 2 dieser Richtlinie gehandelt hätte (um eine solche grenzüberschreitende Streitsache handelt es sich nur dann, wenn die im Rahmen dieser Richtlinie Prozesskostenhilfe beantragende Partei den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Gerichtsstandes oder dem Vollstreckungsstaat hat). In einem Fall wie dem vorliegenden wird - entgegen der Revision - ferner dem "Verfahrenshilfesuchenden" nach § 16 Abs 4 RAO sowie der darauf gestützten Entscheidung des Verwaltungsgerichts schon deshalb nicht einseitig das Risiko eines Rechtsmittelverfahrens aufgebürdet, weil sich § 16 Abs 4 leg cit nicht an den Verfahrenshilfesuchenden (hier: den Angeklagten im gegenständlichen Strafverfahren) richtet, sondern an einen zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt. Schon von daher erscheint der Hinweis auf die Entscheidung VfSlg 11.196/1986 nicht zielführend. Weiters begründet § 16 Abs 4 RAO auch für den seinerzeit zum Verfahrenshelfer bestellten Revisionswerber kein einseitiges Rechtsschutzrisiko. Ausgehend von den sich aus den Feststellungen ergebenden unstrittigen zeitlichen Gegebenheiten im gegenständlichen Strafverfahren musste ihm, als er (unstrittig) sein Einverständnis zur Verfahrenshelferbestellung im Zuge der Antragstellung seitens des Angeklagten erklärte, bewusst sein, dass die Bestellung erst im Rechtsmittelweg zu einem Zeitpunkt erfolgen kann, als ein Teil der Verhandlungstage bereits absolviert war. Er kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine durch die Übernahme der Verfahrenshilfe bedingte Belastung einen iSd § 16 Abs 4 RAO zu vergütenden Arbeitsaufwand darstelle, zumal nach dieser Bestimmung auch ausschlaggebend ist, dass die sich aus der Bestellung ergebende Vertretungsverpflichtung eines Verfahrenshelfers diesen - anders als vorliegend - ohne dessen Ingerenz trifft (vgl , mwH). Da alle Verhandlungstage gegenständlich ohnehin im selben Kalenderjahr stattfanden, kann es entgegen der Revision schließlich dahinstehen, ob sich ein Anspruch nach § 16 Abs 4 RAO auch für in mehreren Kalenderjahren liegende Verhandlungstage ergeben kann.

7 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der für die Partei iSd § 21 Abs 1 Z 2 VwGG als obsiegende Partei mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbundene Schriftsatzaufwand in § 1 Z 1 lit a der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 mit EUR 553,20 festgesetzt ist.

Wien, am